TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/3 W195 2212365-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.05.2021
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Entscheidungsdatum

03.05.2021

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W195 2212365-1/43E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde XXXX geb. XXXX vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 22.07.2019, am 15.01.2020, am 06.05.2020 sowie am 20.05.2020 zu Recht erkannt

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.




Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Am 05.12.2017 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde an diesem Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer niederschriftlichen Erstbefragung unterzogen.

Nach Österreich sei er ursprünglich mit einem gültigen Visum (Studentenvisum, XXXX ) eingereist.

Zu seinen Familienangehörigen führte der BF aus, dass sein Vater bereits verstorben sei; seine Mutter lebe in Bangladesch. Ein Bruder sei bereits verstorben, einer wohne in Bangladesch, einer im Oman. Drei Schwestern würden ebenfalls in Bangladesch leben.

Ein weiterer Bruder, XXXX , sei in Österreich aufhältig.

Zu seinen Fluchtgründen führte der BF aus, er hätte eine homosexuelle Beziehung zu einem Mann gehabt. Im Jahr 2015 sei er von der Dorfbevölkerung beim Sex mit einem Freund erwischt worden. Nachdem er nach XXXX gegangen sei, sei er 2016 abermals beim Sex mit einem anderen Freund erwischt worden; er sei geschlagen worden und wäre seine Homosexualität in seiner Firma bekannt gegeben worden. Aus Angst um seinen Job habe er ein Studentenvisum für Österreich beantragt, welches er im Frühjahr 2017 erhalten habe. Am 25. Mai 2017 sei er nach Österreich gereist. Es sei für ihn nicht möglich nach Bangladesch zurückzukehren, da Homosexualität verboten sei und mit lebenslanger Haft bestraft werde.

Befragt, wann er den Entschluss zur Ausreise aus seinem Herkunftsland gefasst habe, gab der BF den 05.02.2015 an.

I.2. Im Zuge seiner Befragung vor dem BFA am 29.11.2018 bestätigte der BF – zusammengefasst – seinen Familienstatus (ledig, ohne Kinder).

Als Fluchtgrund nannte der BF wiederum seine Homosexualität. Als er noch klein gewesen sei habe ein Nachbarsonkel körperlichen Kontakt hergestellt. Am Anfang habe er kein Interesse daran gehabt, aber dann sei er „in dieses Sex-Thema verfallen“. Weil er immer Sex wollte „suchte er immer nach Schwulensex“. In der Ortschaft habe er „nach einigen Tagen eine Person gefunden, die auch schwulen Sex mochte“. Sie hätten täglich Sex gehabt, am Fluss oder im Wald (Bananenwald). Sie hätten sich sodann ineinander verliebt. Da sie viel miteinander unterwegs waren, sei dies „den Leuten in der Ortschaft aufgefallen. … Die Leute in der Ortschaft wollten es nicht akzeptieren, denn er war viel älter als ich“. Eines nachts wurden sie von zwei Dorfbewohnern im Bananenwald entdeckt, weil sie es nicht mehr – wie sonst manchmal – geschafft hätten, davonzulaufen. Sie hätten „ein bis zwei Ohrfeigen“ erhalten und wären nach Hause gegangen. Am nächsten Morgen bekam der BF dann mit, dass es in der ganzen Ortschaft weitererzählt worden sei. Die Familie habe ihn daraufhin unter Druck gesetzt, die Mullahs hätten gemeint, er solle nicht in die Moschee gehen und auf der Straße hätten ihn junge Burschen verhöhnt.

In weiterer Folge konnte er seine Schule abschließen. Anschließend sei er, da er nun in eine polytechnische Schule nach XXXX ging und sein Vater es so wollte, gleich in XXXX geblieben und nicht mehr ins Dorf kommen. Er habe jedoch seine Freundschaft aufrecht erhalten und kam weiterhin in das Geschäft seines Freundes (im Lauf der Befragung später angegeben: 90 km entfernt), wo sie weiterhin Sex hatten. In XXXX lebte der BF jedoch zum Lernen. Der BF hatte dieses Verhältnis angeblich drei bis vier Jahre. Sein Freund sei jedoch von dessen Familie unter Druck gesetzt worden und wurde verheiratet; danach sei er nach Dubai geschickt worden, „damit er den Sex mit mir nicht mehr haben kann“. Der BF habe ihn dort regelmäßig mit Geld unterstützt.

Er habe dann begonnen in XXXX u arbeiten. In XXXX sei er jeden Tag nach der Arbeit in den Park gegangen. „In XXXX gibt es Parks, dort fand man viele Homosexuelle“. Neben der Arbeit habe er begonnen abends (Abendlehrgang) an der XXXX Zivilingenieurswesen zu studieren. „In den Parks hatte ich ab und zu Sex, bzw. rief mich jemand an und sagte, dass ich da und dort hingehen könnte, um Sex zu haben. Das war ja nicht eine Sache von einem Tag, sondern von einer langen Zeit. Daher haben es auch in XXXX viele Leute mitbekommen“.

Eines Tages sei er mit einem Park-Bekannten nach telefonischem Kontakt mit nach Hause gegangen. Dieses Haus sei neben einer Moschee gewesen. Zwei Menschen, die am Weg in die Moschee waren, hätten sie durch das Fenster gesehen und hätten diese andere Menschen aus der Moschee geholt. Man habe sie erwischt und beschimpft. Es sei dies auch in der Moschee erzählt worden sowie in der Wohnung, in der er wohnte und welche seiner Schwester gehörte. Er sei dann in der Wohnung vor seiner Schwester, die man gerufen habe, gedemütigt worden. Er sei dadurch so sehr gestresst worden, dass er seine Arbeit nicht mehr gut machte. „Dann habe ich für Österreich den Antrag gestellt, da mein Bruder sagte, dass die Homosexualität hier legal sei.“ Dieser Bruder sei zwei bis drei Jahre vorher nach Österreich gekommen. „Ich hatte keine Option außer dem Studentenvisum. Das war der einzig legale Weg.“ So sei er eben nach Österreich gekommen. Dazwischen seien „noch viele Vorfälle passiert“ und als er das zweite Mal erwischt worden sei „haben es die Leute sogar bis zur Polizei vorgebracht“. Einmal hätten er und sein Partner einem Süchtigen, der sie erwischt hätte, sehr viel Geld gegeben, damit er seine Entdeckung nicht weitererzähle. Ein anderes Mal hätte ihm ein anderer Partner sein Mobiltelephon gestohlen.

Trotz mehrmaliger Aufforderung konnte der BF jedoch keinen konkreten Anlassfall darlegen, welcher ihn unmittelbar zur Flucht bewog. Auch hinsichtlich Outcoming, Gefühlen, Heterosexualität, Vereinbarkeit mit der Religion etc wurde der BF von der belangten Behörde ausführlich befragt. Bei den Fragestellungen hinsichtlich Akzeptanz durch seine Familie gab der BF an, dass „er es nicht offen gesagt habe“, aber „sie es verstanden hätten“, als er „mit dem Onkel zu tun hatte“. In einem islamischen Land lebe die Familie immer zusammen. Da könne man es nicht offen bekennen, dass man diesen Weg beschreitet. „Sie wussten es, haben mit mir auch oft darüber gestritten. Ich wurde öfters geschlagen. Mein Vater hat mich einmal geschlagen. Mein Vater, als er lebte hat mich nur einmal geschlagen und das wegen der Sache. Ich war am Weglaufen und er stieß mich zu Boden und drückte mich mit dem Fuß in den Nacken, meine Mutter kam mir dann zu Hilfe“. Auf die Frage, ob die Eltern/Geschwister versuchten, ihn von seiner homosexuellen Neigung abzubringen, meinte der BF, dass dies sehr oft der Fall gewesen sei. Sie hätten es nicht nur versucht, „sie haben es mir verboten. Ich sagte dann auch, ich geh nicht hin, ging aber heimlich schon hin.“

Über den Vorhalt, dass die Familie den Nachbarschafts-Onkel kannte und diesen nicht zur Rechenschaft gezogen hätte, führte der BF aus, dass „meine Familie ja nichts gegen den Onkel tun“ konnte. „Das ist ja eine natürliche Sache, dass wenn ich zu ihm gehe, er mich nicht ablehnt. Ihm als erwachsene Person kann man es ja verbieten, aber was soll man denn machen, wenn ich von mir aus selbst zu ihm gehe. Dennoch wurde er ja des Öfteren von meiner Familie ersucht, nicht mit mir Sex zu haben und es zu unterlassen. Er ist homosexuell und das genügt mir. Mir ist egal, ob jemand älter oder jünger ist.“

Angesprochen darauf, ob sich seine Homosexualität an Verhaltensweisen, Lebensstil oder der Art von Emotionen ausdrücken würde, meinte der BF, dass er hier nicht erkennen könne, ob jemand homosexuell sei, aber er wüsste, dass an seiner Sprechweise und an seinem Gesicht jemand erkennen könne, dass er homosexuell sei.

