Entscheidungsdatum
08.04.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W276 2160798-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Gert WALLISCH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost vom 16.03.2021, Zahl XXXX , zu Recht:
A)
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Gang des Verfahrens:
1. Der Beschwerdeführer („BF“), ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, stellte am 25.10.2015 als damals Minderjähriger einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 08.02.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl („BFA“) niederschriftlich einvernommen und eingehend zu seinen persönlichen Verhältnissen, Fluchtgründen und seinem Gesundheitszustand befragt.
3. Mit Bescheid vom 18.05.2017 wies das BFA den Antrag des BF sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I) als auch des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FGP zulässig sei (Spruchpunkt III) und die Frist für die freiwillige Ausreise gem § 55 Abs 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).
4. Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts („BVwG“) vom 23.08.2019 zu GZ W110 2160798-1/11E rechtskräftig abgewiesen.
5. Am 21.07.2019 stellte der BF einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Niederschriftich befragt gab er zusammengefasst an, er stelle einen neuen Asylantrag, weil er mittlerweile seine Religion gewechselt habe und nunmehr Christ sei. Der Trainer im Fußballverein habe ihn auf das Christentum aufmerksam gemacht. Er sei schon 2 oder drei Mal in der Kirche gewesen. Einen Taufvorbereitungskurs habe der BF nicht besucht, er sei auch noch nicht getauft. Aus Angst vor den Taliban könne er nicht nach Afghanistan zurückkehren.
6. Mit dem nunmehr beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 16.03.2021 wurde der neuerliche Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 21.07.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf das Herkunftsland Afghanistan gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.), eine Frist für eine freiwillige Ausreise gem § 55 Abs 1a FPG wurde nicht festgelegt (Spruchpunkt VI) und gegen den BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Das BFA traf umfassende herkunftsbezogene Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan) und führte zusammengefasst aus, dass der BF nicht glaubhaft machen konnte, an einer Konversion zum Christentum interessiert zu sein und keine inneren Motive anführen konnte, die die Annahme einer inneren Hinwendung zum Christentum bzw auch nur den Wunsch dazu, rechtfertigen würde (Bescheid BFA vom 16.03.2021, S. 274 ff).
Andere, allenfalls neu hinzugetretene Asylgründe, brachte der BF nicht vor. Ein neuer, allenfalls anders zu beurteilender Sachverhalt, würde somit im Ergebnis nicht vorliegen.
7. Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seine bevollmächtigte Vertretung fristgerecht Beschwerde, stellte einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und erstattete im Wesentlichen folgendes Vorbringen:
Der entscheidungswesentliche Sachverhalt habe sich maßgeblich verändert, weil der BF zum Christentum konvertiert sei und dieses Vorbringen des BF zumindest einen glaubhaften Kern aufweise. Insofern sei von einem geänderten Sachverhalt auszugehen, der neu zu beurteilen sei. Eine „res iudicata“ liege daher nicht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Feststellungen zur Person des BF und seinen Fluchtgründen:
Der nunmehr volljährige BF ist Staatsangehöriger Afghanistans und reiste am 25.10.2015 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.
Dieser Antrag wurde vom BFA und in weiterer Folge vom BVwG als Rechtsmittelinstanz mit Erkenntnis vom 23.08.2019 zu GZ W110 2160798-1/11E rechtskräftig abgewiesen.
Am 21.07.2020 stellte der BF den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und gab an, dass er nunmehr Christ sei und deswegen nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren könne. Der gegenständliche Antrag wurde in der Folge mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16.03.2021 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Festgestellt wird, dass der BF seit Rechtskraft der letzten Entscheidung über seinen ersten Asylantrag kein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen glaubhaft dartun konnte. Er bezieht sich in seinem (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz einerseits auf Umstände, die bereits zum oben genannten Zeitpunkt bestanden haben sollen, andererseits auf Umstände die weder glaubhaft noch asylrelevant sind.
Der BF ist ledig und hat keine Kinder.
Der BF ist gesund, er ist in keiner medizinischen Behandlung und nimmt keine Medikamente ein.
Im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist festzuhalten, dass der BF aktuell 23 Jahre alt und gesund ist bzw. keine relevanten Vorerkrankungen aufweist, womit er nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen fällt (s. Pkt. II.1.5.3.). Ein bei einer Überstellung des BF nach Afghanistan vorliegendes „real risk“ einer Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK ist nicht erkennbar.
Der BF wurde in Afghanistan im Iran in der Stadt XXXX , im Stadtteil XXXX geboren, hat aber 6 Monate in Kabul Stadt, XXXX verbracht. Die Eltern des BF stammen aus der Provinz Logar. Der BF ging dort etwa neun Jahr zur Schule. Der BF ist Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Der BF hat im Iran als Schuster gearbeitet (AS 81).
Der BF hat einen Onkel in Kabul, der eine Werkstatt besitzt.
In Österreich lebt der BF von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der BF hat in Österreich keine nennenswerten sozialen Kontakte zu Einheimischen und keine Angehörigen.
Der BF leidet an keiner zwischenzeitlich aufgetretenen lebensbedrohlichen oder im Herkunftsland nicht behandelbaren Krankheit.
Der BF ist jung, gesund und arbeitsfähig.
Es kann nicht festgestellt werden, dass in der Zwischenzeit Umstände eingetreten sind, wonach dem BF in Afghanistan aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder ihm im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.
Bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat kann er mit finanzieller Hilfe seines in Kabul lebenden Onkels rechnen. Aber auch ohne eine solche Unterstützung ist ihm der Aufbau einer Existenzgrundlage in Herat oder Mazar- e Sharif möglich. Seine Existenz könnte er dort - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Der BF hat zunächst auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle der Rückkehr in die Stadt Herat oder Mazar- e Sharif ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr in die Stadt Herat oder Mazar- e Sharif Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
Außerdem ist zwischenzeitlich auch keine entscheidungswesentliche Änderung der Situation in Afghanistan bzw in der persönlichen Lebenssituation des BF eingetreten.
Der BF kann die Stadt Herat oder Mazar- e Sharif von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.
