TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/6 W212 2224141-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.05.2021
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Entscheidungsdatum

06.05.2021

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §53
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W212 2224141-1/29E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen Spruchpunkt VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.09.2019, Zl. 1242520602/190846491-East Ost, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FPG i.d.g.F. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 19.08.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 19.08.2019 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Der Beschwerdeführer habe in Indien zwölf Jahre die Grundschule besucht und sei er zuletzt als Landwirt tätig gewesen. In Indien würden die Eltern des Beschwerdeführers leben. Er sei mit einem gefälschten Reisepass nach Russland und von dort über unbekannte Länder nach Österreich gereist.

Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass sein Onkel ihm einen halbes Hektar Grund wegnehmen wolle. Deshalb habe der Onkel ein Verfahren gegen ihn eingeleitet. Der Dorfvorstand stehe auf der Seite seines Onkels. Er sei von seinem Onkel und dessen Anhängern mit dem Tod bedroht worden, er habe einen halben Hektar Grund verkauft und sei mit dem Erlös geflohen.

2. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 27.08.2019 gab der Beschwerdeführer an, dass er zwölf Jahre die Schule besucht und ab 2012 in der eigenen Landwirtschaft gearbeitet habe. Seine Eltern lebten nach wie vor im Heimatdorf. Sie hätten Angestellte, die für sie arbeiten würden.

Seine Eltern hätten ein Grundstück auf ihn übertragen. Sein Onkel habe verlangt, dass er ihm einen Teil des Grundstücks überlasse, sonst würde er Probleme bekommen. Mit der Zeit seien die Probleme immer größer geworden. Sein Onkel habe ihm mit dem Tod gedroht, wenn er ihm das Grundstück nicht überlasse, deshalb habe er das Land verlassen. Sein Onkel habe das Land an sich genommen, nachdem er Indien verlassen habe. Woanders könne er keine Arbeit finden. Er vertraue seinem Onkel nicht, er könne ihm immer noch Schaden zufügen.

Zu den Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er hier keine Verwandten oder Familienangehörigen habe. Er lebe in einer Wohnung mit zwei Mitbewohnern, die er im Sikh-Tempel kennen gelernt habe, und borge sich von Bekannten Geld aus.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.). Weiters wurde eine 14-Tage-Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG gewährt (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werde. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise ergebe sich aufgrund der gesetzlichen Anordnung in § 55 FPG.

Zur Begründung des Einreiseverbotes wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer als mittellos zu qualifizieren sei, zumal dieser gegenwärtig Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung beziehe und mangels Aufenthaltsrechts und Zugangs zum Arbeitsmarkt auch in Hinkunft keine Möglichkeit zur eigenständigen Erwirtschaftung seines Unterhalts haben werde. Der Beschwerdeführer weise keine privaten oder familiären Bindungen im Bundesgebiet auf und habe einen unbegründeten und missbräuchlichen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Da der Beschwerdeführer offensichtlich nicht bereit sei, die österreichische Rechtsordnung zu achten, sei die Annahme begründet, dass sein weiterer Aufenthalt eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. In der Beschwerde wurde ausgeführt, dass die im Bescheid angeführten Länderberichte zu allgemein gehalten seien und sich nicht auf das Kernvorbringen des Beschwerdeführers beziehen würden. Anschließend wurde verschiedene Berichte zu Grundstücksstreitigkeiten in Indien zitiert. Die Polizei würde in diesen Fällen nicht eingreifen bzw. führe Korruption zu Straflosigkeit. Der Onkel des Beschwerdeführers sei wohlhabend und einflussreich. Der Beschwerdeführer verfüge außerhalb des Herkunftsortes über kein familiäres Netzwerk und könne daher seine Grundbedürfnisse allein nicht decken. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer Sikh sei, setze ihn einem höheren Risiko einer Verfolgung bzw. unmenschlichen Behandlung aus. Im Fall einer Rückkehr sei eine Verletzung seiner durch Art. 2 und 3 EMNRK gewährleisteten Rechte zu befürchten. Das verhängte Einreiseverbot sei angesichts der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers nicht verhältnismäßig. Abschließend wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

6. Mit Erkenntnis vom 08.05.2020 zu Zahl W212 2224141-1 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides zu lauten habe: "Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Wegfall der durch die COVID-19-Pandemie bedingten Ausreisebeschränkungen."

7. Mit Beschluss vom 16.10.2020 zu Zahl Ra 2020/19/0237-8 hat der Verwaltungsgerichtshof eine gegen das angeführte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.05.2020 eingebrachte außerordentliche Revision zurückgewiesen.

8. Mit Erkenntnis vom 10.03.2021 zu Zahl E 2122/2020-13 hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass I. 1. der Beschwerdeführer durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Erlassung eines auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbotes abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (Art. I Abs. 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 390/1973) verletzt worden sei und das Erkenntnis wurde insoweit aufgehoben. Im Übrigen wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde insoweit dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründend wurde ausgeführt, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis jegliche Auseinandersetzung mit dem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassenen Einreiseverbot unterlassen habe, was den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung gerichtlicher Entscheidungen widerspreche.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Punjabi an. Seine Identität steht nicht fest. Er beherrscht die Sprache Punjabi in Wort und Schrift.

Der Beschwerdeführer hält sich spätestens seit seiner Asylantragstellung am 19.08.2019 in Österreich auf.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.09.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, es wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei und eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt. Zudem wurde ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Mit Erkenntnis vom 08.05.2020 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides zu lauten habe: "Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Wegfall der durch die COVID-19-Pandemie bedingten Ausreisebeschränkungen."

Mit Erkenntnis vom 10.03.2021 hat der Verfassungsgerichtshof das angeführte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts im Umfang der Abweisung der Beschwerde gegen das gegen den Beschwerdeführer verhängte Einreiseverbotes aufgehoben. Im übrigen Umfang wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde insoweit dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten

Der unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstigen Familienangehörigen in Österreich. Er spricht nicht Deutsch. Er geht aktuell keiner legalen Beschäftigung nach und ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Der Beschwerdeführer bezieht aktuell keine Leistungen aus der Grundversorgung und ist strafgerichtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer hat nicht nachgewiesen, dass er über ausreichende Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts im Bundesgebiet verfügt.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage.

Die Feststellungen zu den familiären und privaten Lebensumständen ergeben sich aus dem insofern in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.05.2020, Zahl: W212 2224141-1, und wurden im Verfahren zu keinem Zeitpunkt bestritten.

Die Feststellung zur Mittellosigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Umstand, dass dieser den Besitz eigener Geldmittel oder Vermögenswerte respektive einen Rechtsanspruch auf Unterhaltsleistungen im Verfahren nicht nachgewiesen hat und weder zum Aufenthalt, noch zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet berechtigt ist. Dieser gab anlässlich der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 27.08.2019 auf die Frage nach der Finanzierung seines Lebensunterhalts ausdrücklich an, sich Geld von Bekannten zu borgen, wobei er nicht erwähnte, einen Rechtsanspruch auf Unterhalt durch Dritte zu haben.

Auch die Beschwerde hat die im angefochtenen Bescheid festgestellte Mittellosigkeit des Beschwerdeführers nicht bestritten und kein Vorbringen zum Besitz allfälliger Unterhaltsmittel erstattet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zu Spruchpunkt VI. (Einreiseverbot)

Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid gemäß § 53 Abs. 1 FPG ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 leg. cit., vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FPG den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag.

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230). Ebenso ist bei der Entscheidung über die Länge des Einreiseverbotes die Dauer der von der Person ausgehenden Gefährdung zu prognostizieren; außerdem ist auf private und familiäre Interessen Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109). Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl. VwGH 07.11.2012, 2012/18/0057).

Vor dem Hintergrund dieser zu § 60 Abs. 2 Z 7 FPG vor Inkrafttreten des FrÄG 2011 - sohin zur Vorgängerbestimmung des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG idgF - ergangenen Rechtsprechung, welche sich auf die aktuellen fremdenrechtlichen Bestimmungen übertragen lässt, ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Voraussetzung des § 53 Abs 2 Z 6 FPG erfüllt ist.

Bei der Bemessung eines Einreiseverbotes nach § 53 FPG 2005 ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, bei der die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen hat, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchem zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FPG 2005 anzunehmen. Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs. FPG 2005 indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet (VwGH 20.09.2018, Ra 2018/20/0349).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 53 Abs. 2 Z 6 FPG hat ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309, mwN).

Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs. 2 FPG gerechtfertigt ist. Dies gilt auch für ein in einem Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz erlassenes Einreiseverbot (VwGH Ra 2018/14/0282 vom 12.07.2019).

Es wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt.

Der Beschwerdeführer hat selbst im Verfahren dargelegt, dass er sich Geld von Bekannten ausborge. Der Beschwerdeführer hat zu keinem Zeitpunkt eigeninitiativ und durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel belegen können, dass sein Unterhalt gesichert ist.

Die Verhängung eines Einreiseverbotes gegen den Beschwerdeführer war mangels nachgewiesener hinreichender Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes jedenfalls notwendig. Es war somit bei einem weiteren Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet von einer von ihm ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bzw. von einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft auszugehen.

Soweit der Beschwerdeführer erwähnte, sich im Bundesgebiet Geld von Bekannten auszuborgen, ist auszuführen, dass die Zurverfügungstellung der notwendigen Unterhaltsmittel im Sinne des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG auch durch Dritte erfolgen kann, allerdings muss der Fremde einen Rechtsanspruch auf diese Leistungen haben (vgl. VwGH 09.07.2020, Ra 2020/21/0257). Einen Rechtsanspruch auf die – als einzige konkrete Einnahmequelle genannten – Geldleistungen durch Bekannte hat der Beschwerdeführer aber nie behauptet und ist auch sonst nicht im Verfahren hervorgekommen (vgl. VwGH 25.09.2020, Ra 2020/19/0132).

Der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG ist daher aufgrund der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers erfüllt und das von der Verwaltungsbehörde erlassene Einreiseverbot erweist sich sohin dem Grunde nach als rechtmäßig.

Es ist der Beschwerde zwar zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer unbescholten ist, zuletzt keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nahm und damit keine finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft bewirkte, jedoch mindern diese Aspekte die durch die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers indizierte künftige Gefährdung öffentlicher Interessen im Sinne einer möglichen finanziellen Belastung von Gebietskörperschaften oder der Beschaffung von Unterhaltsmitteln aus illegalen Quellen nicht.

Der Behörde kann fallgegenständlich nicht entgegengetreten werden, wenn sie basierend auf dem Gesamtverhalten des Beschwerdeführers eine mit einem weiteren/neuerlichen Aufenthalt verbundene Gefährdung der öffentlichen Interessen im Sinne des § 53 Abs. 2 FPG annimmt und vor diesem Hintergrund die Erlassung eines Einreiseverbotes als gerechtfertigt erachtet.

Was die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers betrifft, bleibt auf die Ausführungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.05.2020, Zahl W212 2224141-1, zu verweisen. Der Beschwerdeführer war lediglich seit August 2019 infolge einer illegalen Einreise und Stellung eines unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt und ist seit der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.05.2020 illegal im Bundesgebiet aufhältig. Konkrete familiäre oder private Interessen an einem Verbleib in Österreich oder anderen Mitgliedstaaten hat der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt behauptet. Der Beschwerdeführer hat im Zuge seines kurzen Aufenthaltes keine erkennbaren Integrationsschritte gesetzt und keine konkreten Bindungen im Bundesgebiet begründet. Insofern stehen auch die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib bzw. neuerlichen Aufenthalt im Bundesgebiet der Erlassung eines Einreiseverbotes vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK nicht entgegen. Letztlich sind auch Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse, die infolge der Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat auftreten können, im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hinzunehmen (vgl. VwGH 15.03.2016, Ra 2015/21/0180). Der Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Einreiseverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, steht nichts entgegen.

Zur Länge des Einreiseverbots geht das Gericht davon aus, das diese seitens des Bundesamtes als nicht zu lange bemessen wurde. Dessen maximale Länge liegt im gegenständlichen Fall bei 5 Jahren. Die von der Behörde ausgesprochene Dauer des Einreiseverbotes in der Höhe von 2 Jahren erweist sich angesichts der Umstände des konkreten Einzelfalls in Zusammenschau mit den geringen privaten Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers, seiner nicht ersichtlichen Integration im Bundesgebiet sowie dessen fehlenden Möglichkeiten zu einer eigenständigen Finanzierung seines Lebensunterhaltes als gerechtfertigt.

Im Ergebnis kann daher dem diesbezüglichen Ausspruch im angefochtenen Bescheid nicht entgegengetreten werden und war die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides daher abzuweisen.

3.2. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Nach Abs. 4 leg.cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Es haben sich allerdings keine Anhaltspunkte ergeben, die im gegenständlichen Falle im Lichte der obigen Judikatur eine Verhandlung notwendig erscheinen hätten lassen. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, sind im gegenständlichen Fall erfüllt, zumal in der Beschwerde der festgestellten Mittellosigkeit des Beschwerdeführers nichts Konkretes entgegengehalten wurde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, sondern ausschließlich tatsachenlastig ist. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übertragbar.

Schlagworte

Angemessenheit Einreiseverbot Einreiseverbot rechtmäßig Ersatzentscheidung Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Gefährdungsprognose Interessenabwägung Mittellosigkeit öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W212.2224141.1.00

Im RIS seit

13.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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