TE Bvwg Beschluss 2021/5/7 W187 2242106-1

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Veröffentlicht am 07.05.2021
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Entscheidungsdatum

07.05.2021

Norm

BVergG 2018 §12 Abs1
BVergG 2018 §2 Z15
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
BVergG 2018 §4 Abs1 Z2
BVergG 2018 §5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W187 2242106-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER über den Antrag der XXXX vertreten durch Breitenfeld Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Marc-Aurel-Straße 6, 1010 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren „Wirtschaftskammer Salzburg – mess- und regeltechnische Einrichtungen – Neubau Tourismusschulen Salzburg-Klessheim“ der Auftraggeberin Wirtschaftskammer Salzburg, Julius-Raab-Platz 1, 5027 Salzburg, vertreten durch die vergebende Stelle Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH, Sterneckstraße 35, 5020 Salzburg, vom 3. Mai 2021 beschlossen:

A)

Das Bundesverwaltungsgericht gibt dem Antrag der XXXX „auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wird, im antragsgegenständlichen Vergabeverfahren ‚Wirtschaftskammer Salzburg – mess- und regeltechnische Einrichtungen – Neubau Tourismusschulen Salzburg-Klessheim’ den Zuschlag zu erteilen“, gemäß §§ 350 Abs 1, 351 Abs 1, 3 und 4 BVergG 2018 statt.

Das Bundesverwaltungsgericht untersagt der Auftraggeberin Wirtschaftskammer Salzburg für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens im Vergabeverfahren „Wirtschaftskammer Salzburg – mess- und regeltechnische Einrichtungen – Neubau Tourismusschulen Salzburg-Klessheim“, den Zuschlag zu erteilen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG

I. Verfahrensgang

1. Mit Schriftsatz vom 3. Mai 2021 beantragte die XXXX vertreten durch Breitenfeld Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Marc-Aurel-Straße 6, 1010 Wien, in der Folge Antragstellerin, die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung, das Durchführen einer mündlichen Verhandlung, die Akteneinsicht, den Ersatz der Pauschalgebühr, die Rücküberweisung allenfalls zu viel bezahlter Pauschalgebühren, und die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch unter A) wiedergegeben. Die Anträge betreffen das Vergabeverfahren „Wirtschaftskammer Salzburg – mess- und regeltechnische Einrichtungen – Neubau Tourismusschulen Salzburg-Klessheim“ der Auftraggeberin Wirtschaftskammer Salzburg, Julius-Raab-Platz 1, 5027 Salzburg, vertreten durch die vergebende Stelle Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH, Sterneckstraße 35, 5020 Salzburg.

1.1 Nach Darstellung des Sachverhalts führt die Antragstellerin zur Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags aus und bezeichnet die Auftraggeberin, begründet die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts, bezeichnet die gesondert anfechtbare Entscheidung, stellt den drohenden Schaden dar und ihr Interesse am Vertragsabschluss dar. Die Antragstellerin erachtet sich in ihrem Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen vergaberechtskonformen Vergabeverfahren, in ihrem Recht auf Zuschlagserteilung sowie in ihrem Recht auf Widerruf verletzt. Sie führt zur Rechtwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen wie folgt aus.

1.2 Die Zuschlagsentscheidung sei im Wesentlichen im Sinne der im Nachprüfungsantrag angeführten Rechtsprechung rechtswidrig, weil die Merkmale des erfolgreichen Angebots gemäß § 143 BVergG 2018 zwingender Mindestinhalt einer Zuschlagsentscheidung seien. Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung bedürfe es einer verbalen Darstellung der Gründer der Bewertung, um die Überprüfbarkeit der Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers zu ermöglichen. In der angefochtenen Entscheidung werde demgegenüber lediglich die ziffernmäßige Bewertung des Angebots der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin bekanntgegeben. Es sei nicht erkennbar, ob bzw was die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin diesbezüglich angeboten habe. Dies sei schon deshalb wesentlich, weil das Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin insbesondere im Zuschlagskriterium „Beschäftigung von Lehrlingen bei der Installation von mess- und regeltechnischen Einrichtungen“ tatsächlich zu hoch bewertet worden sei, ohne dass – mangels einer hinreichenden Begründung- transparent nachvollzogen werden könne, wie die Auftraggeberin zu diesem Bewertungsergebnis gelangt sei.

1.3 Der Bewertung des Angebots der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin im Zuschlagskriterium „Beschäftigung von Lehrlingen bei der Installation von mess- und regeltechnischen Einrichtungen“ mit 2 Punkten könne nicht gefolgt werden. Nach dem Kenntnisstand der Antragstellerin bzw der Liste der Lehrbetriebe der Wirtschaftskammer handle es sich bei der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin jedoch um keinen zugelassenen Lehrbetrieb im Sinne des BAG. Diese beschäftige nach Kenntnisstand der Antragstellerin weder Lehrlinge, noch wäre sie überhaupt berechtigt, Lehrlinge im Rahmen des gegenständlichen Auftrags für die Installation der mess- und regeltechnischen Einrichtungen einzusetzen. Sollte die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin in ihrem Angebot dennoch angegeben haben, Lehrlinge einzusetzen, seien diese Angaben als unzutreffend anzusehen. Bei vergaberechtskonformer Vorgehensweise wäre das Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin daher nach Maßgabe der §§ 78 Abs 1 Z 11, 141 Abs 1 Z 1 und 7 BVergG 2018 auszuscheiden bzw auszuschließen gewesen. Zumindest wäre das Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin im Zuschlagskriterium „Beschäftigung von Lehrlingen bei der Installation von mess- und regeltechnischen Einrichtungen“ mit 0 Punkten zu bewerten, das Angebot der Antragstellerin an erster Stelle zu reihen und ihr der Zuschlag zu erteilen gewesen. Die unrichtige Bewertung des Angebots der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin in diesem Kriterium sei daher auch wesentlich für den Ausgang des Vergabeverfahrens.

1.4 Hätte die Auftraggeberin das Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin hinreichend und entsprechend den Vorgaben des BVergG 2018 geprüft, hätte sie zum Ergebnis kommen müssen, dass dieses – insbesondere aus den genannten Gründen – entsprechend niedriger zu bewerten sei bzw aufgrund unzutreffender Angaben auszuscheiden bzw auszuschließen sei. Die Antragstellerin habe die Auftraggeberin im Schreiben vom 30. April 2021 auf diese Umstände auch hingewiesen.

1.5 Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass sie den im Nachprüfungsantrag ausgeführten Sachverhalt zu Bescheinigung vorbringe und die rechtlichen Ausführungen zum Inhalt des gegenständlichen Provisorialbegehrens erhebe. Die einstweilige Verfügung sei zwingend erforderlich, weil der Auftraggeber mit der Zuschlagserteilung unumkehrbare Tatsachen schaffen würde. Die von der Antragstellerin mit Mitteln des BVergG 2018 nicht mehr beseitigt werden könnten. Von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei nur abzusehen, wenn deren nachteilige Folgen die damit verbundenen Vorteile überwiegen könnten. Daraus folge, dass eine einstweilige Verfügung nach den Grundsätzen des BVergG 2018 in der Regel zu erlassen sei. Das Interesse der Antragstellerin an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung gründe sich insbesondere darauf, dass die Auftraggeberin eine Zuschlagsentscheidung getroffen habe und dementsprechend beabsichtige, den Zuschlag rechtswidrig nicht der Antragstellerin zu erteilen. Dies, obwohl das gegenständliche Vergabeverfahren aufgrund der im Nachprüfungsantrag geschilderten Vergabeverstöße mit gravierenden Mängeln behaftet sei, die im Ergebnis den Anspruch der Antragstellerin auf ein vergaberechtskonformes Vergabeverfahren und letztlich den Anspruch der Antragstellerin auf Zuschlagserteilung umgingen. Im Falle der Abweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wäre die Antragstellerin zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen. Diese Alternative widerstreite dem Interesse der Antragstellerin an einer raschen Bereinigung des gegenständlichen Rechtsstreits. Dazu komme, dass schon alleine aufgrund der Notwendigkeit der Durchführung eines zivilrechtlichen Gerichtsverfahrens wegen dessen Dauer und der damit verbundenen Kosten eine ungebührliche Erschwerung der Rechtsdurchsetzung für die As verbunden wäre. Im gegenständlichen Fall überwiege darüber hinaus das Interesse der Antragstellerin auf Beseitigung der im gegenständlichen Verfahren von der Auftraggeberin zu verantwortenden Vergabeverstöße bei weitem gegenüber allfälligen Folgen einer derartigen Maßnahme für die Auftraggeberin. Das Interesse der Antragstellerin an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung gründe sich auf darauf, dass der Antragstellerin der Entgang des Auftrags, sohin der Entgang von Gewinn, Frustration der Kosten für die Teilnahme am Vergabeverfahren sowie der Kosten für die rechtsfreundliche Vertretung im vorliegenden Vergabeverfahren drohten. Zur Höhe und Bescheinigung werde auf die Ausführungen im Nachprüfungsantrag verwiesen. Darüber hinaus entginge der Antragstellerin ein Referenzprojekt, das weitere Folgeaufträge für den österreichischen und europäischen Markt sichergestellt hätte. Es seien keine besonderen Interessen der Auftraggeberin ersichtlich, die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprächen. Die Auftraggeberin behalte sich im Übrigen eine Angebotsbindefrist von fünf Monaten ab dem Ende der Angebotsfrist vor. In diesem Zusammenhang sei weiters darauf hinzuweisen, dass jeder umsichtige Auftraggeber bei der Gestaltung des Zeitplanes Zeitpolster für Nachprüfungs- und Provisorialverfahren einplanen müsse. Besondere öffentliche Interessen, die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechen könnten, seien ebenfalls nicht ersichtlich. Damit handle es sich be der begehrten einstweiligen Verfügung jedenfalls um die einzige und gleichzeitig gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme.

2 Am 6. Mai 2021 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren, kündigte die Übersendung der Unterlagen des Vergabeverfahrens in Papierform mit der Post an, räumte einen Zugang zum elektronischen Verfahrensakt ein, führte zum Umfang der Akteneinsicht aus, kündigte an, bis zur Entscheidung über den Nachprüfungsantrag den Zuschlag nicht zu erteilen, sprach sich nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus, mit der der Auftraggeberin bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über den Nachprüfungsantrag verboten werden, den Zuschlag zu erteilen, und kündigte die Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag bis 6. Mai 2021 an.

3 Mit Schriftsatz vom 6. Mai 2021 nahm die Auftraggeberin zu dem Nachprüfungsantrag Stellung. Darin beantragt sie, den Antrag auf Nichtigerklärung zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

3.1 Die Antragstellerin sei nicht antragslegitimiert, sie habe keine echte Chance, den Zuschlag zu erhalten. Sie habe das Angebot unter Vorbehalten eigener Lieferbedingungen, Softwarebedingungen und Montagebedingungen, einer abweichenden Bindungsfrist sowie weiterer Vorbehalte gelegt. Es sei daher gemäß § 141 Abs 1 Z 7 BVergG 2018 auszuscheiden.

3.2 Es bedürfe keiner verbalen Darstellung der Gründe der Bewertung, um die Prüfbarkeit der Entscheidung zu ermöglichen. Die Auftraggeberin habe der Antragstellerin den Preis des Angebots der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin mitgeteilt, nicht jedoch, dass es der niedrigste Preis sei. Aus der Bewertung des Preises im Zuschlagskriterium „Preis“ mit 94 Punkten, der bestmöglichen Bewertung, ergebe sich, dass es sich um das Angebot mit dem niedrigsten Preis handle. Aus der Bewertung des Angebots der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin mit 2 Punkten im Zuschlagskriterium „Beschäftigung von Lehrlingen bei der Installation von mess- und regeltechnischen Einrichtungen“ ergebe sich mit hinlänglicher Deutlichkeit, dass sich die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin verpflichtet habe, zwei Lehrlinge einzusetzen. Aus der Bewertung des Angebots der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin im Zuschlagskriterium „Berufserfahrung des namhaft gemachten Montageleiters“ mit 2 Punkten ergebe sich mit hinlänglicher Deutlichkeit, dass die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin einen Montageleiter namhaft gemacht habe, der mindestens vier Projekt mit einer Abrechnungssumme für mess- und regeltechnische Einrichtungen von mehr als € 150.000 abgewickelt habe. Aus der Bewertung des Angebots der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin im Zuschlagskriterium „Berufserfahrung des namhaft gemachten Projektleiters“ mit 2 Punkten ergebe sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin einen Projektleiter namhaft gemacht habe, der zumindest zwei Projekte mit einer Abrechnungssumme für mess- und regeltechnische Einrichtungen von mehr als € 150.000 abgewickelt habe.

3.3 Das Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin sei wegen der Beschäftigung von Lehrlingen weder auszuscheiden noch im Zuschlagskriterium „Beschäftigung von Lehrlingen bei der Installation von mess- und regeltechnischen Einrichtungen“ mit 0 Punkten zu bewerten. Bei diesem Zuschlagskriterium komme es nicht darauf an, ob der Bieter im Zeitpunkt der Angebotsabgabe Lehrlinge beschäftige oder zu Lehrlingsausbildung berechtigt sei. Es komme darauf an, ob sich der Bieter verpflichte, bei der Installation der mess- und regeltechnischen Einrichtungen Lehrlinge einzusetzen. die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin habe sich dazu verpflichtet, die Antragstellerin habe sich dazu nicht verpflichtet. Zuschlagskriterium sei die Verpflichtung zum Einsatz von Lehrlingen, nicht die Tatsache, dass der Bieter auch im Zeitpunkt der Angebotsabgabe Lehrlinge beschäftige. Gemäß § 1 Berufsausbildungsgesetz – BAG seien Lehrlinge Personen, die aufgrund eines Lehrvertrags iSd § 12 BAG zur Erlernung eines in der Lehrberufsliste gemäß § 7 BAG angeführten Lehrberufs bei einem Lehrberechtigten iSd § 2 BAG fachlich ausgebildet und im Rahmen dieser Ausbildung gemäß § 9 BAG tätig würden. Es bestehe kein Anlass daran zu zweifeln, dass die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin nicht in der Lage sein werde, bei der Installation der mess- und regeltechnischen Einrichtungen zwei Personen einzusetzen, die die Voraussetzungen des § 1 BAG erfüllten, habe sie doch bereits im Angebot zwei „Lehrlinge“ namhaft gemacht. Schließlich führt die Auftraggeberin die geschätzten Auftragswerte der Lose des gegenständlichen Bauvorhabens an und gibt an, von der Vergabe von Kleinlosen gemäß § 14 Abs 3 BVergG 2018 keinen Gebrauch gemacht zu haben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1 Die Wirtschaftskammer Salzburg schreibt unter der Bezeichnung „Wirtschaftskammer Salzburg – mess- und regeltechnische Einrichtungen – Neubau Tourismusschulen Salzburg-Klessheim“ einen Bauauftrag über mess- und regeltechnische Einrichtungen mit den CPV-Codes 45317000-2 – Sonstige Elektroinstallationsarbeiten und 45315700-5 – Installation von Schaltanlagen in einem offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung nach dem Bestangebotsprinzip aus. Der geschätzte Auftragswert des gegenständlichen Loses beträgt € 445.000 ohne USt, jener des gesamten Bauvorhabens € 8.891.000 ohne USt. Das Los wurde nicht als Kleinlos gemäß § 14 Abs 3 BVergG 2018 ausgeschrieben. Vergebende Stelle ist die Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH. Die Bekanntmachung der Ausschreibung erfolgte in Österreich per Kerndaten am 22. November 2020 zur Zahl 93578-00 und unionsweit im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 24. November 2020 zur Zahl 2020/S 230-565785, beide abgesandt am 20. November 2020. (Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.2 Die Auftraggeberin öffnete die Angebote am 22. Dezember 2020 ohne Beisein von Vertretern der Bieter. Die Auftraggeberin übermittelte den Bietern das Protokoll über die Angebotsöffnung am 23. Dezember 2020. Dabei wurden folgende Angebote geöffnet:

?         XXXX     € 295.263,02

?         XXXX     € 298.309,21

?         XXXX     € 359.607,54

?         XXXX     € 379.384,26

?         XXXX     € 409.841,22

?         XXXX     € 659.080,08

(Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.3 Am 22. April 2021 teilte die Auftraggeberin allen Bietern über die Vergabeplattform die Zuschlagsentscheidung zugunsten der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin mit. (Angaben der Auftraggeberin; Zuschlagsentscheidung in den Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.4 Die Auftraggeberin hat weder das Vergabeverfahren widerrufen noch den Zuschlag erteilt. (Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.5 Die Antragstellerin bezahlte Pauschalgebühren in der Höhe von € 4.862. (Verfahrensakt)

2. Beweiswürdigung

2. Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Diese sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Auskünfte und Unterlagen der Antragstellerin betreffen ebenso ausschließlich mit der Auftraggeberin gemeinsame Dokumente. Die Echtheit und Richtigkeit von in den Schriftsätzen herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Anzuwendendes Recht

3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes – BVwGG, BGBl I 2013/10, idF BGBl I 2019/44 lauten:

„Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.“

3.1.2 Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 220/119, lauten:

„Anwendungsbereich

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) …

Beschlüsse

§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.

(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

…“

3.1.3 Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idF BGBl II 2019/91, lauten:

„Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.

Senatszuständigkeit und -zusammensetzung

§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.

(2) …

Anzuwendendes Verfahrensrecht

§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.

Zuständigkeit

§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.

(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig
1.         zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie
2.         zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.

(3) …

Einleitung des Verfahrens

§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern
1.         er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
2.         ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(2) …

Antragstellung

§ 350. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:
1.         die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,
2.         eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 342 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,
3.         die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,
4.         die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,
5.         die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und
6.         die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

(3) …

Erlassung der einstweiligen Verfügung

§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.

(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.

Verfahrensrechtliche Bestimmungen

§ 352. (1) Parteien des Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung sind der Antragsteller und der Auftraggeber. Soweit eine zentrale Beschaffungsstelle ein Vergabeverfahren oder Teile eines Vergabeverfahrens als vergebende Stelle durchführt, tritt sie als Partei des Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung an die Stelle des Auftraggebers. Der Auftraggeber kann, soweit die zentrale Beschaffungsstelle an seine Stelle tritt, dem Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung als Nebenintervenient beitreten; §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 und 19 Abs. 1 ZPO sind sinngemäß anzuwenden. Wird ein Vergabeverfahren von mehreren Auftraggebern gemeinsam durchgeführt, so bilden die in der Ausschreibung genannten Auftraggeber eine Streitgenossenschaft im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Bestimmungen der §§ 14 und 15 ZPO sind sinngemäß anzuwenden.

(2) Über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist unverzüglich, längstens jedoch binnen 10 Tagen nach Einlangen des Antrages zu entscheiden. Musste der Antrag zur Verbesserung zurückgestellt werden, ist über ihn längstens binnen 15 Tagen zu entscheiden. Die Frist ist gewahrt, wenn die Erledigung an alle Parteien nachweislich vor ihrem Ablauf abgesendet wurde.

(3) …“

3.2 Zu Spruchpunkt A) –Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

3.2.1 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages

3.2.1.1 Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Wirtschaftskammer Salzburg. Die Wirtschaftskammer Salzburg ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 (st Rspr zu Universitäten zB VwGH 12. 4. 2018, Ra 2015/04/0054; BVwG 30. 6. 2015, W134 2107889-2/30E; 11. 3. 2016, W187 2120708-2/34E; 22. 3. 2018, W139 2182913-1/32E). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Bauauftrag gemäß § 5 BVergG 2018. Der geschätzte Auftragswert des Gesamtvorhabens liegt über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 4 BVergG 2018, sodass gemäß § 12 Abs 1 BVergG 2018 ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vorliegt.

3.2.1.2 Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 327 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit d B-VG ist sohin gegeben.

3.2.1.3 Da darüber hinaus laut Stellungnahme des Auftraggebers das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

3.2.1.4 Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Die Frage der Ausschreibungswidrigkeit des Angebots der Antragstellerin, wie sie die Auftraggeberin in ihrer Stellungnahme vom 6. Mai 2021 vorgebracht hat, hat die Auftraggeberin nicht zum Anlass genommen, das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden. Sie ist wegen des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und des Parteiengehörs im Hauptverfahren zu klären. Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.

3.2.1.5 Im Ergebnis ist daher vorläufig davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen.

3.2.2 Inhaltliche Beurteilung des Antrages

3.2.2.1 Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 351 Abs 1 BVergG 2018 sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung beabsichtigt ist. Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin relevierten Rechtswidrigkeiten zutreffen und sie daher an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen wird können, wodurch ihr auf Grund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Auftrages mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung müssen daher – bei Nichtüberwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 – Maßnahmen getroffen werden, die eine spätere den Grundprinzipien des Vergaberechts entsprechende Teilnahme am Vergabeverfahren über die ausgeschriebenen Leistungen und eine Zuschlagserteilung ermöglicht. Zur wirksamen Sicherung dieser möglicherweise bestehenden Ansprüche muss daher das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesvergabeamt in einem Stand gehalten werden, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht (BVwG 29. 1. 2015, W187 2017416-1/3E).

3.2.2.2 Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des drohenden Schadens und der Zuschlagserteilung.

3.3.2.3 Die Auftraggeberin spricht sich nicht gegen eine einstweilige Verfügung im beantragten Umfang aus.

3.2.2.4 Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; 11. 7. 2017, W187 2163208-1/3E), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 329 Abs 1 BVergG von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 30, Slg 2003, I-3249).

3.2.2.5 Öffentliche Interessen, die eine sofortige Zuschlagserteilung erforderlich machen würden, machte die Auftraggeberin nicht geltend. Die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin nahm zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht Stellung. Dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine anderen öffentlichen Interessen ersichtlich.

3.2.2.6 Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen des Auftraggebers gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und die Zuschlagserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin, ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten. Ungeachtet eines gesetzlichen Auftrags ist die Auftraggeberin verpflichtet, die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen. Die Erfolgsaussichten des Hauptantrags sind im Provisorialverfahren nicht prüfen (zB VwGH 4. 11. 2013, AW 2013/04/0045). Sie gehören nicht zu den Kriterien, die die für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz berücksichtigen muss oder kann, wenn sie über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen gemäß Art 2 Abs 1 lit a RL 89/665/EWG entscheidet; die Rechtsmittelrichtlinie untersagt eine solche Berücksichtigung jedoch auch nicht (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 29). Sie sind nach dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften unter Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Erfasst sind jedenfalls Fälle, in denen der Nachprüfungsantrag formal unzulässig ist. Dieser Umstand liegt gegenständlich nicht vor. Die Rechtmäßigkeit der Prüfung und Bewertung der Angebote sowie der Durchführung des Vergabeverfahrens kann angesichts der kurzen Entscheidungsfrist im Provisorialverfahren nicht abschließen geklärt werden, vielmehr ist sie Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens (zB BVA 14. 11. 2012, N/0103-BVA/10/2012-EV12; 18. 3. 2013, N/0020-BVA-07/2013-EV8).

3.2.2.7 Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es demnach, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.

3.2.2.8 Bei der bevorstehenden Zuschlagserteilung ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 329 Abs 3 BVergG die vorläufige Untersagung derselben (zB BVwG 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E; 17. 11. 2017, W187 2175977-1/3E; 10. 4. 2018, W187 2190113-1/3E). Es soll somit (lediglich) der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 7. 8. 2017, W187 2165912-1/2E; 27. 2. 2018, W187 2186439-1/2E).

3.2.2.9 Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Der Auftraggeber ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Wenn die Auftraggeberin nun eine Befristung von sechs Wochen ab der Erlassung der einstweiligen Verfügung begehrt, ist dem zu entgegnen, dass zu erwarten ist, dass das Bundesverwaltungsgericht innerhalb dieser Frist entscheiden wird, und das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 351 Abs 4 BVergG 2018 jederzeit über Antrag oder von Amts wegen über die Dauer der einstweiligen Verfügung neu entscheiden kann. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).

3.2.2.10 Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.

3.3 Zu Spruchpunkt B) – Nichtzulassung der Revision

3.3.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138; 30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254; 29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Angebot ausschreibungswidrig Bauauftrag Bewertung Dauer der Maßnahme einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist Interessenabwägung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen Provisorialverfahren Schaden Untersagung der Zuschlagserteilung Vergabeverfahren wirtschaftliche Interessen Zuschlagsverbot für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W187.2242106.1.00

Im RIS seit

13.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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