1.2. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Diesbezüglich verweist das BVwG auf die Feststellungen der belangten Behörde im verfahrensgegenständlichen Bescheid (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 16.12.2020, AS 153 ff). Das vorliegende Erkenntnis berücksichtigt zudem das aktuelle Länderinformationsblatt vom 01.04.2021, aus denen sich jedoch keine Änderung in der Beurteilung der Sach- und Rechtslage ergibt, zumal rechtlich relevante Änderungen der Situation im Herkunftsstaat bezogen auf den hier maßgeblichen Sachverhalt nicht ersichtlich sind.
Länderinformationsblatt vom 01.04.2021
Kabul (Letzte Änderung: 25.03.2021)
Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans (PAJ Kabul o.D.) und grenzt an Parwan und Kapisa im Norden, Laghman im Osten, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden sowie Wardak im Westen. Provinzhauptstadt ist Kabul-Stadt (NPS Kabul o.D.). Die Provinz besteht aus den folgenden Distrikten: Bagrami, Chahar Asyab, Dehsabz, Estalef, Farza, Guldara, Kabul, Kalakan, Khak-e-Jabar, Mir Bacha Kot, Musahi, Paghman, Qara Bagh, Shakar Dara und Surubi/Surobi/Sarobi (NSIA 1.6.2020; vgl. IEC Kabul 2019). Die National Statistics and Information Authority of Afghanistan (NSIA) schätzt die Bevölkerung in Kabul im Zeitraum 2020-21 auf 4.459.463 Personen (NSIA 1.6.2020).
Kabul-Stadt - Geographie und Demographie
Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Es ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 4.434.550 Personen für den Zeitraum 2020-21 (NSIA 1.6.2020). Die genaue Bevölkerungszahl ist jedoch umstritten, und Schätzungen reichen von 3,5 Millionen bis zu möglichen 6,5 Millionen Einwohnern (AAN 19.3.2019; vgl. IGC 13.2.2020). Laut einem Bericht expandierte die Stadt, die vor 2001 zwölf Stadtteile - auch Police Distrikts (USIP 4.2017), PDs oder Nahia genannt (AAN 19.3.2019) - zählte, aufgrund ihres signifikanten demographischen Wachstums und ihrer horizontalen Expansion auf 22 PDs (USIP 4.2017). Die Bevölkerung besteht aus Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus (PAJ Kabul o.D.; vgl. NPS Kabul o.D.). Hauptstraßen verbinden die afghanische Hauptstadt mit dem Rest des Landes (UNOCHA 4.2014), inklusive der Ring Road (Highway 1), welche die fünf größten Städte Afghanistans - Kabul, Herat, Mazar-e Sharif, Kandarhar und Jalalabad - miteinander verbindet (USAID o.D.).
Der Highway zwischen Kabul und Kandarhar gilt als unsicher (TN 7.7.2020a). Aufständische sind auf dem Highway aktiv (UNGASC 28.2.2019; vgl. UNOCHA 23.2.2020) und kontrollieren Teile der Straße und es wurde von Straßenblockaden und Checkpoints durch Aufständische berichtet, die sich gegen Regierungsmitglieder und Sicherheitskräfte richten (LI 22.1.2020; vgl. EASO 9.2020).
Der Kabul-Jalalabad-Highway ist eine wichtige Handelsroute, die oft als „eine der gefährlichsten Straßen der Welt“ gilt (was sich auf die zahlreichen Verkehrsunfälle bezieht, die sich auf dieser Straße ereignet haben) und durch Gebiete führt, in denen Aufständische aktiv sind (TD 13.12.2015; vgl. EASO 9.2020).
Es wird berichtet, dass 20 Kilometer der Kabul-Bamyan-Autobahn, welche die Region Hazarajat mit der Hauptstadt verbindet, unter der Kontrolle der Taliban stehen (AAN 16.12.2019) und Reisenden zufolge haben die sicherheitsrelevanten Vorfälle auf der Autobahn, die Kabul mit den Provinzen Logar und Paktia verbindet, im Juli 2020 zugenommen (TN 7.7.2020a). In Kabul-Stadt gibt es einen Flughafen, der mit Stand März 2021 für die Abwicklung von internationalen und nationalen Passagierflügen geöffnet ist (F 24 o.D.).
Die Stadt besteht aus drei konzentrischen Kreisen: Der erste umfasst Shahr-e Kohna, die Altstadt, Shahr-e Naw, die neue Stadt, sowie Shash Darak und Wazir Akbar Khan, wo sich viele ausländische Botschaften, ausländische Organisationen und Büros befinden. Der zweite Kreis besteht aus Stadtvierteln, die zwischen den 1950er und 1980er Jahren für die wachsende städtische Bevölkerung gebaut wurden, wie Taimani, Qala-e Fatullah, Karte Se, Karte Chahar, Karte Naw und die Microraions (sowjetische Wohngebiete). Schließlich wird der dritte Kreis, der nach 2001 entstanden ist, hauptsächlich von den „jüngsten Einwanderern“ (USIP 4.2017) (afghanische Einwanderer aus den Provinzen) bevölkert (AAN 19.3.2019), mit Ausnahme einiger hochkarätiger Wohnanlagen für VIPs (USIP 4.2017).
Was die ethnische Verteilung der Stadtbevölkerung betrifft, so ist Kabul Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt, je nach der geografischen Lage ihrer Heimatprovinzen. Dies gilt für die Altstadt ebenso wie für weiter entfernte Stadtviertel, und sie wird in den ungeplanten Gebieten immer deutlicher (Noori 11.2010). In den zuletzt besiedelten Gebieten sind die Bewohner vor allem auf Qawmi-Netzwerke angewiesen, um Schutz und Arbeitsplätze zu finden sowie ihre Siedlungsbedingungen gemeinsam zu verbessern. Andererseits ist in den zentralen Bereichen der Stadt die Mobilität der Bewohner höher und Wohnsitzwechsel sind häufiger. Dies hat eine negative Wirkung auf die sozialen Netzwerke, die sich in der oft gehörten Beschwerde manifestiert, dass man „seine Nachbarn nicht mehr kenne“ (AAN 19.3.2019).
