Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §73 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des K in M, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 10. Februar 1995, Zl. 12.008/157-I.5/1994, betreffend Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht i.A. Zurückzahlung der Gebühr nach § 8 Abs. 2 des Vollzugs- und Wegegebührengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der beschwerdeführende Kreditverein hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der beschwerdeführende Kreditverein behauptete gleichzeitig mit einem Rekurs, mit dem der Auftrag des Exekutionsgerichtes an den Rechnungsführer, den Betrag von S 26.600,-- an den Gerichtsabgeordneten auszuzahlen, bekämpft wurde, auch einen am 1. Juni 1993 beim Bezirksgericht Wiener Neustadt eingelangten Rückerstattungsantrag nach § 8 Abs. 2 des Vollzugs- und Wegegebührengesetzes (VWG) über einen Betrag von S 25.420,-- eingebracht zu haben. Dieser Rückerstattungsantrag blieb bei Gericht bislang unauffindbar. Eine Entscheidung darüber erfolgte daher zunächst nicht.
Mit der beim Verwaltungsgerichtshof am 3. Dezember 1993 eingelangten Säumnisbeschwerde machte der beschwerdeführende Kreditverein die Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Vorsteher des Bezirksgerichtes Wr. Neustadt geltend, wobei die Rechtsauffassung vertreten wurde, das Verfahren nach dem VWG sei nur bruchstückhaft geregelt. Es hätten die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens zur Anwendung zu kommen. Die Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde ergebe sich daraus, daß ein Devolutionsrecht nicht zu diesen Grundsätzen gehöre.
In dem die Säumnisbeschwerde zurückweisenden Beschluß vom 17. Februar 1994, 93/16/0196, hielt der Verwaltungsgerichtshof dieser Rechtsauffassung entgegen, daß gemäß der Vorschrift des § 8 Abs. 2 VWG über Anträge auf Zurückzahlung im Justizverwaltungsweg zu entscheiden sei. In Justizverwaltungssachen bestehe aber einerseits ein administrativer Instanzenzug, der bis zum Bundesminister für Justiz gehe. Andererseits stehe der Partei gegen "Verzögerungen" das Institut der Beschwerde gemäß § 78 GOG zu. Damit habe es der beschwerdeführende Kreditverein in der Hand, im Justizverwaltungsweg Abhilfe gegen die behauptete Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde zu suchen.
In dem an den Präsidenten des Landesgerichtes
Wiener Neustadt gerichteten Schriftsatz vom 15. April 1994 vertrat der beschwerdeführende Kreditverein auf Grund des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1994 die Ansicht, im VWG gebe es ein Devolutionsrecht, und beantragte den Übergang der Entscheidungspflicht an den Präsidenten des Landesgerichtes Wiener Neustadt. Dieser möge auch über den Rückerstattungsanspruch entscheiden.
Mit Bescheid vom 25. April 1994 wies der Präsident des Landesgerichtes Wiener Neustadt den in Rede stehenden Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht zurück. Dies im wesentlichen mit der Begründung, der genannte Rückerstattungsantrag sei nicht vorhanden, es bestehe mangels einer erwiesenen Verletzung der Entscheidungspflicht derzeit weder ein Anlaß für eine Devolution noch zur Ergreifung von dienstaufsichtsbehördlichen Maßnahmen gegen den Vorsteher des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien brachte der beschwerdeführende Kreditverein unter Stellung von Beweisanträgen vor, der in Rede stehende Schriftsatz betreffend Rückerstattungsantrag sei beim Bezirksgericht Wiener Neustadt eingelangt.
Der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien gab der Berufung mit Bescheid vom 8. Juni 1994 mit der Begründung keine Folge, es könne dahingestellt bleiben, ob der Rückerstattungsantrag beim Bezirksgericht Wiener Neustadt eingelangt sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hätten Justizverwaltungsbehörden das AVG nicht anzuwenden, es seien aber die darin niedergelegten allgemeinen Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens zu beachten. Dazu zähle der Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG nicht, weil es sich dabei um eine durch positiv rechtliche Anordnung geschaffene Rechtsschutzeinrichtung handle, die sich nicht schon aus den allgemeinen, für jedes rechtsstaatliche Verfahren gültigen Rechtsgrundsätzen ergebe.