Befragt, wie sich Realität und Rechtslage in Bangladesch diesbezüglich darstellen, gab der BF an, dass man durchgängig Leute einsperre oder hinrichte. Viele seien in lebenslanger Haft. „In Bangladesch kann man ja alleine nicht überleben, es gibt keine Gesellschaft dafür und man kann es nicht aussprechen. Es gibt keine homosexuelle Gesellschaft in Bangladesch, es gibt keine Schwulenclubs und es gibt auch keine Möglichkeit, dass wir gemeinsam so eine Gesellschaft schaffen.“

In Österreich habe er seine Homosexualität nicht ausgelebt, weil er zuerst wegen Tuberkulose Kontaktverbot hatte. Er bemühe sich aber um entsprechenden Kontakt mit seinem Zimmerkollegen, von welchem er aber nicht wisse, ob er homosexuell sei. Auch nach dem Kontaktverbot habe er keine homosexuellen Kontakte/Beziehungen gehabt. Er sei lediglich zweimal bei „ XXXX “ gewesen, aber er könne nicht so einfach hingehen, nur dann, wenn er einen Termin habe.

Hinsichtlich seines Studienerfolges gab der BF zu Protokoll, dass er zwar inskribiert sei, aber nicht ausreichend Deutsch spreche. Auch hinsichtlich des Führerscheines spreche er nicht ausreichend gut Deutsch. Einen sonstigen Bezug (Freunde, Bekannte) zu Österreich habe er nicht, er habe auch keine Beziehung.

Der BF legte ein Konvolut an Unterlagen vor, darunter Prüfungszeugnisse, Empfehlungsschreiben sowie bengalisprachige Urkunden vor.

I.3. Mit dem angefochtenen und im Spruch bezeichneten Bescheid wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

Es sei für die belangte Behörde die Fluchtgeschichte nicht glaubwürdig gewesen. Die Behörde könne nicht nachvollziehen, wie es in einem streng muslimischen Land möglich sein sollte, dass der BF als Zwölfjähriger eine allseits bekannte homosexuelle Beziehung zu einem erwachsenen, verheirateten Mann gehabt hätte, ohne dass seine Familie, die Dorfgemeinschaft oder zumindest die Geistlichen diesen Erwachsenen pädophilen Mann zur Rechenschaft gezogen hätten. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der BF als Kind Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, während der Erwachsene über Jahre hinweg keinerlei Verfolgung erfahren habe. Vielmehr wäre zu erwarten gewesen, dass der BF als Kind als Opfer gesehen worden wäre und der Erwachsene drakonische Strafen zu erwarten hätte. Ähnliches sei auch hinsichtlich seiner zweiten behaupteten Beziehung zu einem wesentlich älteren Mann zu erwarten gewesen.

Die Schilderungen der vermeintlichen Geschehnisse in XXXX seien ebenfalls unglaubwürdig, weil vage und unkonkret. Hinsichtlich der Personen, die ihn beim Sex mit einem Mann beobachtet hätten, hinsichtlich der Demütigung in der Wohnung seiner Schwester, seien seine Angaben inhaltsleer und vollkommen blass gewesen.

Auch hinsichtlich seiner homosexuellen Aktivitäten in Österreich sei der BF, auch wenn er Quarantäne und Geldmangel angesprochen habe, nicht sehr aktiv gewesen, was ebenfalls seine Glaubwürdigkeit erschüttere. Er habe sich lediglich ein Schreiben von „ XXXX “ aufsetzen lassen.

Zu den anderen Spruchpunkten führte die Behörde ausreichend detailliert und begründend aus, weshalb sie den Anträgen des BF nicht stattgeben konnte. Weder habe er besondere Beziehungen nach Österreich entwickelt oder wäre es ihm unzumutbar, wieder in seine Heimat zurückzukehren. Einer Rückführung stünde ebenfalls nichts entgegen.

I.4. Mit Schriftsatz vom 20.12.2018 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – zum damaligen Zeitpunkt durch den XXXX vertretenen – BF wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten.

In der Beschwerde wurde ausschließlich die sexuelle Neigung des BF als Fluchtgrund dargelegt. Diese Darlegung beschränkte sich jedoch auf einen einzigen Satz, nämlich: „Der BF wird aufgrund seiner sexuellen Orientierung verfolgt“.

Eine konkrete Verfolgung des BF, sei es durch staatliche Organe, wie etwa Polizei oder Justiz, durch die Dorfgemeinschaft oder religiöse Instanzen, wie Dorfgericht oder Imane, oder durch die Familie wird in der Beschwerde mit keinem Satz ausgeführt. Vielmehr beschränkt sich die Beschwerde auf allgemein gehaltene Ausführungen zur Situation von homosexuellen Personen, zusammengefasst bzw. zitiert aus dem zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Länderbericht zu Bangladesch.

Zusammengefasst wurde begründend ausgeführt, dass homosexuelle Handlungen in Bangladesch illegal und strafbar mit Strafrahmen von ein bis zehn Jahren wären. Die Regierung habe bisher die Empfehlung des UN Menschenrechtsbeirates, dieses Gesetz abzuschaffen, zurückgewiesen. Gerichtsverfahren oder gar Verurteilungen von Homosexuellen seien allerdings nicht bekannt. Es seien jedoch im Rahmen der Regenbogenparade 2016 mehrere Aktivisten festgenommen und erst aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden, nachdem ihre Familien über die sexuelle Orientierung ihrer Kinder informiert worden waren.

Homosexualität sei verpönt und erwarte diese Menschen gesellschaftliche Diskriminierung. Es sei das Vorbringen plausibel, die Fluchtgründe würden glaubwürdig und von allerhöchster Asylrelevanz sein. Würde der BF in sein Land zurückgeschickt werden wäre sein Leben in Gefahr und er würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weiteren Verfolgungen ausgesetzt sein.

I.5. Mit Schreiben vom 04.01.2019 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.6. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und damit dem BF auch das damals aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 22.07.2019 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.7. Am 22.07.2019, 09.00 Uhr, führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Vorbereitend dazu wurde dem BVwG ein Schriftsatz übermittelt, welcher am 22.07.2019 um 09:10 einlangte und diverse Dokumente enthielt. Diese Dokumente waren ein Bestätigungsschreiben über Beratungsleistungen von XXXX , eine Foto-Kopie XXXX , Kopien von drei Seiten eines Internet-Chats, ein Foto von einem Workshop bei einem XXXX Seminar, Ein Empfehlungsschreiben des Bürgermeisters von XXXX ein Empfehlungsschreiben der Unterkunftsgeber in XXXX , sowie eine Kopie einer Ambulanzkarte des XXXX .

Zusammengefasst führte der BF, dass er gesundheitliche Probleme, nämlich Tuberkulose, hatte, und diesbezüglich weiterhin unter Beobachtung stehe, jedoch derzeit keine Erkrankung bestünde.

Er sei von seiner Familie verbannt worden, weil er homosexuell sei, und würde nur von seinem Bruder, der in Österreich lebte, akzeptiert. Dieser habe ihn seinerzeit informiert, dass man in Österreich als homosexueller Mensch gut leben könne, weshalb er nach Österreich gekommen sei. In Bangladesch würden noch seine Mutter sowie ein älterer Bruder leben; ein anderer Bruder sowie der Vater seien bereits verstorben.

Der VR musste in der Verhandlung feststellen, dass eine Konversation mit dem BF in deutscher Sprache wegen des sehr begrenzten Sprachwortschatzes sehr schwer möglich war. Die Verständlichkeit der Antworten war fast nicht gegeben, sondern konnte man sie inhaltlich nur erahnen. Der BF führte hinsichtlich seiner mangelnden Sprachkenntnisse aus, dass er eine Zeitlang krank gewesen sei. Er habe im Burgenland zuerst warten müssen, bevor er einen Deutschkurs in A1 machen konnte, nun versuche er in Wien, einen weiteren Kurs zu machen.

Er habe keine Kinder, er habe hier jedoch fix „einen Partner und hin und wieder habe ich auch sexuelle Beziehungen mit anderen“. Er würde sich an Aktivitäten der XXXX sowie von XXXX beteiligen. Er würde in Österreich öffentlich für die schwule Community auftreten. Er wäre bereit eine fixe Beziehung einzugehen und eine Partnerschaft eintragen zu lassen. Sein derzeitiger Partner sei verheiratet, deshalb könne er jetzt keine Partnerschaft eintragen lassen. Der BF würde sich wünschen, dass sein derzeitiger Partner „das Leben mit seiner Frau hinter sich hat“. Er solle aber nicht seine Kinder vernachlässigen. Er solle das alles in Ruhe überlegen und in Ruhe regeln und dann zum BF kommen. Wenn ein Partner Kinder habe, nehme er sie als eigene Kinder. Er möchte auch irgendwann ein Kind adoptieren.

Von der BFV angesprochen führte der BF aus: „Mit meinem Partner bin ich seit neun Monaten zusammen“. Der Partner habe im XXXX die politische Funktion eines Bürgermeisters inne.

In Weiterer Folge legte der BF dar, dass er auch noch andere homosexuelle Kontakte habe, etwa einen Freund in XXXX , einen in XXXX , einen XXXX , einen in XXXX . Darüber hinaus sei ein Freund auch als Zuhörer zur Verhandlung gekommen. Von der Vertreterin des BF aufgefordert, zu diesem im Verhandlungssaal anwesenden Zuhörer „genauere Angaben über ihn zu machen“ erklärte der BF einzig: „Seinen Namen kann ich nicht nennen.“. Gefragt von der BFV, was der BF sonst noch über ihn wisse, antwortete der BF: „Über ihn …. Er ist nicht als Zeuge. Draußen ist ein Zeuge und den kann ich als Zeugen.“. Nach einer Verhandlungspause erschien der vorher anwesende Zuhörer nicht mehr.

In Bangladesch hätte er zwei Partner, aber auch kurzfristige Beziehungen gehabt, führte der BF nach der Verhandlungspause aus.

Der Bruder des BF erklärte, er hätte früher, in Bangladesch, seinen Bruder wegen seiner Homosexualität geschlagen, hätte aber in Österreich seine Meinung geändert und sei nunmehr sehr liberal eingestellt. Diese Haltung würde man in Bangladesch so schnell nicht finden. Hinsichtlich seiner Ausbildung gab der BF an, dass er Ziviltechniker sei und in Bangladesch bei einer Architekturfirma als Grafiker gearbeitet habe. In Österreich arbeitet er nicht, sondern lebt von der Grundversorgung.

In Anbetracht des Umstandes, dass in der Verhandlung auch über den Bruder des BF und dessen Familie verhandelt wurde, wurde die Verhandlung zur weiteren Erörterung des Beschwerdevorbringens hinsichtlich des BF vertagt.

I.8. Mit Schriftsatz vom 01.08.2019 ersuchte der BF um Einvernahme von drei Zeugen. Darüber hinaus wurde auf einen norwegischen Internet-Artikel zur Situation der LGBT-Community verwiesen. Auch habe sich in der letzten Verhandlung gezeigt, dass der BF ein schützenswertes Privatleben habe.

I.9. Am 15.01.2020 wurde die Verhandlung des BVwG mit dem BF fortgesetzt; da der Dolmetsch erst später erschien, wurde die Verhandlung mit einer Stunde Verspätung begonnen. In dieser Verhandlung legte der BF folgendes Konvolut vor: eine Bestätigung über den Abschluss eines A2-Deutschkurses, eine Anmeldung für einen B1-Deutschkurs, ein Empfehlungsschreiben der Mutter der Unterkunftgeberin, einen Betreuungsvertrag von XXXX und eine „Erläuterung zum GVS-Übernahmeansuchen“, ebenfalls von XXXX , sowie eine Platzzusage von „ XXXX “ für eine Unterkunft des BF.

In dieser Verhandlung wurde die vom BF namhaft gemachte Zeugin XXXX , vernommen.

Über Befragung des VR führte sie aus, dass sie seit 2016 als „Sozialberaterin“ bei XXXX tätig sei. Sie sei seit ca. 15 Jahren Aktivistin in der LGBTIQ Community. Sie habe den BF in den letzten Monaten betreut und beraten. Es sei insbesondere um sein „Coming-out, um Homophobie in Bangladesch gegangen und darum, wie man in Bangladesch und in Österreich seine sexuelle Orientierung auslebe. Sie habe erlebt, wie der BF Woche für Woche immer selbstverständlicher mit seiner sexuellen Orientierung umgegangen sei. Darüber hinaus habe er Infotische bei verschiedenen Veranstaltungen von XXXX betreut, er konnte somit öffentlich zu seiner sexuellen Orientierung stehen. Nach Meinung der Zeugin könne nunmehr der BF „sich als schwuler Mann … akzeptieren“. Es wäre für seine psychische Gesundheit sehr schlecht, wenn er jetzt in einem Umfeld wäre, wo er als schwuler Mann seine Identität verstecken müsste. Er sei jetzt ausgeglichener und weniger ängstlich. Er sehe eine Zukunft als schwuler Mann. Österreich sei eben ein sicheres Land, was Bangladesch für „unsere Community“ nicht sei. Er habe erst vor kurzem offener mit seiner Familie gesprochen und es seien teils einige Beratungen erforderlich gewesen, bis der BF den Mut und die Selbstsicherheit hatte mit seiner Familie einen offenen Umgang mit seiner sexuellen Orientierung herzustellen.

Sein Bruder und dessen Familie seien die einzigen Verwandten des BF, die er hier in Österreich habe; deren Unterstützung und Zuneigung zu verlieren wäre für ihn eine Katastrophe gewesen. Das Outing gegenüber der eigenen Familie berge immer ein Risiko, die Familie zu verlieren und allein und isoliert zu bleiben. Es sei für den BF auch ein Sicherheitsrisiko gewesen, weil er sein lebensbedrohliches Geheimnis preisgegeben habe und sich damit der Gewalt und der Homophobie exponiert habe. Wenn man die Situation in Bangladesch berücksichtige, dann hätte er sich mit diesem Schritt befreit.

Hinsichtlich des Verhaltens seiner Familie führte die Zeugin aus, dass seine Familie den Vorwurf der Homosexualität des BF abstreiten könnte; dies sei beim ersten Mal möglich, wenn es sich wiederhole, könne dies zu Problemen führen.

Danach bemerkte die Zeugin: „Die völlige Öffnung seiner Familie gegenüber bedeutet für mich, dass seine Familie ihn unterstützt, obwohl sie sich dessen bewusst sind, dass Homosexualität in Bangladesch sozial geächtet ist, zu Problemen mit der Polizei führen kann, das heißt, die Familie ist auch bereit, einen Teil dieser Ächtung zu tragen.“ Es sei nicht selbstverständlich und es sei bemerkenswert, dass der BF sich so weit geöffnet habe, obwohl er wisse, welche Gefahr es für sein Leben darstellen könne.

Sie wisse auch, so die Zeugin, dass der BF einen Partner in XXXX habe, wo er bis gestern gelebt habe. Sie hätten sich oft darüber unterhalten, warum manche schwule Männer in Österreich nicht geoutet seien.

Die Zeugin gab an, dass sie absolut keinen Zweifel habe, dass der BF homosexuell sei.

Nachgefragt, in welcher Sprache sich die Zeugin mit dem BF unterhalte, gab sie an, dass dies teils Deutsch, teils Englisch sei, wenn es um einfache Sachen ginge; für die inhaltlichen Beratungen würde sie sich eines Dolmetschers bedienen. Sie selbst könne kein Bengali.

Zu ihrer Ausbildung befragt gab die BF an, dass sie Konferenzdolmetscherin mit einem abgeschlossenen Studium an der Universität XXXX sei.

Sie sei noch nie in Bangladesch gewesen, sie kenne auch nicht die Familie des BF und habe keinen Kontakt zur Familie des BF in Bangladesch gehabt. Ihre Ausführungen zur Familie des BF und zu der Beziehung des BF zu seiner Familie würden auf Erzählungen des BF beruhen.

Ihre Ausführungen zur Situation in Bangladesch beruhten auf Zeitungsartikel, Berichte von Menschenrechtsorganisationen, LGBTIQ-Organisationen und Zeugenaussagen von schwulen Männern aus Bangladesch. Sie selbst sei bei XXXX angestellt.

Nach der Einvernahme der Zeugin wurde die Verhandlung vertagt.

I.10. Am 24.01.2020 langte eine schriftliche Stellungnahme des BF ein, welche dem BVwG am 17.07.2019 per Fax übermittelt worden wäre. Darin enthalten waren eine allgemeine Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen, sowie die Unterlagen, welche im Rahmen der Verhandlung vor dem BVwG am 22.07.2019 vorgelegt worden waren.

I.11. Am 24.02.2020 übermittelte die Vertreterin des BF eine weitere Stellungnahme vom 21.02.2020, welche das bisherige Beschwerdevorbringen bestätigen sollte. Es habe sich die Lage für Homosexuelle in Bangladesch nicht verbessert, sondern sukzessive verschärft. Zum Beweis dessen war dem Schreiben eine Stellungnahme von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation) vom 20.02.2020 beigelegt.

Dem Bericht vom Februar 2020 kann – zusammengefasst – entnommen werden:

Das vorliegende Dokument beruhe auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten und Expertenauskünften. Es sei dies auch keine Meinung zum Inhalt eines Asylansuchens. Es werde empfohlen, die Dokumente im Original durchzusehen.

Der erste Teil der Antwort beziehe sich auf eine Auskunft von ACCORD vom 30. Mai 2018.

Das US Department of State (USDOS) habe im Jahresbericht zur Menschenrechtslage 2018 zu Bangladesch geschrieben, dass nach dem bengalischen Strafgesetz sexuelle Aktivitäten zwischen Angehörigen des gleichen Geschlechts verboten seien, die Regierung dieses Gesetzt aber nicht aktiv umsetze.

LGBTI-Gruppen würden berichten, dass die Regierung das Gesetz aufgrund von gesellschaftlichem Druck beibehalte.

In einem Zeitungsartikel der Dhaka Tribune (englischsprachige Tageszeitung mit Sitz in Dhaka) aus Mai 2018 werde berichtet, dass die Regierung Bangladeschs verschiedene Empfehlungen des UN-Menschenrechtsbeirates zurückgewiesen habe, darunter die Sicherstellung von Rechten der LGBT-Communities. Der Artikel berufe sich auf einen anonymen Regierungsvertreter, welcher meinte, dass die Gesellschaft Bangladeschs für diesen Schritt nicht bereit sei.

Bangladesch habe Empfehlungen von LGBTI-Rechten zurückgewiesen, weil dies eine religiöse, soziale, kulturelle, moralische und ethische Angelegenheit sei. Man berücksichtige dabei die Ansichten, Bestrebungen, Empfindungen und religiösen Überzeugungen der Mehrheit der Bevölkerung. Die Regierung habe sich dazu verpflichtet, die Rechte aller Bürger zu wahren. Sie sähe keine Notwendigkeit, neue Rechte zu schaffen, welche nicht allgemein als Rechte anerkannt seien.

Weiters beschäftigte sich das vorgelegte Dokument mit dem Mord an einem LGBT-Aktivisten und seinem Freund im Jahr 2016.

In einem australischen Länderinformationsbericht aus 2019 werde festgehalten, dass die Polizei Art. 377 ausnütze, um Gelder zu erpressen.

Weiters wird ein Vorfall aus Mai 2017 thematisiert, bei dem eine Spezialeinheit der Polizei eine Razzia bei einer lokalen LGBT-Gemeinschaft durchgeführt habe und 28 Personen festgenommen und geschlagen habe.

Beschrieben wird, dass USDOS im Jahresbericht zur Menschenrechtslage 2018 feststellte, dass Bangladesch von NGO bestimmte Auflagen zur Registrierung verlange; einige NGO würden von Geheimdienstagenturen beobachtet werden.

Freedom House beschreibe 2019, dass gesellschaftliche Diskriminierung Homosexueller in Bangladesch weiterhin die Norm sei.

Der UN-Ausschuss gegen Folter habe sich im Bericht 2019 über Gewalt gegen LGBTI-Personen besorgt gezeigt.

Das East Asia Forum habe im März 2018 in einem Artikel zur Lage von LGBT-Personen das Erstarken der Erneuerungsbewegung des islamischen Fundamentalismus beschrieben. Im Jahr 2015 sei ein säkularer Blogger und Autor eines Buches über Homosexualität von Extremisten ermordet worden. Weiters wurde auf die oben beschriebene Ermordung eines LGBT-Aktivisten 2016 eingegangen. Human Rights Watch schreibe im Jänner 2019, dass sexuelle und Gender-Minderheiten wegen einem Klima der Straffreiheit für Angriffe auf Minderheiten durch extremistische religiöse Gruppen um ihre Sicherheit fürchten würden.

Zitiert wurde weiters ein DFAT Bericht aus 2015, dass die Organisatoren der geplanten Regenbogenparade 2016 eine Reihe von Morddrohungen erhalten habe und die Polizei sich geweigert habe, für ihre Sicherheit zu sorgen und vier von ihnen verhaftet habe.

Das East Asia Forum berichte in einem Artikel März 2018, dass es in Bangladesch keine Antidiskriminierungsgesetze gäbe, welche auf LGBT-Personen anwendbar seien.

DFAT hätte 2019 veröffentlicht, dass es in der Praxis für beide Geschlechter äußerst schwierig sei, in einer öffentlich gemachten homosexuellen Beziehung zu leben.

USDOS berichte im März 2019, dass es gegenüber LGBTI-Gruppen Diskriminierung in den Bereichen Anstellung, Berufstätigkeit, Wohnen, Zugang zu staatlichen Dienstleistungen gäbe.

Das Human Rights Forum Bangladesch habe 2019 Zahlen an den UNO-Ausschuss gegen Folter eingereicht, basierend auf den Arbeiten der Bandhu Welfare Society. Demnach hätte diese Organisation im Zeitraum 2013 bis 2018 insgesamt 2391 Beschwerden wegen Misshandlungen/Schikanen, häuslicher Gewalt, Eigentumsstreitigkeiten und Diskriminierung von LGBT-Personen (durchschnittlich unter 400 pro Jahr) erhalten.

In einem Bericht vom März 2015 hätten die Boys of Bangladesch (BoB) eine Umfrage unter LGBT Personen durchgeführt. Demnach hätten über 50 % der 571 UmfrageteilnehmerInnen angegeben, dass sie in andauernder Furcht leben würden, dass ihre sexuelle Orientierung aufgedeckt werde. Bedrängung, Depression und soziale Isolation seien die Folge. Allerdings, so die Herausgeber der Studie, seien die Ergebnisse nicht repräsentativ in Folge der angewendeten Methodologie.

Es gäbe Unterschiede zwischen der Situation homosexueller Männer in Großstädten und in ländlichen Gebieten. In ländlichen Gebieten würden mehr heterosexuelle Eheschließungen erfolgen, auch mit homosexuellen Partnern, als in der Stadt. Eine Vertreterin der BoB habe gegenüber einer fact finding mission des britischen Innenministeriums im Mai 2017 gesagt, dass sie als homosexuelle Männer oder Frauen nicht offen leben könnte.

2018 habe das East Asia Forum über die Auswirkungen eines verstärkten Islambewusstseins im Jahr 2014 und 2015 gehabt habe, berichtet.

DFAT weise im Länderinformationsbericht darauf hin, dass sich die Lage der LGBTI-Personen von den Hirjas (Männer, die als Frauen leben) unterscheide und dies nicht verwechselt werden dürfte.

Im Anhang zu diesem vorgelegten Dokument findet sich eine umfangreiche Quellenangabe, zumeist Artikel aus dem Internet.

Ein direkter Zusammenhang zwischen dem Fluchtgeschehen des BF und den Artikeln wurde nicht hergestellt.

I.10. Am 06.05.2020 wurde die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht fortgesetzt.

Eingangs führte der BF aus, dass ihm die XXXX geraten habe, einen Auffrischungskurs für A2 zu machen, welchen er jedoch wegen der Coronakrise noch nicht starten konnte. Mittlerweile sei er nach XXXX gezogen, lebe in der Unterkunft „ XXXX “, es gäbe hier Schwulenbars, die XXXX und XXXX . Er sei hier in der Schwulen-Community aktiv und könne über seine Gedanken sprechen.

Derzeit werde er von der XXXX unterstützt.

Der BF versuche, einen Führerschein zu machen, wozu er Fahrstunden mit einem „Onkel“, dies sei jedoch kein Verwandter, mache. Als Verwandte habe er lediglich seinen Bruder und dessen Ehefrau samt mittlerweile drei Kindern. Er würde diese Familie sehr oft sehen, zwei- bis dreimal pro Woche.

Er habe derzeit keinen Lebenspartner.

Er hatte einen Partner, sie hätten vier bis fünf Monate lang eine intime Beziehung gehabt. Er habe von seiner Seite versucht, den Kontakt aufrecht zu erhalten, da sein Partner aber eine politische Person sei, sei er sehr beschäftigt. Der BF würde aber einen festen Partner suchen, um diesen dann heiraten zu können. Er lebe derzeit in einem Zimmer mit einem anderen Mitbewohner; es gäbe insgesamt sechs Personen in drei Zimmern, alle seien von der Schwulen-Community und werden von der XXXX und von XXXX unterstützt.

Hinsichtlich seines früheren Partner führte der BF aus, dass es sich um Ing. XXXX handeln würde, den er immer als Partner gesehen habe. Dieser habe ihm nie gesagt, dass er es ablehne, weshalb er ihn auch als Zeugen genannt habe. Der BF würde sich noch um diese Beziehung bemühen. Sie hätten eine recht gute Beziehung zueinander gehabt, er wäre innerlich sein Partner gewesen. Kennengelernt habe er Herrn XXXX unter den Decknamen „ XXXX “ über die Applikation „ XXXX “ seines Mobiltelefones. Über diese sehr beliebte Applikation könnte man neue Personen von der Schwulen-Community kennenlernen. Der BF habe ausgedruckte Emails des Chat-Verkehrs mit Herrn XXXX gespeichert und aufbewahrt, welche er nunmehr vorlegte.

Die sexuelle Beziehung zu Herrn XXXX sei nicht mehr aufrecht, der Kontakt nur sporadisch. Es sei so, dass sich der BF sehr um Kontakt bemühe, bei ihm sei jedoch lediglich ein „Hi“ oder „Hello“ als Antwort.

Am 25.01.2019 hätte er zum ersten Mal sexuellen Kontakt zu Herrn XXXX gehabt. Der BF könne sich deshalb so genau an das Datum erinnern, weil er noch „mit so einer hochrangigen Person ‚etwas hatte‘“. Es hätte lange gedauert, bis der BF die Adresse gefunden habe. Sie hätten sexuellen Kontakt im Haus des Zeugen gehabt. Die sexuellen Kontakte gingen drei bis vier Monate.

Der BF habe von August/Oktober 2018 bis Mitte März 2020 in XXXX gewohnt.

Der Zeuge sei immer sehr nett und hilfsbereit gewesen. Er hätte ihm seine Visitenkarte gegeben und gemeint, er könne ihn jederzeit anrufen. Er habe dem BF sein Haus gezeigt, alle Zimmer, habe Getränke gemacht und den Garten gezeigt. Das war immer dann, wenn seine Ehefrau abwesend war. Er habe dem BF erzählt, dass er zwei Töchter habe. Er habe aber gemeint, dass der BF es niemanden erzählen dürfte und habe der BF gemerkt, dass er es verheimliche. Deshalb habe es der BF niemanden erzählt.

Der BF bejahte sodann, dass er wusste, dass der Zeuge verheiratet sei und Kinder habe. Der Zeuge habe ihm Bilder gezeigt. Der BF habe es nicht als ein Problem angesehen, dass der BF verheiratet sei. Er habe sich gedacht, wenn er mit seiner Ehefrau in Ordnung wäre, dann müsste das mit dem BF kein Problem sein. Damit meine er, wenn er mit seiner Ehefrau keine Schwierigkeiten habe, dann könne das mit dem BF ja weiterlaufen. Zu seiner eigenen Homosexualität befragt antwortete der BF, er wisse davon, seit er „klein war, so etwa 12 oder 13 Jahre alt“. Es gab einen sogenannten Onkel, mit dem eine Beziehung entstand. Er sei benachbart wohnhaft und Lehrer gewesen. Der BF sei immer zu ihm lernen gegangen und hätte als Belohnung Schokolade oder Chips erhalten. Dieser Lehrer sei verheiratet gewesen, und immer, wenn die Ehefrau außer Haus gewesen sei, habe ihm der Lehrer gesagt, dass er ihn massieren solle. Eines Tages habe der Lehrer ihn auch geküsst, was den BF schockiert habe. Er sei dann für ein paar Tage nicht zum Lernen gegangen. Die Familie habe ihn jedoch unter Druck gesetzt, dass der BF wieder zu dem Lehrer gehen solle. Dieser habe ihm erklärt, dass ein Junge auch mit einem anderen Jungen Sex haben könne. Er habe ihn dann über homosexuelle Sachen aufgeklärt. Sie hätten dann mit der Zeit eine sexuelle Beziehung aufgebaut.

Einmal habe dies eine Nachbarsfrau mitbekommen. Diese habe es den Eltern und dem Bruder erzählt, sowie der Schwester. Der Vater und der Bruder seien sehr wütend gewesen, die Mutter habe versucht die Situation zu beruhigen. Der Vater und der Bruder hätten ihn geschlagen. Diese Nachbarsfrau habe es aber auch der Ehefrau des Lehrers erzählt und es habe sich in der ganzen Ortschaft verbreitet. Die Ehefrau habe letztlich erreicht, dass der Lehrer in eine andere Ortschaft transferiert worden sei. Der BF sei, als der Lehrer gegangen war, „mental zerschlagen“ gewesen. Er sei unter psychischen Druck gestanden. Es hätten ihm zwar viele Menschen gefallen, aber er habe nicht sagen können, dass er einen Partner haben möchte.

Nachgefragt gab der BF an, dass er 14 oder 15 Jahre alt gewesen sei. An das genaue Datum könne er sich nicht erinnern, die Beziehung sei ja lange gegangen. Es sei am Ende des Lernens gewesen. Er sei ja zu ihm gegangen, um zu lernen, dann habe er ihn eine lange Zeit nur massiert, und dann hätte es angefangen.

Als der Lehrer wegging, sei noch ein Jahr vergangen, bis der BF den S.S.C. Abschluss gemacht habe; da war er vielleicht 15 Jahre alt.

Der BF habe dann einen Diplom-Kurs in Zivilingenieurwesen absolviert, nebenbei gearbeitet und in Abendkursen den Bachelor absolviert. Er habe in einer Architektenfirma im Bereich Grafik-Design gearbeitet.

Als er erkannte, dass er wegen seiner Homosexualität nicht in Bangladesch bleiben konnte, habe er beschlossen, das Land zu verlassen. Sein Bruder sei nach Österreich gekommen und habe ihm erklärt, dass Homosexualität in Österreich erlaubt sei. Daraufhin sei er auf das österreichische Konsulat gegangen und habe sich um ein Studentenvisum bemüht.

Gefragt, ob er auf einer Universität studieren wollte, bejahte dies der BF. Aber zuerst müsse er den Deutschkurs in B2, mittlerweile C1, schaffen. Gefragt, ob er schon in Bangladesch mit einem Deutschkurs begonnen habe, verneinte dies der BF.

Als der BF nach Österreich gekommen war konnte er das Studentenvisum nicht beheben, weil die Inskriptionsfrist abgelaufen sei. Das Studentenvisum sei von 2015 bis 2017 gültig gewesen, der BF sei im XXXX nach Österreich gekommen. Er habe sich hier wiederum um ein Studentenvisum bemüht, und eine Inskription gemacht. Andererseits sah er auch, dass er B2 bringen müsse. Der ursprüngliche Grund, warum das BF das Land verließ, seien ja die Schwierigkeiten gewesen und deshalb habe er hier um Asyl angesucht. Er hätte auch um Asyl angesucht, wenn er weiter studieren hätte dürfen.

Befragt, da er am 18.12.2017 nochmals um Zulassung zur Universität angesucht habe, und diese ihm die Möglichkeit (mittels Bescheid vom 04.04.2018) geboten habe, dass er innerhalb von vier Semestern die Ergänzungsprüfung in Deutsch abzulegen hätte, gab der BF zu Protokoll, dass er um Asyl ansuchte, bevor er die Inskription durchführte. Er sei finanziell nicht gut ausgestattet gewesen. Er habe einen Deutschkurs vom Staat gesucht. Er habe lediglich einen A1-Kurs erhalten, dann sei er in XXXX m Spital gewesen. Danach erhielt er einen Deutschkurs A2 in XXXX

Hinsichtlich der Ausführungen zu seiner sexuellen Neigung setzte der BF sodann über Befragen des VR fort:

Er wäre, nachdem der Schullehrer fortgegangen war, psychisch zerstört gewesen. Er versuchte dann, einen neuen Partner zu erhalten. Er habe in der Ortschaft gesucht, das sei allerdings schwierig gewesen. Er habe dann, nach einiger Zeit, eine nicht sehr gebildete Person in der Ortschaft gefunden; diese Person sei aber finanziell nicht sehr gut situiert gewesen. Während der BF in XXXX studierte habe er Geld erhalten, welches er mit dem Freund teilte. Es sei dem BF dann klargeworden, dass der Freund sowohl Sex als auch Geld haben wollte.

Der BF sei damals 16/17 Jahre alt gewesen. „Nachdem meine Familie damals alles mitbekam, wollten sie nicht, dass ich mit dem Jungen viel unterwegs bin. Sie haben es zwar nie direkt gesehen, aber sie wollten es unterbinden“. Seine Familie hätte nach dem ersten Vorfall mit dem Lehrer es gleich immer unterbinden wollen, wenn er mit einem Jungen gesehen wurde. Sie hätten auch gesagt, er solle nicht aus XXXX , wo er während des Poytechnical gewohnt habe, in das Dorf kommen, welches ca. 90 km entfernt gelegen sei. Immer, wenn er mit einem Jungen gesehen wurde, sei es verdächtig gewesen. Dennoch habe der BF versucht, sich mit dem Freund zu treffen, dieser sei hin und wieder auch nach XXXX gekommen, was jedoch der BF hätte bezahlen müssen.

Der Zeitraum zwischen dem Lehrer und dem Freund sei ca. sechs bis sieben Monate gewesen; in dieser Zeit machte der BF seinen S.S.C. Abschluss.

Die Beziehung mit diesem Freund sei dann „eine Zeit lang“ gegangen. „Von der Familie und den Leuten im Dorf gab es Druck“. Nach einer langen Zeit hätten sie einmal beim Fluss eine sexuelle Handlung gehabt, was drei Personen mitbekommen hätten. Diese Personen seien in der Nacht mit Taschenlampen unterwegs gewesen. Seinem Freund sei es gelungen zu flüchten, ihn habe man erwischt und sehr viel geschlagen. Man habe es seinen Eltern erzählt und die ganze Ortschaft habe es mitbekommen. Er sei dann gleich am nächsten Tag nach XXXX gegangen. Nach eineinhalb Monaten habe er erfahren, dass sein Freund verheiratet worden sei und von der Mitgift nach XXXX geschickt worden sei.

Diese Beziehung zu diesem Freund habe vier Jahre gedauert.

Wiederum sei der BF, so erzählte er, in eine Depression verfallen.

Er habe dann seine Studien weitergemacht, das XXXX absolviert, die Arbeit begonnen und den Abendkurs an der Universität abgeschlossen.

Der BF habe dann in XXXX weiter nach Partnern gesucht, aber „in der Stadt XXXX jemanden zu finden ist sehr schwer. Ich wusste ja, dass ich homosexuell bin. Da in der Arbeit viel Zeit untertags verging, bin ich nach der Arbeit in verschiedenen Parks unterwegs gewesen und da bekommt man einmalige Liebeshandlungen“. Er habe, wenn er jemanden gefunden habe, Nummern ausgetauscht, aber er sei sehr vorsichtig gewesen.

So seien drei bis vier Jahre vergangen.

Er hätte in dieser Zeit keine fixen Partner gehabt, sondern „nur einmalige Angelegenheiten“. Wenn ihm im Park jemand gefallen habe, dann hätten sie die Nummern ausgetauscht und es gab einmalige, höchstens zweimalige Treffen. Er habe „sehr viele“ Personen getroffen, es waren „zehn bis zwanzig“ Personen. Einmal sei der BF Opfer eines Betruges geworden. Man habe ihm etwas Sexuelles vorgespielt und dann habe man ihm sein Geld und sein Mobiltelefon gestohlen. Deshalb sei er vorsichtig geworden.

Am 03.02.2015 habe der BF eine Person kennengelernt; als sie bei dieser Person zu Hause waren, hätten sie Sex gehabt und zwei Personen hätten sie durch das geöffnete Fenster gesehen. Plötzlich seien sehr viele Menschen herumgestanden und sie seien zusammengeschlagen worden. „Dann sind die Verkehrspolizisten aus der Nähe hinzugekommen und haben anfänglich uns geschützt. Von meinem Mobiltelefon haben sie die Telefonnummer meiner Schwester gefunden.“ Diese sei kontaktiert worden und musste letztlich ein Garantieschreiben unterfertigen, dass es nicht wieder passieren werde, und wenn schon, dass die Polizei ihn verhaften könne und die Polizei nicht einschreiten müsste, wenn der BF gelyncht oder getötet werde.

Der BF habe damals in XXXX in einer Wohnung gewohnt, die seiner Schwester gehörte. Sie verlangte vom Bruder, dass er eine andere Unterkunft nähme. Der Bruder, der im April 2015 nach Österreich gekommen sei, habe ihm dann die Möglichkeit erzählt, dass man als Homosexueller in Österreich sehr gut leben könne.

Nach dieser Aussage wurde in Anbetracht der fortgeschrittenen Verhandlungsdauer und der noch einzuvernehmenden Zeugen die Verhandlung unterbrochen und vertagt.

I.11. Am 20.05.2020 wurde die Verhandlung vor dem BVwG fortgesetzt.

Eingangs wurde dem Vertreter des BF die Möglichkeit geboten, noch Fragen zur Aussage des BF in der vorhergegangenen Verhandlung zu stellen.

Der BF führte über Nachfrage seines Vertreters aus, dass seine Familie das Verhältnis zu dem Lehrer erst mitbekommen habe, als sie erwischt worden seien. Seitdem hätte seine Familie verstanden, dass er homosexuell sei und hätten ihn nicht mehr zum Lehrer geschickt. Er sei damals 14 Jahr alt und in der 10. Klasse gewesen, im Jahr 2001.

Gefragt, wie das Gefühl gewesen sei, als Homosexueller in Bangladesch nicht offen leben zu können, meinte der BF, er sei psychisch sehr zerschlagen gewesen. Er sei jeden Tag krank gewesen, weil „einerseits meine Familie meine Homosexualität nicht akzeptierte und mich boykottierte, andererseits wurde ich auch schon gesellschaftlich boykottiert. Man ließ mich nicht an den religiösen Veranstaltungen teilnehmen und hielt mich ab, hinzugehen. Die Leute haben über mich gelästert und wenn sie mich gesehen haben, haben sie mich verhöhnt. Als ich dann von der Polizei erwischt wurde und meine Schwester mich abholte, hatte ich große Angst, dass sie mich rechtlich vernichten. Sie könnten mir eine Anzeige wegen Drogen oder nach dem Waffengesetz anhängen. Wenn mich andererseits Muslime erwischt hätten, hätten sie mich lynchen können.“

Gefragt, wer ihn abgehalten habe, an religiösen Feierlichkeiten teilzunehmen, erklärte der BF, dass dies die Mullahs und religiösen Gelehrten waren. Auch seine Familie habe ihn gewarnt, dorthin zu gehen. Es hätte ja Angriffe auf seine Familie gegeben, die Nachbarschaft hätte sie beschimpft. Der BF sei einsam gewesen, er habe Angst gehabt, als seine Schwester die Garantieerklärung abgegeben habe. Er habe auch Angst gehabt, die Arbeitsstelle zu verlieren oder ins Gefängnis gehen zu müssen.

Nachdem er nach Österreich gekommen wäre hätte er über seine sexuellen Neigungen reden können. Es gäbe hier keine Verbote und er habe keine Hemmungen. Es gäbe auch Institute wie XXXX und die XXXX , wo er Rat holen könne und Freunde treffen. So etwas habe er „in Bangladesch nie erahnen können“. Hier habe er auch keinen Druck von der Familie erleiden müssen, sein Bruder und seine Schwägerin würden ihn akzeptieren.

Was er auch „nie erahnen hätte können in Bangladesch sei, dass er mit einem Freund in eine Sauna“ gehen könne.

Mit seiner Familie in Bangladesch stünde er nicht in Kontakt. Sie wollten nicht mit ihm sprechen und er auch nicht mit ihnen.

Hinsichtlich seiner Einstellung zur Partnerschaft in Österreich führte der BF aus, dass man sich in Bangladesch „als Partner verstehe“, wenn man 1, 2, 3 Tage mit jemanden Sex habe. Mit einem Tag kann man jemanden als Partner annehmen, er habe das so auch angenommen.

Seine Zukunft in Österreich stelle er sich so vor, dass er einen Partner finde, diesen heirate und ein Kind adoptiere. Er würde versuchen zu studieren und einen Beruf erlernen, damit die finanzielle Situation besser werde.

Von der belangten Behörde gefragt, wie lange der BF im Dorf gelebt habe, nachdem seine sexuelle Neigung bekannt geworden sei, antwortete der BF, dass er „lediglich sechs Monate“ im Dorf geblieben sei. Zwar sei er dann nach XXXX gegangen, um im XXXX u lernen, aber er habe im Dorf nach einen Freund gesucht. Diesen habe er nach 6,7,8 Monaten gefunden. Er habe immer versucht, ihn zu treffen, entweder im Dorf oder in XXXX . Nachdem er erwischt worden sei, hätten sie ihn zu den Eltern gebracht und diese verhöhnt. Er sei geschlagen worden. Die ganze Ortschaft erfuhr von der Sache, seine Familie hätte ihn beschimpft und ihn gleich am nächsten Morgen nach XXXX geschickt. Nach knapp einem Monat habe er erfahren, dass sein Freund verheiratet worden sei und nach XXXX geschickt wurde.

Gefragt vom Vertreter der belangten Behörde, wie lange der BF eine Beziehung zu dem Lehrer hatte, antwortete der BF, es wären „drei, also drei bis vier Jahre“ gewesen.

Der Vertreter der belangten Behörde fragte den BF auch, woher er das Wissen über die homosexuelle Szene in Österreich erfahren habe, weil er darüber bei der Einvernahme am 29.11.2018 nicht bescheid wusste.

Der BF beantworte dies damit, dass er neu in Österreich gewesen wäre und in XXXX in einem Heim untergebracht war. Kurz nach der Einvernahme habe er Herrn XXXX kennengelernt. Dann habe er immer mehr Rat von der XXXX in Anspruch genommen.

Befragt, ob der BF noch Herrn XXXX lieben würde, antwortete der BF, dass sie 2019 eine gute Beziehung hatten. Er liebte ihn, aber aufgrund der Beschäftigung und der Zeit siehe es so aus, dass er sich erst nach einigen Tagen melde. Der BF versuche von sich aus den Kontakt aufrecht zu erhalten, aber Herr XXXX stünde ihm fern. Der BF wollte Herrn XXXX „für die Zukunft“, aber was dieser wolle, wisse er nicht. Er wolle ihn nicht in der Beziehung mit seiner Ehefrau und den zwei Töchtern stören. Wenn es möglich sei, dass er mit der Ehefrau und den Kindern gut bleibe, dann könne es von Seiten des BF eine Beziehung miteinander geben.

Konkret gefragt, von wann bis wann der BF homosexuellen Kontakt mit Herrn XXXX hatte, antwortete der BF „vom 25.01.2019 bis 20.03.2019“, weitere zwei bis drei Monate hätten sie eine „normale Beziehung“ gehabt.

Im weiteren Verlauf der Verhandlung erfolgte die Einvernahme des Zeugen Ing. XXXX .

Der Zeuge gab zu Protokoll, dass er bisexuell sei. Den BF liebe er nicht, eine gemeinsame Zukunft mit dem BF würde er nicht sehen. Ob seine Frau es wüsste, dass er bisexuell sei, wisse er nicht; er habe nicht mit ihr darüber gesprochen.

Der BF habe dem Zeugen nicht von seinen ersten homosexuellen Erlebnissen erzählt. Er wisse jetzt auch nicht, dass ihm der BF etwas über homosexuelle Erfahrungen mit einem Lehrer erzählt habe, es könnte sein. Er habe jedoch ganz sicher nicht erfahren, dass dieser Lehrer verheiratet gewesen wäre und später den Ort und seinen Job verlassen musste. Auf einem der beiden Mobiltelefone, die der Zeuge besitze, wäre die Applikation „ XXXX “. Über diese Applikation habe er den BF Anfang 2019 kennengelernt. Er habe mit dem BF im Frühjahr 2019 sexuellen Kontakt gehabt.

Seine Unterstützung hinsichtlich des BF, etwa mit einem Empfehlungsschreiben der Gemeinde Ni XXXX bzw hinsichtlich der Aufnahme in einen Deutschkurs, würde auch anderen Asylwerbern zukommen und sei dies eine andere Ebene.

Über Befragen des Vertreters des BF, ob der BF eine längerfristige Beziehung erwartet habe, meinte der Zeuge, dass man diesen Eindruck gewinnen konnte.

Der Vertreter der belangten Behörde wollte vom Zeugen wissen, wie er den BF beschreiben würde. Der Zeuge zeichnete daraufhin das Bild eines ruhigen, unauffälligen Menschen. Er habe den BF „in keinster Weise“ in die Homosexuellenszene eingeführt.

Da keine weiteren Fragen an den Zeugen erfolgten, wurde dieser entlassen.

Als weiterer Zeuge wurde der Bruder des BF einvernommen.

Dieser bestätigte, dass er den Bruder geschlagen habe, als dieser 2003 oder 2004 mit dem Jungen aus dem Dorf erwischt worden sei. Sein Bruder hätte schon zuvor „eine sexuelle Beziehung“ mit dem Mathematiklehrer seiner Schule gehabt. Dies sei 2002 gewesen; wie lange er schon eine Beziehung hatte, wisse er nicht.

Jedenfalls habe er jetzt für seinen Bruder Verständnis und wollte ihm gerne helfen, auch nach dem Vorfall in XXXX

Gegen den Lehrer habe die Familie keine Anzeige erstattet, weil es ja schon normal rechtlich verboten ist. Wenn sie das gemacht hätten, hätte der Bruder ein Polizeiproblem bekommen. Sie hätten auch nicht ein Dorfgericht haben wollen, weil es dann über das ganze Dorf hinaus, in der ganzen Ortschaft, breitgemacht worden wäre.

Sein Bruder sei immer traurig und verzögert gewesen. Sein körperlicher Zustand habe sich verschlechtert, als ob er voller Angst und Sorge gewesen wäre. Hier in Österreich habe sein Bruder ein lachendes Gesicht, hier könne er offen leben.

Er habe mit seinem Bruder in jüngeren Jahren nie über Homosexualität gesprochen. Die Familie habe es dem BF verboten und erklärt, dass es eine Sünde sei und dass es kein weiteres Mal passieren solle. Der Bruder erzählte weiter: „Wir haben es ihm verboten, aber nicht darüber gesprochen mit wem er es wie oft getan hat“. Zweifel an der sexuellen Orientierung habe der Bruder nicht. Der ältere Bruder und die Mutter würden keinen Kontakt mehr zu dem BF wollen. Die Eltern, der ältere Bruder und die Schwester seien „sehr religiös, also auch in Verhältnissen in Bangladesch gesehen, sie sind sehr traditionell und erfüllen alle religiösen Aufgaben“.

Über Befragen des Vertreters der belangten Behörde meinte der Zeuge, dass man ein Dorfgericht erwirken wollte, aber der Vater habe ihnen erklärt, dass er es nicht mehr wieder machen werde und es verstanden habe. Die Leute wollten ihn bestrafen. Was passiert wäre, könne der Zeuge jedoch nicht sagen, weil es dann so eine Sitzung nicht gegeben hätte.

Das Leben des Bruders sei im Heimatdorf gefährdet gewesen, bestätigte der Bruder aufgrund einer entsprechenden Frage des Vertreters der belangten Behörde. Die älteren Weisen in der Ortschaft hätten dringlichst gewarnt, dass, falls es wieder passieren würde, sie sich nicht mehr zurückhalten könnten. Gleiches sei in XXXX gewesen, nach dem Vorfall bei der Schwester, wo auch die Leute dort gewarnt hätten, dass, falls es wieder passieren würde, kein Widerstand erfolgen würde, wenn sie ihn töten oder festnehmen lassen. Nachgefragt bestätigte der BF, dass der Bruder jedoch einige Male, aber immer heimlich, in das Heimatdorf zurückgekehrt sei. Er sei aber meistens in der Nacht hingegangen, und nachdem die Familienangehörigen gesagt hätten, dass er nicht mehr kommen solle, sei er nicht mehr hingegangen.

Als er erwischt worden sei, wurde der BF zwar geschlagen, aber es gab danach keine große Sitzung. Im dörflichen Bereich kenne ja jeder jeden. Es könne sein, dass man es schafft, denjenigen „herauszuholen“, indem man bei den Bekannten um Verzeihung bittet. Es sei ja gewarnt worden, dass, falls es wieder passiere, die Strafe nicht zurückgehalten werden könne.

Da keine weiteren Fragen an den Zeugen gerichtet wurden, wurde seine Einvernahme beendet.

Im weiteren Verlauf der Verhandlung ergaben sich keine substanziellen weiteren Aussagen. Zu dem aktuellsten offiziellen Länderbericht zu Bangladesch, Stand April 2020, welcher bereits zur Verhandlung am 06.05.2020 dem BF übermittelt worden war, wurde keine Stellungnahme abgegeben.

Nach Ende der vierten Verhandlung wurde das Ermittlungsverfahren des Bundesverwaltungsgerichtes abgeschlossen.

I.12. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.05.2020, XXXX , wurde die Beschwerde abgewiesen.

I.13. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 22.09.2020, XXXX wurde der Antrag des BF, vertreten durch XXXX , auf Bewilligung der Verfahrenshilfe „als offenbar aussichtslos“ abgewiesen und die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

I.14. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.12.2020, XXXX wurde die einstweilige Befreiung von der Eingabegebühr bewilligt, mit Beschluss vom 05.01.2021, XXXX die aufschiebende Wirkung der Revision zuerkannt und mit Erkenntnis vom 23.02.2021, XXXX , die Entscheidung des BVwG behoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali.

Der BF ist im Ort XXXX geboren und dort aufgewachsen. Er hat in seinem Heimatland für zehn Jahre die Schule in XXXX besucht, danach 4 Jahre Polytechnik in XXXX gelernt, danach 4 Jahre (mit einem Abschluss in Zivilingenieurwesen) an der XXXX studiert. In Bangladesch hat der BF bei einem Architekturbüro im IT-Bereich (Entwurf von Gebäuden am Computer) bzw. als Grafikdesigner gearbeitet.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder; er lebt nicht in einer Partnerschaft.

In Bangladesch halten sich die Mutter, drei Schwestern sowie ein Bruder (und weitere Verwandte) des BF auf. Mit seiner Mutter hat der BF täglich, mit seinen Geschwistern in Bangladesch wöchentlich telefonischen Kontakt (Einvernahme 28.11.2018; widersprüchlich zu BVwG, 22.07.2019: mit der Familie in Bangladesch habe er keinen Kontakt). Die Asylanträge des in Österreich noch aufhältigen Bruders und dessen Familie wurden abgewiesen.

Der BF hatte bereits am 05.02.2015 den Entschluss zur Ausreise aus Bangladesch gefasst, weil er wegen seiner Homosexualität das Land verlassen wollte. Der BF kam im Mai 2017 legal mittels Studentenvisum in das Bundesgebiet. Am 05.12.2017 habe er einen Asylantrag gestellt. Auch wenn er weiterhin studieren hätte können (mangels Studienerfolges keine Verlängerung des Studentenvisums), hätte er einen Asylantrag gestellt (BVwG, 06.05.2020).

Der BF ist in die staatliche Grundversorgung einbezogen.

Der BF verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2, über das für ein Studium erforderliche Niveau C1 (früher B2) verfügt er nicht.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF ist gesund und von Tuberkulose geheilt, er unterliegt einer vierteljährlichen Kontrolle. II.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Es wird festgestellt, dass der BF homosexuell ist.

Es wird festgestellt, dass der BF schon als Jugendlicher, zwischen 12 und 15 Jahren, mit seinem verheirateten Mathematiklehrer ein homosexuelles Verhältnis hatte. Es wird festgestellt, dass, nachdem eine Nachbarin dieses homosexuelle Verhältnis entdeckte, dieser Lehrer wegen des sexuellen Verhältnisses mit dem BF seinen Job wechseln musste und die Ortschaft mit seiner Ehefrau verließ.

Es wird festgestellt, dass der BF nicht wegen seines homosexuellen Verhältnisses mit dem Lehrer von den örtlichen Autoritäten (Dorfgericht) oder den staatlichen Autoritäten bestraft wurde.

Es wird festgestellt, dass der BF nach Entdeckung seines homosexuellen Verhältnisses zu seinem Lehrer zumindest noch ein halbes Jahr in der Ortschaft verblieb.

Es wird festgestellt, dass der BF nach Abschluss seines S.S.C. nach XXXX zog und dort wohnte.

Es wird festgestellt, dass der BF ca. ein halbes Jahr nach Entdeckung seines homosexuellen Verhältnisses zu dem Lehrer keine fixe Partnerschaft hatte.

Es wird festgestellt, dass der BF in seinem Heimatdorf nach dieser Beziehung zu seinem Lehrer, ca. ein halbe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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