Nichtsdestotrotz, ist in den Stadtvierteln, die von neu eingewanderten Menschen mit gleichem regionalem oder ethnischem Hintergrund dicht besiedelt sind, eine Art „Dorfgesellschaft“ entstanden, deren Bewohner sich kennen und direktere Verbindungen zu ihrer Herkunftsregion haben als zum Zentrum Kabuls (USIP 4.2017). Einige Beispiele für die ethnische Verteilung der Kabuler Bevölkerung sind die folgenden: Hazara haben sich hauptsächlich im westlichen Viertel Chandawal in der Innenstadt von Kabul und in Dasht-e-Barchi sowie in Karte Se am Stadtrand niedergelassen; Tadschiken bevölkern Payan Chawk, Bala Chawk und Ali Mordan in der Altstadt und nördliche Teile der Peripherie wie Khairkhana; Paschtunen sind vor allem im östlichen Teil der Innenstadt Kabuls, Bala Hisar und weiter östlich und südlich der Peripherie wie in Karte Naw und Binihisar (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017), aber auch in den westlichen Stadtteilen Kota-e-Sangi und Bazaar-e-Company (auch Company) ansässig (Noori 11.2010); Hindus und Sikhs leben im Herzen der Stadt in der Hindu-Gozar-Straße (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul (USDOD 1.7.2020) und alle Distrikte gelten als unter Regierungskontrolle stehend (LWJ o.D.), dennoch finden weiterhin High-Profile-Angriffe - auch in der Hauptstadt - statt (UNAMA 2.2021; vgl. HRW 13.1.2021, USDOD 1.7.2020, NYTM 26.3.2020, HRW 12.5.2020), wie Angriffe auf schiitische Feiernde und einen Sikhtempel in März (USDOD 1.7.2020) sowie auf Bildungseinrichtungen wie die Universität in Kabul (GN 2.11.2020; vgl. AJ 2.11.2020) oder ein Selbstmordattentat auf eine Schule in Kabul im Oktober 2020 (HRW 26.10.2020) für die alle der Islamische Staat die Verantwortung übernahm (HRW 26.10.2020; vgl. AJ 2.11.2020, GN 2.11.2020). Den Angriff auf eine Geburtenklinik im Mai 2020 reklamierte bislang keine Gruppierung für sich (AJ 15.6.2020; vgl. AP 16.6.2020, HRW 12.5.2020) , wobei die Taliban eine Verantwortung abstritten (AP 16.6.2020, vgl. HRW 12.5.2020).
Bei Angriffen in Kabul kommt es oft vor, dass keine Gruppierung die Verantwortung übernimmt oder es werden diese von nicht identifizierten bewaffneten Gruppen durchgeführt (UNAMA 2.2021; vgl. UNGASC 2.2019, EASO 9.2020). Das U.S. Department of Defence (USDOD) beschreibt die Ziele militanter Gruppen, die in Kabul Selbstmordattentate verüben, als den Versuch internationale Medienaufmerksamkeit zu erregen, den Eindruck einer weit verbreiteten Unsicherheit zu erzeugen und die Legitimität der afghanischen Regierung sowie das Vertrauen der Bevölkerung in die afghanischen Sicherheitskräfte zu untergraben (USDOD 23.1.2020; vgl. EASO 9.2020). Afghanische Regierungsgebäude und -beamte, die afghanischen Sicherheitskräfte und hochrangige internationale Institutionen, sowohl militärische als auch zivile, gelten als die Hauptziele in Kabul-Stadt (USDOS 24.6.2020; vgl LI 22.1.2020, LIFOS 15.10.2019, EASO 9.2020).
Aufgrund öffentlichkeitswirksamer Angriffe auf Kabul-Stadt kündigte die afghanische Regierung bereits im August 2017 die Entwicklung eines neuen Sicherheitsplans für Kabul an (AAN 25.9.2017). So wurde unter anderem das Green Village errichtet, ein stark gesichertes Gelände im Osten der Stadt, in dem unter anderem, Hilfsorganisationen und internationale Organisationen (RFE/RL 2.9.2019; vgl. FAZ 2.9.2019) sowie ein Wohngelände für Ausländer untergebracht sind (FAZ 2.9.2019). Die Anlage wird von afghanischen Sicherheitskräften und privaten Sicherheitsmännern schwer bewacht (AJ 3.9.2019). Die Green Zone hingegen ist ein separater Teil, der nicht unweit des Green Village liegt. Die Green Zone ist ein stark gesicherter Teil Kabuls, in dem sich mehrere Botschaften befinden - so z.B. auch die US-amerikanische Botschaft und britische Einrichtungen (RFE/RL 2.9.2019; vgl. GN 15.7.2020) und der von hohen Mauern umgeben ist (GN 15.7.2020).
Wie auch in anderen großen Städten Afghanistans ist Straßenkriminalität in Kabul ein Problem (AVA 1.2020; vgl. ArN 11.1.2020, AAN 11.2.2020, AAN 21.2.2020, TN 4.10.2020, TN 17.10.2020, TN 21.10.2020, EASO 9.2020). Im vergangenen Jahr [Anm.: 2020] wurden in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif Tausende von Fällen von Straßenraub und Hausüberfällen gemeldet (ArN 11.1.2020; vgl. TN 24.7.2020). Nach einem Anstieg der Kriminalität und der Sicherheitsvorfälle in Kabul kündigte der Vizepräsident Amrullah Saleh im Oktober 2020 an, dass er auf Anordnung von Präsident Ashraf Ghani für einige Wochen die Verantwortung für die Sicherheit in Kabul übernehmen und hart gegen Kriminalität in Kabul vorgehen werde (TN 17.10.2020; vgl. AN 17.10.2020, TN 21.10.2020). Die Regierung kündigte einen Sicherheitsplan mit der Bezeichnung „Security Charter“ an, um das Sicherheitspersonal in die Gewährleistung der Sicherheit Kabuls und anderer Großstädte des Landes zu integrieren. Als Teil dieses Plans wies Präsident Ghani die Sicherheitsbehörden an, gegen schwere Verbrechen in der Stadt vorzugehen (TN 21.10.2020; vgl. TN 17.10.2020, AN 17.10.2020).
Auf Regierungsseite befindet sich die Provinz Kabul mit Ausnahme des Distrikts Surubi im Verantwortungsbereich der 111. ANA Capital Division, die unter der Leitung von türkischen Truppen und mit Kontingenten anderer Nationen der NATO-Mission Train Advise Assist Command - Capital (TAAC-C) untersteht. Der Distrikt Surubi fällt in die Zuständigkeit des 201. ANA Corps (USDOD 1.7.2020). Darüber hinaus wurde eine spezielle Krisenreaktionseinheit (Crisis Response Unit) innerhalb der afghanischen Polizei geschaffen, um Angriffe zu verhindern und auf Anschläge zu reagieren (LI 5.9.2018). Im Distrikt Surubi wird von der Präsenz von Taliban-Kämpfern berichtet (TN 27.9.2020; vgl. GW 14.7.2020, EASO 9.2020, UNOCHA 3.2.2020). Aufgrund seiner Nähe zur Stadt Kabul und zum Salang-Pass hat der Distrikt große strategische Bedeutung (WOR 10.9.2018; vgl. TN 27.9.2020). Er gilt als unter Regierungskontrolle, wenn auch unsicher. Die Taliban fokussieren ihre Angriffe auf die Straße zwischen Surubi und Jagdalak und konnten diesen Straßenabschnitt auch kurzzeitig unter ihre Kontrolle bringen (TN 27.9.2020). Im Juli 2020 wurde über eine steigende Talibanpräsenz im Distrikt Paghman berichtet (TN 15.7.2020). Es wird berichtet, dass der Islamische Staat (ISKP) in der Provinz aktiv und in der Lage ist, Angriffe durchzuführen (UNGASC 27.5.2020; vgl. EASO 9.2020). Aufgrund des anhaltenden Drucks der ANDSF (Afghan National Security Forces), die Aktivitäten des Islamischen Staats zu stören (LI 22.1.2020; vgl. UNGASC 4.2.2020, EASO 9.2020), zeigte sich die militante Gruppe jedoch nur eingeschränkt in der Lage, 2019 in Kabul öffentlichkeitswirksame Anschläge zu verüben (UNAMA 2.2020; vgl. LI 22.1.2020, WP 9.2.2020, EASO 9.2020). UNAMA schrieb 673 zivile Opfer (213 Tote und 460 Verletzte) im Jahr 2020 in Afghanistan dem ISKP zu, ein Rückgang von 45% im Vergleich zu 2019. Die überwiegende Mehrheit der zivilen Opfer von ISILKP wurde jedoch durch Selbstmordattentate und heftige Schusswechsel in Kabul und Jalalabad verursacht (UNAMA 2.2021).
Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung
Der Tabelle auf Seite 39 des LIB vom 01.04.2021 kann die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in der Provinz gemäß ACLED und Globalincidentmap (GIM) für den Zeitraum 1.1.2019-31.12.2020 entnommen werden (Quellenbeschreibung s. Disclaimer – auch bzgl. Problemen bei der Vergleichbarkeit der Zahlen zwischen 2019 und 2020; hervorgehoben: Distrikt der Provinzhauptstadt Im Jahr 2020 dokumentierte UNAMA 817 zivile Opfer (255 Tote und 562 Verletzte) in der Provinz Kabul. Dies entspricht einem Rückgang von 48% gegenüber 2019. Die Hauptursache für die Opfer waren gezielte Tötungen, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordattentate) und Selbstmordanschlägen (UNAMA 2.2021).
Während des zweiten Quartals 2020 hat die Gewalt Berichten zufolge wieder zugenommen (NYTM 25.6.2020; vgl. UNGASC 17.6.2020, RY 30.6.2020, EASO 9.2020). Im letzten Quartal 2020 stieg die Gewalt weiter an und war weit höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (SIGAR 30.1.2021). In Kabul wurden in den ersten Wochen des Jahres 2021 mehrere Anschläge mit kleinen „sticky bombs“ verübt, die unter Fahrzeugen angebracht und ferngesteuert oder mit Zeitzündern gezündet wurden. Die Gruppe „Islamischer Staat“ (ISKP) hat die Verantwortung für einige der Anschläge übernommen, während die afghanische Regierung einige den Taliban zuschreibt (RFE/RL 23.2.2021). Selbstmordanschläge (BAMF 11.1.2021; NYTM 29.10.2020a; NYTM 29.10.2020c; HRW 26.10.2020; RFE/RL 29.4.2020; REU 29.4.2020) und IEDs (RFE/RL 23.2.2021; BBC 22.12.2020; WP 26.2.2020; AJ 22.8.2020; NYTM 29.10.2020c; TN 4.10.2020; KP 4.6.2020) finden statt und es wurde von gezielten Tötungen (RFE/RL 23.2.2021; BAMF 11.1.2021; BBC 22.12.2020; BBC 15.12.2020; NYTM 26.3.2020; AT 22.8.2020; TN 21.10.2020; NYTM 5.11.2020) und Angriffen auf militärische Einrichtungen bzw. Sicherheitskräfte (RFE/RL 23.2.2021; BAMF 18.1.2021; BAMF 11.1.2021; NYTM 29.10.2020b; GN 11.2.2020; TN 22.6.2020; TN 8.7.2020; TN 6.7.2020; UNAMA 6.2020; TN 6.6.2020) sowohl in Kabul-Stadt wie auch in den Distrikten der Provinz berichtet. Es gibt Berichte über Straßenblockaden und Angriffe auf Highways durch bewaffnete Gruppierungen (UNOCHA 29.1.2020; NYTM 27.2.2020) Seit Herbst 2018 haben die ANDSF-Kräfte eine konzertierte Anstrengung zur Auflösung militanter Gruppen begonnen, die im und um den Großraum Kabul herum aktiv sind (NYTM 16.1.2019; vgl. UNGASC 27.5.2020; USDOD 1.7.2020). Die ANDSF setzen gemeinsam mit einem neuen Kommando der Gemeinsamen Streitkräfte, das im Juni 2020 eingerichtet wurde (KP 4.6.2020) ihre Aktivitäten im Jahr 2020 fort. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen Operationen gegen aufständische Gruppierungen (TN 6.5.2020; KP 6.5.2020; RFE/RL 11.5.2020; TN 11.5.2020) und kriminelle Banden (KP 18.5.2020) sowie Luftschläge (EASO 9.2020) durch und konnten hochrangige Mitglieder der Taliban und des IS festnehmen (TN 11.5.2020; KP 12.2.2020; BBC 11.5.2020; TN 11.5.2020; PAJ 26.6.2020) sowie zwei IS-Mitglieder verhaften, die angeblich Angriffe auf ein Krankenhaus und ein Medienunternehmen planten (TN 7.7.2020b).
Logar (Letzte Änderung: 11.03.2021)
Die Provinz Logar [auch: Lugar, Lawghar, Lowghar] liegt im Zentrum Afghanistans, etwa 65 Kilometer südlich von Kabul (PAJ Logar o.D.). Sie grenzt an die Provinzen Kabul im Norden, Nangarhar im Nordosten, Paktya im Süden und Ghazni und Wardak im Westen (NPS Logar o.D.). Ob der Distrikt Azra im Osten der Provinz direkt an Pakistan grenzt, ist unklar (AAN 18.7.2020). Unterschiedliche Quellen geben an, der Distrikt Azra habe eine ca. acht Kilometer lange, unbewachte Grenze mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (EASO 1.2016, UNOCHA Logar 4.2014, TN 30.6.2019), während andere Quellen angeben, dass dies nicht so sei (AAN 18.7.2020, OSM 15.7.2020, GooM o.D.). Die Provinzhauptstadt ist Pul-e-Alam (NPS Logar o.D.; vgl. NSIA 1.6.2020). Die Provinz ist in folgende Distrikte unterteilt: Azra, Baraki Barak, Charkh, Khar War, Khushi, Mohammad Agha und Pul-e-Alam (NSIA 1.6.2020; vgl. IEC Logar 2019, UNOCHA Logar 4.2014, NPS Logar o.D.). Der Distrikt Azra wurde 2005 von Paktia an Logar übergeben (AAN 18.7.2020). Die National Statistics and Information Authority of Afghanistan (NSIA) schätzt die Bevölkerung in Logar im Zeitraum 2020/21 auf 434.374 Personen (NSIA 1.6.2020). Die Bevölkerungsmehrheit ist paschtunisch, Tadschiken und Hazara leben ebenfalls in der Provinz (AAN 18.7.2020; vgl. NPS Logar o.D., PAJ Logar o.D.). Die Distrikte Kharwar und Azra sind vollständig paschtunisch; Charkh hat eine tadschikische Mehrheit von etwa 75 Prozent. In den übrigen Distrikten sind zwischen 20 (Pul-e Alam) und 40 Prozent (Baraki Barak, hauptsächlich im Distriktzentrum) der Bevölkerung Tadschiken. Einige dieser Tadschiken sind Schiiten. Hazara- und Sayyed-Gemeinschaften, die vollständig schiitisch sind, leben im Distrikt Khoshai (25 Prozent der Bevölkerung) und in kleinen Gruppen in der Provinzhauptstadt und in Baraki Barak (AAN 18.7.2020). Eine befestigte Straße (USAID 7.5.2019) führt von Kabul nach Logar und weiter nach Paktia (MoPW 16.10.2015; vgl. TN 7.7.2020) und Khost zum Grenzübergang Ghulam Khan an der afghanisch-pakistanischen Grenze (MoPW 16.10.2015; vgl. PAJ 21.8.2019, USAID 7.5.2019). Entlang des Teilstückes in der Provinz Logar, das durch die Distrikte Mohammad Agha und Pul-e-Alam führt (UNOCHA Logar 4.2014), gibt es eine starke Taliban-Präsenz (AAN 18.7.2020; vgl. SATP 16.7.2020). Die Provinz hat strategische Bedeutung für die Taliban aufgrund der Nähe zu Kabul und wegen der Nachschubrouten in die Nachbarprovinzen, die durch Logar führen (AAN 18.7.2020).
Hintergrundinformationen zu Konflikt und Akteuren
Die Taliban sind in der Provinz aktiv (t-online 31.7.2020) und üben Kontrolle über Teile der Provinz aus (WZ 27.11.2019; vgl. KP 13.9.2020, LWJ 7.10.2020). Charkh ist einer von drei von den Taliban kontrollierten Distrikten. Drei weitere Distrikte, darunter Baraki Barak, sind umstritten. Nur ein Distrikt, Khoshi, steht unter Regierungskontrolle (LWJ 7.10.2020). Laut Angaben der Bewohner kommt es zunehmend zu missbräuchlichem Verhalten der staatlichen Sicherheitskräfte - einschließlich der Bürgerwehren, was dazu führt, dass die Bevölkerung den Taliban mehr Sympathie entgegenbringen, was wiederum deren Präsenz in Logar weiter verstärkt (AAN 18.7.2020).
Auf Regierungsseite befindet sich Logar im Verantwortungsbereich des 203. Afghan National Army (ANA) Corps, das der NATO-Mission Task Force Southeast untersteht, welche von USamerikanischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 1.7.2020).
Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung
Der Tabelle auf Seite 147 des LIB vom 01.04.2021 kann die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in der Provinz gemäß ACLED und Globalincidentmap (GIM) für den Zeitraum 1.1.2019-31.12.2020 entnommen werden (Quellenbeschreibung s. Disclaimer – auch bzgl. Problemen bei der Vergleichbarkeit der Zahlen zwischen 2019 und 2020; hervorgehoben: Distrikt der Provinzhauptstadt).
Im Jahr 2020 dokumentierte UNAMA 171 zivile Opfer (47 Tote und 124 Verletzte) in der Provinz Logar. Dies entspricht einem Rückgang von 22% gegenüber 2019. Die Hauptursachen für die Opfer waren Selbstmordanschläge, gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen (UNAMA 2.2021).
Die Kampfhandlungen nahmen in den letzten sechs Jahren zu und erreichten 2019 ihren Höhepunkt, auch 2020 gab es zeitweise heftige Kämpfe. Keine Konfliktpartei konnte dabei die Kontrolle über das Gebiet oder die Bevölkerung wesentlich ausbauen. Logar gilt als „statisch umkämpftes“ Gebiet. Räumungsoperationen der Regierungstruppen zeigen mangelhaften Erfolg.
Die Taliban haben in Logar widerstandsfähige Strukturen. Weitere Gründe für die anhaltende Unsicherheit in der gesamten Provinz sind u.A. der Kampf um die Kontrolle des Drogen- und Chromitschmuggels und die Schikanierung der Einheimischen durch die staatlichen Sicherheitskräfte. Selbst ohne klare territoriale Fortschritte scheint sich die Position der Taliban in einer solchen Situation zu verbessern (AAN 18.7.2020).
Die Taliban greifen in Logar regelmäßig Regierungskräfte (AAN 18.7.2020; vgl. MENAFN 29.6.2020, XI 1.5.2020, KP 27.4.2020, Nau 16.4.2020) oder Bürgerwehren an (KP 13.9.2020). Es kommt zu Sicherheitsoperationen (KP 1.11.2020, WION 24.9.2020, GW 1.5.2020, TN 22.4.2020) und Luftangriffen (PAJ 12.8.2020, AT 19.4.2020, SHN 19.12.2019).
2. Beweiswürdigung:
2.1 Zur Person des Beschwerdeführers und zum behaupteten maßgeblich geänderten Sachverhalt
Die Feststellungen zur Person des BF, den Gang des ersten Asylverfahrens sowie des gegenständlichen Asylverfahrens sowie des darin vorgebrachten Fluchtvorbringens werden auf Grundlage der entsprechenden Akte des BFA getroffen.
Die Feststellungen zur Nationalität, Volksgruppenzugehörigkeit zur Gesundheit des BF und zu seiner Abstammung aus Logar/Afghanistan und seiner Geburt im Iran stützen sich auf die Angaben im Asylverfahren. Der BF machte diesbezüglich durchgehend gleichbleibende und glaubhafte Angaben.
Die Feststellungen zum Fluchtvorbringen, zur persönlichen Situation, zum Gesundheitszustand, zum familiären Hintergrund und dem Gesundheitszustand des BF im gegenständlichen Verfahren gründen insbesondere auf den Bescheiden des BFA vom 18.05.2017 bzw vom 16.03.2021 sowie dem rechtskräftigen Erkenntnis des BVwG vom 23.08.2019 zu GZ W110 2160798-1/11E, wo das Fluchtvorbringen als unglaubwürdig beurteilt wurde, auf die Einvernahmen durch Organe des BFA, sowie den Protokollen der Sicherheitsbehörden und der Beschwerdeschrift im gegenständlichen Verfahren. Der BF gab im Rahmen seines neuerlichen Asylantrages am 21.07.2020 an, weiterhin gesund zu sein, keine Medikamente einzunehmen und sich nicht in irgendeiner Art von medizinischer Behandlung zu befinden.
Das nunmehrige Vorbringen des BF, wonach sich dieser – entgegen seinen gesamten bisherigen Angaben vor dem BVwG und dem BFA – dem Christentum zugewandt haben soll, waren in keiner Weise glaubhaft und damit auch nicht asylrelevant.
Die getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat und zur Rückkehr des BF stützen sich auf die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten und seit der Erlassung des angefochtenen Bescheides veröffentlichten aktualisierten Länderberichte, konkret auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 01.04.2021.
Da die Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der schlüssigen Situationsdarstellungen im Herkunftsstaat zu zweifeln.
Eine maßgebliche Änderung ist weder in den Länderfeststellungen noch in den UNHCR-Richtlinien vom August 2018 in den Städten Mazar-e Sharif und Herat erkennbar und ist auch im Ergebnis eine interne Fluchtalternative in diesen Städten zumutbar, wie in der rechtlichen Beurteilung ausgeführt wird. Die Stadt Mazar-e Sharif entwickelt sich zusammengefasst wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Unternehmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Im Juni 2017 wurde ein großes Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren. Die Provinz Balkh zählt nach den dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderinformationen zu den stabilsten Provinzen Afghanistans. Die Provinz Balkh hat – im Vergleich zu den anderen Provinzen – weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Die Sicherheitslage in der Provinz Balkh hat sich, wie aus den zitierten Länderinformationen zu entnehmen ist, verbessert.
Die Stadt Herat ist die Hauptstadt der vergleichsweise entwickelten Provinz Herat im Westen des Landes. Herat wird als relativ friedliche Provinz gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten, nicht jedoch in der Stadt Herat, aktiv.
Das Ermittlungsverfahren ergab keine Anhaltspunkte dafür, weswegen ausgerechnet der junge, gesunde und arbeitsfähige BF aufgrund seiner persönlichen Situation in der Relation zu den anderen dort lebenden Menschen in einem der Stadteile von Mazar-e Sharif oder Herat nicht sicher leben könne.
Auch in einer dieser beiden Städte wird es dem BF aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit als Schuster mit etwas Anstrengung möglich sein, mit Hilfe der Rückkehrhilfe und einer allfälligen Unterstützung durch seines in Kabul lebenden Onkels, Arbeit und Unterkunft zu finden, sodass er im Falle seiner Neuansiedlung in einer dieser Städte in keine existenzbedrohende Lage kommen wird.
Wie das BFA im bekämpften Bescheid nachvollziehbar aufzeigen konnte, war die "neu" vorgebrachte Situation betreffend der behaupteten Hinwendung des BF zum Christentum in keiner Weise glaubwürdig. Wirklich neue Gründe, die ein abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage erfordern würden, hat der BF in keiner Weise vorgetragen.
2.2 Zur Konversion des Beschwerdeführers
Eine Abwendung des BF vom Islam aus innerer Überzeugung konnte ebenso wenig festgestellt werden wie ein bereits bestehender, über ein bloßes Interesse hinausgehender innerer Entschluss, nach dem christlichen Glauben zu leben oder entsprechende Betätigungen vorzunehmen.
Dass er sich vom islamischen Glauben abgewendet hat und Interesse am Christentum zeigt wurde vom BF im ursprünglichen Verfahren weder vor der Polizei, noch vor dem BFA behauptet. Im Gegenteil gab er vor dem BFA noch an, shiitischer Moslem zu sein (AS 25).
Aber auch aus den späteren Ausführungen des BF vor der Polizei bzw vor dem BFA (AS 15, 97) war eine bewusste Abwendung vom islamischen Glauben auf Grund einer spezifischen ideellen Überzeugung nicht erkennbar. Er gab zwar an, dass er bereits seit einigen Monaten Interesse am christlichen Glauben gehabt habe. All dies blieb aber vollkommen allgemein und weitgehend unkonkret.
Am 21.07.2019 stellte der BF einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Niederschriftich befragt gab er zusammengefasst an, er stelle einen neuen Asylantrag, weil er mittlerweile seine Religion gewechselt habe und nunmehr Christ sei. Der Trainer im Fußballverein habe ihn auf das Christentum aufmerksam gemacht. Er sei schon 2 oder drei Mal in der Kirche gewesen. Einen Taufvorbereitungskurs habe der BF nicht besucht, er sei auch noch nicht getauft. Aus Angst vor den Taliban könne er nicht nach Afghanistan zurückkehren.
