TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/7 W241 2235659-1

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Veröffentlicht am 07.04.2021
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Entscheidungsdatum

07.04.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4

Spruch


W241 2235659-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, gegen die Spruchpunkte IV., V. und VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.08.2020, Zahl: 1263971702/200335684, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. und VI. wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein Staatsangehöriger Serbiens, trat am 12.02.2020 an Polizeibeamte heran und äußerte den Wunsch, verhaftet zu werden. Im Zuge der Amtshandlung wurde festgestellt, dass sich der BF seit 02.09.2018 durchgehend ohne Aufenthaltstitel und somit illegal im Bundesgebiet aufhielt. Sein Reisepass wurde vorläufig sichergestellt.

2. Am 14.05.2020 wurde über den BF die Untersuchungshaft verhängt.

3. Am 24.08.2020 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1, 8. Fall, Abs. 3, Abs. 4 Z 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon fünf Monate bedingt, verurteilt.

4. Der BF wurde am 24.08.2020 durch das BFA einvernommen. Dabei gab er an, dass er am 15.01.2020 aus Deutschland kommend in Österreich eingereist sei. Er habe schwarz auf Baustellen gearbeitet und sei behördlich nicht gemeldet gewesen. In Serbien habe er Automechaniker gelernt, aber keine Arbeit gefunden. Er verfüge über keine Barmittel, habe aber noch Geld auf seinem Konto. Seine Eltern seien verstorben, sein Bruder lebe in Serbien. In Österreich habe er keine Familienangehörigen.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.) und gegen ihn gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), ferner wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Serbien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den BF verhängt (Spruchpunkt VI.).

Das BFA traf im Rahmen der Entscheidungsbegründung Feststellungen zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat des BF und stellte dessen Identität und Staatsbürgerschaft fest. Es könne nicht festgestellt werden, wann der BF nach Österreich eingereist sei. Mit Urteil vom 24.08.2020 sei er wegen Suchtmitteldelikten zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden.

Hinsichtlich des Einreisverbots wurde auf die Verurteilung des BF verwiesen und ausgeführt, dass der Aufenthalt des BF die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Es seien keine familiären oder privaten Anknüpfungspunkte vorhanden, die einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Die Abwägungsentscheidung hab daher ergeben, dass die Erlassung eines Einreisverbotes in der angegebenen Dauer angemessen sei, um eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

6. Der BF wurde am 27.08.2020 nach Serbien abgeschoben.

7. Gegen die Spruchpunkte IV., V. und VI. des Bescheides richtet sich die am 21.09.2020 fristgerecht eingebrachte Beschwerde wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, zu deren Begründung ausgeführt wurde, dass sich die Dauer des Einreiseverbotes als unverhältnismäßig erweise, da die Behörde es unterlassen habe, eine individualisierte Gefährlichkeitsprognose zu treffen. Die belangte Behörde sei auch zu Unrecht vom Primat der freiwilligen Ausreise abgewichen, da das Verhalten des BF keine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebieten würde. Eine strafrechtliche Verurteilung allein rechtfertige diese Annahme nicht. Aus diesem Grund sei der Beschwerde auch die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger Serbiens und führt die im Spruch angeführten Personalien; seine Identität steht fest. Er reise am 02.09.2018 in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein und hielt sich bis zu seiner Abschiebung am 27.08.2020 durchgehend hier auf.

1.2. Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil eines österreichischen Landesgerichtes vom 24.08.2020 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1, achter Fall, Abs. 3, Abs. 4 Z 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon fünf Monate bedingt, verurteilt.

1.3. Der BF verfügt über keine familiären, sozialen oder beruflichen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Er ging ab Jänner 2020 bis zu seiner Verhaftung in Österreich einer illegalen Beschäftigung nach.

1.4. Die im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 4 FPG ausgesprochene Rückkehrentscheidung sowie die gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. erfolgte Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien sind infolge insofern ungenutzten Ablaufs der Rechtsmittelfrist in Rechtskraft erwachsen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF gründen auf den Inhalt des Verwaltungsaktes, wo eine Kopie des Reisepasses des BF aufliegt. Aus diesem ergibt sich auch seine Einreise am 02.09.2018. Der Bericht über die Abschiebung des BF am 27.08.2020 liegt im Akt auf.

2.2. Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF ergeben sich aus der im Akt befindlichen Urteilsausfertigung.

2.3. Die Feststellungen, dass der BF über keine familiären, sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt, sowie die von ihm ausgeübte illegale Tätigkeit beruhen auf seinen eigenen Angaben vor dem BFA am 24.08.2020.

2.4. Die Feststellung, dass fallgegenständlich lediglich das ausgesprochene Einreiseverbot sowie die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise in Beschwerde gezogen wurde und die übrigen Spruchteile unangefochten in Rechtskraft erwachsen sind, ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Beschwerdeschriftsatzes vom 21.09.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die verfahrensgegenständliche Beschwerde richtet sich ausdrücklich ausschließlich gegen das in Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides für die Dauer von vier Jahren gegen den BF ausgesprochene Einreiseverbot, die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung.

