TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/4 W159 2217559-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.05.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

04.05.2021

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W159 2217559-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren XXXX , Staatsangehöriger von Serbien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Serbien und Angehöriger der Volksgruppe der XXXX , war bereits von 1986 bis 1996 in Österreich aufhältig, dann in der Folge auch gelegentlich in Österreich. Im März 2018 reiste er wieder in Österreich ein und stellte am 21.11.2018 den Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er noch am gleichen Tag von der Landespolizeidirektion XXXX einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er seit dem Jahre 2007 Abgeordneter im serbischen Parlament als Angehöriger der XXXX gewesen sei. Zuerst seien sie zwei Abgeordnete dieser Partei gewesen, 2013 nurmehr er alleine. Er sei auch für die XXXX mit Sitz in Wien als gewählter Präsident tätig, welcher unter Aufsicht der OSZE gebildet worden sei. Aufgrund seiner politischen Tätigkeit sei es in den letzten Jahren immer wieder zu Vorfällen gekommen und seien Personen in seinem Umfeld von Unbekannten angegriffen worden, in sein Haus sei viermal eingebrochen worden und dieses sei verwüstet worden. Er habe immer wieder Probleme gehabt, da er Entscheidungen der Behörden beeinsprucht habe und zuletzt kein aktives Wahlrecht in seiner Heimat gehabt habe, welches von einem serbischen Gericht aberkannt worden sei. Aufgrund zahlreicher Vorfälle und Bedrohungen in Internetforen habe er Angst um sein Leben und die Gesundheit seiner Familie. Er habe auch zahlreiche Beweismittel, die er vorlegen könne. Vorgelegt wurde auch ein Auszug aus einem Beitrag des ORF über ein Treffen einer serbischen XXXX -Delegation im Europa-Parlament, das über Einladung des österreichischen Europaabgeordneten XXXX zustande gekommen sei.

Am 30.01.2019 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien. Der Beschwerdeführer gab eingangs der Einvernahme an, dass er regelmäßig Medikamente gegen Bluthochdruck und Herzbeschwerden nehme. Er sei am XXXX in XXXX /Serbien geboren und sei serbischer Staatsangehöriger. Er habe früher mit seiner Familie in einem Haus in XXXX gelebt. Seine letzte Adresse sei in XXXX gewesen. Er sei XXXX und serbisch orthodox, spreche ein bisschen Deutsch, ein bisschen Englisch, Slowakisch, Serbisch und Romanes. Er könne sich auch auf Mazedonisch, Italienisch und Russisch verständigen. Zunächst habe er acht Jahre lang die Grundschule in Samos besucht, zwei Jahre eine weiterführende Schule und zwei Jahre eine juristische Schule. Anschließend habe er drei Jahre lang Rechtswissenschaften an der Universität in XXXX studiert, aber nicht abgeschlossen. Er habe aber eine juristische Berufsausbildung. In Serbien sei er selbständig gewesen. Er habe einen Betrieb in der holzverarbeitenden Industrie gehabt und sei auch Besitzer eines Lokals gewesen. In erster Linie sei er aber ein professioneller Politiker und sei 2007/2008 und 2012/2013 Abgeordneter des nationalen Parlamentes gewesen.

Seine Eltern seien schon verstorben, sein Bruder lebe in XXXX . Er habe aber viele Cousins und Cousinen in Serbien. Er sei verheiratet und habe zwei Töchter. Seine Schweigermutter und sein Schwager seien in XXXX . Er habe Serbien im Februar 2018 verlassen und wies diesbezüglich den Ausreisestempel vom 07.02.2018 vor. Anschließend sei er noch einmal in die Slowakei gefahren, um den Vizepräsidenten der XXXX zu treffen. Dann habe er hier in Österreich einen Asylantrag gestellt. Er wohne mit seiner Gattin und seiner Tochter in einem gemeinsamen Haushalt. Er sei nicht in Grundversorgung, sondern lebe von seinen Reserven. Er möchte weiter ehrenamtlich politisch für die XXXX in Wien tätig sein, welche von der OSZE unterstützt werde und möchte selbständig beruflich tätig sein, zum Beispiel ein Lokal eröffnen. In Serbien habe er Anzeigen gegen sechs Richter, Anwälte und Politiker erstattet. Er habe auch jene Leute angezeigt, die viermal bei ihm eingebrochen wären und die Leute angezeigt, die ihm mit Mord gedroht hätten. Er habe aber keine Rückmeldung erhalten, in welchem Stadium die Prozesse seien. Eine Gruppe von acht Leuten hätte ihm gedroht, wenn er den Kandidaten XXXX unterstütze, würden sie ihn ermorden. Eine dieser Personen habe ihm sogar seine Dienstmarke gezeigt.

Zu seinen Fluchtgründen gefragt, gab er an, dass er seit etwa 1980 politisch tätig gewesen sei. Er sei Jugendvertreter gewesen und habe sich in Ex-Jugoslawien für einen dezentralen Gesamtstaat eingesetzt. Im Jahre 2000 habe er angefangen, die XXXX -Partei zu gründen. Im Jahre 2007 hätten sie einen Sitz im nationalen Parlament gewonnen. Dann sei er wieder 2013 ins Parlament gewählt worden. Er habe Vorschläge für Gesetze gemacht und 20 Gesetze seien in Richtung Menschenrechte geändert worden. Zum Beispiel habe er ein Gesetz durchgebracht, dass alle Minderheiten im Rahmen ihres prozentuellen Anteils in die staatliche Administration aufgenommen werden sollten. Seine Tätigkeit im Zusammenhang mit der OSZE sei stets auf Menschenrechte und Bürgerfreiheiten der Minderheiten ausgerichtet gewesen. Die Lage in Serbien sei aber eskaliert. Es sei zunehmend ein autoritäres Regime geworden. Jeder, der die Meinung von XXXX nicht unterstütze, sei verschiedenen Repressionen ausgesetzt. Er habe auch mit dem Vorsitzenden der Partei der Serben im Kosovo, Herrn XXXX zusammengearbeitet. Dieser sei 2007 zeitgleich mit ihm im Parlament gewesen. Er sei vor einem Jahr ermordet worden, weil er die Politik von XXXX nicht unterstützen habe wollen. Er habe auf einem USB-Stick ein Interview mit der Vizepräsidentin dieser Partei, XXXX , wo sie klar gesagt habe, dass bei den letzten Wahlen ein großer Druck auf die XXXX -Gemeinde ausgeübt worden sei. Er sei zum legitimen Präsidenten des XXXX der XXXX mit 2/3-Mehrheit gewählt worden, aber das Ministerium für staatliche Verwaltung habe sich geweigert, die Wahl zu protokollieren. Er habe daraufhin ein Rechtsmittel an das Verwaltungsgericht erhoben. Aus dem Beschluss des Gerichtes gehe aber hervor, dass er keine aktive Legitimation habe, sein Wahlrecht zu schützen.

Um bei den Wahlen XXXX anzutreten, habe er 10.000 unterstützende Stimmen gebraucht. Aus einem Schreiben der Wahlkommission gehe hervor, dass von XXXX Unterschriften nur XXXX rechtsgültig seien. Daraufhin hätten sie weitere XXXX Unterschriften fristgerecht abgegeben. Aus dem Bescheid derselben Wahlkommission gehe hervor, dass von den XXXX Unterschriften nur XXXX rechtsgültig seien und dies somit insgesamt mit den ersten Unterschriften XXXX (?) rechtsgültige Stimmen ausmache. Dies wäre sogar weniger als die ersten abgegebenen Unterschriften. Dies sei unlogisch. Sie hätten eine Klage beim Verfassungsgericht eingereicht. Diese Klage sei noch immer anhängig, obwohl das Verfassungsgericht nur 72 Stunden Zeit habe, da es sich um Mandate und ein Wahlrecht handle.

Weiters habe er von einem Gericht sechs Monate Hausarrest bekommen, da ihm ein versuchter Betrug um eine Hypothek vorgeworfen worden sei. Die Hypothek sei als Sicherstellung für den Betrieb eines multikulturellen Kulturzentrums gedacht worden. Er habe von Österreich aus fristgerecht Beschwerde am 24.07.2018 eingereicht. Trotzdem habe er ein rechtskräftiges Urteil erhalten, dass er nicht fristgerecht die Beschwerde eingereicht habe, sondern erst am 25.07.2018 von Deutschland aus. Er habe sich dann an den Obersten Gerichtshof gewandt und habe dann vom Grundgericht zweiter Instanz ein Schreiben erhalten, dass er tatsächlich fristgerecht eine Beschwerde eingereicht habe, aber nicht als teilbescheinigte Sendung, wie dies das Gesetz in Serbien vorsehe. Er habe aber entsprechende Nachweise der österreichischen Post. Der Prozess habe zehn Jahre gedauert. Einen Tag vor Ablauf der Verjährungsfrist sei das Urteil gefällt worden. Das Verfahren sei jahrelang als Druckmittel gegen ihn verwendet worden. Er habe auch nicht seine Immunität als Abgeordneter ausgenutzt.

Weiters sei er auch immer wieder bedroht worden, wenn er auf den Meetings des Nationalrats der XXXX seinen Standpunkt vertreten habe. Er habe sich auch gegen den Wählerkauf gestellt. Auf der Gegenseite sei ein gewisser XXXX , der bereits seit dem Jahre 2000 immer wieder Ministerposten innehalte. Vor zwei Monaten habe die Opposition im serbischen Parlament eine Debatte eröffnet, dass der Innenminister und Herr XXXX die Bosse eines der größten Drogenkartelle Serbiens seien. Das gesamte System sei korrupt. Die OSZE und die EU kritisierten die Korruption des Justizsystems. Die Politik würde massiv auf die Rechtsprechung Einfluss nehmen und sei das ganze Land von einem Netzwerk überzogen. Die XXXX -Partei habe ca. 1.200 Mitglieder. Er habe nicht ausschließlich Minderheiteninteressen, sondern sozial gefährdete Menschen vertreten und andere, die auf nationaler Ebene nicht genug vertreten worden seien, wie die Bauern und andere Minderheiten.

Über Vorhalt, dass Serbien ein sicherer Herkunftsstaat sei und dass er sein Verfahren in Serbien führen könne und ihm dort rechtsstaatliche Wege offenstehen würden, gab er an, dass das Gegenteil der Fall sei. Ihm sei die Möglichkeit zu berufen genommen worden. Es sei alles manipuliert. Der Präsident will sein korruptes Netzwerk stärken und ein Autokrat sein. Auch die Medienfreiheit sei in Gefahr. Es sei zum Beispiel seine Tochter angegriffen worden, als sie in die Schule gegangen sei, dies sei zwischen 2013 und 2014 gewesen. Das Haus in Belgrad sei völlig ausgeräumt worden, sogar die Heizkörper und die Leitungen. Bei einer Rückkehr nach Serbien würde er verhaftet werden. Der Beschwerdeführer legte Sendebestätigungen sowie gerichtliche und verwaltungsbehördliche Entscheidungen in serbischer Sprache vor, welche nicht übersetzt wurden.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom 07.03.2019, Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien abgewiesen, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen und unter Spruchpunkt V. festgestellt, dass die Abschiebung nach Serbien zulässig sei und unter Spruchpunkt VI. eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen eingeräumt.

In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und auch die Beweismittel aufgelistet. Festgestellt wurde, dass die Identität feststehe und der Beschwerdeführer gesund und nicht straffällig sei. Weiters wurden Feststellungen zum Herkunftsstaat getroffen. Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, dass der Antragsteller in seinen Fluchtgründen keine individuelle konkrete Bedrohungssituation habe schildern können. Dem Vorbringen zu der behaupteten Bedrohung im Strafrechtsverfahren werde kein Glauben geschenkt. Es sei auch unklar gewesen, wie lange der Beschwerdeführer konkret Abgeordneter gewesen sei. Es wurde wiederholt, dass Serbien als sicherer Herkunftsstaat eingestuft werde und es möglich wäre, rechtsstaatliche Wege zu beschreiten. Es gebe auch Widersprüche hinsichtlich der Aussagen der Familienangehörigen zu den Überfallen auf das Haus. Auch habe der Beschwerdeführer fahrlässig agiert, indem er keine Alarmanlage installiert habe und das Haus nicht versichert gewesen sei. Insgesamt sei dem Antragsteller die Glaubwürdigkeit hinsichtlich einer Bedrohung aufgrund seines politischen Engagements abzusprechen gewesen.

Rechtlich begründend zu Spruchteil I. wurde insbesondere ausgeführt, dass kein glaubwürdiges Vorbringen hinsichtlich einer Verfolgung nach der GFK habe festgestellt werden können und auch aus den sonstigen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher zur Gewährung von Asyl führen würde, sich ergeben hätten.

Zu Spruchteil II. wurde zunächst hervorgestrichen, dass nicht vom Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 50 FPG ausgegangen werden könne und sich aus der allgemeinen Lage im Herkunftsland eine solche Gefährdung nicht ergeben würde. Im Übrigen sei sowohl die medizinische als auch die ökonomische Versorgung in Serbien grundsätzlich gewährleistet und nicht feststellbar, dass bei einer Abschiebung der Antragsteller in eine aussichtslose Situation geraten würde.

Zu Spruchteil III. wurde festgehalten, dass die Voraussetzungen des § 57 AsylG nicht vorlägen. Zu Spruchpunkt IV. wurde zunächst hervorgestrichen, dass der Antragsteller weder über Verwandte noch über Familienangehörige in Österreich verfügen würde. Er lebe mit seiner Ehegattin und seiner Tochter XXXX , welche allerdings ebenfalls Asylwerber in Österreich seien, in einem Haushalt. Eine besondere Integration sei nicht feststellbar. Er beherrsche Deutsch auf mittlerem Niveau, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen könne auch in Anbetracht der Kürze des Aufenthaltes in Österreich nicht erteilt werden, eine Rückkehrentscheidung sei zulässig. Zu Spruchpunkt V. wurde insbesondere ausgeführt, dass sich keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG aus dem Ermittlungsverfahren ergeben haben und einer Abschiebung nach Serbien auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, sodass diese als zulässig zu bezeichnen sei. Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise wären auch nicht hervorgekommen (Spruchpunkt Vl.)

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller, vertreten durch die XXXX , fristgerecht gegen alle Spruchteile Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. In dieser wurde zunächst der Verfahrensgang und Sachverhalt gerafft dargestellt und in der Folge ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren und eine mangelnde Beweiswürdigung kritisiert. Die Länderberichte wären unvollständig. Sie würden nicht in die Tiefe gehen, vielmehr würde der Beschwerdeführer als Oppositionspolitiker und diskriminierter XXXX keinen staatlichen Schutz erhalten. Die gegen ihn geführten Gerichtsverfahren seien als Druckmittel politisch gegen ihn genutzt worden und seien politisch motiviert. Es könne im vorliegenden Fall auch nicht von einer Verbesserung der finanziellen Situation ausgegangen werden, nachdem der Beschwerdeführer in Serbien neben seiner politischen Tätigkeit auch eine Farm und einen Imbiss in zentraler Lage in der Hauptstadt XXXX besessen habe und ein Haus mit XXXX Wohnfläche. In Österreich würden sie von dem Ersparten leben. Hätte die Behörde ihre Ermittlungspflicht in angemessener Weise wahrgenommen und den vorliegenden Sachverhalt richtig gewürdigt und auch rechtlich beurteilt, hätte sie dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten zuerkennen müssen. Die Behörde widerspreche sich auch, wenn sie anführe, dass er keine Familienangehörigen in Österreich habe, denn es sei auch angeführt worden, dass nicht nur die Ehegattin und die jüngere Tochter in Österreich lebe, sondern auch die Schwiegermutter und die ältere Tochter XXXX . Auch könne sich der Beschwerdeführer in deutscher Sprache verständigen. Die Rückkehrentscheidung würde daher in die Rechte nach Art. 8 EMRK eingreifen. Weiters wurden Beiträge, zum Beispiel aus der Deutschen Welle, über Gewalt gegen Oppositionspolitiker in Serbien vorgelegt.

Nachdem der Verfahrensakt der früher zuständigen Richterin abgenommen wurde, wurde dieser dem nunmehr zuständigen Einzelrichter am 29.04.2020 zugeteilt. Dieser beraumte für den 09.02.2021 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an und ließ zuvor die vom Beschwerdeführer in serbischer Sprache vorgelegten Gerichtsentscheidungen übersetzen. Eine Vollmacht der BBU wurde vorgelegt. Die Verhandlung wurde mit jener der Ehefrau und der jüngeren Tochter XXXX verbunden. Für alle erschien ein Mitarbeiter der BBU.

Der Beschwerdeführer hielt die Beschwerde und sein bisheriges Vorbringen aufrecht und merkte jedoch an, dass er neue Beweise habe. Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid seien nicht korrekt. Unrichtig sei zum Beispiel, dass es zum damaligen Zeitpunkt ein Ministerium für Minderheiten gegeben habe. Es sei seiner Partei gelungen, dass nicht mehr so viele XXXX ohne Dokumente in Serbien leben würden, aber aufgrund der wirtschaftlichen Situation seien viele für Stimmenkäufe und Korruption anfällig. Das Ziel seiner Partei sei es aber gewesen, nicht den Menschen Geld anzubieten, sondern ihre Situation nachhaltig zu verbessern. Das BFA habe ihm nicht einmal geglaubt, dass er im Parlament gewesen sei. Das könne er beweisen. Er habe an 230 Diskussionen im Parlament teilgenommen und könne auch diesbezügliche Dokumente vorlegen. Es sei ihm gelungen eine Änderung von 20 Gesetzen zugunsten der sozial betroffenen Gruppen herbeizuführen und dass die Regierung affirmative Maßnahmen in Serbien zur Stärkung der Minderheiten übernehme. Die Minderheiten sollten in allen Gremien entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil vertreten sein.

Er sei serbischer Staatsangehöriger, XXXX und serbisch-orthodox. Er gehöre zur Romagruppe Arlija, die hauptsächlich in Rumänien, aber auch in der XXXX vertreten sei. Er sei am XXXX in XXXX in der Nähe von XXXX in Serbien geboren. In die Schule sei er in XXXX gegangen. Während seiner Schulausbildung sei er auch zwei Jahre in XXXX und drei Jahre in XXXX aufhältig gewesen. Dann sei er nach XXXX zurückgekehrt und sei 1986 das erste Mal nach XXXX gekommen und dort ca. zehn Jahre aufhältig gewesen. Anschließend wären sie wieder nach Serbien zurückgekehrt und hätten zum Teil im Vaterhaus in XXXX als auch in XXXX gelebt, wo sie eine Holzfabrik gehabt hätten. Dann wären sie XXXX übersiedelt. 2009/2010 hätten sie auch eine Mietwohnung in XXXX gehabt, wo er auch ein Lokal besessen hätte. 2007 sei er Abgeordneter gewesen. Er habe bis 2018 die meiste Zeit in Serbien gelebt, teilweise jedoch auch in der Slowakei und auch in Wien. Das letzte Mal sei er im ersten Quartal 2018 in Serbien gewesen. Als er ursprünglich in Österreich aufhältig gewesen sei, habe keine Visumspflicht geherrscht. Er habe auch ein Visum eine Zeit lang besessen, aber eine Zeit lang sei er auch ohne Aufenthaltstitel in Österreich aufhältig gewesen.

Er habe die Grund- und Mittelschule in Serbien absolviert und dann eine Ausbildung als Verwaltungstechniker gemacht und auch drei Jahre lang Jus studiert. Neben der Schule hätten sie Schweine gezüchtet. Sein Vater sei im Gefängnis gewesen und er habe seiner Mutter geholfen. Sein Vater wäre der erste XXXX in Jugoslawien gewesen, der die Forderung nach Integration in der Gesellschaft und nach einer eigenen Sprache erhoben habe. Er habe dann studiert und mehrere Studentenjobs gehabt. Dann seien sie nach Wien gekommen und hätten in der XXXX ein Lokal mit XXXX Küche eröffnet, weiters auch eine Baufirma und ein zweites Lokal. Zeitweilig hätten sie auch noch ein drittes Lokal besessen. Sie wären aber dann wieder nach Serbien zurückgekehrt, aber er habe schon damals politische Probleme gehabt und habe sich dann wieder in Österreich aufgehalten. Er habe von hier begonnen, sich politisch in Serbien zu betätigen. Er habe auch Lebensmittellieferungen nach Serbien organisiert, die trotz des UNO-Embargos erlaubt gewesen seien. Die Mafia hätte aber dann versucht, sich an den Geschäften zu beteiligen. Sie hätten wohl in einem Urteil Recht bekommen, aber dieses sei nicht umgesetzt worden. Dann hätte er in Serbien eine Holzfabrik gemietet, die stillgestanden sei. Sie hätten Türen und Fenster produziert. Das habe er ungefähr zwei Jahre lang gemacht. Er hätte dann wieder Probleme bekommen. Mit 35 Jahren habe er eine Einberufung zum Militär bekommen und sei er nach Montenegro geschickt worden. Nach 15 Tagen sei er wegen einer Behinderung am Fuß jedoch vom Militärdienst befreit worden. Sie hätten die Holzfabrik schließen müssen und hätten in der Folge Hühner gezüchtet. Er habe dann auch für die XXXX -Zeitschrift XXXX gearbeitet und sei er journalistisch tätig gewesen und in der Folge auch Mitglied des XXXX der XXXX gewesen. Dafür sei er auch bezahlt worden. 2007/2008 sei er Abgeordneter gewesen. Sie hätten dann auch ein Lokal in der Innenstadt von XXXX gehabt sowie ein zweites Lokal. Zwischen 2012 und 2014 sei er wieder Abgeordneter gewesen. Seine Frau habe dann in der Slowakei gelebt. 2016/2017 hätten sie dann wieder ein Lokal in Österreich eröffnet, aber er sei nicht ständig in Österreich gewesen, erst ab 2018.

Mit seiner politischen Tätigkeit habe er schon angefangen, als er in der Mittelschule gewesen sei. Er sei Präsident für die Jugend- und Mittelschulen gewesen und in verschiedenen Ausschüssen der XXXX und auch von Serbien vertreten gewesen. Die Gruppen von Slowenien, Kroatien und der XXXX hätten ein Streikrecht etablieren wollen und habe er dann Probleme bekommen und eine Verwarnung der Kommunistischen Partei. Er sei auch der jüngste stellvertretende Leiter für die politische Tätigkeit der freiwilligen Arbeitsaktionen in den Ferien gewesen. Er hätte auch Mitglied in Jugendparlament für die XXXX werden sollen, aber die Kommunistische Partei habe dies verhindert. In der Folge sei er aber dann Mitglied des Jugendparlaments für ganz Serbien gewesen. Er sei auch der jüngste Vorsitzender des Sozialistischen Bundes in seiner Gemeinde gewesen und auf nationaler Ebene in der Bildungskommission für Jugoslawien vertreten gewesen. Er habe neue Visionen über eine Reform von Jugoslawien entwickelt und habe auch über das Streikrecht gesprochen. Sein Vater sei der erste XXXX in Jugoslawien gewesen. Seine Botschaft sei gewesen: „Wir sind nicht XXXX . Wir sind XXXX .“ Es sei dann ein Prozess gegen ihn inszeniert worden und sei er zu neun Jahre verurteilt worden. Das habe ihn damals überzeugt, dass das politische System geändert werden müsse und damit habe er begonnen. Er habe auch ein Kinderbuch geschrieben „ XXXX “. Dieses Buch sollte das Verständnis für die XXXX fördern und die Botschaft, dass alle Kinder in die Schule gehen sollten, übermitteln. Dieses Buch sei 1986 erschienen.

Gefragt nach seiner politischen Einordnung gab er an, dass er ein XXXX orientierter Politiker sei. Jeder Totalitarismus sei schädlich für die Demokratie. Die verschiedenen Minderheiten sollten in die Gesellschaft integriert werden und auch in der Justiz, in der Exekutive und der Legislative vertreten sein. Er habe auch nach seiner Rückkehr nach Serbien im Jahre 2001 eine XXXX -Zeitung herausgegeben. In dieser Zeit hätten sie sich auch entschlossen, eine XXXX zu gründen. 2003 sei diese formell gegründet worden. Er sei damals als Präsident gewählt worden und auch erstmals als Vorsitzender des Regierungsrates für die Integration der XXXX in der XXXX . Sie hätten mit der OSZE zusammengearbeitet und sei ihre Idee gewesen, dass die Minderheiten demokratisch ihre Vertreter wählen sollten und diese wären dann Gesprächspartner der staatlichen Institutionen. Er sei von 2003 bis heute Präsident der XXXX -Partei gewesen und alle vier Jahre wiedergewählt worden. Im Internet gebe es ca. 1.900 Ergebnisse zur XXXX -Partei in Verbindung mit seinem Namen. Es habe aber insgesamt sechs registrierte XXXX -Parteien in Serbien gegeben. Eine weitere mit dem Vorsitzenden XXXX sei im Parlament gewesen. Diese sei stark von der demokratischen Partei Serbiens unterstützt worden. Sie seien jedoch unabhängig gewesen und hätten sich an keine Partei angelehnt. Sie hätten ungefähr 30.000 potentielle Wähler gehabt, ca. 15.000 hätten sie tatsächlich gewählt. Er sei in zwei Legislaturperioden, aber nur relativ kurz 2007/2008 und 2012/2013 vertreten gewesen.

Gefragt nach der gerichtsanhängigen Sache mit der XXXX , gab er an, dass diese Firma ihm Geld geschuldet habe. Er sei im Kreis der Gläubiger gewesen. Die Firma sein dann verkauft worden und habe der Verkäufer ihnen vorgeschlagen, dort ein Kulturzentrum zu eröffnen. Es sei auch eine Hypothek begründet worden, um seine Forderungen von 9.000,-- Euro zu besichern. Der Vorwurf des Gerichtes sei gewesen, dass er dadurch andere Gläubiger benachteiligt habe. Er habe jedoch eine Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung erhoben. Diese sei aber fälschlicherweise als verspätet zurückgewiesen worden. Er habe eine Bestätigung der österreichischen Post, dass er die Beschwerde rechtzeitig abgesendet habe. Er habe wohl dem Obersten Gerichtshof und dem Staatspräsidenten geschrieben und auch Anzeige erstattet, aber mit seiner Rechtsansicht nicht durchdringen können. Die Firma XXXX habe ungefähr drei Restaurants betrieben. Über Vorhalt, dass im Urteil angeführt sei, dass er sich in einer tristen finanziellen Lage befinden würde, bestritt er dies, nicht er, sondern das Hotel sei in einer tristen finanziellen Lage gewesen. Dieses Urteil habe insoferne Auswirkungen auf seine politische Tätigkeit gehabt, als seine Gegner ihn diskreditieren und ihn als Verbrecher darstellen wollten. Es habe eine Reihe von Maßnahmen gegeben, die gegen ihn organisiert worden seien. Auch die Staatsanwaltschaft habe verlangt, dass er mit seiner politischen Tätigkeit aufhöre. Zu diesen Zeiten, als dieses Verfahren geführt worden sei, sei er Abgeordneter gewesen. Er habe aber auf seine Immunität verzichtet. Er wollte dem Gericht bei der Aufklärung behilflich sein. Gefragt nach jenen Personen, die ihn schädigen hätten wollen, gab er an, dass das Gericht in XXXX unter starken politischen Einfluss der Nationalverwaltung und der Polizei stehe. Der Rechtsvertreter merkte an, dass auch in einer Länderinfo von der Europäischen Kommission vom 06.10.2020 angemerkt werde, dass die politische Einflussnahme auf die Justiz Anlass zu Besorgnis gebe. Er habe auch die Ausschließung des Staatsanwaltes wegen Korruption in seinem Verfahren verlangt.

XXXX führte die bosniakische Partei in Serbien. Er hat versucht von der XXXX -Gemeinschaft Unterstützung zu erhalten und sei er auch von 2000 bis heute für die XXXX -Integration zuständig. Er sei aber gar kein XXXX , sondern ein Bosniake. Es sei ihm jedoch wichtig, die Kontrolle über den XXXX -Nationalrat auszuüben und sei XXXX Präsident des Nationalrates der nationalen Minderheit der XXXX gewesen. Er sei jedoch von zwei Drittel des Nationalrates als neuer Präsident gewählt worden. Sie hätten angefangen, XXXX abzuwählen, aber der für die Polizei zuständige Staatssekretär habe zwei Mitglieder des Nationalrates der XXXX , die Polizisten gewesen seien, zu sich ins Büro gerufen, damit sie nicht an der Sitzung teilnehmen könnten und ihnen mit Kündigung gedroht, falls sie zur Sitzung zurückkehren würden. Dann habe es Probleme mit dem Quorum gegeben. Nach einem Monat hätten sie noch eine Sitzung abgehalten und sei er mit 2/3 Mehrheit gewählt worden, aber das Ministerium habe dies nicht zur Kenntnis nehmen wollen und dies nicht protokolliert. Sie hätten behauptet, dass das Wahlverfahren nicht in Ordnung gewesen sei, aber er habe sich beim Verwaltungsgericht beschwert. Als er all seine Beweismittel vorgelegt habe, habe der Gerichtssenat keine Entscheidung fällen wollen. Sie hätten in dem Urteil geschrieben, dass er keine Parteistellung in diesem Verfahren habe und es gemieden, die Rechtsfrage zu lösen. Bis heute habe er auf diese Rechtsfrag e keine Antwort bekommen.

Der XXXX verwalte mit dem Staat gemeinsam alle Integrationsmaßnahmen für die XXXX . Sie hätten beispielsweise eine Summe von 100 Millionen Euro nur von der Europäischen Union bekommen. Er wollte damit billige Wohnungen für Bedürftige schaffen. Die politischen Gegner hätten jedoch gewollt, dass teure Wohnungen gebaut werden und dass sie damit erhebliche Geldmittel in korrupte Kanäle umleiten könnten. Er habe die Unterstützung der OSZE, der Weltbank und der Europäischen Kommission gehabt und sei er auch beim Europäischen Parlament zu Besuch gewesen. Er habe dem Abgeordneten XXXX ein Interview gegeben und habe auch mit XXXX von der sozialdemokratischen Fraktion Kontakt gehabt. Den Abgeordneten XXXX kenne er persönlich sehr gut. Dieser sei Präsident des Ausschusses der Minderheiten im EU-Parlament gewesen. Nunmehr werde in den serbischen Medien offen darüber geredet, dass es Verbindungen zwischen der Mafia und der Politik Serbiens gebe. Einer der Hauptakteure sei eine Person namens XXXX . Er sei einer der Mafia-Bosse. Er habe in XXXX einen Fußballclub gekauft. XXXX sei der Vorsitzende des Fußballverbandes in XXXX . Beide würden im Vorstand des Fußballclubs von XXXX sein und seien im Stadion Drogen und Waffen gebunkert worden. In den Medien sei auch berichtet worden, dass dutzende Leute getötet worden seien und die Leichen in Säure aufgelöst worden seien. Er könne auch Zeitungsartikel vorlegen, dass XXXX mit der Mafia verflochten sei. Sein Interesse sei es gewesen, ihn zu diskreditieren und ihn aus der politischen Arena zu verdrängen und setze er dafür Mitteln wie Drohungen, die Polizei und die Gerichte gegen ihn ein. Er sei sogar zum Staatspräsidenten XXXX vorgeladen worden, der ihm gesagt habe, dass er das persönlich mit XXXX ausmachen solle. XXXX habe ihm gesagt, dass er Präsident werden könne, weil er dazu gewählt worden sei, aber dass er gut auf sich achten solle, weil das persönlich für ihn nicht gut sei. Er habe dann einen Anruf eines gewissen Ivan aus XXXX bekommen, der auch mit XXXX zusammengearbeitet habe. Dieser habe ihm gesagt, er solle auf sich achten und gefragt, ob er denn glaube, dass in sein Haus zufällig so oft eingebrochen worden sei. Dieser Anruf sei nach dem Gespräch mit XXXX gewesen, im Jahr 2015. Die Opposition habe dann herausgefunden, dass XXXX als Handelsminister und XXXX als Polizeiminister über den Vater von XXXX unerlaubt Waffen in andere Länder verschoben hätten. Über XXXX als Präsident des Nationalrates der XXXX minderheit hätten sie einige XXXX als Geiseln gehalten.

Hinsichtlich der Einbrüche habe er eine Bestätigung, dass er in den Jahren 2012 bis 2017 fünf Strafanzeigen wegen Einbruchs erstattet habe. Beim letzten Mal sei auf die Glasscheiben seines Hauses geschrieben worden „Tod der Familie XXXX .“ Die Polizei habe nur mitgeteilt, dass sie die Anzeigen an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet habe, aber es gebe bisher kein Urteil gegen die Leute, die eingebrochen hätten.

Bei der Parlamentswahl 2016 hätte die XXXX -Partei mit der XXXX eine Koalitionsvereinbarung geschlossen. Sie hätten dem Wahlgesetz entsprechend ca. 10.000 Unterschriften gesammelt und vorgelegt. Es sei ihnen gesagt worden, dass zehn Unterschriften nicht gültig seien. In der Bestätigung seien XXXX Unterschriften, wovon XXXX nicht rechtsgültig gewesen seien. Laut Gesetz hätten sie in den darauffolgenden zwei Tagen weitere Unterschriften ergänzend vorlegen können und hätten sie noch 2.500 Unterschriften vorgelegt. Sie hätten gesagt, dass XXXX rechtlich in Ordnung wären, XXXX und XXXX wären über XXXX Unterschriften, aber anstatt die Liste anzuerkennen sei ihnen bescheidmäßig mitgeteilt worden, dass lediglich XXXX Unterschriften vorgelegt wären und dies zu wenig für eine Kandidatur wäre. Sie hätten beweisen können, dass dies nicht der Wahrheit entspreche. Es sei ihnen dann auch noch gedroht worden, dass, wenn sie die Liste anerkennen würden, sie eine Anzeige wegen Urkundenfälschung erstatten würden. Er habe dann gesagt, dass er kein Problem mit der Überprüfung der Unterschriften habe, aber dass er auch die Überprüfung der Unterschriften von zwei anderen Minderheitenparteien verlange. Die XXXX seien eine Minderheit, die nicht die Kraft habe, selbst anzutreten, aber die am Land in der XXXX viele Unterstützer habe und hätten sie vereinbart, dass sie die Wahllokale in der XXXX kontrollieren würden und die Aktivisten der XXXX den Rest Serbiens. XXXX seien in der Regel gut ausgebildet. Viele XXXX hätten aber eine niedrige Schulbildung. Das wäre eine gute Kombination gewesen. Der Vorsitzende der XXXX Partei war XXXX .

Er sei von einem Mann mit dem Tod bedroht worden, wenn er weiter XXXX unterstütze. XXXX habe für die Funktion des Staatspräsidenten kandidiert und er habe als Vertreter der XXXX -Partei dessen Kandidatur unterstützt. Er habe auch zwei Polizeiprotokolle, wo seine Aussagen und die Aussagen seines Cousins festgehalten seien. Es sei eine Gruppe von Leuten zu ihm gekommen. Einer habe ihm eine Dienstmarke auf den Tisch gelegt, die ausgesehen habe wie eine Polizeidienstmarke und habe ihm gesagt: „Wir schlagen der Schlange gegen den Kopf.“ Ein zweiter Mann, der eine Pistole bei sich gehabt habe, habe gesagt: „Wenn du XXXX unterstützt, werden wir dich umbringen.“ Natürlich sei er dann zur Polizei gegangen und habe alles protokollieren lassen, aber er habe bis heute nicht erfahren, dass irgendetwas gegen die Täter unternommen worden sei.

Probleme habe er eigentlich mit Personen aus dem Umkreis von Politikern erhalten. Wenn sie in verschiedene Orte Serbiens gefahren wären, habe es immer wieder Drohungen gegeben: „Was macht ihr hier, was sucht ihr hier, das hier ist nichts für euch.“, etc. Grund für diese Drohungen sei sowohl der Umstand gewesen, dass sie die Interessen der XXXX vertreten hätten als auch, dass er sich mit Vertretern der Regierung angelegt habe. Die lokalen Politiker habe es gestört, wenn sie sie in ihre Orte gekommen wären, weil sie die Leute dann dort nicht so manipulieren hätten können. Andererseits seien es immer wieder koordinierte Aktionen der zentralen Politik gewesen und habe er immer wieder in Medien über die Politik und die Verflechtungen zur organisierten Kriminalität berichtet. Zum Beispiel sei XXXX Staatssekretärin im Polizeiministerium gewesen. Sie hatte Verbindungen zu einer Gruppierung, die mit Drogen gehandelt habe, aber die Gruppe sei gegen XXXX , der Minister gewesen sei, und auch gegen XXXX gewesen. Der Staatspräsident habe sei zwei Jahre lang geheim überwachen lassen. Auch in Berichten von Amnesty International und Freedom House stehe, dass Serbien kein sicherer Staat mehr sei und dass dort Korruption herrsche. Im Freiheitsindex von Freedom House verliere Serbien laufend an Punkten (2016 – 76 Punkte. 2020 66 Punkte).

Der Beschwerdeführer legte außerdem einen Bericht von Amnesty International zur Diskriminierung der XXXX und von Freedom House zur politischen Situation in Serbien vor.

Gefragt, ob er einen serbischen Reisepass habe, verneinte er dies. Er habe einen solchen einen Monat vor seinem Asylantrag beantragt. Sein Reisepass sei ihm nämlich auf der Zugfahrt gestohlen worden. Drei Tage später sei ihm vor sein Haus gelegt worden. Er habe in der Zwischenzeit den Reisepass als gestohlen gemeldet und hätten sie ihm für ein Jahr einen Reisepass ausgestellt. Am 22.10.2018 sei er auf der Botschaft gewesen, um einen neuen Reisepass zu beantragen. Sie hätten ihm jedoch keinen ausgestellt. Er habe die Gebühr bezahlt und habe ein Beamter auch im System nachgeschaut. Da sei alles in Ordnung gewesen. Er habe aber später gehört, dass es eine interne Weisung gebe, ihm keinen Pass auszustellen. Bedrohungen in Serbien und letztlich der Umstand, dass ihm kein Reisepass ausgestellt worden sei, war letztlich ausschlaggebend für seinen Asylantrag.

Seine ältere Tochter XXXX sei früher auf der serbischen Botschaft beschäftigt gewesen. Ein Arbeitskollege von ihr namens Ivan habe ihm privat gesagt, dass er auf sich Acht geben solle, weil sie ihm in Serbien Probleme machen würden. Es hätte ihn auch ein alter Freund aus Serbien namens XXXX besucht, der ihm auch gesagt habe, dass er nicht mehr nach Serbien zurückkehren solle. Er habe auch ein Mitglied des militärischen Nachrichtendienstes in Österreich kennengelernt, der ihm dringend geraten habe, in den nächsten fünf Jahren nicht nach Serbien zu fahren. Auch von einem weiteren leitenden Polizeibeamten aus dem Bereich der Staatssicherheit habe er gehört, dass er keineswegs nach Serbien fahren solle.

Gefragt nach Verwandten in Serbien gab er an, dass seine Eltern nicht mehr leben würden. Sein Bruder lebe mit seiner Familie in Mazedonien. Er habe nur Verwandte zweiten und dritten Grades in Serbien, mit denen er keinen Kontakt habe. Seine ältere Tochter XXXX sei geschieden. Sie wohne jetzt mit ihnen gemeinsam in dem Haus in XXXX . Sie habe erst jüngst wieder auf drei Jahre eine Rot-Weiß-Rot-Karte bekommen. Auch seine Schwiegermutter und der Stiefvater seiner Frau sowie der Bruder seiner Gattin mit Familie würden in Österreich leben. Dieser sei österreichischer Staatsbürger. Der Beschwerdeführer ersuchte um eine Frist zur Vorlage medizinischer Unterlagen.