Vor dem BFA gab er ausführlich zu dem von ihm behaupteten Glaubenswechsel an, noch keinen Taufvorbereitungskurs besucht zu haben und auch nicht getauft zu sein. (AS 100 ff). Der BF konnte den Namen der Kirche, die er besucht haben will nicht nennen, er kannte den Namen des dort tätigen Pfarrers nicht, er wusste auch nicht, welche Kirche er in Matzleinsdorf besucht haben will. Erstmals brachte er zudem vor, dass er in seiner Heimat religiös erzogen wurde, er aber dazu gezungen worden sei. Den beginn seiner Beschäftigung mit dem Christentum gab der BF unterschiedlich und letztlich nicht überzeugend an (AS 102)
Die unterschiedlichen Richtungen des christlichen Glaubens sind dem BF nicht bekannt, er weiß nicht, ob Jesus Christus als „Gott“ verehrt wird und ob es da Unterschiede innerhalb der christlichen Religionen gibt. Seine Beschäftigung mit dem Christentum beruhe auf der Durchsicht von YouTube Videos und Filmen. Der BF hatte freilich keinerlei Kenntnis über das Christentum, er wusste nichts über christliche Feste, wie das Fest zur Geburt Jesus heißt, er vertrat die Auffassung, dass Jesus Christus Geschwister habe, er konnte trotz mehrfacher Nachfrage der Behörde keine Angaben zum Akt der Wandlung machen bzw hatte dazu nur diffuse Vorstellungen, die er mit anderen biblischen Erzählungen vermischte (AS 107). Den zaitraum zur Auferstehung Jesus Christus gab er mit sieben Tagen an.
Der BF konnte den Messablauf nicht wiedergeben und auch sonst keine wie immer gearteten Angaben zur christlichen Glaubenslehre machen.
All diese Angaben will der BF zudem deswegen im bisherigen Verfahren nicht gemacht haben, weil er nicht gewusst habe, dass dies wichtig sei. (AS 103)
Der BF hat seinen Glauben nicht nach außen getragen und hat auch in sozialen Medien keinerlei Postings veröffentlicht, die seine angeblich beabsichtigte Konversion betreffen.
Der BF stellte keinen Beweisantrag zur Einvernahme eines Zeugen, auch aus dem gesamten bisherigen Verfahrensverlauf ergaben sich keine konkrete Personen, die über die behauptete Hinwendung des BF zum Christentum etwas berichten hätten können.
Die Ausführungen des BF vor der Polizei und dem BFA lassen nicht erkennen, dass der christliche Glaube bzw. diese Lebensweise bereits in irgendeiner Weise, geschweige denn in einer für das Asylverfahren relevanten Tiefe, in ihm verwurzelt und Bestandteil seiner Identität geworden ist.
In Anbetracht dieser Umstände, kann aufgrund der Angaben des BF vor der Polizei und dem BFA und in Zusammenschau mit den Beweisergebnissen im gesamten bisherigen Verfahren im Fall des BF nicht davon ausgegangen werden, dass der BF ein aufrichtiges und anhaltendes Interesse am Christentum hat. Insgesamt kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich der BF aus freier persönlicher Überzeugung vom moslemischen Glauben abgewendet und nachhaltig dem christlichen Glauben zugewendet hat.
In seiner Einvernahme vor dem BFA ist klar hervorgekommen, dass der christliche Glaube keinen entsprechenden Stellenwert im Leben des BF eingenommen hat und dieser auch nicht verinnerlicht wurde. Der Judikatur des VwGH entsprechend kommt es nämlich bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH, Ra 2018/19/0368-10, vom 12. Dezember 2018 mwN; VwGH vom 09.01.2020, Ra 2019/19/0517, W232 2177951-1) und weil dies nicht auf eine (hier allein entscheidende) Glaubensüberzeugung, sondern auf andere Beweggründe zurückzuführen ist (siehe dazu das Erkenntnis des VwGH vom 18.10.2018, Ra 2018/19/0236 m.w.H., wonach in Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zu einer dem Christentum zugehörigen Religionsgemeinschaft nicht entscheidend ist, ob der Religionswechsel bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist).
Zudem hat der BF zu seinen Beweggründen, nunmehr eine Hinwendung zum Christentum zu behaupten, selbst angegeben, dass ihm dieses Vorbringen helfe, „hier in Österreich bleiben zu können und nicht abgeschoben zu werden.“ (AS 104)
Es ist daher im Ergebnis nicht davon auszugehen, dass der BF seine behaupteten religiösen Interessen bei einer Rückkehr nach Afghanistan weiter nachkommen würde und im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan deshalb in das Blickfeld der Behörden oder radikaler Muslime geraten oder in einer herausgehobenen Position tätig sein würde. In einer Gesamtschau konnte daher nicht festgestellt werden, dass der christliche Glaube ein wesentlicher Bestandteil der Identität des BF geworden ist. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan diesen derzeitigen Interessen (losgelöst vom hier gegenständlichen Verfahren) weiter nachkommen würde oder nach außen zur Schau tragen würde oder Kritik am Islam äußern würde. Eine wie immer geartete asylrelevante Verfolgung des BF wegen einer Abkehr vom Islam bzw eine asylrelevante Einschränkung des BF bei der Ausübung seiner Religion war daher im gegenständlichen Fall nicht anzunehmen.
2.3 Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat und zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus
Die im LIB vom 01.04.2021 getroffenen unstrittigen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation sowie den unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen (s. jeweils mit einer Vielzahl weiterer Hinweise u.a.:
https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html [07.04.2021]; https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/ [07.04.2021]; https://orf.at/corona/stories/3157170/ [07.04.2021];
http://news.ORF.at [07.04.2021];
https://www.tagesschau.de/ausland/coronavirus-karte-101.html [07.04.2021]; https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6). [07.04.2021].
Vor dem Hintergrund der Länderinformationen, fällt der BF aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustands – er ist 23 Jahre alt - nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde gegen die Zurückweisung des Folgeantrags:
3.1.1. Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, (außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG) wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Gemäß § 75 Abs. 4 AsylG 2005 begründen ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist als Vergleichsbescheid derjenige Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. VwGH vom 15.11.2000, Zl. 2000/01/0184; VwGH vom 16.07.2003, Zl. 2000/01/0440; VwGH vom 26.07.2005, Zl. 2005/20/0226).
Im vorliegenden Fall ist daher als Vergleichsentscheidung der Bescheid des BFA vom 18.05.2017 sowie das Erkenntnis des BVwG vom 23.08.2019 zu GZ W110 2160798-1/11E heranzuziehen.
Im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegen verschiedene "Sachen" vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein.
Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf.
Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21.03.1985, 83/06/0023, und andere). Identität der Sache liegt selbst dann vor, wenn die Behörde in dem bereits rechtskräftig abgeschlossen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH 08.04.1992, 88/12/0169).
Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht.
Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann.
Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen.
Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. VwGH vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, in dem weitere von der Rechtsprechung entwickelte Rechtssätze zu § 68 AVG, insbesondere mit Beziehung auf das Asylverfahren, wiedergegebenen werden, und daran anschließend VwGH vom 20.03.2003, Zl. 99/20/0480 mwN; vgl. auch VwGH vom 25.04.2002, 2000/07/0235; VwGH vom 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391, VwGH vom 15.03.2006, Zl. 2006/18/0020; VwGH vom 25.04.2007, Zl. 2005/20/0300 und 2004/20/0100).
Für das BVwG ist demnach Sache des gegenständlichen Verfahrens ausschließlich die Frage, ob sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage seit der Stellung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz geändert hat.
Gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen. Hingegen ist bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Bescheide nicht entgegensteht (vgl. VwGH vom 21. September 2000, Zl. 98/20/0564, vom 24. August 2004, Zl. 2003/01/0431, mwN).
3.1.2. Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, war das nunmehr erstatte Vorbringen des BF, sich zwischenzeitlich dem Christentum zugewandt zu haben in keiner Weise glaubwürdig und wies dieses Vorbringen nicht einmal einen glaubhaften Kern auf, der es erfordern würde, den Sachverhalt neu zu beurteilen und einer erneuten rechtlichen Würdigung zu unterziehen.
3.1.3. Ein Antrag auf internationalen Schutz richtet sich auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und daher sind auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, von den Asylbehörden im Rahmen von Folgeanträgen einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).
Auch im Hinblick auf Art. 3 EMRK ist nicht erkennbar, dass die Rückführung des BF nach Afghanistan, hier in die Stadt Herat oder Mazar-e Sharif zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und er bei seiner Rückkehr in eine Situation geraten würden, die eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihm jedwede Lebensgrundlage fehlen würde.
Es ergibt sich aus den Länderfeststellungen auch, dass kein Grund besteht, davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsbürger einer reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sodass nicht von einem Rückführungshindernis im Lichte der Art. 2 und 3 EMRK auszugehen ist. Gegenteilige Behauptungen in der Beschwerde sind weder stichhaltig begründet noch nachvollziehbar.
Dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan, hier in die Stadt Herat oder Mazar-e Sharif die notdürftigste Lebensgrundlage schon von vornherein entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, ist nicht anzunehmen bzw ergab das bisherige Verfahren keine derartigen Anhaltspunkte.
Wie aus den Ausführungen des BFA zutreffend hervorgeht und auch in der gegenständlichen Beweiswürdigung dargelegt wurde, hat der BF seinen zweiten Asylantrag auf behauptete Tatsachen gestützt, die - seinem eigenen Vorbringen zufolge - bereits zur Zeit des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die er aber unerwähnt gelassen haben will, weil ihm unklar gewesen sei, dass diese Angaben für sein Verfahren wichtig gewesen wären.
Diese Erklärung des BF zu seinem nunmehr neuerlichen Asylvortrag ist aus den im Rahmen der Beweiswürdigung enthaltenen Ausführungen unglaubwürdig.
Vor dem Hintergrund der vom BFA getroffenen Feststellungen zu den Verhältnissen im Herkunftsstaat kann auch nicht angenommen werden, dass in der Zwischenzeit Umstände eingetreten wären, wonach der BF nach einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.
Zwar gibt der BF in seiner Beschwerde an, dass die Sicherheitslage schlechter geworden sei, daraus ergibt sich jedoch keine im gegenständlichen Fall wesentliche Änderung der für den BF maßgeblichen Lage in seinem Herkunftsstaat. Denn die Zumutbarkeit der Rückkehr des BF nach Afghanistan wurde im ersten Verfahren nicht maßgeblich damit begründet, dass aufgrund der schwierigen Sicherheitslage eine Rückführung nicht möglich ist, sondern damit, dass zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative Städte wie Mazar-Sharif oder Herat zur Verfügung stehen.
Der BF befindet sich im erwerbsfähigen Alter, sammelte Berufserfahrung als Schuster.
Wie im rechtskräftigen Erkenntnis des BVwG ausgeführt ist der BF gesund und arbeitsfähig.
Eine Rückführung des BF ist wie ausgeführt nach Herat oder Mazar-e Sharif möglich und zumutbar.
Aus diesen Gründen lag schon nach dem Vorbringen des BF keine Sachverhaltsänderung vor und das BFA hat im Ergebnis den zweiten Asylantrag des BF zu Recht wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen.
3.2. Zur Abweisung des Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung
Gemäß § 16 Abs. 2 BFA-VG kommt einer Beschwerde ua gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und (Z 1) diese mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist oder (Z 2) eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht, die aufschiebende Wirkung nicht zu, es sei denn, sie wird vom BVwG zuerkannt.
Gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde gegen eine solche Entscheidung jeweils binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK bzw. der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Eine Antragslegitimation des BF besteht hinsichtlich der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht, weshalb der Antrag als unzulässig zurückzuweisen war (vgl VwGH 21.02.2017 FR 2016/18/0024).
Die vom BF beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; 01.09.2016, 2013/17/0502; VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12).
Im gegenständlichen Fall war die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Folgeantrages zu überprüfen und wurde weder den Feststellungen noch der Beweiswürdigung des BFA in der Beschwerde substantiiert entgegengetreten, weshalb das BVwG nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. zB. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).
3.3. Zu Spruchpunkt III., IV., und V. des angefochtenen Bescheides - Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Erlassung einer Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan:
3.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.
Gemäß § 57 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
? die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
? das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
? die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
? der Grad der Integration,
? die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
? die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
? Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
? die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
? die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbes