TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/30 96/18/0611

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.1997
beobachten
merken

Index

20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. November 1996, Zl. SD 1128/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 7. November 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei im März 1992 mit einem am 9. März 1992 ausgestellten und bis 8. April 1992 gültigen Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist. Er habe in der Folge noch dreimal einen Sichtvermerk erhalten. Am 23. November 1994 habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Diese Ehe sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 27. November 1995 gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden. Aus den Entscheidungsgründen des Urteiles ergebe sich, daß alleiniger Zweck der Eheschließung gewesen sei, dem Beschwerdeführer einen Befreiungsschein, ein Visum und in der Folge die österreichische Staatsbürgerschaft zu verschaffen. Keiner der Ehegatten habe die Absicht gehabt, eine dem Wesen der Ehe entsprechende Gemeinschaft einzugehen. Der Beschwerdeführer habe für die Eheschließung zumindest S 40.000,-- an den Freund der Ehegattin gezahlt. Der Beschwerdeführer bestreite zwar nicht die Nichtigerklärung der Ehe, wohl aber, daß er die Ehe eingegangen sei, um sich arbeitsrechtliche Vorteile zu verschaffen. Er sei Gebetsrufer in der Moschee bei der "U". Diese Tätigkeit sei der Grund für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Diese Ausführungen widersprächen sowohl dem vom Gericht festgestellten Sachverhalt als auch den Angaben des Beschwerdeführers vom 20. Oktober 1995 vor dem Amt der Wiener Landesregierung. Letzteren zufolge hätte er in der Moschee zu arbeiten aufgehört, um eine besser bezahlte Arbeit aufnehmen zu können. Er hätte sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet, jedoch die ihm mitgeteilten Adressen nicht genützt, weil seine Hoffnungen enttäuscht worden wären. Er hätte schließlich selbst eine neue Arbeitsstelle gefunden. Damit seien seine Berufungsausführungen widerlegt.

Bei der als erwiesen anzunehmenden Eingehung einer Ehe nur zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen handle es sich um einen Rechtsmißbrauch, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens und solcherart als Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu werten sei. Dieses Fehlverhalten, das seinem Gehalt nach der Verwirklichung des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhalten sei, stelle eine bestimmte Tatsache i.S. des § 18 Abs. 1 FrG dar, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung rechtfertige.

Soweit man überhaupt einen durch das Aufenthaltsverbot bewirkten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers annehme - er habe sich von 1992 bis 1994 rechtmäßig in Österreich aufgehalten -, sei dieser Eingriff im Grunde des § 19 FrG zulässig, weil zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) dringend geboten. Notwendig sei das Aufenthaltsverbot auch deswegen, weil die dem Beschwerdeführer erteilte Aufenthaltsbewilligung (Gültigkeitsdauer: 4. Dezember 1994 bis 4. Dezember 1995) mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. April 1996 aberkannt worden sei. Der vom Beschwerdeführer vorgelegte Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. August 1996, wonach seiner Beschwerde gegen den vorgenannten Bescheid die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, führe im Aufenthaltsverbotsverfahren nicht zum Erfolg, weil § 17 Abs. 4 FrG ausdrücklich normiere, daß nur über eine Ausweisung und nicht über ein Aufenthaltsverbot erst nach Beendigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entschieden werden dürfe.

Die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung habe ergeben, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Es sei zwar zu bedenken, daß die besagte Aufenthaltsbewilligung rechtmäßig gewesen sei, aber auch, daß sie bloß aufgrund des oben geschilderten rechtsmißbräuchlichen Verhaltens des Beschwerdeführers erworben worden sei. Weiters sei zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer trotz Verlustes der erteilten Aufenthaltsbewilligung das Bundesgebiet nicht verlassen habe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zutreffend hat die belangte Behörde - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend - die Eingehung einer Ehe allein zum Zweck der Erlangung von fremdenrechtlich bedeutsamen Berechtigungen als Rechtsmißbrauch qualifiziert, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens anzusehen sei und solcherart die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. November 1996, Zl. 96/18/0511, mwN). Auch die Ansicht der belangten Behörde, daß die rechtsmißbräuchliche Eheschließung - für den Fall der Annahme eines relevanten Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers i.S. des § 19 FrG - zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten erscheinen lasse und demnach diese Maßnahme im Grunde des § 19 FrG zulässig mache, entspricht der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. nochmals das vorzitierte Erkenntnis).