Gegen diesen Bescheid erhob der beschwerdeführende Kreditverein Berufung an den Bundesminister für Justiz und vertrat dabei die Ansicht, der Verwaltungsgerichtshof habe mit dem Erkenntnis (richtig wohl: Beschluß) vom 17. Februar 1994 das Devolutionsrecht im Beschwerdefall anerkannt, zumal der Gerichtshof die Möglichkeit einer Säumnisbeschwerde gegen die erste Instanz verneine.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab der Bundesminister für Justiz der Berufung mit Bescheid vom 10. Februar 1995 keine Folge. In der Begründung wurde ausgeführt, aus rechtlichen Überlegungen sei die Frage, ob der Rückerstattungsantrag beim Bezirksgericht Wiener Neustadt tatsächlich am 1. Juni 1993 eingelangt sei und dieses Gericht daher seine Entscheidungspflicht verletzte, irrelevant. Gemäß § 8 Abs. 2 VWG sei über Anträge auf Rückzahlung im Justizverwaltungsweg zu entscheiden. Das AVG sei von Justizverwaltungsbehörden nicht anzuwenden, die darin niedergelegten allgemeinen Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens seien jedoch zu beachten. Dazu zähle nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG nicht, weil es sich dabei um eine durch positiv-rechtliche Anordnung geschaffene Rechtsschutzeinrichtung handle. Aus dem Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1994 lasse sich entgegen der Ansicht des beschwerdeführenden Kreditvereins nicht ableiten, daß der Gerichtshof von seiner ständigen Rechtsprechung abgegangen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof setze sich mit der Frage, ob die Möglichkeit der Devolution ein Grundsatz eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens sei und demnach auch im Verwaltungsverfahren zur Anwendung kommen müßte, welches nicht nach dem AVG geführt werde, nicht auseinander. § 78 GOG, auf welchen auch der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich verweise, sehe bei Beschwerden gegen Gerichtsvorsteher oder Richter wegen Verweigerung oder Verzögerung der Rechtspflege in seinem Abs. 1 zweiter Satz vor, daß die Beschwerde dem betreffenden Gericht oder Richter mit der Aufforderung mitzuteilen sei, binnen bestimmter Frist der Beschwerde abzuhelfen und darüber Anzeige zu erstatten oder die entgegenstehenden Hindernisse bekanntzugeben. Angesichts des eindeutigen Wortlautes des Gesetzes sei eine Interpretation dieser Bestimmung in dem Sinn, daß das Rechtsinstitut des Devolutionsantrages im Justizverwaltungsverfahren anzuerkennen sei, nicht möglich. Ob sich aus der Argumentation des Verwaltungsgerichtshofes und seinem Hinweis auf die Möglichkeit, daß eine Beschwerde nach § 78 GOG Abhilfe schaffe, ein Rechtsanspruch eines Beschwerdeführers auf ein Vorgehen der Justizverwaltungsbehörden nach § 78 GOG ableiten lasse, könne im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der beschwerdeführende Kreditverein erachtet sich in seinem Recht auf Rechtsschutz gegen die vorliegende Säumnis in dieser Justizverwaltungsangelegenheit und außerdem in dem Recht, die Verletzung der Entscheidungspflicht durch Devolutionsantrag geltend zu machen, verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der beschwerdeführende Kreditverein replizierte auf die Gegenschrift der belangten Behörde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 8 Abs. 2 VWG ist über Anträge auf Rückzahlung von Vollzugs- und Wegegebühren im Justizverwaltungsweg zu entscheiden.
Die Entscheidung nach dieser Bestimmung hat durch einen Bescheid des Vorstehers des Gerichtes zu ergehen (vgl. Tschugguel-Pötscher, Gerichtsgebühren5, 432).
Der Devolutionsantrag ist im § 73 Abs. 2 AVG und im § 311 BAO geregelt. Da Justizverwaltungsbehörden das AVG bzw. die BAO nicht anzuwenden haben, kommt jedenfalls eine direkte Anwendung der genannten Bestimmungen und damit auch ein Devolutionsantrag in Justizverwaltungssachen nicht in Frage. Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts vertreten in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, daß auch von jenen Behörden, die das AVG und die BAO nicht anzuwenden haben, die darin niedergelegten allgemeinen Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens zu beachten sind. Zu diesen allgemeinen Verfahrensgrundsätzen zählt jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG bzw. 311 BAO nicht (vgl. VwSlg. 2420/A). Der Verwaltungsgerichtshof sieht auch aus Anlaß des Beschwerdefalles keinen Grund, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Der Verwaltungsgerichtshof ist auch mit dem bereits angeführten Beschluß vom 17. Februar 1994 von dieser Rechtsprechung nicht abgegangen. In diesem Beschluß ist weder direkt noch indirekt auf die Möglichkeit der Stellung eines Devolutionsantrages Bezug genommen worden. In der genannten Entscheidung wurde lediglich ausgeführt, in Justizverwaltungssachen sei die sofortige Säumnisbeschwerde bei Untätigkeit der ersten Instanz unzulässig, weil ein Instanzenzug zur Verfügung stehe und der beschwerdeführende Kreditverein gegen "Verzögerungen" nach § 78 GOG Abhilfe suchen könne. Weder aus dem Vorhandensein des erwähnten Instanzenzuges noch aus § 78 GOG ergibt sich jedoch zwingend die Zulässigkeit eines Devolutionsantrages. § 78 GOG sieht vielmehr bei Beschwerden gegen Gerichtsvorsteher oder Richter wegen Verweigerung oder Verzögerung der Rechtspflege in seinem Abs. 1 zweiter Satz vor, daß die Beschwerde dem betreffenden Gericht oder Richter mit der Aufforderung mitzuteilen ist, binnen bestimmter Frist der Beschwerde abzuhelfen und darüber Anzeige zu erstatten oder die entgegenstehenden Hindernisse bekanntzugeben. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat somit in dem bereits genannten Beschluß vom 17. Februar 1994 die Auffassung, daß in Angelegenheiten des VWG bei behaupteter Säumnis bei der Entscheidung über den Antrag auf Zurückzahlung nach § 8 Abs. 2 VWG vor Erhebung der Säumnisbeschwerde zunächst Beschwerde im Verwaltungsbereich des Gerichtes gemäß § 78 GOG zu erheben ist. Erst dann, wenn dieser Beschwerde keine Entscheidung in der Sache innerhalb der allgemeinen Entscheidungsfrist folgt, ist eine Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig. Andernfalls wäre nämlich im Fall der Untätigkeit des über den Antrag auf Zurückzahlung nach § 8 Abs. 2 VWG zuständigen Vorstehers des Gerichtes stets unmittelbar Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, ohne daß vorher das im Verwaltungsbereich in Gestalt des Antrages gemäß § 78 GOG ohnehin vorhandene Instrument eingesetzt werden müßte. § 78 GOG wäre dadurch in Fällen wie den vorliegenden seines Anwendungsbereiches entkleidet und sinnlos. Der in Justizverwaltungssachen nach der im Beschluß vom 17. Februar 1994, 93/16/0196, angeführten Literatur und Judikatur bestehende, inhaltlich nicht näher ausgestaltete "Instanzenzug" beinhaltet jedenfalls auch die Ergreifung des Rechtsbehelfes der Beschwerde gemäß § 78 GOG. Daß dieser Rechtsbehelf insbesondere auch in Angelegenheiten der Justizverwaltung anwendbar ist, ergibt sich (ungeachtet des in der zitierten Gesetzesstelle verwendeten Begriffes "Rechtspflege") vor allem aus dem Umstand, daß gerade für den Bereich der Gerichtsbarkeit im Wege der Wertgrenznovelle 1989, BGBl. Nr. 343 (Art. XII Z. 7), das spezielle Instrument des Fristsetzungsantrages gemäß § 91 GOG geschaffen wurde. Wäre allein dafür schon § 78 GOG zur Verfügung gestanden, dann hätte es der Schaffung des Fristsetzungsantrages gar nicht bedurft. Aus all dem ergibt sich, daß die besonderen Prozeßvoraussetzungen des § 27 VwGG für die Erhebung einer Säumnisbeschwerde in einschlägigen Fällen unter anderem die Erschöpfung des Instanzenzuges in Gestalt der Erhebung des Rechtsbehelfs der Beschwerde gemäß § 78 GOG verlangen.
Der Beschwerdeführer hat aber sowohl nach der Bezeichnung als auch nach dem unzweifelhaften Inhalt seines Antrages vom 15. April 1994 (Begehren auf Übergang der Entscheidungspflicht an den Präsidenten des Landesgerichtes Wiener Neustadt) nicht Beschwerde gemäß § 78 GOG erhoben, sondern einen Devolutionsantrag gestellt, den es - wie oben gezeigt - in Justizverwaltungsverfahren gar nicht gibt.
Der Präsident des Landesgerichtes Wiener Neustadt hat daher den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht mit Bescheid vom 25. April 1994 mit Recht zurückgewiesen. Den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid, mit den der Berufung gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien keine Folge gegeben wurde, haftet die behauptete Rechtswidrigkeit nicht an. Die Beschwerde und die umfassend ausgeführte Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde, die die Unzulässigkeit einer solchen Analogie zu begründen versuchen, vermochten nicht zu überzeugen.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Anrufung der obersten Behörde Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995160085.X00Im RIS seit
16.03.2001