Entscheidungsdatum
09.08.2021Index
82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Larcher über die Beschwerde der AA, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 7.7.2020, Zl ***,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Beim Landesverwaltungsgericht Tirol behängt zur Aktenzahl 2020/23/1522 ein Verwaltungsstrafverfahren gegen die Beschwerdeführerin in Zusammenhang mit der COVID-19-Lockerungsverordnung in Folge der COVID-19 Pandemie.
Der Beschwerdeführerin AA wird dabei durch das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom **.**.****, zu Zahl ***, zur Last gelegt, dass Sie als Gewerbeinhaberin des reglementierten Gewerbes „Gastgewerbe in der Betriebsart Restaurant" im **** Z, Adresse 2, welche eine Betriebsstätte der Betriebsart des Gastgewerbes darstellt, nicht dafür Sorge getragen habe, dass die Betriebsstätte nur im Zeitraum zwischen 06:00 Uhr und 23:00 Uhr betreten werden dürfe, obwohl das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe gemäß COVID-19-Lockerungsverordnung, COVID-19-LV, idF BGBl. II Nr. 207/2020 nur unter der Voraussetzung zulässig sei, wenn der Betreiber das Betreten der Betriebsstätte für Kunden nur im Zeitraum zwischen 06.00 und 23.00 Uhr zulasse. Restriktivere Sperrstunden und Aufsperrstunden aufgrund anderer Rechtsvorschriften blieben unberührt. Es sei festgestellt worden, dass am 13.06.2020 gegen 02:05 Uhr noch mehrere Gäste im und vor dem Lokal aufhältig gewesen wären.
Dadurch habe die Beschuldigte gegen §§ 1, 2 Z 1 und 3 Abs. 2 COVID-19-Maßnahmengesetz, StF: BGBl I Nr 12/2020 idF BGBl I Nr. 23/2020 iVm § 6 Abs. 1 und 2 COVID-19-LV, BGBl II Nr 197/2020 idF BGBl II Nr 246/2020 verstoßen und es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von 3.000.- € (Ersatzfreiheitsstrafe 33 Stunden) über sie verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Ausgehend von einem Normenprüfungsantrag des Landesverwaltungsgerichtes Tirol in diesem Verfahren hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 8.6.2021, V 576/2020-7, festgestellt, dass § 6 Abs 2 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden, COVID-19-LV, BGBl II 197/2020, idF BGBl II 207/2020 gesetzeswidrig war, sowie dass die als gesetzeswidrig festgestellten Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind.
Weiters hat der Verfassungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 1.10.2020, G272/2020 § 6 Abs 1 und 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden (COVID-19-Lockerungsverordnung – COVID-19-LV), BGBl II Nr 197/2020, idF BGBl II Nr 207/2020 als gesetzwidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die als gesetzeswidrig festgestellten Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind.
II. Erwägungen:
Der Beschwerdeführerin wird im vorliegenden Fall sowohl eine Übertretung des § 6 Abs 1 und 2 COVID-19-LV, BGBl II 197/2020, idF BGBl II 207/2020 zur Last gelegt. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinen oben zitierten Erkenntnissen festgestellt, dass diese Bestimmungen gesetzwidrig waren, sowie dass diese Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind. Folglich waren die der Beschwerdeführerin vorgeworfene Übertretung entgegen der Feststellung im Spruch des angefochtenen Bescheides zum Tatzeitpunkt nicht verboten. Aus diesem Grund war das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.
Vor diesem Hintergrund konnte gemäß § 44 Abs 2 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Larcher
(Vizepräsident)
Schlagworte
COVID-19-Lockerungsverordnung; gesetzwidrige Bestimmungen;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2020.23.1522.7Zuletzt aktualisiert am
10.09.2021