Gefragt, was er derzeit in Österreich mache, gab er an, dass er Call Center habe und er eine Plattform zur Vernetzung von Juristen, Sachverständigen und Dolmetschern entwickeln wolle. Er habe über einen Mietkaufvertrag über ein großes Haus in XXXX abgeschlossen und in zehn Jahren würde ihnen dieses Haus gehören. Die Familienangehörigen würden alle selbständig tätig sein. Er verdiene ca. 700,-- Euro monatlich mit dem Call Center, seine Frau laut Finanzamt-Bescheid ca. 1.790,-- Euro monatlich und seine Tochter XXXX , die Innenarchitektin sei, entwickle 3D-Modelle für Bauten. Die ältere Tochter XXXX habe ein Gewerbe für Filmproduktion. Zusammen würden sie mehr als 4.000,-- Euro verdienen. Sie würden keine staatliche Unterstützung benötigten. Sie hätten auch den Plan einer Tagesstätte für pflegebedürftige Senioren gehabt. Durch Corona hätten sie diese Pläne jedoch bisher nicht verwirklichen können. Er sei nach wie vor Präsident der XXXX . Mitglieder dieser Organisation seien alle XXXX Abgeordneten in Europa. Sie hätten ihren Sitz in Österreich und arbeiteten mit der OSZE zusammen. Ihre Tochter XXXX habe immer mit ihnen zusammengelebt. Eine Zeit lang sei sie mit seiner Gattin in der Slowakei gewesen, als diese dort eine Firma gehabt habe. Er könne nicht mehr zurück nach Serbien. Er möchte in Österreich bleiben und hier wirtschaftlich tätig sein. Er werde noch immer von Landsleuten kontaktiert, wenn er nach Serbien zurückgeschickt würde, würde er auch weiterhin seinen Standpunkt vertreten. Er habe sein ganzes Leben lang Politik gemacht. Das sei ein Teil seiner Seele. Er habe viele Bekannte und Freunde in Österreich, auch seine Nachbarn in XXXX . Er habe auch einen guten Kontakt mit dem sozialdemokratischen Europa-Abgeordneten XXXX , aber auch mit einem ehemaligen Abgeordneten der XXXX , der ihnen das Haus verkauft habe. Zum Abschluss führte er nochmals aus, dass er viele Bedrohungen in Serbien gehabt habe, aber nicht alle beweisen können.

In der Folge wurden die Ehefrau des Beschwerdeführers und Tochter XXXX als Beschwerdeführer befragt. Der Rechtsvertreter ersuchte im Hinblick auf die erst im März stattfindenden Arzttermine um Einräumung einer Frist von sechs Wochen. Diese wurde eingeräumt, wobei nicht nur zu den folgenden Länderdokumenten, sondern auch zu den weiteren Verfahrensergebnissen (allenfalls auch unter Einschluss von Rechtsausführungen) Stellung genommen werden könne.

-        Länderinformationsblatt zur Staatendokumentation Serbien, zuletzt aktualisiert am 01.07.2020

-        Deutsches Bundesamt für politische Bildung, Danja Antovic, eine Reportage aus Serbien, die Ärmsten der Armen sind die XXXX .

Weiters wurden die zusätzlichen vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente, soweit sie in serbischer Sprache gehalten sind, von Amts wegen einer Übersetzung zugeführt. Schließlich wurde auch festgehalten, dass in dem zum Beschwerdeführer aufscheinenden Strafregisterauszug keine Vormerkung aufscheint. Der Beschwerdeführer legte weiters mit E-Mail vom 22.03.2021 zum Fall des Mordes an dem serbischen Politiker XXXX , der ihm persönlich sehr nahe gestanden und im Jänner 2018 tot gefunden wurde, vor. Der Beschwerdeführer zeigte noch ein gemeinsames Foto mit dem Ermordeten bei einem Interview in einem serbischen Radiosender.

Nach Fristerstreckung erstattete der Beschwerdeführervertreter für die Familie XXXX eine gemeinsame Stellungnahme, wobei hinsichtlich des Gesundheitszustandes ausschließlich ein Vorbringen zur Ehefrau des Beschwerdeführers erstattet wurde. Zum Beschwerdeführer selbst wurde vorgebracht, dass die politische Landschaft in Serbien immer mehr autoritäre Züge annehme, insbesondere durch Kriminalisierung Oppositioneller sowie durch mysteriöse Todesfälle politischer Persönlichkeiten wie XXXX und XXXX , welche beide 2018 unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen seien. Wie beim Beschwerdeführer handle es sich bei beiden Politikern um für die serbische Regierung „unangenehme“ Personen. Auch in einem am 08.03.2021 erschienenen Artikel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ werden die Verbindungen zwischen Staats und organisierter Kriminalität durchleuchtet und fänden sich darin Indizien, dass die serbische Regierung außer der ihr zur Verfügung stehenden Exekutive und Judikative auch auf Personen aus dem kriminellen Umfeld der serbischen Unterwelt zurückgreifen könne, um auf „unangenehme“ Politiker wie den Beschwerdeführer Druck auszuüben. Trotz seiner Flucht aus Serbien im Jahr 2018 sei der Beschwerdeführer nach wie vor politisch aktiv und setze sich weiter für die Rechte der Minderheiten in Serbien ein. Die Gefahr der asylrelevanten Verfolgung aufgrund der politischen Tätigkeit des Beschwerdeführers sei daher nach wie vor aktuell.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Serbien, gehört der Volksgruppe der XXXX an und ist serbisch-orthodox. Er wurde am XXXX in XXXX in Serbien geboren und hat an verschiedenen Orten in Serbien, aber auch von etwa 1986 bis 1996 in XXXX gelebt und zeitweilig auch in der Slowakei, wo seine Frau unternehmerisch tätig war und auch immer wieder (kurzfristig) in Österreich. Seit dem ersten Quartal 2018 ist er durchgehend in Österreich aufhältig. Der Beschwerdeführer hat in Serbien die Volks- und Mittelschule und anschließend eine höhere Schule für Verwaltungstechniker besucht und in der Folge drei Jahre lang Rechtswissenschaften studiert, aber nicht abgeschlossen. Im Zuge seines Lebens hat er zahlreiche berufliche Tätigkeiten ausgeübt. Er war zunächst landwirtschaftlich tätig, hatte in Österreich mehrere gastgewerbliche Lokale, betrieb in Serbien eine holzverarbeitende Fabrik und hatte auch mehrfach Lokale in Serbien, war in Serbien als Journalist und insbesondere als Politiker tätig.

Der Beschwerdeführer hat sich bereits seit früher Jugend politisch betätigt, war Jugendvertreter in der Zeit der SFR Jugoslawien, hat eine XXXX -Zeitschrift herausgegeben und auch den Text eines Kinderbuches zur Förderung des Verständnisses für die XXXX verfasst. Im Jahre 2003 hat er die XXXX -Partei gegründet und ist alle vier Jahre bis heute immer wieder als Präsident gewählt worden. 2007/2008 und 2012/2013 war er Mitglied des serbischen Parlamentes. Er war weiters Vorsitzender des Regierungsrates für die XXXX und weiters gewählter Präsident des XXXX . Der Beschwerdeführer ist nach wie vor Präsident der XXXX in der XXXX auf Europa-Ebene. Er ist ein XXXX -orientierter Politiker, der sich für die Integration der XXXX und insgesamt für die Gleichstellung aller Minderheiten in Serbien unaufhörlich einsetzt, gegen Korruption und für die Wahrung der Menschenrechte eintritt.

In Serbien wurde er zunächst in Prozessen (mit offenbar politischen Hintergrund) diskriminiert, zum Beispiel bei der Anerkennung der gemeinsamen Liste der XXXX -Partei mit der Partei der XXXX für die Parlamentswahlen 2016 sowie im Zusammenhang mit seiner Wahl als Präsident des XXXX . Weiters gab es in den Jahren 2012 bis 2017 mehrere ungeklärte Einbrüche in das Haus der Familie des Beschwerdeführers sowie Aufschriften mit manifesten Drohungen („Tod der Familie XXXX “,) wobei die Täter offenbar nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Im Zusammenhang mit der Unterstützung des ehemaligen Ombudsmannes und Menschenrechtsaktivisten XXXX als Präsidentschaftskandidat wurde der Beschwerdeführer – auch von Personen mit polizeilichem Hintergrund- mit dem Tod bedroht. Weitere Drohungen gab es bei Informationsveranstaltungen der XXXX -Partei in verschiedenen Orten Serbiens. Dem Beschwerdeführer wurde schließlich auch im Jahre 2018 die Ausstellung eines serbischen Reisepasses verweigert. Der Beschwerdeführer hat auch in verschiedenen Medien Verbindungen zwischen serbischen Politikern und mafiösen Strukturen aufgezeigt.

Er lebt mit seiner Ehefrau und seinen beiden Töchtern in einem Mehrfamilienhaus in XXXX in der XXXX , wobei es sich um eine Miete mit aufschiebend bedingtem Kauf handelt. Der Beschwerdeführer ist selbsterhaltungsfähig. Er betreibt eine Art Callcenter. Auch seine Ehefrau und seine Töchter sind selbständig tätig und selbsterhaltungsfähig und beziehen keine Sozialleistungen. Der Beschwerdeführer ist von Österreich aus weiter auf internationaler Ebene als XXXX -Vertreter tätig. Er ist unbescholten und hat keine Befunde über irgendwelche Erkrankungen vorgelegt.

Zu Serbien wird verfahrensbezogen Folgendes festgestellt:

1. Politische Lage

Letzte Änderung: 1.7.2020

Am 21. Juni 2020 fanden in Serbien die Parlamentswahlen statt. Dies waren die ersten Wahlen, die in Europa in Zeiten der Covid-19 Pandemie abgehalten wurden. Die serbische Fortschrittspartei des Präsidenten Vu?i? gewann rund 62% der Stimmen und erhielt 191 der 250 Sitze im Parlament. Eine so große Mehrheit eröffnet Präsident Vu?i? und der SNS die Möglichkeit, die Verfassung zu ändern. Der bisherige Regierungspartner der SNS, die Sozialisten unter Führung von Außenminister Ivica Dacic, erreichten etwa elf Prozent der Wählerstimmen und sicherte sich damit 32 Mandate. Die neue Partei „Spas“ (Rettung) des ehemaligen Wasserballers Aleksandar Šapi? kommt auf etwa vier Prozent der Stimmen und zwölf Mandate (oiip 30.6.2020).

Wenig überraschend bescherten die Parlamentswahlen am 21. Juni 2020 der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (Srpska Napredna Stranka, SNS) einen klaren Wahlsieg. Genau genommen hatte sich die SNS hierfür einen anderen Namen gegeben. Sie trat als Liste "Aleksandar Vu?i? - für unsere Kinder" auf. So erschien Präsident Vu?i? zwar nicht als Kandidat, dominierte aber dennoch den Wahlkampf mit seiner medialen Omnipräsenz. Dass es sich hier um keine freien, geheimen und demokratischen Wahlen handelt, wurde schnell klar. Als um 14 Uhr Ortszeit die Wahlbeteiligung noch bei mageren 22% lag, berichteten Einwohner von Novi Sad und Belgrad, dass Aktivisten der SNS, in Einzelfällen sogar ortsbekannte Hooligans, die sich schon in der Vergangenheit als mietbare Helfer der Regierungspartei hervorgetan hatten, von Haus zu Haus gingen, um Bewohner dazu zu nötigen, zur Wahl zu gehen und für "die richtige Partei" zu stimmen. Tatsächlich verdoppelte sich bis 19 Uhr die Wahlbeteiligung (DS 29.6.2020).

Die zehnte Sitzung der Beitrittskonferenz mit Serbien auf Ministerebene fand am 27.6.2019 in Brüssel statt, um Verhandlungen über Kapitel 9 - Finanzdienstleistungen - aufzunehmen. Mit dieser Konferenz wurden von insgesamt 35 Verhandlungskapiteln 17 für die Verhandlungen geöffnet, von denen zwei bereits vorläufig abgeschlossen wurden. Weitere Beitrittskonferenzen werden gegebenenfalls geplant, um den Prozess in der zweiten Jahreshälfte 2019 voranzutreiben (Der Europäische Rat 27.6.2019).

Serbien führt bereits seit 2014 Beitrittsverhandlungen mit der EU. Die Aussöhnung mit dem Kosovo gilt aber als zentrale Bedingung dafür, dass die Gespräche irgendwann einmal erfolgreich abgeschlossen werden können (Handelsblatt 26.4.2019).

Quellen:

- Der Europäische Rat, Der Rat der Europäischen Union (27.6.2019): Pressemitteilung, Tenth meeting of the Accession Conference with Serbia at Ministerial level, Brussels, 27 June 2019
https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2019/06/27/tenth-meeting-of-the-accession-conference-with-serbia-at-ministerial-level-brussels-27-june-2019/, Zugriff 20.9.2019

- DS - der Standard (29.6.2020): Eastblog, Die serbischen Parlamentswahlen 2020 als Dystopie, https://www.derstandard.at/story/2000118311811/die-serbischen-parlamentswahlen-2020-als-dystopie, Zugriff 1.7.2020

- Handelsblatt (26.4.2019): EU-Beitritt, Balkanstaaten können auf Start von EU-Beitrittsverhandlungen hoffen,
https://www.handelsblatt.com/politik/international/eu-beitritt-balkanstaaten-koennen-auf-start-von-eu-beitrittsverhandlungen-hoffen/24261104.html?ticket=ST-4670786-2vsL5mwajJEBcdLU5dAX-ap2, Zugriff 20.9.2019

- oiip - Österreichisches Institut für Internationale Politik (30.6.2020): Serbien und die ersten Wahlen in Europa im Zeitalter von Covid-19. Eine Kurzanalyse in drei Akten, https://www.oiip.ac.at/publikation/serbien-und-die-ersten-wahlen-in-europa-im-zeitalter-von-covid-19-eine-kurzanalyse-in-drei-akten/, Zugriff 1.7.2020


2. Sicherheitslage

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die politische Lage ist stabil. In der Grenzregion zu Kosovo kann es zu Spannungen kommen. Insbesondere in Belgrad und anderen Städten sind vereinzelt Proteste und Demonstrationen möglich, die meistens friedlich verlaufen (AA 23.9.2019b).

Tausende von Demonstranten gingen auch am 11.5.2019 auf die Straßen, um gegen Präsident Aleksandar Vu?i? und seine Regierung zu demonstrieren. Sie werfen der Regierung Korruption und Einschränkung der Medienfreiheit vor. Die wöchentlichen Proteste begannen im Dezember 2018 und wurden durch einen Angriff auf einen Oppositionsführer ausgelöst (BN 13.5.2019).

Serbien hat ein gewisses Maß an Vorbereitung bei der Umsetzung des Rechtsbestands im Bereich Sicherheit erreicht. Einige Fortschritte wurden durch die Stärkung des Rechtsrahmens zur Bekämpfung der Geldwäsche und die Erfüllung der meisten Empfehlungen des letzten Jahres erzielt. Serbien trägt als Transitland weiterhin erheblich zur Steuerung der gemischten Migrationsströme in die EU bei, indem Serbien eine aktive und konstruktive Rolle spielt und effektiv mit seinen Nachbarn und EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeitet. Bei der Umsetzung der integrierten Grenzschutzstrategie und des Aktionsplans hat Serbien einige Fortschritte erzielt. Die Strategie und der Aktionsplan zur Bekämpfung der irregulären Migration wurden angenommen (EK 29.5.2019).

Ein Zwischenfall mit serbischen Soldaten, denen am 7.9.2019 die Einreise zu einer Gedenkfeier in Kroatien verweigert wurde, hat zu einem Eklat zwischen den beiden Ländern geführt. Zagreb kritisierte eine "Provokation" aus Belgrad, in Serbien wurde dem Nachbarland Geschichtsrevisionismus vorgeworfen. Die serbische Militärdelegation hatte am 7.9.2019 in Jasenovac an einer Gedenkfeier der serbisch-orthodoxen Kirche für die Opfer des dortigen Konzentrationslagers teilnehmen wollen. Elf Militärangehörigen, die laut Medien in Zivil unterwegs waren und ihre Uniformen im Gepäck hatten, hatte die kroatische Grenzpolizei die Einreise verweigert. Laut Kroatien war die Delegation nicht angemeldet, die serbische Seite behauptet das Gegenteil. Der Delegation gehörten Berichten zufolge Offiziere der Militärakademie sowie Kadetten und Schüler des Militärgymnasiums an (Der Standard 9.9.2019).

Die im Norden der Republik Serbien gelegene Provinz Vojvodina zeichnet sich durch eine eigenständige, durch jahrhundertealte Koexistenz der Serben mit verschiedenen nationalen Minderheiten (u.a. Ungarn, Rumänen, Ruthenen, Kroaten, Deutschen) geprägte Tradition aus. In der mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Grenzregion Südserbiens zu Kosovo und Nordmazedonien (Gebiet der Gemeinden Bujanovac, Preševo, Medvedja) ist die Lage stabil (AA 3.11.2019).

Die von serbischer Seite als politische Strafzölle empfundenen 100 %-Erhöhungen der Importzölle für Waren in den Kosovo bleiben weiterhin der Hauptgrund der erneut belasteten bilateralen Beziehungen zu Pristina (VB 29.9.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (23.9.2019b): Serbien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/serbiensicherheit/207502, Zugriff 23.9.2019

- AA - Auswärtiges Amt (3.11.2019): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2019), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/ 2000/702450/683266/684671/10074631/10075491/10075545/21601316/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylVfG_%28Stand_August_2019%29%2C_03%2E11.2019.pdf?nodeid=21601317&vernum=-2, Zugriff 13.5.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (13.5.2019): Briefing Notes (BN) 13. Mai 2019, Serbien, Proteste halten an, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010672/Deutschland___Bundesamt_f%C3%Bcr_ Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_13.05.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 20.9.2019

- Der Standard (9.9.2019): International Europa, Kroatien, Gedenkfeier, Neue Spannungen zwischen Kroatien und Serbien, https://www.derstandard.at/story/2000108422227/neue-spannungen-zwischen-kroatien-und-serbien; Zugriff 24.9.2019

- EK - Europäische Kommission (29.5.2019): Serbia 2019 Report [SWD(2019) 219 final], Fortschrittsbericht zum Stand der Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft (Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; Justiz, Freiheit und Sicherheit; wirtschaftliche Lage, einschließlich Freiheiten und Sozialpolitik), https://www.ecoi.net/en/file/ local/2010473/20190529-serbia-report.pdf, Zugriff 20.9.2019

- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

3. Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber die Gerichte bleiben weiterhin anfällig für Korruption und politischen Einfluss (USDOS 11.3.2020).

Das serbische Justizwesen besteht aus einem Verfassungsgericht, dem Obersten Gerichtshof, 30 Bezirksgerichten und 138 Gemeindegerichten. Daneben bestehen spezielle Gerichte wie Verwaltungsgerichte und Handelsgerichte. Im Belgrader Bezirksgericht existiert eine Sonderkammer für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, daneben existiert eine Staatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen - beiden zusammen obliegt die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen aus den Balkankriegen der 1990er Jahre. Ihre Einrichtung ist Teil des Prozesses der Schließung des UN-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (Den Haag) und der Überführung seiner Aufgaben auf die nationalen Justizbehörden in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien (LIPortal 6.2019).

Serbien hat im Bereich Justiz einige Fortschritte erzielt; während die Empfehlungen des Vorjahres nur teilweise umgesetzt wurden, wurden bei der Reduzierung alter Vollstreckungsfälle und der Weiterverfolgung von Maßnahmen zur Harmonisierung der Gerichtspraxis Fortschritte erzielt. Einige Änderungen der Regeln für die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten und für die Bewertung der Arbeit von Richtern und Staatsanwälten wurden angenommen, aber das System muss nach der Annahme der Verfassungsänderungen grundlegend überarbeitet werden, um eine leistungsbezogene Stellenbesetzungen und Beförderungen von Richtern zu ermöglichen. Politische Einflussnahme im Bereich der Justiz bleibt weiterhin ein Problem. Die Verfassungsreform befindet sich im Gange (EK 25.9.2019).

Das Parlament hat am 21.5.2019 eine umstrittene Änderung des Strafrechts gebilligt, gemäß der Straftäter, die wegen Vergewaltigung und Ermordung eines Minderjährigen oder einer schwangeren oder behinderten Person zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt werden, zukünftig keine Möglichkeit einer frühzeitigen Entlassung mehr haben. Bislang belief sich die Höchststrafe in Serbien auf 40 Jahre. Der Europarat kritisierte den Gesetzesentwurf und sprach von einem Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (BN 27.5.2019).

Prinzipiell kann sich jede Person in Serbien, die sich privaten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sieht, sowohl an die Polizei wenden als auch direkt bei der Staatsanwaltschaft persönlich oder schriftlich eine Anzeige einbringen. Auch können entsprechende Beschwerden an die Ombudsmann Institutionen getätigt werden. Darüber hinaus besteht auch für solche Personen, die Möglichkeit der Aufnahme in das Zeugen- bzw. Opferschutzprogramm. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidriger Akte der Sicherheitsdienste an den serbischen Ombudsmann oder den serbischen Datenschutzbeauftragten zu wenden (VB 29.9.2019).

Quellen:

- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (27.5.2019): Briefing Notes (BN) 27. Mai 2019, Serbien, Parlament beschließt lebenslange Haft ohne vorzeitige Entlassung in besonders schweren Fällen, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010482/briefingnotes-kw22-2019.pdf, Zugriff 20.9.2019

- EK - Europäische Kommission (29.5.2019): Serbia 2019 Report [SWD(2019) 219 final], Fortschrittsbericht zum Stand der Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft (Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; Justiz, Freiheit und Sicherheit; wirtschaftliche Lage, einschließlich Freiheiten und Sozialpolitik), https://www.ecoi.net/en/file/ local/2010473/20190529-serbia-report.pdf, Zugriff 20.9.2019

- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (6.2019): Serbien, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/ serbien/geschichte-staat/#c19777, Zugriff 20.9.2019

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020

- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

4. Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die Polizei des Landes untersteht der Aufsicht des Innenministeriums, wobei die Behörden eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben. Die Effektivität der Polizei variiert. Die meisten Beamten sind ethnische Serben, jedoch sind auch Angehörige von Minderheiten als Polizeibeamte tätig. Korruption und Straffreiheit in der Polizei sind ein Problem. Im Laufe des Jahres 2019 stellten Experten der Zivilgesellschaft fest, dass sich die Qualität der polizeilichen internen Ermittlungen weiter verbessert hat. Die neu geschaffene Antikorruptionsabteilung im Innenministerium wurde geschaffen, um schwere Korruption zu untersuchen. Es gibt keine spezialisierte Regierungsstelle, die Morde durch die Sicherheitskräfte untersuchen kann. Die Polizei, das Sicherheitsinformationszentrum (BIA) und die Direktion für die Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen untersuchen solche Fälle durch interne Kontrollen. In den ersten acht Monaten 2019 reichte die interne Kontrolle des Innenministeriums 136 Strafanzeigen gegen 285 Personen wegen 388 Verbrechen ein; 124 waren Polizisten und 161 Zivilbeamte. In 45 der Fälle wurden die Täter zu Haftstrafen verurteilt (USDOS 13.3.2020).

Durch eine unsystematische Umsetzung der Reform, ohne größeren Plan und Strategie, sind die eigentlichen Ziele, die Polizei zu de-kriminalisieren, de-politisieren, de-militarisieren und eine Dezentralisierung einzuleiten, bis heute nur bedingt erreicht. Gegenwärtig unterstehen die etwa 43.000 Polizisten des Landes dem Innenministerium und sind u.a. unterteilt in Zoll, Kriminalpolizei, Grenzpolizei sowie zwei Anti-Terroreinheiten, die „Special Antiterrorist Unit“ und die „Counterterrorist Unit“ (BICC 6.2019).

Es kommt in Einzelfällen immer noch vor, dass die Sicherheitsbehörden ihre Vollmachten überschreiten oder Anträge und Anfragen nicht so effizient bearbeiten. Dies beschränkt sich jedoch nicht auf bestimmte Personengruppen, sondern bezieht sich auf alle Einwohner der Republik Serbien. Alle Einwohner bzw. Bürger der Republik Serbien haben den gleichen Zugang zum Justizwesen, zu den Gerichten und den Polizeibehörden. Rechtsschutzmittel gegen polizeiliche Übergriffe sind vorgesehen, nämlich Strafanzeige und/oder Disziplinarverfahren. Jedoch gibt es keine „besonderen“ Rechtsschutzmittel betreffend Übergriffe gegen Roma-Angehörige. Diese sind, wie alle Einwohner der Republik Serbien, vor dem Gesetz gleich (VB 29.9.2019).

Quellen:

- BICC - Bonn International Center for Conversion (6.2019): Länderbericht Serbien, http://ruestungsexport. info/user/pages/04.laenderberichte/serbien/2019_Serbien.pdf, Zugriff 20.9.2019

- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020

5.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten