TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/7 W136 2234826-1

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Veröffentlicht am 07.04.2021
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Entscheidungsdatum

07.04.2021

Norm

ÄrzteG 1998 §4
ÄrzteG 1998 §59 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W136 2234826-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Tanja HUDELIST, gegen den Bescheid des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer vom 30.07.2020, Zl. BÄL259/2020/30072020-Mag.Sch/mg, betreffend Streichung aus der Ärzteliste, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG aufgehoben. Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin mit Bescheid Auflagen oder Bedingungen nach § 59 Abs. 2 dritter Satz des Ärztegesetzes 1998 vorzuschreiben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer wurde festgestellt, dass bei der Beschwerdeführerin XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin in 9560 Feldkirchen (im Folgenden Beschwerdeführerin) die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes mangels gesundheitlicher Eignung gemäß § 59 iVm § 4 Abs. 2 Z 3 ÄrzteG 1998 nicht mehr besteht und die Beschwerdeführerin aus der Ärzteliste zu streichen ist. Weiters wurde festgestellt, dass die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aufgrund zwingender öffentlicher Interessen und bestehender Gefahr im Verzug gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen ist.

Begründet wurde auf das wesentliche zusammengefasst ausgeführt, dass die Ärztekammer für XXXX die Österreichische Ärztekammer mit Schreiben vom 22.04.2020 darüber informierte habe, dass aus dem Kollegenkreis berichtet werde, dass die Beschwerdeführerin aufgrund einer angeblichen Alkoholkrankheit nicht oder nur sehr eingeschränkt in der Lage sein soll, ihren Beruf als Ärztin auszuüben. Insbesondere die während der COVID-19-Pandemie übermittelten Unterlagen der ÖGK würden belegen, dass die Beschwerdeführerin ihre kassenärztliche Tätigkeit weitestgehend eingeschränkt habe, was als weiteres Indiz für die geäußerten Vermutungen gelten könnte. Die Österreichische Ärztekammer habe daher ein Verfahren zur Prüfung der gesundheitlichen Eignung der Beschwerdeführerin eingeleitet und habe Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, mit der Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens und Beantwortung insbesondere der Fragen, die Beschwerdeführerin an einer Krankheit/krankheitswertigen Störung leide bzw. falls ja, wie sich dies auf die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit durch die Beschwerdeführerin auswirkten und ob es Maßnahmen gäbe, um etwaige Auswirkungen auf eine ärztliche Tätigkeit zu minimieren oder hintanzuhalten. Darüber hinaus sei das Amt der Kärntner Landesregierung über den Verdacht der Ärztekammer für XXXX unter Hinweis auf § 62 Abs 2 ÄrzteG 1998 informiert worden.

Der Sachverständige habe in seinem fachärztlichen Gutachten vom 12.05.2020 folgende Ausführungen getroffen:

„Gutachterliche Beurteilung:

Diagnosen:

-Schädlicher Gebrauch von Alkohol oder Alkoholabhängigkeit

-Depressive Störung in der Vorgeschichte

-Minderung der Berührungsempfindung am Endglied des 2. Fingers rechts beugeseitig

Stellungnahme aus psychiatrischer und neurologischer Sicht:

Frau Dr. XXXX leidet an einer Alkoholkonsumstörung im Sinn des DSM-V, nämlich an einem schädlichen Gebrauch von Alkohol oder wahrscheinlicher an einer Alkoholabhängigkeit im Sinn des ICD-10.

Im Zusammenhang damit ist Frau Dr. XXXX derzeit nicht mehr in der Lage, ihre ärztliche Tätigkeit regelrecht und zuverlässig auszuüben.

Durch einen stationären Alkoholentzug und eine nachfolgende Alkoholentwöhnungs-behandlung in einer geeigneten Einrichtung (etwa Krankenhaus de La Tour in Treffen, Anton Proksch Institut in Wien-Kalksburg oder Krankenhaus Maria Ebene in Vorarlberg) wäre Frau Dr. XXXX nach Erreichen einer Alkoholabstinenz wieder in der Lage, ihre ärztliche Tätigkeit zuverlässig und regelrecht auszuüben.

Begründung:

Aus den vorliegenden Informationen ergibt sich, dass bei der Untersuchten ein Alkoholproblem erheblichen Ausmaßes besteht, im Sinn des ICD-10 eher einer Alkoholabhängigkeit als einem schädlichen Gebrauch von Alkohol entsprechend.

Angesichts der eingeholten Laborbefunde muss davon ausgegangen werden, dass ihre Angaben über den Alkoholkonsum verharmlosend sind. Die eingeholten Laborbefunde sprechen für höhere Konsummengen als von der Untersuchten angegeben.

Zum Zeitpunkt der Untersuchung am 12.5.2020 haben sich keine Zeichen einer Alkoholintoxikation gezeigt. Die Untersuchte hat etwas unruhig und vermehrt irritierbar imponiert. Diese geringen Auffälligkeiten sind wenig spezifisch, könnten aber einem beginnenden Alkoholentzug entsprechen. Das Auftreten von Entzugssymptomen bei Alkoholabstinenz wurde von der Untersuchten verneint.

Auch die im Schreiben der Ärztekammer für XXXX angeführte Verkehrsauffälligkeit wurde von der Untersuchten negiert.

Auffallend ist es, dass die Untersuchte ab dem Zeitpunkt der Untersuchung am 12.5.2020 einen Zeitraum von einem Monat, nämlich bis zum 12.6.2020 benötigt hat, um eine Blutprobe an das Labor zu übermitteln. Aus dieser Blutprobe ergeben sich deutliche Hinweise auf einen vermehrten Alkoholkonsum in einem Zeitraum von 2-5 Wochen vor der Blutabnahme. Der Untersuchten ist es also auch angesichts einer geplanten Laborkontrolle nicht gelungen, auch nur annähernd abstinent zu bleiben. Dies spricht für das Vorliegen eines Alkoholproblems erheblichen Ausmaßes.

GGT (y-GT, gamma-Glutamyiltransferase ist ein Enzym aus der Leber. Nach erhöhtem Alkoholkonsum (80-200 g pro Tag) über mehrere Wochen können mit einer Wahrscheinlichkeit (Sensitivität) von 50-90% erhöhte Werte im Blut gemessen werden. Die Spezifität wird mit 70% angegeben, das heißt bei 70 % der Betroffenen ist der Alkoholkonsum die Ursache dafür. Nach dem Entzug kommt es zu einer Normalisierung des Wertes im Lauf von 2-5 Wochen.

CDT (Carbohydrate Deficient Transferrin) gilt mit einer Spezifität von 90-100 *A) als sehr spezifischer Indikator für erhöhten Alkoholkonsum. Die Sensitivität, das heißt die Wahrscheinlichkeit eines Anstiegs nach erhöhtem Alkoholkonsum liegt bei 50-90 *A). Bei regelmäßigem täglichem Konsum von 50-80 g Alkohol (etwa 1,5 I Bier oder 0,75 I Wein) über etwa 10 Tage steigt der Wert über den Normalbereich an. Nach etwa 2 Wochen Abstinenz (Halbwertszeit 7 Tage) kommt es wieder zu einer Normalisierung.

Trotz der beschriebenen Einschränkungen in Bezug auf die Spezifität der Laborbefunde kann aus der Kombination der vorliegenden Befunde mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf einen vermehrten Alkoholkonsum geschlossen werden.

Angesichts der Laborbefunde in Zusammenschau mit dem derzeit noch geringen Problembewusstsein der Untersuchten erscheinen die Ausführungen der Ärztekammer für XXXX nachvollziehbar und plausibel. Im Zusammenhang mit ihrem Alkoholproblem ist die Untersuchte derzeit nicht fähig, ihren Beruf als Ärztin regelrecht und zuverlässig auszuüben.

Ein Hinweis auf eine allfällige alkoholbedingte kognitive Störung findet sich bei der Untersuchten nicht.

Eine Entwöhnungsbehandlung und nachfolgende Kontrollen der alkoholspezifischen Laborparameter wären also geeignet, die Arbeitsfähigkeit im ärztlichen Beruf wiederherzustellen.

Ein Alkoholentzug könnte grundsätzlich stationär oder ambulant erfolgen. Für die eigentliche Entwöhnungsbehandlung ist jedenfalls eine stationäre Therapie in einer geeigneten Einrichtung zu empfehlen.“

Die Beschwerdeführerin habe mit E-Mail vom 13.07.2020 zum mit Schreiben vom 01.07.2020 übermittelten Gutachten Folgendes mitgeteilt: „Ich werde mich einer Entwöhnungsbehandlung bei meiner Neurologin Dr. XXXX unterziehen. Mein Aufenthalt in der Privatklink XXXX erfolgt am 15. Juli. Wenn sich meine erhöhten Parameter normalisieren, möchte ich wieder gestärkt in meiner Ordination arbeiten.“

Aufgrund des von der belangten Behörde übermittelten Gutachtens, habe der Landeshauptmann für XXXX mit Bescheid vom 14.07.2020, Dr. XXXX die Ausübung des ärztlichen Berufes die Dauer von sechs Wochen wegen Gefahr in Verzug aufgrund von gewohnheitsmäßigem Missbrauch von Alkohol gemäß § 62 Abs. 2 ÄrzteG 1998 untersagt.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass das vorliegende Gutachten vom 12.05.2020, als vollständig und schlüssig anzusehen sei. Aus dem eingeholten Gutachten vom 12.05.2020 gehe klar hervor, dass bei der Beschwerdeführerin ein Alkoholproblem erheblichen Ausmaßes bestehe, die eingeholten Laborbefunde bestätigten darüber hinaus, dass die Angaben der Beschwerdeführerin verharmlosend wären. Der Sachverständige weise darüber hinaus darauf hin, dass sich aus der Blutprobe, die die Beschwerdeführerin erst ein Monat nach der Untersuchung durch den Sachverständigen diesem vorgelegt habe, ein deutlicher Alkoholkonsum in einem Zeitraum von 2-5 Wochen vor der Blutabnahme ergäbe, somit sei es der Beschwerdeführerin trotz der bevorstehenden Laborkontrolle nicht gelungen, abstinent zu bleiben. Die Beschwerdeführerin habe gegen das Gutachten weder Einwendungen eingebracht noch die Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit des Gutachtens aufgezeigt oder ein Gegengutachten eingebracht, sie habe dazu lediglich mitgeteilt, sich einer Behandlung unterziehen zu wollen. Zur Beantwortung der Frage, ob die Beschwerdeführerin über die zur Erfüllung der Berufspflichten erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge, war daher das vorliegende Gutachten heranzuziehen und somit festzustellen, dass bei der Beschwerdeführerin ein schädlicher Gebrauch von Alkohol oder wahrscheinlicher eine Alkoholabhängigkeit vorläge und sie daher nicht in der Lage wäre den ärztlichen Beruf regelrecht und zuverlässig auszuüben.

In rechtlicher Hinsicht wurde auf das Wesentliche zusammengefasst ausgeführt, dass die gesundheitliche Eignung gemäß § 4 Abs 2 Z 3 ÄrzteG 1998 eine der fünf Grundvoraus-setzungen jeder ärztlichen Berufsausübung sei, deren Einhaltung insbesondere dem Schutz des Patientenvertrauens diene, nur von Ärztinnen und Ärzten behandelt zu werden, welche in der Lage sind, ihre Berufspflichten zu erfüllen. Die Einhaltung der bestehenden ärztlichen Berufspflichten durch die Beschwerdeführerin aufgrund der im Gutachten gestellten Diagnose und dem derzeit geringen Problembewusstsein könne nicht gewährleistet werden, weshalb das Vorliegen der zur Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit erforderlichen gesundheitlichen Eignung zu verneinen sei.

Zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde wurde wörtlich wie folgt ausgeführt:

„Auf Grundlage des § 49 Abs 1 ÄrzteG 1998 hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass Interessen einer ärztlichen Beratung und Behandlung von Gesunden und Kranken die dem Stand der medizinischen Wissenschaft bzw. den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft entspricht, sowie die Wahrung des Wohles der Kranken und der Schutz der Gesundheit durch gewissenhafte Betreuung oder Behandlung als zwingende öffentliche Interessen anzusehen sind (vgl. die Beschlüsse des VwGH vom 10.10.2008, AW 2008/09/01/07; vom 03.01.2005 AW 2004/11/0074; und vom 14.10.2003 AW 2003/11/0057). Aus dem gutachterlichen Befund ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass nicht nur allgemeine abstrakte Gründe und unspezifische typische Gefahren vorliegen, die mit jeder medizinischen Behandlung einhergehen, sondern bereits im Bereich der grundlegenden Voraussetzungen für die Ausübung des Arztberufes aufgrund der im Gutachten gestellten Diagnose und der damit einhergehenden Beeinträchtigung in Bezug auf die gesundheitliche Eignung der Beschwerdeführerin gegeben sind, die die obengenannten öffentlichen Interessen gefährden. Gemäß § 13 Abs 2 VwGVG ist die aufschiebende Wirkung der Beschwerde in Ausübung des diesbezüglich eingeräumten behördlichen Ermessens daher jedenfalls auszuschließen.“

2. Gegen diesen Bescheid richtete sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin. Ausführlich begründet wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die vom Gutachter aufgrund der vorliegenden Laborbefunde gezogenen Schlussfolgerungen nicht ausreichend begründet, widersprüchlich, unschlüssig, unvollständig und teilweise willkürlich wären. Aus diesem Grund hätte die belangte Partei den Inhalt dieses Gutachtens und die gutachterlichen Schlussfolgerungen des Sachverständigen der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung im angefochtenen Bescheid nicht zu Grunde legen dürfen, das Verfahren sei mangelhaft geblieben. Beantragt wurde die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Medizin, Spezialgebiet Alkoholberechnungen und Interpretation von Drogenanalysen und aus Spezialgebiet Depression und Alkoholkrankheit. Weiters wurde mit näherer Begründung ausgeführt, dass die belangte Behörde die vorliegenden Beweise unrichtig rechtlich gewürdigt habe, weil sie jegliche Ausführungen zur angeblich mangelnden gesundheitliche Eignung der Beschwerdeführerin für die Ausübung des Arztberufes vermissen lasse, selbst wenn man die vom Gutachter gestellte Diagnose als richtig unterstelle. Schließlich erweise sich auch die verhängte Sanktion, der völlige Ausschluss von der Ausübung des ärztlichen Berufes, als nicht sachgerecht, es hätte mit gelinderen Maßnahmen etwa im Sinne § 62 ÄrzteG 1998 das Auslangen gefunden werden können.

Es wurde der Antrag gestellt, den bekämpften Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zu beheben, in eventu zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen, jedenfalls aber der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Ein allfälliger Alkoholgenuss der Beschwerdeführerin habe bislang keine Auswirkungen auf deren ärztliche Tätigkeit gehabt, es gäbe für die gegenteilige Annahme nicht den geringsten Anhaltspunkt. Die im angefochtenen Bescheid enthaltenen und durch die belangte Behörde angestellten Erwägungen im Bescheid seien unschlüssig und unvollständig. Im Verfahren über die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung der Beschwerde sei daher entgegen der Ansicht der Feststellungen im angefochtenen Bescheid gerade nicht davon auszugehen, dass zwingende öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehen. Durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde, würden nicht nur der Beschwerdeführerin unwiederbringliche Nachteile durch die Schließung der Ordination, den damit verbundenen verlorenen Umsatz und die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz entstehen, auch die bei der Beschwerdeführerin angestellten beiden Assistentinnen könnten nicht mehr bezahlt und müssten gekündigt werden. Auch für die Patienten in der Ordination der Beschwerdeführerin wäre der Befugnisentzug katastrophal, denn diese wären auf die Behandlungen durch die Beschwerdeführerin angewiesen. Es wäre für diese Patienten absolut unmöglich, bei anderen Kassenärzten in der Region unterzukommen, zumal diese anderen Kassenärzte auch gar nicht in der Lage wären, sämtliche von der Beschwerdeführerin betreuten Patienten aufzunehmen und adäquat zu behandeln. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels läge daher im gegenständlichen Fall gerade auch im öffentlichen Interesse.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und wies darauf hin, dass von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abgesehen werde.

4.1. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.09.2020, GZ W136 2234826-1/2Z, wurde der Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Spruch des angefochtenen Bescheides gemäß § 22 Abs. 3 VwGVG stattgegeben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt, da nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes das öffentliche Interesse am vorzeitigen Vollzug des angefochtenen Bescheides nicht so schwer wiege, wie das Interesse der Beschwerdeführerin am vorläufigen Aussetzen des Vollzugs.

4.2. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofes vom 16.12.2020, Ra 2020/11/0207, wurde der gegen die vorerwähnte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde erhobenen außerordentlichen Revision stattgegeben und das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.09.2020 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, weil vor dem Hintergrund der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Alkoholkonsumstörung, selbst wenn diese noch nicht zu einer unmittelbaren Bedrohung der Gesundheit und des Lebens von Patienten geführt habe, jedenfalls gravierende Nachteile für das Wohl (Gesundheitsinteressen) zu befürchten seien und damit Gefahr im Verzug vorliege (RZ 32).

5.1. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde die Bezirkshauptmannschaft XXXX iZm der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der Beschwerdeführerin nach dem Ärztegesetz mit Note vom 25.11.2020 um Mitteilung allenfalls rechtskräftig verhängter Verwaltungsstrafen ersucht. Die BH XXXX teilte mit Note vom 03.12.2020 mit, dass über die Beschwerdeführerin mit zwei Straferkenntnissen, beide vom 16.10.2020 jeweils eine Geldstrafe rechtskräftig verhängt wurde, weil sie 1. am 15.09.2020 um 18:26 Uhr in XXXX ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (1,26 Promille) gelenkt hat und 2. am 16.09.2020 um 12:25 Uhr in XXXX ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (1,04 Promille) gelenkt hat und ihr zu diesem Zeitpunkt der Führerschein vorläufig abgenommen war.

5.2. Im weiteren Verfahren wurde im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zur mangelnden Schlüssigkeit des von der Behörde eingeholten Gutachtens Dr. XXXX , Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierter Sachverständige, mit der Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens und die Beantwortung der Fragen aufgetragen, ob die Beschwerdeführerin aus psychiatrischer / neurologischer Sicht an einer Krankheit/krankheitswertigen Störung leide, insbesondere ob eine Alkoholabhängigkeit oder schädlicher Gebrauch von Alkohol vorliege, sowie, sofern diese Frage bejaht werde, ob und wenn ja, inwiefern diese Krankheit oder Störung die Beschwerdeführerin an der Erfüllung ihrer ärztlichen Berufspflichten hindere.

Die Sachverständige kommt in ihrem Gutachten vom 04.02.2021 zu folgendem Schluss (auszugsweise, Anonymisierung durch das Bundesverwaltungsgericht):

„Die nahezu 58-jährige [Beschwerdeführerin] leidet an einer Alkoholabhängigkeit, die sich in den letzten Jahren aus einem Gesellschaftstrinken entwickelt hat. Die [Beschwerdeführerin] ist sich des Alkoholproblems bewusst, neigt aber zur Verharmlosung. […] [Der Vorgutachter] kommt zu dem Schluss, dass die [Beschwerdeführerin] derzeit nicht in der Lage ist, ihre ärztliche Tätigkeit regelrecht und zuverlässig auszuüben. Auch führt der Sachverständige an, dass nach einem stationären Entzug und Alkoholentwöhnungsbehandlung […] nach Erreichen einer Alkoholabstinenz wieder in der Lage wäre, ihre Tätigkeit zuverlässig und regelrecht auszuführen. […] Zusammenfassend schließe ich mich der Einschätzung [des Vorgutachters] an, dass eine Alkoholabhängigkeit vorliegt. Die stationäre Behandlung auf der Neurologie der Privatklinik XXXX ist einer stationären Entzugsbehandlung in einem öffentlichen Krankenhaus gleichzusetzen. […] Eine einschlägige Entwöhnungsbehandlung wurde danach jedoch nicht fortgeführt. Trotzdem konnte die [Beschwerdeführerin] bis auf einen Rückfall im Herbst 2020 ihre Abstinenz erhalten. Die [Beschwerdeführerin] ist auch derzeit abstinent, sodass sie derzeit durchaus in der Lage wäre ihren Beruf als Ärztin regelrecht und zuverlässig auszuüben. Unter Berücksichtigung der Vorgeschichte und des Wissensüber den Verlauf einer Alkoholerkrankung ist jedoch jederzeit ein Rückfall möglich, sodass bei einer neuerlichen Erteilung der Berufsausübung durch die Ärztekammer zumindest für ein Jahr die [Beschwerdeführerin] ambulant psychiatrisch begleitet und die Abstinenz durch einschlägige Laborparameter überprüft werden sollte. […]“

6. Am 16.03.2021 fand im Beisein der Beschwerdeführerin und ihres Rechtsvertreters sowie der belangten Behörde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, bei der die Sach- und Rechtslage erörtert wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin, geboren am XXXX , ist seit 1992 als Ärztin für Allgemeinmedizin in der Ärzteliste eingetragen, zuletzt betrieb sie seit 2013 eine eigene Ordination als praktische Ärztin (zwei Assistentinnen, Kassenvertrag) in XXXX .

1.2. Bei der Beschwerdeführerin hat sich aus einem Gesellschaftstrinken eine Alkoholabhängigkeit entwickelt. Wegen gewohnheitsmäßigen Missbrauchs von Alkohol hat der Landeshauptmann von XXXX mit Bescheid vom 14.07.2020 der Beschwerdeführerin die Ausübung des ärztlichen Berufes für die Dauer von sechs Wochen untersagt. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 30.07.2020 wurde die Beschwerdeführerin aus der Ärzteliste gestrichen.

1.3. Von 15.07.2020 bis 11.08.2020 unterzog sich die Beschwerdeführerin einer stationären Entwöhnungsbehandlung in der Privatklinik XXXX . Weitere fachärztlich bzw. gutachterlich empfohlene Maßnahmen iZm mit ihrer Alkoholabhängigkeit, insbesondere eine psychotherapeutische Behandlung, hat die Beschwerdeführerin danach nicht absolviert. Die Beschwerdeführerin hatte seit der Entwöhnungsbehandlung zweimal, nämlich im September und im November 2020 einen Rückfall in dem Sinne gehabt, dass sie Alkohol (in schädlichem Ausmaß) konsumierte. Bei der Beschwerdeführerin besteht nunmehr Krankheitseinsicht, sie neigt jedoch zur Verharmlosung.

1.4. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Alkoholerkrankung bei der Ausübung ihrer Tätigkeit als Ärztin sich bisher etwas zuschulden hat kommen lassen.

1.5. Bei Abstinenz ist die Beschwerdeführerin in der Lage, den ärztlichen Beruf regelrecht und zuverlässig auszuüben. Zur Vermeidung eines Rückfalles, der jederzeit möglich ist, wäre eine weitere Entwöhnungsbehandlung aus fachärztlicher Sicht notwendig.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu den Punkten 1.1. bis 1.4. ergeben sich aus der vorliegenden Aktenlage im Zusammenhalt mit den Angaben der Beschwerdeführerin. Dass bei der Beschwerdeführerin eine Alkoholabhängigkeit vorliegt, ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsreicht eingeholten Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie (siehe oben Punkt I.5.2.), dem die Parteien des Verfahrens nicht entgegengetreten sind. Die Feststellung, dass bei der Beschwerdeführerin Krankheitseinsicht besteht, sie jedoch zur Verharmlosung neigt, ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten sowie den Angaben der Beschwerdeführerin. Diese hat nämlich vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft vermittelt, dass sie bereit ist, sich regelmäßig sowohl psychiatrischen Kontrollen und Laborkontrollen für einen längeren Zeitraum zu unterziehen, was dafürspricht, dass sich das noch im Mai 2020 bestehende mangelnde Problembewusstsein iZm ihrer Alkoholerkrankung zwischenzeitlich geändert hat.

2.2. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin bei Abstinenz ist in der Lage ist, den ärztlichen Beruf regelrecht und zuverlässig auszuüben, ergibt sich sowohl aus dem vom Bundesverwaltungsreicht eingeholten Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 04.02.2021 als auch aus dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten des Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie (siehe oben unter Punkt I.1) vom 12.05.2020. Zwar kommt dieser Sachverständige zum damaligen Zeitpunkt zu dem, allerdings auch im weiteren Gutachten nicht nähere begründeten Schluss, dass „im Zusammenhang damit (gemeint: Alkoholabhängigkeit oder schädlicher Gebrauch von Alkohol) Frau Dr. XXXX derzeit nicht mehr in der Lage [ist], ihre ärztliche Tätigkeit regelrecht und zuverlässig auszuüben“, führt jedoch ausdrücklich aus, dass „durch einen stationären Alkoholentzug und eine nachfolgende Alkoholentwöhnungsbehandlung […] [die Beschwerdeführerin] nach Erreichen einer Alkoholabstinenz wieder in der Lage [wäre], ihre ärztliche Tätigkeit zuverlässig und regelrecht auszuüben“.

Somit kommen beide Gutachter im Ergebnis zu dem Schluss, dass bei Abstinenz, die - wie beide Gutachter ebenfalls gleichartig attestieren – auf Dauer gesichert nur bei entsprechender Alkoholentwöhnungsbehandlung zu erreichen ist, die Beschwerdeführerin aus Sicht der diagnostizierten Suchterkrankung in der Lage ist, ihren Beruf als Ärztin regelrecht und zuverlässig auszuüben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Ärztegesetzes 1998 (ÄrzteG 1998), BGBl. I Nr. 169/1998, in der Fassung BGBl. I. Nr. 50/2021, lautet:

„Erfordernisse zur Berufsausübung

§ 4. (1) Zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes als approbierter Arzt, als Arzt für Allgemeinmedizin oder als Facharzt bedarf es, unbeschadet der §§ 34 bis 37, des Nachweises der Erfüllung der nachfolgend angeführten allgemeinen und besonderen Erfordernisse sowie der Eintragung in die Ärzteliste.

(2) Allgemeine Erfordernisse im Sinne des Abs. 1 sind
1.         die Handlungsfähigkeit in allen Belangen im Hinblick auf die Berufsausübung,
2.         die zur Erfüllung der Berufspflichten erforderliche Vertrauenswürdigkeit,
3.         die zur Erfüllung der Berufspflichten erforderliche gesundheitliche Eignung,
4.         ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, sowie
5.         ein rechtmäßiger Aufenthalt im gesamten Bundesgebiet, mit dem das Recht auf Ausübung einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit verbunden ist.

[…]

Erlöschen und Ruhen der Berechtigung zur Berufsausübung, Streichung aus der Ärzteliste

§ 59. (1) Die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes erlischt:
1.         durch den Wegfall einer für die ärztliche Berufsausübung erforderlichen Voraussetzung,
2.         wenn hervorkommt, daß eine für die Eintragung in die Ärzteliste erforderliche Voraussetzung schon ursprünglich nicht bestanden hat,
3.         auf Grund einer länger als sechs Monate dauernden Einstellung der Berufsausübung, wobei
a)         eine krankheitsbedingte Nichtausübung,
b)         ein Beschäftigungsverbot gemäß Mutterschutzgesetz 1979 (MSchG), BGBl. Nr. 221/1979,
c)         eine Karenz gemäß MSchG, Väter-Karenzgesetz (VKG), BGBl. Nr. 651/1989, oder anderer gleichartiger landes- oder bundesgesetzlicher Vorschriften,
d)         Zeiten, in denen Leistungen gemäß Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG), BGBl. I Nr. 103/2002, bezogen werden sowie
e)         auslandsbedingte Studienaufenthalte für die Dauer von maximal einem Jahr, in begründeten Ausnahmefällen von maximal zwei Jahren,

keine Einstellung der Berufsausübung darstellen.
4.         auf Grund eines Disziplinarerkenntnisses, mit dem die Berufsausübung befristet untersagt worden ist,
5.         auf Grund eines Disziplinarerkenntnisses, mit dem die Streichung aus der Ärzteliste ausgesprochen worden ist, oder
6.         auf Grund eines Verzichtes auf die Berufsausübung.

(2) Die Gründe für das Erlöschen der Berechtigung nach Abs. 1 sind auch von Amts wegen wahrzunehmen. Die Mitwirkungspflicht der Partei in Verfahren betreffend das Erlöschen der Berufsberechtigung bezieht sich insbesondere auf die Befolgung von Anordnungen hinsichtlich fachlicher Begutachtungen der gesundheitlichen Eignung. Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer kann bei einer Beeinträchtigung der gesundheitlichen Eignung oder Vertrauenswürdigkeit zum Zweck der Sicherstellung der Erfüllung der Berufspflichten mit Bescheid Auflagen, Bedingungen oder Befristungen vorschreiben. Werden die vorgeschriebenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen ungerechtfertigt nicht erfüllt, so führt dies zum Wegfall der gesundheitlichen Eignung oder Vertrauenswürdigkeit.

(3) Die Präsidentin/Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer hat
1.         in den Fällen des Abs. 1 Z 1 und 5 mit Bescheid festzustellen, dass die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht besteht und die Streichung aus der Ärzteliste zu veranlassen;
2.         ….

[…]“

3.2. Die belangte Behörde hat die Beschwerdeführerin wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung zur Erfüllung der Berufspflichten gemäß § 4 Abs. 2 Z 3 ÄrzteG 1998 aufgrund schädlichen Gebrauchs von Alkohol oder Alkoholabhängigkeit aus der der bei ihr geführten Ärzteliste gestrichen.

In der Beschwerde dagegen wird zusammenfassend ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin nicht nur während der Ausübung ihres Berufes keinen Alkohol konsumiere, sondern dass ein allfälliger Alkoholkonsum die Beschwerdeführerin nicht bei der Ausübung ihres Berufes beeinträchtige, weshalb sie unter Bedachtnahme auf ihren festgestellten physischen, neurologischen und psychischen Zustand gesundheitlich geeignet sei, den Arztberuf auszuüben.

3.3. Diesem Vorbringen kommt insoweit Berechtigung zu, als die Beschwerdeführerin trotz ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung der Alkoholabhängigkeit in der Lage ist, ihren Beruf auszuüben, wenn sie abstinent bleibt, also keinen Alkohol konsumiert. Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin um eine Suchterkrankung handelt, bei der laut Sachverständigengutachten jederzeit ein Rückfall möglich ist, ist eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung der Beschwerdeführerin notwendig. Nachdem die Beschwerdeführerin bei Abstinenz und entsprechender Behandlung ihrer Suchterkrankung gesundheitlich durchaus in der Lage ist, ihren Beruf auszuüben, erweist sich der bekämpfte Bescheid insoweit als rechtswidrig, als die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides am 30.07.2020 gerade in einer vierwöchigen stationären Behandlung ihrer Erkrankung befand, keinen Alkohol konsumierte (siehe Arztbrief der Privatklinik XXXX vom 17.08.2020, wonach der Langzeit-Alkoholwert (GGT) zum Entlassungszeitpunkt normalisiert war) und daher unter keiner Beeinträchtigung litt, die sie an der Ausübung ihres Berufes hinderte. Dass die Beschwerdeführerin nach einem stationären Alkoholentzug und nachfolgender Alkoholentwöhnungsbehandlung in der Lage ist, ihren Beruf auszuüben, ergibt sich auch ausdrücklich aus dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten vom 12.05.2020, auf dessen Grundlage die belangte Behörde am 30.07.2020 den bekämpften Bescheid erlassen hat. In diesem Zusammenhang kann deshalb nicht nachvollzogen werden, warum die belangte Behörde nicht weitere Erhebungen anstellte, ob die Beschwerdeführerin sich nicht zwischenzeitlich einer derartigen Behandlung unterzieht. Wenn seitens der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsreicht ausgeführt wurde, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides nicht absehbar gewesen sei, ob sich die Beschwerdeführerin an die entsprechenden Auflagen halten würde, ist darauf hinzuweisen, dass sie sich gerade zu diesem Zeitpunkt in stationärer Entwöhnungsbehandlung befand.

3.4. § 59 ÄrzteG 1998 regelt allerdings nicht nur das Erlöschen der Berechtigung zur Berufsausübung und Streichung aus der Ärzteliste bei Wegfall einer für die ärztliche Berufsausübung erforderlichen Voraussetzung, sondern sieht in Abs. 2 leg.cit. gerade für Fälle einer Beeinträchtigung der gesundheitlichen Eignung eines Arztes oder einer Ärztin vor, dass diesem bzw dieser mit Bescheid zum Zweck der Sicherstellung der Erfüllung der Berufspflichten Auflagen, Bedingungen oder Befristungen vorgeschrieben werden können, deren ungerechtfertigte Nichterfüllung zum Wegfall der gesundheitlichen Eignung führt.

Im vorliegenden Fall leidet die Beschwerdeführerin an einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, nämlich Alkoholabhängigkeit, weist jedoch die für die Erfüllung der Berufspflichten notwendige gesundheitliche Eignung auf, wenn sie abstinent bleibt. Die belangte Behörde hätte daher der Beschwerdeführerin mit Bescheid solche Auflagen oder Bedingungen aufzuerlegen gehabt, bei deren Einhaltung sichergestellt ist, dass die gesundheitliche Beeinträchtigung die Beschwerdeführerin diese nicht an der Erfüllung ihrer Berufspflichten hindert. Im konkreten Fall wäre es beispielweise möglich gewesen, der Beschwerdeführerin die wiederkehrende Vorlage von entsprechenden Laborbefunden zum Nachweis, dass kein Alkoholkonsum gegeben ist, sowie die Durchführung verhaltenstherapeutischer Maßnahmen zur Vermeidung von Rückfällen, aufzutragen. Da bei Nichterfüllung der vorgeschriebenen Auflagen oder Bedingungen gemäß § 59 Abs. 2 letzter Satz ÄrzteG 1998 die gesundheitliche Eignung kraft Gesetzes als weggefallen gilt und somit die Berufsberechtigung erlischt, ist sichergestellt, dass die Beschwerdeführerin nur bei nachgewiesener Abstinenz und entsprechender Behandlung ihrer Suchterkrankung als Ärztin tätig ist. Daher sind mit Erlassung eines Bescheides, mit dem Auflagen oder Bedingungen vorgeschrieben werden, auch die von der belangten Behörde befürchteten gravierenden nachteiligen Folgen für das öffentliche Wohl nicht zu erwarten.

3.5. Gemäß § 28 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen und in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht. Nachdem feststeht, dass die Beschwerdeführerin trotz ihrer Erkrankung bei Einhaltung von Abstinenz in der Lage ist, den Arztberuf regelrecht und zuverlässig auszuüben, war der bekämpfte Bescheid zu beheben. Trotz weitgehender Kognitionsbefugnis erscheint es jedoch nicht zulässig, dass das Bundesverwaltungsgericht den der belangten Behörde spruchgemäß aufgetragenen Bescheid selbst mit Erkenntnis erlässt. Denn als Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ist jedenfalls nur jene Angelegenheit anzusehen, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsreicht belangten Behörde gebildet hat (vgl. VwGH vom 9.9.2016, Ro 2016/12/0002). Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ist jedoch ausschließlich die erfolgte Feststellung, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 2 Z 3 iVm § 59 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 Z 1 ÄrzteG 1998 nicht mehr berechtigt ist, den ärztlichen Beruf auszuüben und aus der Ärzteliste gestrichen wird. Nach dem Gesagten war der bekämpfte Bescheid ersatzlos zu beheben und der Behörde die Erlassung eines Bescheides nach § 59 Abs. 2 dritter Satz ÄrzteG 1998 aufzutragen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da gegenständlich zu klären war, ob die Beschwerdeführerin die zur Erfüllung der Berufspflichten erforderliche gesundheitliche Eignung aufweist.

Schlagworte

Alkoholabhängigkeit Arzt Ärztekammer Ärzteliste Auflage Bedingung Berufsausübung Eintragungsvoraussetzungen gesundheitliche Eignung Sachverständigengutachten Streichung von der Liste

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W136.2234826.1.00

Im RIS seit

16.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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