Entscheidungsdatum
29.04.2021Norm
BVergG 2018 §12 Abs1Spruch
W120 2241627-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Isabel FUNK-LEISCH als Einzelrichterin über den Antrag der Bietergemeinschaft bestehend aus 1. XXXX und 2. XXXX , vertreten durch Kaufmann Neubauer Fähnrich Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Am Eisernen Tor 2/II, A-8010 Graz, betreffend das Vergabeverfahren „Lieferung elektrischer Energie 2022-2024“, BBG-interne GZ 2201.03485, betreffend Los 16, der Auftraggeber Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs-Aktiengesellschaft, ASFiNAG Alpenstraßen GmbH, ASFiNAG Bau Management GmbH, ASFiNAG Service GmbH sowie ASFiNAG Maut Service GmbH, alle vertreten durch die Bundesbeschaffung GmbH, Lasallestraße 9 b, 1020 Wien:
A)
Dem Antrag das Bundesverwaltungsgericht möge „mittels einstweiliger Verfügung ab sofort der Antragsgegnerin für die Dauer dieses Nachprüfungsverfahrens untersagen, den Rahmenvertrag im antragsgegenständlichen Vergabeverfahren ‚Lieferung elektrischer Energie 2022-2024‘ für das Los 16 abzuschließen“ wird stattgegeben.
Das Bundesverwaltungsgericht untersagt der Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs-Aktiengesellschaft, der ASFiNAG Alpenstraßen GmbH, die ASFiNAG Bau Management GmbH, der ASFiNAG Service GmbH und der ASFiNAG Maut Service GmbH, sowie der Bundesbeschaffung GmbH für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens im gegenständlichen Vergabeverfahren die Rahmenvereinbarung in Los 16 abzuschließen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schriftsatz vom 19.04.2021 stellte die Bietergemeinschaft bestehend aus 1. XXXX und 2. XXXX (im Folgenden „die Antragstellerin“) betreffend Los 16 einen Antrag auf Nichtigerklärung der Auswahlentscheidung vom 09.04.2021, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung für Los 16 abgeschlossen werden soll, (im Folgenden „Auswahlentscheidung“) im Vergabeverfahren „Lieferung elektrische Energie 2022-2024“, BBG-interne GZ 2201.03485 (im Folgenden auch „das Vergabeverfahren“) der in der Ausschreibung zu Los 16 angeführten Auftraggeber Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs-Aktiengesellschaft, ASFiNAG Alpenstraßen GmbH, ASFiNAG Bau Management GmbH, ASFiNAG Service GmbH sowie ASFiNAG Maut Service GmbH, alle vertreten durch die vergebende Stelle Bundesbeschaffung GmbH. Die Antragstellerin beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge die Auswahlentscheidung vom 09.04.2021 für nichtig erklären, den Auftraggebern die Vorlage des gesamten Vergabeaktes auftragen, der Antragstellerin Einsicht in den Vergabeakt sowie in den Nachprüfungsakt gewähren, eine mündliche Verhandlung durchführen und die Antragsgegnerin dazu verpflichten, der Antragstellerin die Pauschalgebühren für den Nachprüfungsantrag zu ersetzen. Die Antragstellerin verband ihren Antrag auf Nichtigerklärung mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch ersichtlich.
1.1. Die Antragstellerin bringt zusammengefasst vor, die Auswahlentscheidung der Auftraggeber sei rechtswidrig, weil die präsumtive Auftragnehmerin keine Lizenznehmerin des Umweltzeichens „Grüner Strom – UZ46“ sei. Es bestehe daher der Verdacht, dass die präsumtive Auftragnehmerin keine dementsprechende Lizenzierung vorweisen könne und auch nicht die erforderliche Stromkategorie „Grüner Strom – UZ46“ liefern könne, sodass diese, weil das jeweilige Los nicht zur Gänze an etwaige Subunternehmer weiteregegeben werden dürfe, kein dem im gegenständlichen Vergabeverfahren geltenden Ausschreibungsbedingungen gehöriges Letztangebot legen konnte.
