TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/15 W174 2183052-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.2021
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Entscheidungsdatum

15.04.2021

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W174 2183052-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Viktoria MUGLI-MASCHEK, als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2017, Zl, IFA: 1094926407 –- 151785220, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg.cit wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 16.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, traditionell verheiratet, Vater von zwei minderjährigen Kindern sowie ohne Bekenntnis zu sein und der Volksgruppe der Hazara anzugehören. Geboren sei er im Distrikt Malestan in der Provinz Ghazni, habe sieben Jahre die Schule besucht und sei Verkäufer gewesen.

Zu seinem Fluchtgrund erklärte er, die Heimat aus Angst um sein Leben verlassen zu haben. Er hätte ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau gehabt und würde nun von deren Mann verfolgt.

3. Am 10.7.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt oder belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen, erklärte zunächst, im Distrikt Malestan in der Provinz Ghazni geboren zu sein und seine Tazkira auf der Flucht im Meer verloren zu haben. Sein Geburtsdatum wisse er von seinem Vater, der von Beruf Mullah sei. Er selbst sei verheiratet und habe zwei Kinder, seine Frau habe er bei einem früheren Aufenthalt im Iran kennengelernt und dort vor ca. neun bis zehn Jahren traditionell geehelicht. Da sein Vater sehr streng gewesen sei, hätte seine Mutter den damals ca. 13 bis 14-jährigen Beschwerdeführer und seinen Bruder zu einer Tante in den Iran geschickt, wo der Beschwerdeführer auch in der Landwirtschaft gearbeitet und später auf eine Garage aufgepasst habe und zuletzt als Maurer tätig gewesen sei. Die Tante habe dann seine Frau gefunden und der Beschwerdeführer im Alter von 20 Jahren geheiratet. Ein Jahr später sei er von iranischen Polizisten angehalten und nach Afghanistan abgeschoben worden, wobei er seine damals schwangere Frau mitgenommen habe. Anschließend sei er ca. sieben bis acht Jahre in Afghanistan in seinem Heimatdorf geblieben, bevor er vor ca. zwei Jahren geflüchtet sei.

In Afghanistan habe er ein eigenes Lebensmittelgeschäft gehabt und zwar im Zentrum seines Heimatdorfes. Er habe sieben Jahre eine Koranschule besucht, dass er eine Grundschule besucht habe, hätte er nie gesagt.

In seinem Heimatdorf geboren seien seine ca. achtjährige Tochter und der ca. sechsjährige Sohn, beide lebten mittlerweile mit der Ehefrau des Beschwerdeführers im Iran, in Varamin. Sein Bruder befinde sich mittlerweile in Thailand, die Eltern seien nach wie vor im Heimatort.

Nach seiner Rückkehr nach Afghanistan habe er religiöse Probleme gehabt, weil er als geborener Moslem nun ohne Bekenntnis sei. Als er älter geworden sei, habe er keinen Glauben mehr gehabt, der Islam sei unrichtig und unwahr. Anfangs sei es o. k. gewesen, da er aber an religiösen Veranstaltungen nicht teilgenommen und zum Beispiel nicht in der Moschee gebetet, gefastet oder sich an den Ramadan gehalten habe, habe er Probleme bekommen.

Weiters erklärte der Beschwerdeführer, der Volksgruppe der Hazara und dem christlichen (katholischen) Glauben anzugehören. Im Dezember werde er getauft werden. Zurzeit besuche er einen sechsmonatigen Kurs in einem Stift. Mit dem Christentum beschäftige er sich seit ca. sechs Monaten. Den Glauben habe er deswegen gewechselt, weil er das Christentum möge, die ganzen Gesetze und all die Liebe. In seiner Vergangenheit habe er keinen Glauben gehabt, jedoch immer an Gott geglaubt. Missioniert habe ihn ein nähergenannter Freund, den er im Deutschkurs kennengelernt und der immer vom wahren Gott gesprochen habe, ebenso wie von der christlichen Liebe. Dieser Freund sei ursprünglich Moslem gewesen und hier in Österreich konvertiert.

Er selbst wolle deswegen Christ werden, weil der Islam sehr ungerecht sei und sie Sachen getan hätten, die man nicht machen solle. Man sei immer mit dem Tod bestraft worden, auch wenn man nur einen kleinen Fehler gemacht habe.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, weil er in Afghanistan nicht an der islamischen Tradition teilgenommen habe, sei es oft passiert, dass die Leute in sein Gesicht gespuckt hätten. Ca. ein Jahr bevor er Afghanistan verlassen habe, habe er sich mit einer Frau angefreundet, die immer in sein Geschäft einkaufen gekommen sei. Sie hätten dann vielleicht heiraten wollen, was seine Gattin jedoch nicht akzeptiert habe. Die beiden hätten jedoch nur eine freundschaftliche Beziehung gehabt. In einer Nacht habe diese Frau den Beschwerdeführer eingeladen, er sei dann ca. 2 Stunden bei ihr gewesen und beim Weggehen von jemanden angegriffen und zweimal mit dem Messer gestochen worden. Dann seien viele Leute gekommen und es wäre sehr laut gewesen, er habe es aber geschafft, über ein Küchenfenster davonzulaufen und zu seinem Geschäftspartner zu fliehen, es wäre ziemlich dunkel gewesen. Da dieser Angst bekommen habe, habe ihn sein Geschäftspartner hinausgeworfen und einen Schlepper gesucht, der den Beschwerdeführer nachts abgeholt und bis in den Iran gebracht habe. Von der Türkei aus habe der Beschwerdeführer seine Familie angerufen, die Nummer seiner Frau wäre ausgeschaltet gewesen. Dann hätte er seinen Geschäftspartner kontaktiert und von diesem erfahren, dass die Dorfleute zum Vater des Beschwerdeführers gekommen wären und zu diesem gesagt hätten, dass sein Sohn keinen Glauben habe und getötet werden solle. Sein Vater hätte dem zugestimmt, sei dann mit den Dorfleuten zum Haus des Beschwerdeführers gekommen und sie hätten dessen Frau geschlagen und die Tochter misshandelt. Daraufhin habe der Geschäftspartner mit dem gleichen Schlepper gesprochen, der dann die Frau und die Kinder in den Iran gebracht habe. Weitere Fluchtgründe gebe es nicht.

In weiterer Folge beantwortete der Beschwerdeführer mehrere konkrete Fragen zu den wichtigsten christlichen Festen, Jesus Christus, den Evangelisten und Personen der Bibel und betete das Vaterunser vor. Sonntags gehe er in die Kirche, Samstag besuche er dort einen Kurs.

Vorgelegt wurde neben einem Konvolut von Integrationsunterlagen des Beschwerdeführers (unter anderem diverse Kursbesuchsbestätigungen, ein ÖSD Zertifikat A2 vom 19.1.2017 sowie Bestätigungen über ehrenamtliche Tätigkeiten des Beschwerdeführers) eine Bestätigung eines Hochschulseelsorgers und Professors für Spiritualität und Ordensgeschichte darüber, dass der Beschwerdeführer auf die Taufe in der römisch-katholischen Kirche vorbereitet werde, regelmäßig die Glaubenskatechese besuche, anschließend beim Mittagsgebet, einem gemeinsamen Essen und einem gemeinsamen Austausch teilnehme.

4. Am 17.7.2017 wurde der belangten Behörde die Religionsaustrittserklärung des Magistratischen Bezirksamtes vom 8.7.2017, die Bestätigung der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich vom 7.7.2017, dass der Beschwerdeführer kein Mitglied bei Ihnen sei, sowie eine Stellungnahme zum damaligen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation übermittelt.

Am 7.12.2017 langten bei der belangten Behörde die vom Pfarrer ausgestellte Bestätigung des Tauftermins, ein ÖSD Zertifikat B1, eine Bestätigung über die ehrenamtliche Mitarbeit in einer kirchlichen Einrichtung, eine Bestätigung über die regelmäßige Teilnahme an den Sonntagsmessen, die Bestätigung über die ehrenamtliche Mitarbeit in einer Pfarre sowie die Teilnahmebestätigung über den Werte- und Orientierungskurs des ÖIF ein.

5. Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V). Unter Spruchpunkt VI. wurde festgehalten, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Begründend wurde im Wesentlichen festgestellt, dass die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes nicht glaubhaft seien.

6. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wurde im Wesentlichen das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers wiederholt und vorgebracht, dass dieser katholischer Christ und der Tauftermin konkret festgelegt sei. Er habe bereits als Kind Probleme mit dem islamischen Glauben gehabt, unter anderem wegen der strengen und mitunter auch gewalttätigen Erziehung durch seinen Vater, der von Beruf Mullah gewesen sei und den Beschwerdeführer auch zum Besuch einer Koranschule gezwungen habe. Auch im Iran habe der Beschwerdeführer die islamische Religion nicht praktiziert, weil er sich infolge der Erlebnisse mit seinem Vater und trotz seiner offiziellen Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft selbst als Atheist gesehen habe. Nachdem der Beschwerdeführer mit seiner Frau in sein Heimatdorf in Afghanistan zurückgekehrt sei, habe er ebenfalls an keinen religiösen Festen und Traditionen teilgenommen, weswegen er von den Dorfbewohnern regelmäßig beschimpft und bespuckt worden wäre. Er habe sich zwar vom islamischen Glauben abgewandt, sei allerdings auf der Suche nach Spiritualität und Glauben gewesen und habe sich daher heimlich eine Bibel besorgt, um sich über das Christentum zu informieren.

Nachdem er einige Zeit Gelegenheitsarbeiten verrichtet habe, habe er gemeinsam mit einem Geschäftspartner ein Lebensmittelgeschäft eröffnet, in dem er eine Frau kennengelernt habe, mit der sich anfänglich eine freundschaftliche, später auch sexuelle Beziehung entwickelt hätte. Dass er diese Frau eheliche, habe seine Gattin allerdings abgelehnt, gegen die Fortführung der außerehelichen Beziehung jedoch keine Einwände gehabt. Als sich der Beschwerdeführer eines Abends bei seiner Freundin aufgehalten habe, sei er von einem unbekannten Mann angegriffen worden, es sei zu einer Schlägerei gekommen, an der nach kurzer Zeit noch weitere Personen teilgenommen hätten. Im Zuge dessen sei der Beschwerdeführer auch mit einem Messer verletzt worden, bevor ihm die Flucht durch ein Fenster gelungen sei.

Nach seiner Ausreise aus Afghanistan habe der Beschwerdeführer versucht, seine Gattin telefonisch zu erreichen, was ihm jedoch nicht gelungen sei. Als er seinen Geschäftspartner kontaktiert habe, habe er erfahren, dass die Dorfbewohner gemeinsam mit seinem Vater das Haus des Beschwerdeführers durchsucht und dabei die Bibel gefunden hätten.

In Österreich habe sich der Beschwerdeführer eingehender mit dem Christentum beschäftigt und evangelische Gottesdienste besucht, sei jedoch aufgrund seiner Erfahrungen mit dem Islam weiterhin skeptisch gegenüber der christlichen Religion geblieben. Über einen Bekannten sei er mit einer katholischen Gemeinde in Kontakt gekommen und habe deren Messen besucht, woraufhin sich schließlich der Entschluss gefestigt habe, zum Christentum überzutreten. In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer einen Taufvorbereitungskurs besucht und der Termin für seine Taufe stehe nun mit März 2018 fest.

Im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan drohe dem Beschwerdeführer Verfolgung aufgrund seiner religiösen Überzeugung sowie der ihm unterstellten politischen Gesinnung.

7. Am 3.5.2018 langten beim Bundesverwaltungsgericht Teilnahmebestätigungen zweier Intensiv-Deutschkurse auf dem Niveau B2.1, die Bestätigung über die Teilnahme an einem Integrationsprojekt sowie zwei Bestätigungen über die ehrenamtliche Mitarbeit in einer kirchlichen Einrichtung ein.

Übermittelt wurden auch die Bestätigung einer Pfarre in der Erzdiözese Wien darüber, dass der Beschwerdeführer feierlich zu den Sakramenten der Eingliederung zugelassen worden sei, der Taufschein des Beschwerdeführers sowie Fotos der Taufe.

In einer Sachverhaltsdarstellung vom 21.11.2019 wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer weiterhin aktives Mitglied der Pfarrgemeinde sei, in welcher er seine Taufe erhalten habe und zudem regelmäßig den Gottesdienst seiner Heimatpfarrgemeinde besuche. Beigelegt wurden eine aktuelle Teilnahmebestätigung an einem Projekt und die Vereinbarung des Beschwerdeführers mit einem Spital über gemeinnützige Tätigkeit.

Mit einer Beschwerdeergänzung vom 23.10.2020 legte der Beschwerdeführer zum Beweis seiner intensiven Beteiligung am Gemeindeleben seiner Pfarre als auch in seiner Herkunftsgemeinde ein Schreiben eines Rektors eine Katholischen Hochschule, ein Schreiben eines Professors eines päpstlichen Missionswerks samt Foto, ein Schreiben einer katholischen Theologin sowie ein Schreiben seiner Taufpatin vor. Dazu wurde ausgeführt, dass er bei Bibelrunden und im Unterricht übersetze und sogar selbst Taufpate eines seiner Schützlinge geworden sei. Er engagiere sich ehrenamtlich als Dienst im Namen seiner Nächstenliebe in einem Krankenhaus und habe seine dort erlernten Fähigkeiten auch als freiwilliger Helfer in einem Privathaushalt unter Beweis gestellt. Dazu wurde ein Dankesschreiben der betreffenden Familie beigelegt, ebenso Kassenbelege des Spitals sowie eine Aufstellung der Sozialversicherung über die eingelösten Dienstleistungsschecks. Zudem besuche er aktuell einen Deutschkurs auf dem Niveau C1, wozu ebenfalls eine Bestätigung vorgelegt wurde.

Weiters wurde auf die Verfolgungsgefahr wegen seines „Zina“, also Verbrechens verwiesen.

8. Am 3.11.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt als Verfahrenspartei entschuldigt nicht teilnahm.

Dabei erklärte der Beschwerdeführer im Wesentlichen zunächst, dass er gesund, afghanischer Staatsangehöriger, Hazara und katholischer Christ sei. Vor ca. dreizehn Jahren – im Alter von ungefähr 20 – habe er im Iran geheiratet und zwei Kinder, eine ca. neunjährige Tochter und einen 2013 geborenen Sohn. Seine Tazkira und die Heiratsurkunde hätte er auf dem Fluchtweg verloren, bei der Hochzeit hätten vier Personen unterschrieben, sonst habe er nichts gehabt. Geboren sei in der Provinz Ghazni, im Distrikt Malestan, acht bis neun Jahre habe er im Iran gelebt und befinde sich seit fünf Jahren in Österreich. Im Alter von dreizehn oder vierzehn Jahren habe er mit seinem Vater Probleme gehabt und sei gemeinsam mit seinem Bruder mit Unterstützung seiner Mutter in den Iran gereist. Ein Jahr nach seiner Heirat sei er nach Afghanistan zurückgeschoben worden und habe seine schwangere Ehefrau mitgenommen. Anschließend sei er ca. sieben bis acht Jahre in der Heimat geblieben.

In Afghanistan habe er nachmittags bis abends sieben Jahre lang die Koranschule besucht, vormittags sei er ungefähr sechs Jahre lang in die normale Schule gegangen, bis die Taliban es verboten hätten. Im Iran sei der Beschwerdeführer zunächst zwei bis drei Jahre in der Landwirtschaft und dann an Baustellen tätig gewesen, als Maurer und Fliesenleger, in der Heimat habe er gemeinsam mit einem Partner eine Art Supermarkt gehabt.

Seine Eltern seien auch Hazara, dass ein Hazara Mullah werde, sei nicht unbedingt üblich, aber nachdem sein Vater auch Mullah gewesen sei, habe er das auch für den Beschwerdeführer geplant.

Der Bruder des Beschwerdeführers lebe in Thailand, seine Mutter sei verstorben, mit seinem Vater könne er keinen Kontakt aufnehmen. Seitdem seine Frau und Ihre Familie wisse, dass der Beschwerdeführer Christ geworden sei, hätten sie vor ca. eineinhalb Jahren auch zu ihm den Kontakt beendet. Sie hätten seine Gattin von ihm getrennt und die Kinder befänden sich bei seiner Schwägerin im Iran, in dem auch seine Gattin lebe. Wo genau, wisse der Beschwerdeführer nicht. Wenn man Christ werde, habe man keine Rechte mehr bzw. keine Beziehung zu seiner Frau. Diese habe es sich finanziell nicht leisten können, auf die Kinder aufzupassen und sie deswegen an ihren Bruder übergeben. Im Islam sei es so, dass man sich von der Frau scheiden lassen müsse, wenn man konvertiere.

Als der Vorfall mit dem Beschwerdeführer passiert sei, hätten die Menschen bzw. Leute der Umgebung dies erfahren, seinen Vater aufgesucht, gemeinsam mit diesem nach dem Beschwerdeführer gesucht und dessen Frau geschlagen. Sie hätten gewollt, dass er sich stelle. Mithilfe seines Geschäftspartners habe dann seine Frau vor ca. viereinhalb Jahren in den Iran flüchten können. Im Islam wäre es so, dass man nach einer Konversion nicht mehr verheiratet sei und die Frau und Kinder nicht mehr behalten dürfe. Dazu merkte der Dolmetscher auf Nachfrage an, wenn jemand vom Islam abfalle oder konvertiere, würde man ihm sogar die Kinder wegnehmen, weil man ihm bestrafen wolle. So jemand habe keine Rechte auf die Kinder und sie blieben bei der Mutter. Was die Frau betreffe, dürfe sie sich in so einem Fall scheiden lassen.

Zu seinen vorgebrachten Fluchtgründen erklärte der Beschwerdeführer, seine Freundin habe ihm gesagt, dass sie verwitwet wäre. Nach dem, was der Beschwerdeführer gehört hätte, solle ihr Mann jedoch noch gelebt und ihn angegriffen haben. Damit meine er die beiden Messerstiche, die er erlitten hätte.

Der Beschwerdeführer sei damals kein gläubiger Moslem gewesen. Vorgehalten, warum er trotzdem beabsichtigt habe, diese Frau zu heiraten, verneinte er dies. Als seine Frau von dem Kontakt erfahren habe, habe er ihr mitgeteilt, dass er mit dieser Person befreundet sein wolle. Nachdem die Vorfälle passiert wären und der Beschwerdeführer geflüchtet sei, habe er von seinem Geschäftspartner erfahren, dass die Leute gesagt hätten, dieser Mann habe seine Frau mit einem erwischt, ihn angegriffen, aber nicht fassen können.

Nachgefragt, ob der Beschwerdeführer jemals wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara persönlich verfolgt worden sei, erwiderte er, er habe nur an Orten leben können, wo Hazara seien. Konkretes Erlebnis gebe es keines, er sei von seinen eigenen Hazara angegriffen bzw. angespuckt worden, weil er nicht religiös gewesen sei und ich gebetet habe.

Der Islam sei keine Religion gewesen, an der der Beschwerdeführer interessiert gewesen sei oder zu der er Zuneigung gehabt habe, weil sein Vater sowohl seine Mutter als auch ihn und die Geschwister immer unterdrückt habe. Er selbst habe im Iran und zuletzt in Afghanistan die Moschee nicht mehr besucht, nicht gebetet und nicht gefastet. Als die Leute dies bemerkt hätten, hätten sie ihm auch ins Gesicht gespuckt. Der Beschwerdeführer habe keinen Kontakt zu seinem Vater gehabt. Als die Leute bei diesem gewesen seien und ihm von dem Vorfall berichtet hätten, hätten einzelne Personen Zeugenschaft abgelegt, dass der Beschwerdeführer nicht bete und nicht faste. Aus diesem Grund sei sein Vater erzürnt gewesen und habe ausgesprochen, es wäre gestattet, den Beschwerdeführer zu töten. Seine Frau und seine Kinder seien deshalb verletzt worden, damit sie den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers verrieten.

Der Vater des Beschwerdeführers sei in dem Ort, in dem er gelebt habe, auf jeden Fall ein angesehener Mann gewesen.

Seitdem der Beschwerdeführer an Jesus Christus glaube, sei ihm Religion sehr wichtig. Vor ungefähr vier Jahren habe er beim B2 Kurs jemanden kennengelernt, der immer von Gott gesprochen und den Beschwerdeführer zu einer Feier in ein Stift eingeladen habe, wo Dinge passiert seien, wegen denen er sein Herz Jesus Christus überlassen habe. Das Gebet, das dort gebetet worden sei, habe ihn sehr beeindruckt. Es sei ein Fest für Jugendliche gewesen, das einmal monatlich stattgefunden habe und wo man für die anderen und nicht, wie im Islam, für sich selbst, gebetet habe. Auch habe man darum gebetet, dass der Vater uns vergeben solle, damit wir anderen vergeben. Diese Worte hätten ihn im Herzen sehr berührt.

Das Besondere am Christentum sei für den Beschwerdeführer, dass es Vergebung gebe, die Liebe und die Nächstenliebe, so wie es Jesus Christus am letzten Abend gesagt habe. Auch die Errettung sei für ihn etwas Besonderes.

Der Kurs im Stift sei auf Farsi mit einer Dolmetscherin und für Personen gewesen, die sich entschlossen hätten, ihr Herz dem Christentum zu widmen. Dort sei gelehrt worden, was sie tun sollten, um Christ zu werden. Sie hätten das Heilige Evangelium gehabt sowohl auf Farsi als auch auf Deutsch. Der Beschwerdeführer lese immer die Bibel.

In weiterer Folge beantwortete er Fragen der erkennenden Richterin zum Aufbau der Bibel, nannte die zehn Gebote, sagte das Glaubensbekenntnis vollständig und korrekt auf Deutsch auf, nannte das Vater unser sowie das Ave Maria, die Sakramente und die christlichen Feste.

Zur Taufe entschlossen habe sich der Beschwerdeführer als er das zweite Mal die Kirche besucht habe, dies sei ungefähr Ende April 2017 gewesen. Ihn habe sehr stark beeindruckt, dass für alle Menschen gebetet worden sei, für den Weltfrieden und auch für die islamischen Länder.

Vor seiner Taufe, Ende März 2018 habe er ein Jahr lang einen Vorbereitungskurs besucht. Dort habe er gelernt, Gutes zu tun, zu vergeben und dass Gott sich für uns, die Menschen geopfert habe. Bei seiner Taufe habe er das Gefühl gehabt, neu geboren zu werden und dass seine Sünden vergeben worden seien. Katechumenat bedeute die einjährige Taufvorbereitung.

Samstags besuche der Beschwerdeführer einen (Glaubens-) Kurs, wo er gemeinsam mit anderen Personen als Übersetzer tätig sei, sonntags gehe er in die Kirche, um zu beten. Samstags gehe er im Stift und sonntags in eine näher genannte Kirche. Er habe immer Kontakt zum Pater im Missionshaus, wo er immer wieder ministriere. Sonntags bzw. bei Feierlichkeiten, zu denen er eingeladen sei, oder wenn in der Pfarre eine Feier stattfinde, habe er Kontakt zu Mitgliedern der Kirchengemeinde. Derzeit habe er eine Funktion als Dolmetscher.

Auf keinen Fall würde er sich vom christlichen Glauben wieder abwenden.

In Österreich habe der Beschwerdeführer eine Zeit lang in einem Spital im Apothekenbereich gearbeitet, weiters ca. ein Jahr im Gartenbereich und zusätzliche ehrenamtliche Tätigkeiten ausgeübt, unter anderem im Kindergarten und bei der Caritas in dem Bereich, der der katholischen Kirche zugeordnet sei. Seit einem Monat besuche er einen C1 Kurs. Durch die ehrenamtlichen Tätigkeiten habe er sehr viele Kontakte, im Kindergarten und in der Kirche.

Wenn er nach Afghanistan zurückkehren sollte, würde er als Christ und Ungläubiger getötet. Als Christ sei es seine Aufgabe, die frohe Botschaft zu überbringen.

Als erster Zeuge wurde ein Pater einvernommen, der eine Katechesengruppe leitet. Dieser erklärte, dass es eine Anfrage einer benachbarten Pfarre gegeben habe, ob jemand bei ihnen bereit wäre, vier Personen in den christlichen Glauben einzuführen, damit sie getauft würden. Im April 2017 habe er auf Whats App dazu Nachrichten vom Beschwerdeführer gehabt. Dieser sei sicher eines der treuesten Mitglieder seine Gruppe, er komme so gut wie jedes Mal und wenn es nicht gehe, entschuldige er sich. Diese Gruppe finde jeden Samstag zwischen 10:00 und 12:00 Uhr statt, anschließend gebe es ein Gebet in der Kirche und ein gemeinsames Essen, bei dem vieles besprochen werde. Der Pater kenne den Beschwerdeführer nicht nur von den Gruppenstunden, sondern auch von den Messen und aus der Freizeitgestaltung und er sei auch schon einige Tage im Stift als Gast gewesen. Er erlebe den Beschwerdeführer als religiösen, dem christlichen Glauben zugewandten und ihn auch täglich lebenden Menschen. Er sei nicht von oben herab, dass er andere missionieren wolle, sondern es komme von Herzen. Der Beschwerdeführer sei sehr rücksichtsvoll, er engagiere sich auch ehrenamtlich im Krankenhaus und sei sehr hilfsbereit. Der Pater sei der Überzeugung, dass der Beschwerdeführer ein überzeugter Katholik sei. Daran, wie sich jemand engagiere, erkenne man, ob es ihm ein Herzensanliegen sei. Es sei auch wichtig, welche Gesprächsbeiträge von dem konkreten Menschen kämen und es seien immer sehr gute Impulse gewesen, die der Beschwerdeführer gegeben habe. Der Zeuge sehe, wie der Beschwerdeführer mit Freude dabei sei, er biete an, zu ministrieren oder schlage ein Thema vor, das sie besprechen sollten. Der Glaube sei ihm eine Herzensangelegenheit. Obwohl der Beschwerdeführer in seiner eigenen Gemeinde sehr engagiert sei, komme er immer noch zu dieser Gruppe, die der Pater eigentlich für Anfänger führe. Beim Beschwerdeführer habe er das Gefühl gehabt, dass er schon von Anfang an Christ gewesen sei. Seinem Gefühl nach habe er einen guten, festen persönlichen Glauben und der Pater denke nicht, dass der Beschwerdeführer bereit wäre, diesen wieder aufzugeben.

Der Zeuge legte ein Schreiben vom 3.11.2020 betreffend den Beschwerdeführer und seine Konversion zum christlichen Glauben vor.

Als weiterer Zeuge einvernommen wurde der für den Beschwerdeführer zuständige Pfarrer, der jenen seit ca. drei Jahren durch den Besuch der Sonntagsmessen kenne. Der Beschwerdeführer besuche regelmäßig die Gottesdienste, früher hätten sie nach der Messe ein paar Worte gewechselt, was jetzt in der Corona Zeit nicht mehr gehe. Er sehe, dass der Beschwerdeführer gesammelt mitfeiere, dass er präsent sei, mitbete und das regelmäßig tue. Das bedeutete für ihn schon viel. Er habe den Beschwerdeführer als sehr freundlichen und verbindlichen Menschen kennengelernt. Auf jeden Fall erlebe er ihn als religiösen und intensiv dem christlichen Glauben zugewandten Menschen. Das zeige sich daran, wie er die Messe besuche. Es seien 10 % der Getauften, die heute in der Pfarre die Messe besuchten, alleine diese Präsenz im Gottesdienst habe etwas zu bedeuten und vor allem, weil der Beschwerdeführer nicht komme, um dort Freunde zu treffen. Das sei für ihn schon sehr aussagekräftig. Der Beschwerdeführer habe keine aufgesetzte Religiosität, sondern eine breite freundliche Menschlichkeit die in der Art, wie er ihm begegne, in der Kirche als Christ zum Ausdruck komme. Beim Beschwerdeführer könne man auch von einem regelmäßigen Kirchenbesucher sprechen.

Die erkennende Richterin wies nochmal auf das vorab mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelte Informationsmaterial hin und übergab ergänzend Unterlagen betreffend die Konversion zum christlichen Glauben („Richtlinien der österreichischen Bischöfe zum Katechumenat von Asylwerbern“, veröffentlicht im Amtsblatt der Österreichischen Bischofskonferenz, Nr. 64/ 1. Februar 2015, S. 9-14, „Taufvorbereitung für Erwachsene in der Erzdiözese Wien“, Stand 24.09.2019).

Sie erklärte insbesondere das Zustandekommen der Länderberichte, der UNHCR-Richtlinien und EASO-Guidelines und dass aufgrund dieser Berichte die Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers und seiner Konversion getroffen würden. Die anwesenden Parteien erhielten die Möglichkeit, sich dazu zu äußern und zu den bisher behandelten Themengebieten Fragen zu stellen oder weitere Stellungnahmen abzugeben.

Der Beschwerdeführer verzichtete auf eine weitere Stellungnahme.

9. Mit Schriftsatz vom 12.1.2021 wurde dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 16.12.2020, unter Einräumung einer Stellungnahmefrist von zehn Tagen ab Zustellung übermittelt.

Am 19.1.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht die betreffende Stellungnahme ein, in der im Wesentlichen darauf hingewiesen wurde, dass laut dem Länderbericht die Lage von Konvertiten in Afghanistan unverändert schlecht sei.

Zudem habe der Beschwerdeführer nochmals Kontakt zu seiner Familie aufgenommen und könne jetzt ein Foto seiner Scheidungsurkunde vorlegen, aus der sich ergebe, dass die Ehe am 19.8.1367 (17.12.2019) geschieden worden sei und mit der Scheidung die Obsorge für die Kinder auf seinen Vater übergehe, so wie er es angegeben habe.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an.

Er wurde in der Provinz Ghazni im Distrikt Malestan geboren, wuchs dort zunächst im Haus seiner Familie auf und ging im Alter von ca. 13 oder 14 Jahren mit seinem Bruder in den Iran, wo er zuerst in der Landwirtschaft tätig war, dann auf eine Garage aufpasste und zuletzt auf Baustellen arbeitete.

Im Alter von ca. 20 Jahren heiratete er traditionell im Iran und wurde ein Jahr später nach Afghanistan abgeschoben, wobei er seine schwangere Frau mitnahm. Mittlerweile hat er eine minderjährige Tochter und einen minderjährigen Sohn, die sich im Iran befinden, von seiner Frau ist er geschieden.

Nach seiner Rückkehr in die Heimat blieb der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise in Malestan und führte mit einem Partner ein Lebensmittelgeschäft.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

1.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer konvertierte vom moslemischen (schiitischen) zum christlichen (römisch-katholischen) Glauben und wurde im März 2018 nach einem einjährigen Besuch eines Taufvorbereitungskurses getauft.

Der Beschwerdeführer hat sich aus innerer Überzeugung vom schiitischen Glauben ab- und dem christlichen (römisch-katholischen) Glauben zugewandt.

Der christliche Glaube ist zu einem solchen Bestandteil seiner Identität geworden, dass nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich insgesamt um einen religiösen, dem christlichen Glauben zugewandten und diesen auch täglich lebenden Menschen.

1.3.    Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat

Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan Stand 16.12.2020, die EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO) und die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Schutzsuchender vom 30.8.2018 und der EASO Special Report: Asylum Trends an Covid-19 in dem ua. auch die Lage in Afghanistan enthalten ist, die Richtlinien der österr. Bischöfe zum Katechumenat von Asylwerbern, vom 1.2.2015 und die Taufvorbereitung für Erwachsene in der Erzdiözese Wien, eine (siehe Anlagen) stellen einen integrierten Bestandteil dieses Erkenntnisses dar und werden als Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat herangezogen.

2.       Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt und dem vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Ermittlungsverfahren, insbesondere der Einvernahme des Beschwerdeführers sowie der Zeugen in der mündlichen Verhandlung und den vorgelegten Empfehlungsschreiben und Bestätigungen.

2.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seiner familiären Situation und Berufserfahrung gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

2.2.    Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Konversion des Beschwerdeführers beruhen auf dem Taufschein des Beschwerdeführers vom März 2018, der unter Punkt I.8. detailliert wiedergegebenen Einvernahme des Beschwerdeführers und den Angaben der beiden Zeugen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf den vorgelegten Teilnahmebestätigungen und Empfehlungsschreiben (ua. der Bestätigung eines Hochschulseelsorgers und Professors für Spiritualität und Ordensgeschichte vom 9.7.2017 darüber, dass der Beschwerdeführer auf die Taufe in der römisch-katholischen Kirche vorbereitet werde, regelmäßig die Glaubenskatechese besuche, anschließend beim Mittagsgebet, einem gemeinsamen Essen und einem gemeinsamen Austausch teilnehme (Punkt I.3.), der Bestätigung des Pfarrers über die regelmäßige Teilnahme an Sonntagsmessen sowie Bestätigungen über ehrenamtliche Mitarbeit in kirchlichen Einrichtungen (Punkt I.4.), bezüglich der Teilnahme am Taufvorbereitungskurs und der Zulassung zu den Sakramenten der Eingliederung, dem Schreiben eines Rektors einer Katholischen Hochschule, dem Schreiben eines Professors eines päpstlichen Missionswerks samt Foto, dem Schreiben einer katholischen Theologin sowie dem Schreiben seiner Taufpatin (Punkt I.7.).

Der Beschwerdeführer konnte insgesamt glaubhaft machen, dass er auch nach der Taufe weiterhin aktives Mitglied der Pfarrgemeinde ist, in welcher er seine Taufe erhalten hat und zudem regelmäßig den Gottesdienst seiner Heimatpfarrgemeinde besucht. Er nimmt intensiv am Gemeindeleben sowohl in seiner Pfarre als auch in seiner „Herkunftsgemeinde“ teil.

Bekräftigt wurden das kirchliche Engagement des Beschwerdeführers, wie auch dessen innere Überzeugung durch die ausführliche Einvernahme der beiden Zeugen in der mündlichen Verhandlung (Punkt I.8.):

Als erster Zeuge wurde ein Pater einvernommen, der eine Katechesengruppe leitet und im Wesentlichen angab, der Beschwerdeführer sei sicher eines der treuesten Mitglieder seiner Gruppe, er komme so gut wie jedes Mal und wenn es nicht gehe, entschuldige er sich. Diese Gruppe finde jeden Samstag zwischen 10:00 und 12:00 Uhr statt, anschließend gebe es ein Gebet in der Kirche und ein gemeinsames Essen, bei dem vieles besprochen werde. Der Pater kenne den Beschwerdeführer nicht nur von den Gruppenstunden, sondern auch von den Messen und aus der Freizeitgestaltung und der Beschwerdeführer sei auch schon einige Tage im Stift als Gast gewesen. Er erlebe den Beschwerdeführer als religiösen, dem christlichen Glauben zugewandten und ihn auch täglich lebenden Menschen. Der Pater sei der Überzeugung, dass der Beschwerdeführer ein überzeugter Katholik sei. Daran, wie sich jemand engagiere, erkenne man, ob es ihm ein Herzensanliegen sei. Es sei auch wichtig, welche Gesprächsbeiträge von dem konkreten Menschen kämen und es seien immer sehr gute Impulse gewesen, die der Beschwerdeführer gegeben habe. Der Zeuge sehe, wie der Beschwerdeführer mit Freude dabei sei, dass er anbiete, zu ministrieren oder ein Thema vorschlage, das sie besprechen sollten. Der Glaube sei ihm eine Herzensangelegenheit. Obwohl der Beschwerdeführer in seiner eigenen Gemeinde sehr engagiert sei, komme er immer noch zu dieser Gruppe, die der Pater eigentlich für Anfänger führe. Er habe beim Beschwerdeführer das Gefühl gehabt, dass dieser schon von Anfang an, Christ gewesen sei. Seinem Gefühl nach habe der Beschwerdeführer einen guten, festen persönlichen Glauben und der Pater denke nicht, dass der Beschwerdeführer bereit wäre, diesen wieder aufzugeben.

Als weiterer Zeuge einvernommen wurde der für den Beschwerdeführer am Wohnort zuständige Pfarrer, welcher den Beschwerdeführer seit ca. drei Jahren durch den Besuch der Sonntagsmessen kennt. Er bestätigte, dass der Beschwerdeführer regelmäßig die Gottesdienste besucht und er die Messe gesammelt mitfeiere, dass er präsent sei, mitbete und dies regelmäßig tue. Auf jeden Fall erlebe der Pfarrer ihn als religiösen und intensiv dem christlichen Glauben zugewandten Menschen, was sich daran zeige, wie er die Messe besuche. Nur 10 % der Getauften besuchten heute in der Pfarre die Messe, alleine die Präsenz im Gottesdienst habe etwas zu bedeuten und hinzu komme vor allem, dass der Beschwerdeführer nicht komme, um dort Freunde zu treffen. Beim Beschwerdeführer könne man auch von einem regelmäßigen Kirchenbesucher sprechen.

All dies wird durch den persönlichen Eindruck bestätigt, den die erkennende Richterin im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gewinnen konnte (siehe Punkt I.8), bestätigt. Der Beschwerdeführer vermochte darzulegen, dass er sich intensiv mit dem christlichen Glauben identifiziert und diesen aus innerer Überzeugung im Alltag praktiziert, in der Bibel liest, regelmäßig die Sonntagsmesse besucht, auch ministriert, samstags nach wie vor bei der Katechesengruppe dolmetscht, und bei kirchlichen Veranstaltungen stets ehrenamtlich mithilft. Zudem konnte er viele konkrete Wissensfragen zum Christentum umfassend beantworten.

In einer Gesamtschau ist der christliche Glaube zu solch einem Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers geworden, dass nicht erwartet werden kann, seine Ausübung im Heimatland zu unterdrücken.

2.3.    Zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist. Die in der Beschwerde zitierten Länderberichte sind durch die aktuellen, in den Feststellungen zitierten Länderinformationen überholt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und verfahrensrechtliche Grundlagen:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, liegt gegenständlich die Zuständigkeit der nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts zuständigen Einzelrichterin vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte ist mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts durch das Verwaltungsgerichtsverfahrens (VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG idgF bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zweck des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG idgF sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß §§ 16 Abs 6 und 18 Abs 7 BFA-VG idgF sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

3.2. Zu Spruchpunkt A)

3.2.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

„Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1.         dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2.         der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

…“

3.2.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt also dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Eine Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zahl 98/01/0370; 22.10.2002, Zahl 2000/01/0322).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256). Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

3.2.3. Wie in den Feststellungen im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung ausgeführt, wandte sich der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung vom Islam ab und dem Christentum zu, das er auch aktiv lebt. Bereits im März 2018 wurde er nach einem einjährigen Vorbereitungskurs römisch-katholisch getauft.

Der christliche Glaube ist zu einem solchen Bestandteil seiner Identität geworden, dass nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken.

Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (Hinweis E vom 24. September 2014, Ra 2014/19/0084, mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 17. September 2008, 2008/23/0675, und vom 14. November 2007, 2004/20/0485, sowie auf das Erkenntnis des VfGH vom 12. Dezember 2013, U 2272/2012). (VwGH 23.6.2015, Ra 2014/01/0117; VwGH 24.9.2014, Ra 2014/19/0084).

Eine Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zahl 98/01/0370; 22.10.2002, Zahl 2000/01/0322).

Für die Asylgewährung ist maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (vgl. VwGH 24.10.2001, 99/20/0550, und 17.10.2002, 2000/20/0102; 30.9.2004, 2001/20/0531). In gleichem Sinne hat der VwGH bereits in seinem Erk. vom 31.5.2001, 2001/20/0054, im Zusammenhang mit einer noch nicht erfolgten, aber beabsichtigten Konversion zum Christentum zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung des Asylanspruches maßgeblich sei, ob der Asylwerber in seinem Heimatstaat in der Lage war, eine von ihm gewählte Religion frei auszuüben, oder ob er bei Ausführung seines inneren Entschlusses, vom Islam abzufallen und zum Christentum überzutreten, mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsse. (VwGH 30.6.2005, 2003/20/0544 (Verfolgung von zum Christentum konvertierenden Personen im Iran); VwGH 11.11.2009 2008/23/0721; VwGH 14.11.2007, 2004/20/0215; VwGH 14.11.2007, 2004/20/0485, u.v.a.; VwGH 23.6.2015, Ra 2014/01/0120 (Verfolgung von zum Christentum konvertierenden Personen in Marokko))

Den getroffenen Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass das Praktizieren des neuen christlichen Glaubens in Afghanistan zu einer asylrelevanten Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden religiösen Normen führen würde.

Auf Grund der Ermittlungsergebnisse, insbesondere deren Würdigung im Lichte der zuvor dargestellten Anforderungen nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist daher davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung, nämlich aus Gründen seiner Religion, außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht für den Beschwerdeführer nicht, weil im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan von einer derartigen Verfolgung auszugehen wäre.

3.2.4. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Deshalb war spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG im vorliegenden Fall nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Zudem ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen oder es steht in vielen Punkten die Tatfrage im Vordergrund.

Schlagworte

Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Christentum Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative Konversion mündliche Verhandlung Nachfluchtgründe Religionsausübung Religionsfreiheit religiöse Gründe Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W174.2183052.1.00

Im RIS seit

13.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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