Die übrigen Spruchteile (Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG sowie Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 52 Abs. 9 FPG) erwuchsen demnach mit insofern ungenutztem Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist in Rechtskraft, sodass sich die folgenden Ausführungen auf die Frage der Rechtmäßigkeit des gegen den BF verhängten Einreiseverbotes (vgl. zur Trennbarkeit dieser Spruchpunkte VwGH 15.5.2012, 2012/18/0029 u.a.; 22.5.2013, 2011/18/0259; 24.5.2018, Ra 2017/19/0311), die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu beschränken haben.

Zu Spruchteil A)

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Da keine Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung erhoben wurde, kommt eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung nicht in Betracht, ebensowenig die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids:

Da der Beschwerde vom BFA die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde und die Beschwerde dagegen zurückgewiesen wurde, ist gemäß § 55 Abs. 4 FPG das Absehen von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise rechtskonform. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids ist daher nicht korrekturbedürftig.

3.4. Zu Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids (Einreiseverbot):

3.4.1. Der mit „Einreiseverbot“ betitelte § 53 FPG i.d.g.F. lautet auszugsweise:

„§ 53 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3.       ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4.       ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;

8.       ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9.       der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt. (4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

…“

3.4.2. Die belangte Behörde hat das gegenständliche Einreiseverbot auf den Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG gestützt und mit dem Umstand begründet, dass der BF, welcher rechtskräftig zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden ist, auf Grund der von ihm begangenen Straftaten und seines bisherigen Fehlverhaltens eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

Bei der Erstellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose – gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot – ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 3 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das, diesem zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).

Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl. VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

Der BF wurde unbestritten von einem Landesgericht wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1, achter Fall, Abs. 3, Abs. 4 Z 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon fünf Monate bedingt, verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass er im Frühjahr 2020 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung in drei Angriffen einer Person Suchtgift durch gewinnbringenden Verkauf überlassen hatte, und zwar etwa 150 Gramm Marihuana. Als mildernd wurden der bisher ordentliche Lebenswandel, als erschwerend die mehrfache Deliktsqualifikation gewertet.

Das vom BF begangene Delikt stellt ohne Zweifel eine die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer gefährdende und beeinträchtigende Form von Fehlverhalten dar (vgl. VwGH 23.3.1992, 92/18/0044; 22.2.2011, 2010/18/0417). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass die Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere von Suchtgiftdelikten, jedenfalls schon vor dem Hintergrund der verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft, zu denen der Konsum von Suchtgiften führt, ein Grundinteresse der Gesellschaft (Schutz und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) darstellt. Der VwGH hat in Bezug auf Suchtmitteldelinquenz wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 22.11.2012, 2011/23/0556; 20.12.2012, 2011/23/0554; 30.8.2017, Ra 2017/18/0155; 1.4.2019, Ra 2018/19/0643).

Im Lichte dieser Erwägungen ist die Annahme einer vom BF im Falle eines weiteren, respektive neuerlichen Aufenthaltes im Bundesgebiet ausgehenden schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie einer negativen Zukunftsprognose gerechtfertigt.

Die besondere Gefährlichkeit des BF wird dabei durch den Umstand, dass er den Suchtgifthandel in organisierter Weise betrieb und dadurch seinen Lebensunterhalt zu bestreiten suchte, unterstrichen. Der BF hat, wie dargelegt, die hohe Menge von 150 Gramm Marihuana im Bundesgebiet in Verkehr gesetzt. Der BF war sich während des gesamten Tatzeitraums der Unrechtmäßigkeit seiner Handlungen und der hierfür drohenden Haftstrafen bewusst.

Hinzu kommt, dass sich der BF bereits seit 2018 illegal im Schengenraum aufhielt und seinen Lebensunterhalt durch unerlaubte Erwerbstätigkeit deckte. Wie aus der Einvernahme des BF vor dem BFA hervorgeht, war dem BF bewusst, dass er durch dieses Verhalten gegen die fremden- und arbeitsmarktrechtlichen Bestimmungen verstieß.

Der BF hat durch sein straf- und fremdenrechtliche Rechtsnormen negierendes Verhalten massiv seinen Unwillen unter Beweis gestellt, in Österreich geltende Grundinteressen der Gesellschaft zu achten, weshalb in Zusammenschau des Verhaltens des BF insbesondere in Anbetracht der Schwere der begangenen Straftat von einer für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehenden Gefährdung auszugehen und eine Rückfälligkeit in strafrechtswidriges Verhalten seitens des BF naheliegend ist. Angesichts seines bisherigen Lebenswandels ist jedenfalls die Prognose zulässig, dieser werde künftig durch die Begehung weiterer strafbarer Handlungen im Bereich des Suchtgifthandels oder durch weitere illegale Erwerbstätigkeit versuchen, sich eine Einnahmequelle zu verschaffen.

3.4.3. Auch die im Lichte des § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten und familiären Interessen des BF mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen konnte eine Abstandnahme von der Erlassung eines Einreiseverbotes respektive eine Verkürzung seiner Dauer nicht rechtfertigen. Der BF befand sich in Österreich nur wenige Monate in Freiheit, private, familiäre, soziale oder berufliche Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht behauptet. Es sind daher keine privaten Interessen an einer Wiedereinreise ins Bundesgebiet erkennbar.

Den geringen persönlichen Interessen des BF an einer späteren Wiedereinreise in das Gebiet der Mitgliedstaaten steht sohin die aufgrund seines in schwerwiegenden Straftaten gipfelnden Verhaltens resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber, wobei dem BF ein, im Lichte des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität (vgl. nochmals VwGH 01.04.2019, Ra 2018/19/0643 mwN), den Interessen der österreichischen Gesellschaft zuwiderlaufendes, schwer verwerfliches Fehlverhalten zur Last liegt. Die Abwägung der genannten gegenläufigen Interessen führt sohin zur Auffassung, dass die Erlassung des Einreiseverbotes zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten ist und somit die Interessen des BF überwiegt.

Daher ist die belangte Behörde zu Recht von der Rechtmäßigkeit der Verhängung eines Einreiseverbotes ausgegangen, erweist sich dieses nämlich vor dem Hintergrund des bisher Ausgeführten in Bezug auf den BF als erforderlich, um der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit zu begegnen.

3.4.4. Ein auf vier Jahre befristetes Einreiseverbot ist unter Berücksichtigung der für Fälle des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG genannten Maximaldauer verhältnismäßig. Angesichts der Delinquenz des BF im Bereich des Suchtgifthandels und seines illegalen Aufenthalts ist die Dauer des Einreiseverbots unter Berücksichtigung seiner nicht vorhandenen familiären und sozialen Anknüpfungspunkte im Gebiet der Mitgliedstaaten im angemessenen Ausmaß festgelegt worden. Aufgrund des konkreten Unrechtsgehalts der vom BF begangenen Straftat und unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe kann davon ausgegangen werden, dass nur ein Einreiseverbot in der Dauer von zumindest vier Jahren eine allfällige Änderung seines Verhaltens und seiner Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten bewirken wird. Eine Herabsetzung der Dauer des im angefochtenen ausgesprochenen Einreiseverbotes kam demnach nicht in Betracht.

3.5. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides erwies sich demnach als unbegründet.

4. Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ausführlich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, mit dem Verständnis dieser Bestimmung auseinandergesetzt und geht seitdem in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. dazu statt vieler die Erkenntnisse vom 12.11.2014, Ra 2014/20/0029, vom 2. September 2015, Ra 2014/19/0127, vom 15.03.2016, Ra 2015/19/0180, vom 18.05.2017, Ra 2016/20/0258, und vom 20.06.2017, Ra 2017/01/0039) davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht keinerlei neue Beweismittel beigeschafft und sich für seine Feststellungen über die Person des BF auf jene des angefochtenen Bescheids gestützt. Die Beschwerde ist der Richtigkeit dieser Feststellungen und der zutreffenden Beweiswürdigung der Behörde nicht ansatzweise substanziiert entgegengetreten (VwGH vom 20.12.2016, Ra 2016/01/0102) und hat keine neuen Tatsachen vorgebracht. Die Beschwerde hat die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zwar beantragt aber es nicht konkret aufzuzeigen unternommen, dass eine solche Notwendigkeit im vorliegenden Fall bestehen würde (vgl. zuletzt etwa VwGH 4.12.2017, Ra 2017/19/0316-14). Wie dargelegt, wurde auch in der Beschwerde der zur Begründung des Einreiseverbotes auf Basis der unstrittigen strafgerichtlichen Delinquenz des BF getroffenen Gefährdungsprognose inhaltlich nicht substantiiert entgegengetreten. Die für die Begründung der Gefährdungsprognose und Bemessung der Dauer des ausgesprochenen Einreiseverbotes maßgeblichen Sachverhalte wurden zur Gänze bereits im Verfahren vor dem BFA erhoben und im angefochtenen Bescheid offengelegt, wobei die Behörde unter Abwägung der vom BF konkret gesetzten strafbaren Handlungen eine einzelfallbezogene Begründung des Einreiseverbotes vorgenommen hat. Die Beschwerde hat die Beurteilung des angefochtenen Bescheides pauschal bestritten, jedoch keine Sachverhalte aufgezeigt, die zu einem für den BF allenfalls günstigeren Verfahrensergebnis hätten führen können. Die wesentlichen Feststellungen, nämlich das der Verurteilung vom 24.08.2020 zugrundeliegende strafrechtswidrige Verhalten des BF, sein fremdenrechtliches Fehlverhalten sowie die nicht vorhandenen familiären und privaten Anknüpfungspunkte, blieben unbestritten. Insofern wurden keine Sachverhaltselemente aufgezeigt, welche einer mündlichen Erörterung bedürften.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher im vorliegenden Fall von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall Einreiseverbot freiwillige Ausreise Interessenabwägung öffentliche Interessen Resozialisierung Rückkehrentscheidung Suchtmitteldelikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W241.2235659.1.00

Im RIS seit

15.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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