2. Nach dem Beschwerdevorbringen lag auf Seiten des Beschwerdeführers keine Scheinehe vor. Die Annahme, er sei die Ehe zwecks Erlangung "fremdenbehördlicher Vorteile" eingegangen, beruhe lediglich auf den Angaben seiner ehemaligen Gattin. Selbst für den Fall, daß es sich um eine Scheinehe gehandelt habe, sei diese nicht zur Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung geschlossen worden.

Abgesehen davon, daß die Beschwerde mit diesem Vorbringen die Richtigkeit der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellung, die Ehe des Beschwerdeführers sei laut Urteil mit der Begründung für nichtig erklärt worden, daß sie von ihm allein zum Zweck der Beschaffung eines Befreiungsscheines und einer Aufenthaltsberechtigung geschlossen worden wäre, nicht in Abrede stellt, begegnet es keinen Bedenken, daß die belangte Behörde unter Verwertung des Beweismittels des Ehenichtigkeitsurteiles den bezeichneten Zweck der Eheschließung als erwiesen angenommen und daraus den Schluß auf das Vorliegen einer rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe gezogen hat (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 96/18/0511).

3. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde weiters vor, verfehlterweise § 17 Abs. 4 FrG im vorliegenden Fall nicht angewendet zu haben. Gerade der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. August 1996, mit dem seiner Beschwerde gegen die "Aberkennung" seiner Aufenthaltsbewilligung die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, weise darauf hin, "daß über meine Ausweisung, was das Aufenthaltsverbot impliziert, erst nach Beendigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bezüglich meiner Aufenthaltsbewilligung entschieden werden kann".

Damit verkennt die Beschwerde die Rechtslage. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit seinem Beschluß vom 30. August 1996, AW 96/18/0691, dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an die besagte Beschwerde mit der Wirkung stattgegeben, daß dem Beschwerdeführer die Rechtsstellung zukommt, die er vor Erlassung des angefochtenen Bescheides (betreffend die Verfügung des Verlustes der Aufenthaltsbewilligung) hatte, und ergänzend dazu ausgesprochen, daß gemäß § 17 Abs. 4 FrG "daher über eine Ausweisung des Beschwerdeführers erst nach Beendigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entschieden werden (darf)". Damit aber stünde für die Dauer der Anhängigkeit des die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers betreffenden Beschwerdeverfahrens der zitierte Beschluß lediglich einer Ausweisung des Beschwerdeführers entgegen. Der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes hingegen, welche Maßnahme sich sowohl von den Voraussetzungen als auch den Rechtsfolgen her von einer Ausweisung wesentlich unterscheidet (vgl. die §§ 17 ff FrG), war die besagte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht hinderlich.

4. Schließlich rügt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde seine familiäre, berufliche und soziale Situation nicht ausreichend "recherchiert" habe. Bei genauer Kenntnis seiner Beziehungen und Tätigkeit als Gebetsrufer wäre erkennbar gewesen, daß er "sozial und beruflich in Österreich in der moslemischen Glaubensgemeinschaft derart integriert" sei, daß ein Aufenthaltsverbot nicht hätte verhängt werden dürfen.

Die belangte Behörde hat dargelegt, daß mit der - rechtsmißbräuchlichen - Eingehung einer Ehe durch den Beschwerdeführer ausschließlich zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen eine erhebliche Beeinträchtigung des maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens verbunden sei. Dieser zutreffenden Beurteilung und der daraus unter Bedachtnahme auf seine persönliche Interessenlage gewonnenen unbedenklichen Wertung, daß das öffentliche Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme schwerer wögen als die mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, vermag die Beschwerde nichts Entscheidendes entgegenzusetzen. Abgesehen davon, daß sie nicht dartut, welche konkrete familiäre Situation (zugunsten) des Beschwerdeführers festzustellen gewesen wäre, womit dem insoweit bekämpften Verfahrensmangel die Relevanz mangelt, kommt der laut Beschwerde gegebenen Integration des Beschwerdeführers in der moslemischen Glaubensgemeinschaft - unter Berücksichtigung des insgesamt erst etwa viereinhalbjährigen Aufenthaltes in Österreich - jedenfalls kein derart großes Gewicht zu, daß demgegenüber das Allgemeininteresse an der Beendigung seines Aufenthaltes zurückzutreten hätte.

5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was schon der Beschwerdeinhalt erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996180611.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten