Entscheidungsdatum
10.05.2021Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15Spruch
W159 2217557-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, BFA RD Wien vom 07.03.2019, Zl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.02.2021, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß §§ 3 Abs. 1 iVm 34 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gem. § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Serbien und Angehörige der Volksgruppe der Roma, lebt bereits seit 2016 in Österreich. Sie stellte am 21.11.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde sie noch am gleichen Tag von der Landespolizeidirektion XXXX einvernommen. Zu ihren Fluchtgründen gab sie an, dass ihr Ehemann Angehöriger der XXXX -Partei sei. Er habe immer wieder Probleme in der Heimat auf Grund seiner Angehörigkeit zur XXXX -Partei gehabt, in ihr Haus sei viermal eingebrochen worden und es sei verwüstet worden. Sie wolle gerne hierbleiben, weil ihre Familie hier leben würde. Sie fürchte um ihre Gesundheit und die ihrer Familie, da sie nicht wisse, was auf Grund der politischen Tätigkeit ihres Mannes, sie noch in der Heimat erwarten würde. Der Reisepass der Beschwerdeführerin wurde sichergestellt.
Am 30.01.2019 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien. Die Beschwerdeführerin gab eingangs der Einvernahme an, dass sie Beruhigungsmittel und Medikamente gegen Herzbeschwerden, sowie auch ein Mittel gegen Hautauschlag nehmen würde.
Befragt gab sie an, sie sei serbische Staatsangehörige, der Volksgruppe der Roma zugehörig und Christin. Sie wolle jedoch keiner Kirche zugeordnet werden. Sie würde die Roma-Sprache, Slowakisch, Deutsch und Serbisch sprechen. Ihr letzter Lebensmittelpunkt in Serbien sei in der Gemeinde XXXX gewesen. Sie sei in Belgrad, im Stadtteil XXXX gemeldet gewesen. In XXXX habe sie mit ihrer Familie gelebt. In ihrem Heimatland würden keine Verwandte mehr leben. Ihre Mutter würde in Wien leben, der Vater sei verstorben, Geschwister habe sie keine. Sie sei verheiratet und habe zwei Töchter. Alle ihre Verwandte seien zurzeit in Wien aufhältig. Für ihren Lebensunterhalt würde sie sich Geld von ihrer Mutter borgen. Sie würde sich nicht in der Grundversorgung befinden.
Befragt gab sie an, sie habe acht Jahre die Grund- und Hauptschule, sowie eine Handelsschule besucht und abgeschlossen. Sie habe den Beruf der Programmiererin erlernt. Sie sei schwanger geworden und habe nach der Karenz ein Restaurant – eine Vinothek aufgemacht.
Sie erzählte, sie würde nachts nur zwei oder drei Stunden schlafen. Sie würde um drei oder vier Uhr morgens eine Tasse Kaffee trinken. Sie würde das Mittagessen vorbereiten. Ihr Ehemann und ihre Kinder würden einkaufen gehen, weil sie nichts Schweres tragen könne. Sie hätte keine Nerven um Fernzuschauen.
Sie gab an nicht zur serbischen Staatsanwaltschaft, Polizei oder Gericht gegangen zu sein. Sie selbst hätte keine Probleme mit Sicherheitsorganen/-behörden, Gerichten oder dem Militär gehabt. Sie sei jedoch Mitglied der XXXX -Partei gewesen. Auf die Frage, warum sie einen Asylantrag stellen würde erzählte sie: „Das hat begonnen mit den Gerichtprozessen von meinem Mann. Das sind fünf bis sechs Prozesse und alle sind politisch. Der Gatte hat uns nicht belasten wollen und hat uns nicht alles gesagt. Drei Freunde von meinem Gatten ( XXXX ) haben mich gewarnt und mich aufgefordert das Land zu verlassen. Ansonsten könnte passieren, dass jemand von den Familienmitgliedern getötet wird. Es gab ein Telefongespräch. Mein Mann hat mir nichts darüber erzählt, aber ich habe das Gespräch mitgehört. Dann habe ich meinen Mann gehört, wie er dem anderen am Telefon sagte, dass, wenn er ihn töten will, einfach vorbeikommen solle. Ich habe meinen Mann zur Rede gestellt und daraufhin hat er gesagt, dass ich ihn in Ruhe lassen solle. Er wollte uns damit nicht belasten. Ein Herr XXXX ist vor etwa einem Jahr im Kosovo (serbischen Teil) ermordert worden. Er hat sein Mandat zur gleichen Zeit ausgeübt wie mein Mann. Er hat einen Monat vor seiner Ermordung öffentlich gesagt, dass die serbische Regierung nicht so weit gehen wird, um ihn zu töten. Dieser besagte Mann hat daraufhin vom serbischen Präsidenten Vucic Personenschutz verlangt. Kurz vor seiner Ermordung waren alle Kameras für 15 Minuten ausgeschaltet. Nach dem Gespräch mit Vucic ist er zu dem Ombudsmann XXXX gegangen. Er hat ihm die Lage geschildert. Daraufhin hat ihm der Ombudsmann gesagt, dass dies sein größter Fehler war. XXXX war selbst Kandidat fü das Präsidentenamt. Mein Gatte hat ihn unterstützt bei der Wahl. Vor kurzem ist XXXX als Vorsitzender seiner Partei zurückgetreten. Der Premier vom Kosovo, Tachi, hat vor kurzem öffentlich gesagt, dass der Mörder von XXXX in Belgrad sitzt. Er ist nicht von Kosovo-Albanern getötet worden, sondern die Mörder sind in Belgrad zu suchen. Dann kamen die Morddrohungen gegen meinen Mann. Mein Mann war in einem Restaurant in XXXX . Dann sind kurzgeschorene Kriminelle vorbeigekommen. Einer von denen hat eine Marke vorgezeigt, so als er von der Polizei wäre. Er hat gesagt, dass er meinem Mann tötet, weil er XXXX unterstützt hat. In unser Haus in XXXX wurde vier Mal eingebrochen. Es wurde alles weggeräumt und kaputt gemacht. Es wurden wertvolle Bilder gestohlen. Sie haben auch den Schmuck gestohlen, der aber nicht wertvoll war.“
Die Beschwerdeführerin erzählte von einem Vorfall in einem Wahllokal, in welchem ihre Tochter als Wahlhelferin anwesend gewesen sei. Der dort ebenfalls anwesende Rechtsanwalt, der auch ihren Mann in Prozessen vertreten würde, habe ihnen gesagt, dass in Bezug auf ihre Familie alles möglich sei. Sie sollten sich so schnell wie möglich in Sicherheit bringen. Die Beschwerdeführerin erzählte weiter von Vorfällen, die Bekannten und Freunden in ihrem Umfeld zugestoßen seien. Auf den Vorhalt der Behörde, Serbien sei ein sicherer Herkunftsstaat, der rechtsstaatliche Weg würde ihr offenstehen, antwortet sie, das würde nicht stimmen. Ihr Mann, nicht sie habe den Ombudsmann aufgesucht. Ihr Mann sei Vorsitzender der XXXX -Partei, sollte ihre Familie nach Serbien zurückkehren, würde er sofort inhaftiert oder getötet werden. Die Beschwerdeführerin führte weiter aus: „Alle Angaben, die ich gemacht habe, können über die österreichische Botschaft überprüft werden. Im Vorjahr war ein Mann, der sich als Mitarbeiter des Militärgeheimdienstes ausgegeben hat, bei mir im Lokal. Er hat uns gewarnt, dass wir in den nächsten fünf Jahren nicht mehr nach Serbien fahren dürfen. Das hat er damit begründet, dass er festgestellt hat, dass wir auf einer schwarzen Liste sind. Somit ist er von sich aus zu uns gekommen, um uns zu warnen.“
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom 07.03.2019, Zl XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien abgewiesen, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen und unter Spruchpunkt V. festgestellt, dass die Abschiebung nach Serbien zulässig sei und unter Spruchpunkt VI. eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen eingeräumt.
In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und auch die Beweismittel aufgelistet. Festgestellt wurde, dass die Identität feststehe und die Beschwerdeführerin nicht straffällig sei. Sie sei legal eingereist und würde sich rund zwei Jahre illegal bis zu ihrer Asylantragstellung im österreichischen Bundesgebiet aufhalten. Weiters wurden Feststellungen zum Herkunftsstaat getroffen. Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin kein fundiertes und substantiiertes Vorbringen rund um ihre etwaige Fluchtgründe dargelegt habe. Es wurde wiederholt, dass Serbien als sicherer Herkunftsstaat eingestuft werde und es möglich wäre, rechtsstaatliche Wege zu beschreiten. Es gebe auch Widersprüche hinsichtlich der Aussagen der Familienangehörigen zu den Überfallen auf das Haus.
Rechtlich begründend zu Spruchteil I. wurde insbesondere ausgeführt, dass kein glaubwürdiges Vorbringen hinsichtlich einer Verfolgung nach der GFK habe festgestellt werden können und auch aus den sonstigen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher zur Gewährung von Asyl führen würde, sich ergeben hätten.
Zu Spruchteil II. wurde zunächst hervorgestrichen, dass nicht vom Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 50 FPG ausgegangen werden könne und sich aus der allgemeinen Lage im Herkunftsland eine solche Gefährdung nicht ergeben würde. Im Übrigen sei sowohl die medizinische als auch die ökonomische Versorgung in Serbien grundsätzlich gewährleistet und nicht feststellbar, dass bei einer Abschiebung die Beschwerdeführerin in eine aussichtslose Situation geraten würde.
Zu Spruchteil III. wurde festgehalten, dass die Voraussetzungen des § 57 AsylG nicht vorlägen. Zu Spruchpunkt IV. wurde zunächst hervorgestrichen, dass die Beschwerdeführerin weder über Verwandte noch über Familienangehörige in Österreich verfügen würde. Die Mutter der Beschwerdeführerin würde in Wien, in einem eigenen Haushalt, leben. Die Beschwerdeführerin lebe mit ihrem Ehemann und der gemeinsamen Tochter XXXX , welche allerdings ebenfalls Asylwerberin in Österreich seien, in einem Haushalt. Die Tochter XXXX würde über eine Rot-Weiß-Rot Plus Karte verfügen. Die Beschwerdeführerin könne keine vertiefende Integration für sich geltend machen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen könne nicht erteilt werden, eine Rückkehrentscheidung sei zulässig. Zu Spruchpunkt V. wurde insbesondere ausgeführt, dass sich keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG aus dem Ermittlungsverfahren ergeben haben und einer Abschiebung nach Serbien auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, sodass diese als zulässig zu bezeichnen sei. Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise wären auch nicht hervorgekommen (Spruchpunkt Vl.)
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch die XXXX , fristgerecht gegen alle Spruchteile Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. In dieser wurde zunächst der Verfahrensgang und Sachverhalt gerafft dargestellt und in der Folge ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren und eine mangelnde Beweiswürdigung kritisiert. Die Länderberichte wären unvollständig. Sie würden nicht in die Tiefe gehen, vielmehr würde der Ehemann der Beschwerdeführerin als Oppositionspolitiker und diskriminierter Roma keinen staatlichen Schutz erhalten. Die gegen den Ehemann der Beschwerdeführerin geführten Gerichtsverfahren seien als Druckmittel politisch gegen ihn genutzt worden und seien politisch motiviert. Es könne im vorliegenden Fall auch nicht von einer Verbesserung der finanziellen Situation ausgegangen werden, nachdem die Beschwerdeführer in Serbien neben seiner politischen Tätigkeit auch eine Farm und einen Imbiss in zentraler Lage in der Hauptstadt Belgrad besessen habe und ein Haus mit 400 m2 Wohnfläche. In Österreich würden sie von dem Ersparten leben. Hätte die Behörde ihre Ermittlungspflicht in angemessener Weise wahrgenommen und den vorliegenden Sachverhalt richtig gewürdigt und auch rechtlich beurteilt, hätte sie der Beschwerdeführerin den Status eines Asylberechtigten zuerkennen müssen. Die Behörde widerspreche sich auch, wenn sie anführe, dass der Ehemann der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen in Österreich habe, denn es sei auch angeführt worden, dass nicht nur die Ehegattin und die jüngere Tochter in Österreich lebe, sondern auch die Schwiegermutter und die ältere Tochter XXXX . Auch könne sich die Beschwerdeführerin in deutscher Sprache verständigen. Die Rückkehrentscheidung würde daher in die Rechte nach Art. 8 EMRK eingreifen. Weiters wurden Beiträge, zum Beispiel der Deutschen Welle, über Gewalt gegen Oppositionspolitiker in Serbien vorgelegt.
Nachdem der Verfahrensakt der früher zuständigen Richterin abgenommen wurde, wurde dieser dem nunmehr zuständigen Einzelrichter am 29.04.2020 zugeteilt. Dieser beraumte für den 09.02.2021 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an und ließ zuvor die vom Ehemann der Beschwerdeführerin in serbischer Sprache vorgelegten Gerichtsentscheidungen übersetzen. Eine Vollmacht der XXXX wurde vorgelegt.
Die Beschwerdeführerin hielt ihre Beschwerde und ihr bisheriges Vorbringen aufrecht. Sie brachte keine Ergänzungen oder Korrekturen an. Sie gab an, sie sei serbische Staatsangehörige, der Volksgruppe der Roma zugehörig und Christin. Genaueres wolle sie nicht angeben, sie gehe in die Stephanskirche beten.
Sie gab weiters an, sie sei am XXXX in XXXX in Serbien geboren worden. Sie habe vorerst in XXXX gelebt. Dann hätten sich ihre Eltern scheiden lassen. Da sei sie noch ein Baby gewesen. Ihre Mutter hätte wieder geheiratet und sei mit der Beschwerdeführerin nach Wien gezogen. In Wien sei sie in die Volks- und Hauptschule gegangen. Ihre Großeltern seien auch nach Wien gezogen. Sie habe ihren Mann mit vierzehn Jahren kennen gelernt und habe ihn im Alter von zwanzig Jahren geheiratet. Danach habe sie etwa 20 Jahre lang in Serbien gewohnt. Sie habe sich vor etwa vier Jahren mit ihrer Tochter in der Slowakei aufgehalten.
Auf die Frage des Richters, seit wann sie sich in Österreich aufhalten würde, antwortete sie: „Ich bin früher als mein Mann gekommen. Vor 2018 ging mein Mann immer wieder nach Serbien. Wir haben 2018 den Antrag auf Asyl gestellt. Seitdem bin ich auch ununterbrochen in Österreich. Davor war ich auch schon länger in Österreich, sicher über ein Jahr, genauer kann ich es nicht sagen.“ Sie denke, sie habe sich das letzte Mal 2016 in Serbien aufgehalten. Über ihre Mutter hätte die Beschwerdeführerin als Kind einen Aufenthaltstitel für Österreich gehabt. Die Beschwerdeführerin gab weiters an, sie sei von Beruf aus Programmiererin. Sie habe die Handelsschule besucht und danach geheiratet. Sie habe den EDV-Zweig der Handelsschule in Österreich besucht. Sie habe immer gearbeitet. Grundsätzlich sei sie Mutter und Ehefrau gewesen, jedoch habe sie z.B. eine Boutique mit Second-Hand-Ware gehabt oder ein Kaffeehaus in Belgrad. In der Slowakei hätte sie mit ihrer Tochter XXXX , die Innenarchitektin sei, ein Projekt zwischen Österreich, der Slowakei und Serbien verwirklichen wollen. Zuerst hätte sie in Österreich ein Restaurant und dann eine Vinothek besessen.
Nachgefragt gab sie an, sie habe sich politisch NICHT, so wie ihr Mann, betätigt.
Vorhalt des Richters: „Sie waren aber auch für die Parlamentswahl 2016 Kandidatin dieses Wahlverbündnisses der XXXX und XXXX .“ Die Beschwerdeführerin antwortete: „Ja, das war ich schon, ich habe dort auch meinem Mann geholfen, aber ich habe mich nicht politisch exponiert, sodass ich Reden gehalten habe o.Ä. In der Wahlvorbereitung war ich schon tätig.“ Im Prinzip hätte sie keine konkreten Probleme mit serbischen Behördenorganen gehabt, aber sie hätte sich schon gefürchtet, weil ihr Mann und ihre Tochter bedroht worden seien, eigentlich die ganze Familie. Sie hätte persönlich keine Probleme mit Privatpersonen in Serbien gehabt. Sie habe jedoch zufällig gehört, wie ihr Mann am Telefon bedroht worden sei. Auf die Frage des Richters, ob sie Näheres darüber wisse, antwortet die Beschwerdeführerin: „Was sonst nicht seine Art ist, er hat seinen Ton erhöht. Der Mann hat ihm etwas gesagt und mein Mann hat daraufhin gesagt: „Wenn du mich schon umbringen willst, dann sag mir, wohin ich kommen soll.“ Daraus schließe ich, dass es ernst war, da dass nicht seine Art war, dass er seinen Ton erhöht.“
Der unmittelbare Anlass für ihre Ausreise aus Serbien im Jahr 2016 war, dass im Wahllokal eingebrochen worden sei, ihrer Tochter hätte man kein Leumundszeugnis ausstellen wollen, dann sei Anzeige erstattet worden, dass ihre Tochter XXXX Unterschriften gefälscht hätte. In ihr Haus sei eingebrochen worden und es sei auf das Haus „Tod den XXXX “ worden. Es habe so vieles gegeben, was nicht mehr zu ertragen gewesen sei. Sie könne es alles nicht fassen, was passiert sei.
Der Richter erkundigte sich, ob sie versucht habe staatlichen Schutz zu erlangen. Die Beschwerdeführerin antwortete, dass ihr Mann ständig Anträge und Beschwerden geschrieben hätte, denn das sei die Aufgabe ihres Mannes gewesen. Sie hätten keine Verwandte mehr in Serbien. Ihre Mutter (Daueraufenthalt) und ihr Halbbruder (österreichischer Staatsbürger) würden in Österreich leben.
Auf die Frage, ob sie aktuell gesundheitliche oder psychische Probleme habe, antwortete die Beschwerdeführerin, sie würde bis jetzt drei bis vier Therapien bezüglich ihrer Psyche gemacht haben. Ihre Hausärztin habe ihr immer Medikamente verschrieben, es würde eine akute Depression vorliegen und sie habe ihr auch konkret einen Psychiater für eine Behandlung genannt. Ihr erster Termin sei im März.
Sie hätte derzeit in Österreich zuerst eine Tagesstätte für Senioren eröffnen wollen, jedoch hätte es wegen der Corona Krise nicht geklappt. Sie könne Horoskope erstellen und Karten legen, das habe ihr ihre Großmutter beigebracht. Zurzeit hätte sie ein Gewerbe in Österreich. Sie würde mit beiden Töchtern in einem Haushalt leben. Sie würde von ihren Töchtern unterstützt werden. „Ohne die beiden würde ich… ich lebe für meine Kinder und für meinen Mann, sie sind meine Familie. Ohne sie würde ich nicht weiterleben.“
Befragt gab die Beschwerdeführerin an, dass ihr das Zusammenleben im Sinne der körperlichen Nähe auch sehr wichtig sei, denn sie hätte Angst wenn sie alleine sei, sie würde Panikattacken bekommen, die sie nicht kontrollieren könnte. Deswegen habe sie auch telefonisch angefragt, ob sie von ihren Töchtern zur Verhandlung begleitet werden könnte.
In Zukunft wolle sie nur ihren Frieden. Sie werde nicht mehr nach Serbien zurückkehren. Für sie würde Serbien von der Weltkarte ausgelöscht sein.
In der Stellungnahme vom 07.04.2021, eingebracht durch die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin, wurde angegeben, dass wie in der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2021 vorgebracht wurde, seien die Beschwerdeführer aufgrund der politischen Tätigkeit des Ehemanns der Beschwerdeführerin in Serbien asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen. Dass die Gefahr der Verfolgung real sei, werde auch durch den Klinisch-Psychologischen Befund von Dr. Eva Mückstein zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin unterstrichen.
Es würden sich Indizien dafür finden, dass die politische Landschaft in Serbien immer mehr autoritäre Züge annehme, insb. durch die Kriminalisierung Oppositioneller sowie durch die mysteriösen Todesfälle politischer Persönlichkeiten wie XXXX und XXXX (beide im Januar 2018 unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen). Wie beim Ehemann der Beschwerdeführerin habe es sich bei den beiden Politikern um für die serbische Regierung „unangenehme“ Personen gehandelt. In dem vom 08.03.2021 erschienen Artikel der „Frankfurter Allgemein Zeitung“ zu „Serbien und die Mafia“ würden die Verbindungen zwischen Staat und organisierter Kriminalität in Serbien durchleuchtet werden. Es würden sich Indizien finden, dass die serbische Regierung - neben der ihr zur Verfügung stehenden Exekutive und Judikative - auf Personen aus dem kriminellen Umfeld der serbischen Unterwelt zurückgreifen könne, um auf „unangenehme“ Politiker wie den Ehemann der Beschwerdeführerin Druck auszuüben. Einschüchterung und Vandalismus als Instrumente den Willen oppositioneller Politiker zu beugen und dazu zu bewegen eine regierungskonforme Politik zu propagieren, seien Usus.
Der Ehemann der Beschwerdeführerin sei trotz seiner Flucht aus Serbien im Jahr 2018 immer noch politisch aktiv und setze sich weiter für die Rechte der Minderheiten - insb. der Roma - in Serbien ein.
Dem Befund der Sachverständigen Dr. Eva Mückenstein war zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin aufgrund langanhaltender außergewöhnlicher Bedrohung an einer chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung, in der Ausprägung einer schweren psychischen Störung, die einen erheblichen Leidenszustand mit erheblichen Funktionseinschränkungen verursachen würde, leide. Die Beschwerdeführerin habe die Psychologin am 19.03.2021 zur Abklärung von Depressionen und Angstzuständen kontaktiert.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers wird folgendes festgestellt:
Der Beschwerdeführerin führt den Namen XXXX , sie ist serbische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Roma an und ist Christin. Ihre Identität steht fest. Sie wurde am XXXX in XXXX in Serbien geboren. Sie lebte in XXXX . Nach der Scheidung ihrer Eltern und der Wiederverheiratung ihrer Mutter, zog sie mit ihrer Mutter nach Wien. Sie besuchte in Wien acht Jahre die Volks- und Hauptschule und absolvierte danach vier Jahre die Handelsschule.
Sie lernte ihren jetzigen Mann mit vierzehn Jahren kennen und heiratete ihn als sie etwa 20 Jahre alt war. Das Paar hat zwei erwachsenen Töchter. Nach der Hochzeit lebte die Beschwerdeführerin etwa 20 Jahre lang in Serbien. Die Beschwerdeführerin kam vorerst legal nach Wien. Ihr Aufenthalt wurde durch die Dauer ihres Aufenthaltes dann illegal. Sie lebte von den Ersparnissen und wurde von ihrer in Wien lebenden Mutter unterstützt. Sie hat NICHT von der Grundversorgung in Österreich gelebt.
Die Beschwerdeführerin sieht sich grundsätzlich als Ehefrau und Mutter, sie war jedoch auch immer berufstätig, so etwa als Unternehmerin eines Secondhandshops oder eines Kaffeehauses. Sie benötigt, auch aus psychischen Gründen ihre Familie um sich. Ihr Ehemann und sie sowie ihre beiden Töchter wohnen zusammen. Sie hat ihren Mann im Wahlkampf unterstützt, war aber nie direkt im Politgeschehen beteiligt.
Dem Ehemann der Beschwerdeführerin wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.05.2021 der Status von Asylberechtigten aus politischen Gründen zuerkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Die Beschwerdeführerin ist unbescholten.
Beweis wurde erhoben:
- durch Erstbefragung der Beschwerdeführerin und ihres Ehemanns durch die Landespolizeidirektion XXXX am 21.11.2018,
- durch Einvernahme der Beschwerdeführerin und ihres Ehemanns durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien am 30.01.2019 sowie
- durch Befragung der Beschwerdeführerin und ihres Ehemanns im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.02.2021
- weiters durch Vorlage eines serbischen Reisepasses XXXX , Ablaufdatum 05.11.2024
- sowie durch Vorhalt des aktuellen Länderberichtes der Staatendokumentation zu Afghanistan durch das Bundesverwaltungsgericht und
- und durch Einsichtnahme in das Strafregister.
2. Beweiswürdigung:
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin sowohl zu ihrem Lebensweg, zu ihrem Familienleben, als auch zu ihren Fluchtgründen ist genügend substantiiert und ausführlich, konkret und detailliert. Sie hat ausführlich über die Situation ihres Mannes und der Familie sowie über die sich immer mehr zuspitzenden Probleme in Serbien aus der Sicht einer Ehefrau berichtet. Das Vorbringen erscheint auch durchaus plausibel und ist mit der allgemeinen Erfahrung übereinstimmend.
Das Vorbringen des Ehemanns der Beschwerdeführerin sowohl zu seinem Lebensweg als auch zu seinen Fluchtgründen ist genügend substantiiert sowie extrem ausführlich, konkret und detailliert. Er hat sehr ausführlich seinen langen politischen Werdegang, aber auch seine sich immer mehr zuspitzenden Probleme in Serbien äußerst ausführlich, in der typischen Sprache eines Politikers dargelegt und damit das Gericht in die Lage versetzt, seine Situation, die eines Politikers nachzuvollziehen. Das Vorbringen erscheint auch durchaus plausibel und mit der allgemeinen Erfahrung übereinstimmend. Die Darlegungen des Beschwerdeführers sind auch durchaus mit den allgemeinen Verhältnissen in dem Heimatland zu vereinbaren und entsprechen auch den Aussagen zahlreicher unabhängiger internationaler Medien über Serbien. Eine persönliche Bedrohung oder Verfolgung ihrer Person hat sie jedoch nicht vorgebracht, zumal sie sich auch nicht so wie ihr Mann politisch exponiert hat.
Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann haben sich in wesentlichen Aussagen nicht widersprochen. Die Geschehnisse wurden aus dem Gesichtswinkel und der persönlichen Wichtigkeit der jeweiligen Person geschildert. Durch diese beiden Fluchtgeschichten zieht sich seit der Erstvernahme ein roter Faden. Die Beschwerdeführerin hat auch keine wesentliche Steigerung des Fluchtvorbringens vorgebracht.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin ist nicht ausreichend asylrelevant und konnte für die Erlangung des Asylstatus nicht herangezogen werden. Sie hat Serbien wegen der politischen Verfolgung ihres Ehemanns verlassen.
Dem Ehemann der Beschwerdeführerin wurde der Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF zuerkannt, ihm kommt damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zu.
Aufgrund dessen war es auch nicht erforderlich, eigene Länderfeststellungen zu treffen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2004 Nr. L 304/12 [Statusrichtlinie] verweist). Damit will der Gesetzgeber an die Gesamtheit der aufeinander bezogenen Elemente des Flüchtlingsbegriffs der GFK anknüpfen (VwGH 24.03.2011, 2008/23/1443). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) – deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben – ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“ (vgl. VfSlg. 19.086/2010; VfGH 12.6.2010, U 613/10)
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011; 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771; 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031; 06.11.2009, 2008/19/0012).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011; 28.05.2009, 2008/19/1031). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Zum Unterschied von ihrem Ehemann ist sie keine „high profile person“, zumal ist sie sich selbst nicht politisch betätigt hat. Die Beschwerdeführerin hat keine ausreichend intensive, persönliche, individuelle, asylrelevante und aktuelle Verfolgungsgefahr in Serbien dargetan.
Dem Beschwerdevorbringen ist weiters zu entgegnen, dass ein Mangel an asylrelevanten Fluchtgründen auch nicht durch Länderberichte (und Judikaturzitate) ersetzt werden kann, (vgl. auch BVwG vom 28.10.2016, W159 2110938-1/17E).
§ 34 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:
„Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist; einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.“
Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 122/2009 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 AsylG 2005).
Familienangehörige sind gemäß § 2 Z 22 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Bei dem Begriff „Familienleben im Sinne des Art. 8 MRK“ handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention (vgl. EGMR, Urteil v. 13.6.1997, Fall MARCKX, Ser. A, VOL. 31, Seite 14, § 31).
Nach dem oben zitierten EGMR-Urteil sind sowohl die Beziehungen der Eltern untereinander, als auch jeweils jene zu den Kindern durch Art. 8 MRK geschützte familiäre Bande. Bei einer diesbezüglichen Familie ergeben sich die von der MRK-Rechtsprechung zusätzlich geforderten engen Bindungen der Familienmitglieder untereinander aus ihrem alltäglichen Zusammenleben, gemeinsamer Sorge und Verantwortung füreinander, sowie finanzieller und anderer Abhängigkeit.
Die Unmöglichkeit der Fortsetzung des Familienlebens in einem anderen Staat wird in der Regel dann gegeben sein, wenn kein anderer Staat ersichtlich ist, der dem Asylberechtigten und seinem Angehörigen Asyl oder eine dem Asylrecht entsprechende dauernde Aufenthaltsberechtigung gewährt.
Ehegatten führen ebenso wie Kinder mit ihren Eltern ipso iure ein Familienleben.
Mit ihrem Ehemann führt die Beschwerdeführerin ein Familienleben (wovon auch schon die belangte Behörde ausgegangen ist). Sie und ihr Ehemann sind Familienangehörige gemäß § 2 Z 22 AsylG 2005.
Im Fall der Beschwerdeführerin liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl im Familienverfahren vor, weil dem Antrag ihres Ehemanns stattgegeben wurde. Das Ermittlungsverfahren betreffend den Ehemann der Beschwerdeführerin ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin aus politischen Gründen in Serbien verfolgt wird. Er setzt sich als Angehöriger der Volksgruppe der Roma und Vorsitzender der entsprechenden Partei für ihre Grundrechte ein. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Furcht des Ehemanns der Beschwerdeführerin vor Verfolgung im Sinne der GFK wohlbegründet ist.
Die psychisch angeschlagene Beschwerdeführerin und ihr Ehemann leben zusammen. Es besteht ein enger Familienzusammenhalt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, wonach der Beschwerdeführerin ein Familienleben getrennt von ihrem Ehemann und ihrer Familie in einem anderen Staat zumutbar ist oder möglich wäre, sodass die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl im Zuge eines Familienverfahrens gegeben sind.
Der Beschwerdeführerin war daher Asyl zu gewähren.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 21.11.2018 – und somit nach dem 15.11.2015 – gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I 24/2016 („Asyl auf Zeit“) gemäß § 75 Abs. 24 AsylG 2005 im konkreten Fall Anwendung finden.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Wie unzweifelhaft der rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es zu irgendeinem Sachverhaltsaspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf den gegenständlichen Fall als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Im Übrigen liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen vor.
Vielmehr wurden die in dem vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen auf Basis der bisherigen Judikatur der Höchstgerichte entschieden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Asyl auf Zeit Asylgewährung von Familienangehörigen Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung Familienangehöriger Familienverfahren Flüchtlingseigenschaft mündliche VerhandlungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W159.2217557.1.00Im RIS seit
13.09.2021Zuletzt aktualisiert am
13.09.2021