2. Mit Schreiben vom 20.04.2021 verständigte das Bundesverwaltungsgericht die Auftraggeber sowie die präsumtive Zuschlagsempfängerin von der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens und dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
3. Mit Schreiben vom 22.04.2021 erteilte die vergebende Stelle die Allgemeinen Auskünfte zum Vergabeverfahren und legten die Unterlagen des Vergabeverfahrens elektronisch vor. Die vergebende Stelle beantragte, sämtliche nicht die Antragstellerin selbst betreffende Unterlagen, insbesondere betreffend weitere Bieter, von der Akteneinsicht durch die Antragstellerin auszunehmen und den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurück- und in eventu abzuweisen.
4. Die Antragstellerin entrichtete mit dem Nachprüfungsantrag EUR 9.720,00 an Pauschalgebühren.
5. Mit Mängelbehebungsauftrag vom 28.04.2021 forderte das Bundesverwaltungsgericht die Antragstellerin auf, die offenen Pauschalgebühren in der Höhe von EUR 9.720,-- zu entrichten.
6. Mit Schriftsatz vom 29.04.2021 legte die Antragstellerin dem Bundesverwaltungsgericht den Überweisungsbeleg über die die offenen Pauschalgebühren in Höhe von EUR 9.720,-- vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Auftraggeber gemäß Punkt 2.5. der Allgemeinen Ausschreibungsbedingungenvertreten durch die Bundesbeschaffung GmbH schreiben unter der Bezeichnung „Lieferung elektrische Energie 2022-2024“ den Abschluss einer Rahmenvereinbarung zur Lieferung von elektrischer Energie aus. Die Ausschreibung wurde am 30.09.2020 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union unter der GZ 2020/S 190-458130 veröffentlicht. Die Vergabe erfolgt in insgesamt 17 Losen. Auftraggeber in Los 16 sind Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs-Aktiengesellschaft, ASFiNAG Alpenstraßen GmbH, ASFiNAG Bau Management GmbH, ASFiNAG Service GmbH sowie ASFiNAG Maut Service GmbH (im Folgenden „die Auftraggeber“). Die Auftraggeber führen Verhandlungsverfahren nach vorheriger Bekanntmachung nach dem Bestangebotsprinzip durch. Der geschätzte Auftragswert des Loses 16 beträgt insgesamt EUR XXXX (netto). Das Vergabeverfahren wird elektronisch geführt und befindet sich im Stadium nach Bekanntgabe der Auswahl- bzw. Ausscheidensentscheidungen zum Abschluss der Rahmenvereinbarung. Diese wurde am 09.04.2021 an die Bieter versandt (Vergabeakt, allgemeine Auskünfte der Auftraggeber).
1.2. Die Antragstellerin gab für das Los 16 ein Letztangebot ab (Vergabeakt, allgemeine Auskünfte der Auftraggeber).
1.3. Die Auswahlentscheidung, mit welchem Partner die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, wurde am 09.04.2021 den Bietern bzw. den Bietergemeinschaften über die Vergabeplattform zur Verfügung gestellt. Der in Aussicht genommene Partner der Rahmenvereinbarung im verfahrensgegenständlichen Los 16 ist: XXXX (Vergabeakt).
1.4. Die Auftraggeber haben das Vergabeverfahren weder widerrufen noch die Rahmenvereinbarung abgeschlossen (Vergabeakt, Allgemeine Auskünfte der Auftraggeber).
1.5. Die Antragstellerin entrichtete insgesamt EUR 19.440,00 an Pauschalgebühren.
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem Verfahrensakt bzw. den Stellungnahmen der Parteien. Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der Vergabeunterlagen der Auftraggeber keine Bedenken ergeben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung
3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zur Zulässigkeit des Antrages
3.1.1. Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 328 Abs 1 Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327 BVergG 2018, soweit es sich nicht um die um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über den oben wiedergegebenen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Somit liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.1.2. Auftraggeber im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 sind die Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs-Aktiengesellschaft, ASFiNAG Alpenstraßen GmbH, ASFiNAG Bau Management GmbH, ASFiNAG Service GmbH sowie ASFiNAG Maut Service GmbH. Sie sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 BVergG 2018. Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 6 BVergG 2018 um einen Lieferauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt jedenfalls über den relevanten Schwellenwerten des § 12 Abs. 1 Z 1 und 3 BVergG 2018 in der Fassung der Kundmachung des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend die von der Europäischen Kommission festgesetzten Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren ab 1. Jänner 2020 (BGBl II. Nr. 358/2019) iVm § 17 BVergG 2018, sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt. Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Da das Vergabeverfahren nicht widerrufen und die Rahmenvereinbarung noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen eines Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.
3.1.3. Das Bundesverwaltungsgericht geht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Die Entscheidung vom 09.04.2021 mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung im angefochtenen Los abgeschlossen werden soll, ist eine gesondert anfechtbare Entscheidung gemäß § 2 Z 15 lit a sublit dd iVm sublit jj BVergG 2018. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Abschluss der Rahmenvereinbarung im Nachprüfungsantrag plausibel behauptet. Die Antragstellerin bringt vor, dass sie ihr Interesse an einem Vertragsschluss durch Legung eines Angebotes bekundet hat. Außerdem bringt die Antragstellerin Kosten durch die Entrichtung der Pauschalgebühr, frustrierte Kosten der Angebotserstellung, sowie von rund EUR 11.600,-- für die rechtsfreundliche Vertretung im Nachprüfungsverfahren sowie den Schaden in Form des Entgangs eines wichtigen Referenzprojektes plausibel vor.
Der Nachprüfungsantrag wurde im Hinblick auf § 343 Abs 1 BVergG rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.
Es ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde – nach einem Mängelbehebungsauftrag – in entsprechender Höhe entrichtet (§ 340 Abs 1 Z 1, 3 und 4 BVergG iVm §§ 1, 2 Abs 2 und Abs 4 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018).
3.2. Inhaltliche Beurteilung des Antrages
3.2.1. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ergeben sich aus § 351 BVergG 2018, der lautet:
„Erlassung der einstweiligen Verfügung
§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.
(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.
(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.“
3.2.2. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 351 Abs 1 BVergG 2018 sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeber der Abschluss der Rahmenvereinbarung beabsichtigt ist.
Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des drohenden Schadens der frustrierten Aufwendungen für die Teilnahme am Vergabeverfahren und im Erhalt des Auftrags auch für die Verwendung als Referenzprojekt.
Das Interesse der Auftraggeber besteht in der raschen Abwicklung des Vergabeverfahrens und im Abschluss der Rahmenvereinbarung. Die Auftraggeber bringen vor, dass ein dringender Beschaffungsbedarf bestehe, ohne dies in Bezug auf die ausgeschriebenen Leistungen näher zu konkretisieren. Die Auftraggeber bringen vor, der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei abzuweisen, weil bereits die bestandsfesten Ausschreibungsbedingen des gegenständlichen Vergabeverfahrens zeigten, dass das Vorbringen der Antragstellerin ins Leere gehe.
Bei der Interessenabwägung ist auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; 11. 7. 2017, W187 2163208- 1/3E), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich, dass von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 30, Slg 2003, I-3249).
3.2.3. Die Erfolgsaussichten des Hauptantrags sind im Provisorialverfahren nicht zu prüfen (zB VwGH 4. 11. 2013, AW 2013/04/0045). Sie gehören nicht zu den Kriterien, die die für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz berücksichtigen muss oder kann, wenn sie über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen gemäß Art 2 Abs 1 lit a RL 89/665/EWG entscheidet; die Richtlinie untersagt eine solche Berücksichtigung jedoch auch nicht (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 29). Sie sind nach dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften unter Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Erfasst sind jedenfalls Fälle, in denen der Nachprüfungsantrag formal unzulässig ist. Dieser Umstand liegt gegenständlich nicht vor.
Die von der Antragstellerin vorgebrachten Gründe für die Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung sind jedenfalls inhaltlich zu prüfen, weil die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung den Hauptgegenstand des Nachprüfungsverfahrens darstellt. Diese Fragen können angesichts der kurzen Entscheidungsfrist im Provisorialverfahren nicht abschließend geklärt werden (zB BVA 14. 11. 2012, N/0103- BVA/10/2012-EV12; 18. 3. 2013, N/0020-BVA-07/2013-EV8). Es kann jedoch aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin vorgebrachten Rechtswidrigkeiten in Bezug auf die Auswahlentscheidung (präsumtive Zuschlagsempfängerin könne kein den geltenden Ausschreibungsbedingungen gehöriges Letztangebot legen) zutreffen und sie an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen könnte.
Die Interessenabwägung führt im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass die Interessen der Antragstellerin an der Beseitigung der geltend gemachten Rechtswidrigkeiten, der Abwendung des drohenden Schadens und der Beteiligung an einem rechtskonform geführten Vergabeverfahren gegenüber den Interessen der Auftraggeber an dem raschen Abschluss der Rahmenvereinbarung überwiegen. Öffentliche Interessen, die einen sofortigen Abschluss der Rahmenvereinbarung erforderlich machen würden, sind nicht ersichtlich und ergeben sich insbesondere auch nicht aus dem allgemeinen Vorbringen der Auftraggeber zum Bestehen eines dringenden Beschaffungsbedarfs.
3.2.4. Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.
Bei der bevorstehenden Zuschlagserteilung ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die vorläufige Untersagung derselben (zB BVwG 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E; 17. 11. 2017, W187 2175977-1/3E; 10. 4. 2018, W187 2190113-1/3E). Dies gilt in gleicher Weise im Fall des bevorstehenden Abschlusses der Rahmenvereinbarung. Es soll somit (lediglich) der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 7. 8. 2017, W187 2165912-1/2E; 27. 2. 2018, W187 2186439-1/2E).
3.2.5. Adressaten der einstweiligen Untersagung des Abschlusses der Rahmenvereinbarung sind die Auftraggeber im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018. Im gegenständlichen Fall sind die Auftraggeber die Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs-Aktiengesellschaft, ASFiNAG Alpenstraßen GmbH, ASFiNAG Bau Management GmbH, ASFiNAG Service GmbH sowie die ASFiNAG Maut Service GmbH.
Die Bundesbeschaffung GmbH vertritt die Auftraggeber bei der Durchführung dieses Vergabeverfahrens und beim Abschluss der Rahmenvereinbarung (Punkt 2.6 der Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen). Die Bundesbeschaffung GmbH ist daher ebenso Adressatin dieser einstweiligen Verfügung.
3.2.6. Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit und legt im Gegensatz zu den Vorgängerbestimmungen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist.
Die Auftraggeber sind durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, weil die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen können und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum festgesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054). Eine Beschränkung der einstweiligen Verfügung auf die gesetzliche Entscheidungsfrist von sechs Wochen konnte vor diesem Hintergrund ebenso unterbleiben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.
Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die im gegenständlichen Fall herangezogene Rechtsprechung ist unter der rechtlichen Beurteilung zu A) zitiert.
Schlagworte
Abschlussverbot Bietergemeinschaft Dauer der Maßnahme einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist Interessenabwägung Lieferauftrag Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen öffentlicher Auftraggeber Provisorialverfahren Rahmenvereinbarung Schaden Untersagung VergabeverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W120.2241627.1.00Im RIS seit
13.09.2021Zuletzt aktualisiert am
13.09.2021