TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/19 W195 2195275-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.05.2021
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Entscheidungsdatum

19.05.2021

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W195 2195275-1/53E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch den XXXX mit Zustellvollmacht, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 10.04.2018, XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 19.10.2018, am 15.11.2018 und am 26.11.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 04.01.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF an, dass er vor acht Monaten sein Heimatland verlassen habe, da er homosexuell sei und aus diesem Grund in Bangladesch diskriminiert würde. Homosexuelle würden ausgelacht und verabscheut und er sei deshalb bereits öfters geschlagen worden. Es gebe keine Sicherheit für ihn in Bangladesch, weshalb er gezwungen gewesen sei zu flüchten. Im Falle einer Rückkehr drohe ihm eine Verfolgung durch die Justizbehörden seines Heimatlandes, außerdem befürchte er umgebracht zu werden.

I.2. Am 21.03.2018 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Aufgefordert, die wesentlichen Gründe für seine Ausreise aus Bangladesch darzulegen, verwies der BF auf seine Homosexualität und führte aus, dass er im Jahr 1997 im College erstmals bemerkt habe homosexuell zu sein und damals erste sexuelle Kontakte zu einem Mann gehabt hätte. Im März 2001 habe er auf der Universität in XXXX einen Mann kennen gelernt und mit diesem eine dreijährige (Liebes-)Beziehung geführt. Ihr Umfeld habe nicht akzeptieren können, dass zwei Männer eine so enge Beziehung hätten. Als diese Beziehung geendet habe, habe er sich aus Angst, ausgeschlossen zu werden, niemanden anvertrauen können. Homosexuelle würden gesellschaftlich diskriminiert. Nach islamischen Recht drohe ihnen die Todesstrafe bzw. die Verbrennung. Auch drohe eine gesetzliche Strafe von bis zu zehn Jahren Haft oder gar die Todesstrafe. Nach Abschluss seines Master-Lehrgangs im Jahr 2008 habe er eine Arbeit in XXXX aufgenommen. Wenig später sei er nach Chittagong versetzt worden, wo er eine sexuelle Beziehung zu einem Arbeitskollegen eingegangen sei. Als die Firmenleitung von Gerüchten um diese Beziehung erfahren habe, seien sie beide zu einer Sitzung gerufen und geschlagen worden. Der Beschwerdeführer hätte sich jedoch geweigert, seine sexuelle Orientierung preiszugeben. Deshalb habe er seinen Arbeitsplatz verloren. Während des folgenden Jahres sei er arbeitslos gewesen und habe er bei verschiedenen Verwandten gelebt. Diesen sei er aufgrund seines Verhaltens als „nicht normal“ bzw. „Halbfrau“ aufgefallen und hatten sie zu ihm gesagt, er sollte sich „wie ein Mann benehmen, sonst würde er zunichtegemacht werden“. Aus Scham sei er deshalb wieder nach Hause gegangen, wo er sich einsam gefühlt habe und nicht mehr leben wollte. Ende 2008 bzw. Anfang 2009 habe er eine Arbeitsstelle in XXXX angetreten, welche er nach nur kurzer Zeit aufgrund seines femininen Verhaltens verloren habe. Anfang des Jahres 2010 sei er aus diesem Grund abermals nach Hause zurückgekehrt und habe bei seiner Familie gelebt. Er sei von seinen Familienmitgliedern ermahnt worden, sich endlich „wie ein Mann zu verhalten, ansonsten werde er von der Gesellschaft ausgeschlossen“ und sterben. Im März 2010 habe er eine Anstellung in XXXX angenommen, wo er abermals auffiel, weil er sich wie eine Frau verhalten würde, und sei er später aus diesem Grund nach XXXX transferiert worden. Anfang 2011 sei er eine sexuelle Beziehung mit einem jungen Mann eingegangen. Im Juli 2014 sei der BF von seinen Mitbewohnern bei sexuellen Handlungen mit diesem jungen Mann gesehen worden. Hierauf sei der BF von diversen Personen geschlagen und mit gesellschaftlichem Ausschluss sowie mit der Todesstrafe bedroht worden. Das Hauptbüro hätte hiervon erfahren und ihn heimlich entlassen. Auch in der Ortschaft, in der seine Familie lebte, sei der Vorfall bekannt geworden. Der Imam hätte ihn ausgeschlossen und auch Mitgliedern seiner Familie sei mit Ausschluss gedroht worden. Ende 2014 bzw. Anfang 2015 hätten Mitglieder der Bangladesch Islami Chatra Shibir-Bewegung ihn mit dem Tod bedroht. Hierauf sei er nach XXXX gegangen und habe circa im Mai 2016 Bangladesch verlassen.

Auf entsprechendes Nachfragen gab der BF an, dass zwei Mitglieder der Bangladesch Islami Chatra Shibir-Bewegung, während er in einer Moschee gebetet habe, an ihn herangetreten wären und zu ihm gesagt hätten, dass es egal sei, ob er bete oder nicht. Es werde nicht zählen. Wenn er bete, zerstöre er das Gebet aller anderen. Er sei der Teufel, wenn ihn jemand töte, öffne sich für diesen die Tür zum Paradies.

In Österreich beschränkten sich die Kontakte des BF zur homosexuellen Szene darauf, dass er die „ XXXX “ besuche, wo er sich mit Freunden treffe.

I.3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.04.2018, XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass dem Vorbringen des BF keine besonderen Umstände entnommen werden hätten können, aus denen hervorgehe, dass er in Bangladesch einer unmittelbaren oder mittelbaren staatlichen Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen sei bzw. im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland einer solchen ausgesetzt wäre. Insbesondere sprach das BFA dabei den Ausführungen des BF die Glaubwürdigkeit ab, insbesondere sei sein Vorbringen vage, abstrakt, unglaubwürdig und widersprüchlich gewesen. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Insbesondere handle es sich beim BF um einen jungen und arbeitsfähigen Mann mit familiären Anknüpfungspunkten in Bangladesch. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und würden zudem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.4. Mit Schriftsatz vom 11.05.2018 wurde der Bescheid des BFA vom 10.04.2018 seitens des BF wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und mangelnder Beweiswürdigung angefochten.

Begründend wurde dabei zusammengefasst ausgeführt, dass dem BF in Bangladesch aufgrund seiner sexuellen Orientierung eine Verfolgung drohe. Homosexuelle würden in Bangladesch eine soziale Gruppe darstellen, deren Mitglieder von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet werden würden. Aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes gehe hervor, dass von einem Asylwerber nicht erwartet werden könne, seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim zu halten. Im konkreten Fall liege eine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe vor. Unter Berücksichtigung der Länderberichte sei das Vorbringen des BF als plausibel zu bewerten, was in weiterer Folge zu der rechtlichen Beurteilung führen müsse, dass die Fluchtgründe des BF von Asylrelevanz seien. Das von Seiten des BFA geführte Ermittlungsverfahrens sowie die folgende Beweiswürdigung seien mangelhaft, insbesondere sei eine eingebrachte Stellungnahme unberücksichtigt geblieben. Bei gesetzmäßiger Führung des Ermittlungsverfahrens sowie mangelfreier Beweiswürdigung hätte dem BF die Flüchtlingseigenschaft bzw. in eventu subsidiärer Schutz zuerkannt werden müssen.

I.5. Mit Datum vom 14.05.2018 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.6. Mit Schreiben vom 25.09.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem BF das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 19.10.2018 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung.

I.7. Mit Datum vom 17.10.2018 übermittelte der BF ein (ergänzendes) Schreiben, mit welchem er ergänzende Beweismittel vorlegte.

I.8. Am 19.10.2018 und 15.11.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt und auch der Zeuge XXXX einvernommen wurde.

I.9. Am 30.11.2018 wurde namens des BF eine ergänzende Stellungnahme eingebracht sowie beantragt, das Ermittlungsverfahren gemäß § 39 Abs. 4 iVm 45 Abs. 4 AVG fortzusetzen.

I.10. Mit Entscheidung des BVwG vom 05.12.2018, XXXX , wurde der Beschwerde keine Folge gegeben und die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Dagegen wendete sich die ao. Revision des BF. Der VwGH hob das genannte Erkenntnis mit Entscheidung vom 25.06.2019, XXXX wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

I.11 Das BVwG hat daraufhin mit Ladung vom 04.11.2019 eine neuerliche Verhandlung für den 29.11.2019 anberaumt, wobei dieser Ladung die aktuelle Version des Länderberichtes Bangladesch (Marz 2019) beigelegt wurde. Am Beginn dieser Verhandlung wurde das Erkenntnis des VwGH eingehend erörtert.

In der Begründung des Erkenntnisses des VwGH wird insbesondere dargelegt, dass das Verwaltungsgericht die Verpflichtung habe, das maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln. Im vorliegenden Fall habe sich das BVwG nicht ausreichend mit den Fluchtgründen betreffend die sexuelle Orientierung des BF auseinandergesetzt. Die an den BF gerichteten Fragen würden sich lediglich auf die Beziehung zu dem einvernommenen Zeugen beschränken. Darüber hinaus habe sich das BVwG nicht mit dem vorgelegten Mitgliederausweis der Homosexuellen Initiative Wien und dessen Beweiswert für die vom Revisionswerber behauptete Homosexualität auseinandergesetzt. Schließlich sei zur Gänze eine schriftliche Stellungnahme eines weiteren angeblichen Geschlechtspartners des Revisionswerbers übergangen worden. Auch die Verifizierung einer bei der Polizei im Herkunftsort des Revisionswerbers eingebrachten Beschwerde wegen dessen (behaupteter) Homosexualität sei als entbehrlich erachtet worden und unberücksichtigt geblieben. Die Annahme des BVwG, wonach eine konkrete strafrechtliche Gefährdung für Homosexuelle im Herkunftsstaat nicht bestünde und daher selbst unter Zugrundelegung einer solchen sexuellen Ausrichtung des Revisionswerbers keine andere Entscheidung zu treffen wäre, vermochte das angefochtene Erkenntnis schon im Hinblick auf die unterbliebene Ermittlung betreffend die bei der Polizei im Herkunftsort gegen den Revisionswerber eingebrachte Beschwerde und das damit erfolgte Vorbringen einer Strafverfolgung nicht zu tragen.

Im Rahmen dieser Verhandlung vor dem BVwG wurden die nach Ansicht des VwGH offenen Punkte abgearbeitet.

Zuvor jedoch wurde festgehalten, welche Änderungen sich seit der letzten Verhandlung ergeben hätten. Der BF übergab daraufhin weitere Unterlagen, nämlich sieben Seiten, alle in bengalischer Sprache, betreffend sein behauptetes Strafverfahren in Bangladesch wegen seiner sexuellen Orientierung. Darüber hinaus seien angeblich weitere Dokumente postalisch unterwegs.

Hinsichtlich seiner beruflichen Tätigkeiten legte der BF einen Versicherungsauszug der österreichischen Sozialversicherung vor. Er sei als Selbständiger gemeldet und unternehme Zustellfahrten (Lieferservice).

Als weiteres Dokument wurde eine Bestätigung über die Mitgliedschaft und die Inanspruchnahme des XXXX Veranstaltungs- und Informationsangebotes vom 22.11.2019, gezeichnet von „ XXXX “, vorgelegt.

Schlussendlich legte der BF eine Bestätigung des Besuches eines Deutschkurses A2 vor; über Nachfrage teilte der BF mit, dass er zwar den Kurs besucht, die Prüfung jedoch nicht bestanden habe.

Durch Vorlage von fünf Fotographien wurde die Teilnahme des BF an der Gay-Parade im Juni 2019 dokumentiert.

Befragt zu seinem Gesundheitszustand führte der BF aus, dass er Schmerzen in der Hand habe, dies jedoch nicht therapieren lasse. Der Arzt hätte gemeint, er soll eine Operation machen, aber der BF habe Angst davor.

Befragt, welche Änderungen sich seit der letzten Entscheidung ergeben hätten, teilte der BF mit, er sei psychisch zusammengebrochen und leide an der Unsicherheit. Er hätte Angst, nach Bangladesch zurückgeschickt zu werden und dass er dort ins Gefängnis komme, weshalb er auch Selbstmordgedanken gehabt hätte. Er befürchtete, dass er in seinem Traumland Österreich nicht mehr leben könnte.

Hinsichtlich seiner Deutschkenntnisse musste in der Verhandlung festgestellt werden, dass mit dem BF eine Konversation in deutscher Sprache schwer möglich ist, da der Sprachwortschatz sehr begrenzt ist. Die Verständlichkeit der Antworten erfolgte nicht in vollen Sätzen und man musste den Antworten mit großer Aufmerksamkeit begegnen.

Der BF habe keine Kinder. Befragt zu einer Beziehung führte der BF aus, dass er einen Freund habe, aber dieser sei kein „Boyfriend“. Er habe eine sexuelle Beziehung, aber keine Partnerschaft. Dieser sexuelle Freund habe einen Partner, der in Bangladesch sei und auf diesen Freund warte.

Der BF habe noch andere sexuelle Beziehungen; er habe auch schon in Bangladesch sexuelle Beziehungen zu männlichen Personen gehabt, nämlich zu fünf bis sechs Personen.

Zu seiner Familie in Bangladesch habe er keinen Kontakt, lediglich mit dem Schwager. Dieser habe ihm die Unterlagen über das behauptete Strafverfahren organisiert. Für die Unterlagen – das Verfahren selbst würde ja nichts kosten - habe der Schwager 2000 bis 1000 Taka, vielleicht 5000 Taka bezahlt, aber der Schwager würde es dem BF nicht sagen, weil der Schwager reich sei und es in seiner Verantwortung einfach mache.

Aus Bangladesch werde der BF, seit er hier selbständig arbeite, nicht unterstützt. In seiner Freizeit gehe er zur XXXX und nehme an verschiedenen Kulturprogrammen teil, wie zB der Regenbogenparade. Er gehe auch zur XXXX “ und ins „ XXXX , beides Orte für männliche gleichgeschlechtliche Sexualkontakte, wie der bei der Verhandlung anwesende Vertreter von XXXX unterstützend ausführte. Der BF versuche homosexuelle Personen zu treffen um Freunde zu gewinnen. Diese Freunde seien von allen Ländern und er unterhalte sich mit ihnen ein wenig auf Deutsch, sonst auf Englisch.

In weiterer Folge vertiefte und konzentrierte sich die Einvernahme auf die vom VwGH angesprochenen Punkte.

Befragt, wie sich die behauptete Homosexualität bereits in Bangladesch geäußert habe, erzählte der BF dem Grunde nach die gleiche Geschichte, wie er sie bereits in seiner Einvernahme vor dem BFA am 21.03.2018 darlegte.

Zusammengefasst führte er aus, dass er bereits ab seiner Zeit auf dem College, von 1997 weg, immer dann, „wenn er schöne Männer sah, … Sex mit ihnen haben oder sie lieben“ wollte. In dieser Zeit hatte er mit einem Mann gleichgeschlechtlichen Sex.

2001, als er auf der Universität in XXXX war, hatte er einen Freund namens XXXX Mit diesem wohnte er zusammen und hatte Sex. Die Freunde auf dem College hätten sich gewundert und sie als „Zwillingszusammenschluss“ betitelt. Es seien die anderen eifersüchtig gewesen und hätten sich gefragt, wie zwei Männer so zusammen sein konnten. Sie hätten auch Scherze gemacht, ihnen nachgerufen und der BF habe sich immer schlecht und erniedrigt gefühlt. Nach drei Jahren hätten sie das College mit dem Bachelor-Abschluss beendet. Sein Freund sei sodann auf eine andere Universität gegangen, um ein Masterstudium fortzusetzen.

Der BF habe sich sehr einsam gefühlt, denn er konnte ja mit niemandem darüber reden, dass sein „Ehemann“ weggegangen sei. Homosexualität habe weniger Wert als eine Schlampe oder ein Hund und sei mit Strafe bedroht. Man könnte dafür auch gelyncht werden.

Er sei nach Abschluss seines Masterstudiums im Jahr 2008 für zwei Monate nach Hause in sein Dorf gegangen. Seine Familie habe bemerkt, dass er „nicht normal“ sei. Danach sei er nach XXXX zurückgekehrt. Er habe dort eine Arbeitsstelle angenommen. Wegen der Zufriedenheit mit seiner Leistung habe man ihn XXXX versetzt. Eines Tages habe er mit einem Arbeitskollegen nach einem Abendessen, bei dem auch Alkohol konsumiert worden sei, Sex gehabt; sie hätten verschlafen, seien am nächsten Abend dann von Kollegen und dem Chef bedroht worden, um zu gestehen, dass sie Sex miteinander gehabt hätten, was sie aber nicht bestätigten. Trotzdem seien sie gefeuert worden.

Daraufhin sei der BF wieder in sein Dorf gegangen. Er habe Verwandtenbesuche gemacht, jedoch hätten sich die Verwandten beim Vater des BF „beschwert, weil ich ein mädchenhaftes Verhalten hatte“. Bei einem Familientreffen habe ihn der Vater mitgeteilt, dass er sein mädchenhaftes Verhalten ablegen sollte, ansonsten er aus der Familie ausgestoßen werden würde. Er habe jedoch sein Verhalten nicht geändert.

Der BF gab danach an, zum Jahreswechsel 2008/2009 bei „ XXXX “ in XXXX gearbeitet zu haben, korrigierte dies jedoch unmittelbar in seiner Aussage.

Hingegen habe der BF im Dezember 2008 einen Job bei „ XXXX “ in XXXX erhalten. Er habe dort für 14 Monate als Verkaufsassistent gearbeitet. Er hatte während dieser Arbeit „kein gutes Verhalten“, er hatte „ein mädchenhaftes Verhalten“. Der Boss habe ihn daraufhin gekündigt.

Er sei dann wieder in sein Heimatdorf zurückgegangen. Er habe Verwandtenbesuche gemacht, diese hätten sich über sein mädchenhaftes Verhalten beschwert, worauf hin – nach einem Familientreffen – er aufgefordert wurde, sich zu ändern. Er sei dann drei bis vier Monate zu Hause und arbeitslos gewesen.

Im Mai 2010 habe der BF eine Arbeit bei „ XXXX “ als Kassier in der Stadt XXXX erhalten. Immer, wenn ein attraktiver Mann zu ihm gekommen sei habe er versucht dessen Hand zu berühren und er „wollte diesen küssen“. Er habe „unnötige Verzögerungen veranstaltet“. Er hätte wieder „ein mädchenhaftes Verhalten“ an den Tag gelegt.

Am 16. Dezember 2010, dem „Siegestag“, habe er ihm Rahmen einer Kulturveranstaltung eine Schauspiel-Rolle übernommen. In einer Pause beim gemeinsamen urinieren in einem Park habe er einen Kollegen aufgefordert, in seine Wohnung zu kommen, wobei sie danach Sex gehabt hätten.

Hinsichtlich seines Verhaltens bei der Arbeit habe der Boss den BF wegen Beschwerden über ihn ermahnt. Die Firma habe ihn in weiterer Folge für drei Monate nach XXXX , zwei Stunden von XXXX entfernt, geschickt. Eines Morgens ging es dem BF nicht so gut, so dass er seinem befreundeten Arbeitskollegen ersuchte, dem Boss zu sagen, dass er nicht kommen könne. Der Arbeitskollege sei sodann gegen 10 Uhr 30 zu ihm gekommen und sie seien gemeinsam auf den Markt gegangen. Nach dem Einkauf seien sie nach Hause gegangen, hätten gekocht und Sex gehabt.

Sie hätten damit gerechnet, dass die anderen Arbeitskollegen in der Arbeit seien. Aber es hätten Arbeitskollegen plötzlich die Tür eingeschlagen, und hätten sie im nackten Zustand erwischt. Sie seien verprügelt worden. Der Boss sei angerufen worden, und habe dieser mitgeteilt, dass er den BF in der Stadt nicht mehr sehen wollte; die Firma hätte zwecks Strafe „rechtliche Maßnahmen einleiten oder mich religionsbedingt umbringen lassen“ können; der Boss habe dies aber nicht gemacht, um ihre Firma zu retten.

Mittlerweile sei es Juli 2014 gewesen. Er habe somit die Arbeit verloren und sei für 15 Monate nach XXXX gegangen und nicht mehr nach Hause. Er habe sich dann entschlossen nicht in Bangladesch zu bleiben und habe im Internet erfahren, dass Wien eine Stadt ist, wo Homosexuelle Sicherheit erhalten. Über Bekannte habe er einen Schlepper gefunden, er sei „dann mit dem Schlepper hierhergekommen, es war Dezember 2014, 2015“.

In XXXX habe er nicht gearbeitet, er sei somit arbeitslos gewesen und habe vom ersparten Geld gelebt.

Befragt, was der BF in seinen Schilderungen unter „mädchenhaftes Verhalten“ verstehe, führte dieser aus, dass er, wenn ein Kunde kam, er ihn so festgehalten und „Dings“ gemacht habe. Näher befragt gab der BF an, dass er „wenn er gegangen sei, immer etwas schief gegangen“ sei. Wenn ein schöner Kunde kam, habe er „die Hand ausgestreckt und versucht ihn zu küssen oder ihn begonnen am Bein zu massieren oder habe versucht von unten so bis hinauf zu gehen“. Männer würden das nicht machen, das seien „ja eigentlich Mädchensachen“. Deswegen seien die Kunden immer genervt gewesen. Er habe „immer eine Schwäche in mir, wie Mädchen immer eine Schwäche haben oder wie Mädchen immer pflegen, habe ich auch immer, wie sie, einen Ehemann massieren oder pflegen, versucht, es ebenfalls zu machen.“ Manchmal habe er Kunden am Kopf oder am Körper berührt oder gedrückt.

Er habe dies bei schönen Menschen gemacht. Bei Fremden habe er versucht, sie vorher kennenzulernen.

Einen homosexuellen Mann würde der BF „bei den Augen“ erkennen. Homosexuelle „haben etwas anders die Augen und den Mund. Das erkennt man einfach. Wenn man sie so berührt bekommen sie Gefühle.“ Wenn man einen nichthomosexuellen Mann im Penisbereich oder am Oberschenkel oder am Gesäß berühre oder massiere, dann bekommen sie keine Gefühle, Homosexuelle schon. Der BF würde homosexuelle Männer ansprechen und ihnen Dinge tun, sie an verschiedenen Teilen berühren oder Beine und Hände massieren wollen. Ein nichthomosexueller Mann würde nicht über Sex sprechen oder nur indirekt über Sex sprechen. Nichthomosexuelle Männer würden dies gar nicht hören wollen.

1997, auf dem College, hätte er erstmals Sex mit einem Mann gehabt. Ab 25. Mai 2001 habe er sich als homosexueller Mann gefühlt. Über seine Gefühle habe er lediglich mit seinen Sexualpartnern gesprochen. Mit seiner Familie habe er nicht darüber gesprochen, auch nicht mit nichthomosexuellen Männern oder Freunden.

Homosexuelle Beziehungen habe er in Bangladesch zwischen 2001 und 2014, somit zumindest 13 Jahre lang, gehabt, wobei er seine zusätzlichen sexuellen Erfahrungen am vierjährigen College nicht dazu zählen würde.

Er wüsste nunmehr, dass er sein ganzes Leben hindurch einen Mann brauchen würde.

In weiterer Folge wurde in der Verhandlung vor dem BVwG der nächste Punkt, nämlich die Beziehung des BF zum Verein XXXX behandelt.

Hinsichtlich seiner Mitgliedschaft zur XXXX befragt gab der BF an seit 2018 Mitglied zu sein. Vor Juni 2018 habe er die XXXX nicht gekannt. Er sei zu einer XXXX Veranstaltung gegangen und habe erfahren, dass XXXX eine Homosexuelleninstitution sei.

Er habe im Internet recherchiert und sei zur XXXX gegangen. Er habe keinen Mitgliedschaftsbeitrag bezahlt. Es sei kostenlos, sie würden kein Geld nehmen.

Hinsichtlich der Vereinsstatuten – die Regeln und Pflichten der Mitglieder – würde er nicht Bescheid wissen. Er gehe nur zu Veranstaltungen.

Nachgefragt, sagte der BF aus „Nein, über Regeln hat mir keiner was gesagt.“ Er wisse auch nicht, dass er eine Mitgliedergebühr zahlen müsse. Er wisse zwar, dass es verschiedene Funktionen gäbe, aber er kenne die Funktionäre nicht. Er wisse, dass die Organisation zwei Bosse habe. Einen Mann und eine Frau, letztere benannte er auch phonetisch. Über die Pflichten eines Vereinsmitgliedes wisse er lediglich, dass man helfen müsse, wenn man zu einer Veranstaltung eingeladen werde. Man dürfe immer nur die Wahrheit präsentieren, dürfe nicht „Dings“ machen und „man muss homosexuell sein“. Hinsichtlich des Schiedsgerichtes bei Streitigkeiten der Vereinsmitglieder untereinander sowie hinsichtlich der Rechnungsprüfung konnte der BF keine sachgerechten Angaben machen.

Auf die Frage, ob die Mitgliedschaft eine Bestätigung für seine Homosexualität sei, antwortete der BF „Ja, natürlich“. Er denke auch, dass XXXX „nur ein Verein für Homosexuelle“ sei.

Ein Aufnahmepapier habe er unterschrieben, es sei auf Deutsch gewesen, lesen konnte er es nicht, aber man habe ihm „die Gesetze und die Regeln“ erklärt, er könne sich jedoch nicht mehr erinnern.

Abschließend bestätigte der BF, dass er „nie Geld hergegeben“ habe.

Der Vertreter des BF beantragte sodann die Geschäftsführerin des BF als Zeugin einzuvernehmen. Beweisthema sei die sexuelle Orientierung des BF, weil sie eigene relevante Wahrnehmungen habe.

In weiterer Folge wurde in der Verhandlung vor dem BVwG der nächste Punkt, nämlich die behauptete Strafverfolgung des BF, behandelt.

Befragt hinsichtlich des behaupteten Strafverfahrens in Bangladesch verwies der BF auf die Anfangs der Verhandlung dem Gericht vorgelegten sieben Seiten in bengalischer Sprache.

Gegen den Beschwerdeführer sei, so der BF, ein Haftbefehl ausgestellt worden, wenn er ins Land zurückkehren müsste. Er würde verhaftet werden, eine 10-jährige oder sogar eine lebenslängliche Gefängnisstrafe erhalten.

Er würde zusätzliche Unterlagen von seinem Schwager erhalten, innerhalb der nächsten zwei bis vier Tage, es könne aber auch sein, dass es morgen oder übermorgen ankomme. Nachgefragt musste der BF zugeben, dass der Schwager die Dokumente noch nicht einmal weggeschickt habe, „denn vom öffentlichen Notar dauert es immer so lange, bis er es bescheinigt“. Letztlich stellte sich heraus, dass die Dokumente noch nicht existieren.

Der Beschwerdeführervertreter beantragte, dass das Beweisverfahren noch nicht geschlossen werde, um Originalurkunden nachreichen zu können. Im Übrigen verwies der Vertreter des BF auf die UNHCR-Richtlinien, welche auch am 19.10.2018 vorgelegt worden seien. Weiters verwies er zur Entscheidung des EMRG vom 22.10.1981, 7525/76.

In weiterer Folge wurde in der Verhandlung vor dem BVwG der nächste Punkt, nämlich die Erörterung der schriftlichen Stellungnahme durch den Zeugen XXXX , behandelt.

Der vorsitzende Richter hielt fest, dass der vom BF namhaft gemachte Zeuge XXXX mit RSb-Brief vom 04.11.2019 an die im Akt einliegende Adresse in XXXX Wien geladen worden sei. Der Brief sei mit dem Vermerk „laut Information wohnhaft in 1100 Wien“ retourniert worden. Eine Abfrage im zentralen Melderegister habe jedoch die Richtigkeit der angegebenen Adresse in XXXX Wien bestätigt. Deshalb sei der Zeuge zusätzlich auch durch Aushang an der Amtstafel (vom 11.11.2019 bis 26.11.2019) geladen worden. Eine am Tag der Verhandlung neuerliche Abfrage aus dem zentralen Melderegister habe keine andere Adresse als die in XXXX Wien hervorgebracht.

Festgestellt wurde somit, dass der vom BF namhaft gemachte Zeuge zwar rechtens geladen wurde (sowohl direkt an die Meldeadresse als auch über Aushang an der Amtstafel), dieser Zeuge jedoch nicht erschienen ist. Eine weitere Erörterung der seinerzeitigen schriftlichen Stellungnahme erübrigte sich somit.

In weiterer Folge erging das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.12.2019, mit dem der Beschwerde keine Folge gegeben wurde.

Mit Erkenntnis des VfGH vom 22.09.2020, XXXX , hob dieser die Entscheidung des BVwG auf, weil die vom BF vorgelegten bengalischsprachigen Dokumente nicht übersetzt wurden und darüber hinaus das Vorbringen des BF, homosexuell zu sein, zu wenig berücksichtigt wurde.

In weiterer Folge ließ das BVwG die bengalischsprachigen Dokumente übersetzen und darüber hinaus auf ihre Richtigkeit beurteilen. Von einem Sachverständigen wurde schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass die vorgelegten Dokumente als gefälscht zu beurteilen sind.

In der bezughabenden Stellungnahme des BF beteuert dieser, dass er von Originaldokumenten ausgehe und man dies durch weitere Recherchen in Bangladesch, insbesondere durch Befragung der Anwälte, welche ihm die Dokumente zukommen ließen, verifizieren solle.

Unabhängig davon sei der BF aber homosexuell, wurde schon seinerzeit in Bangladesch deshalb verfolgt und würde der BF zwei weitere Zeugen zum Beweis seiner Homosexualität beantragen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und Angehöriger der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali.

Der BF ist in der Stadt XXXX geboren und aufgewachsen. Er hat in seinem Heimatland die Grundschule und zwei Jahre lang ein College besucht. Anschließend hat er fünf Jahre an der Universität studiert und den Master-Lehrgang in Accounting (Buchhaltung) abgeschlossen. Vor seiner Ausreise aus Bangladesch war der BF ohne Beschäftigung.

Die Eltern des BF und seine drei Schwestern halten sich in Bangladesch auf. Diese befinden sich in einer sehr guten finanziellen Lage. Ein Bruder des BF lebt in Malaysia.

Der BF ist im Jänner 2017 nicht legal in das Bundesgebiet eingereist. Er ist derzeit als selbständiger Bote erwerbstätig. Der BF behauptet in Österreich Mitglied des Vereins „ XXXX “ zu sein, engagierte sich jedoch während seines bisherigen Aufenthaltes nicht in einem nennenswerten Ausmaß ehrenamtlich. Er verfügt im Bundesgebiet über keine relevanten privaten Anknüpfungspunkte. Der BF verfügt über einen (sehr) begrenzten deutschen Sprachwortschatz. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF hat keine Familienangehörigen im Bundesgebiet. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des BF in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des BF.

Der BF ist gesund, hat jedoch Schmerzen in der Hand; eine empfohlene Operation lehnt der BF ab.

II.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Es wird festgestellt, dass der BF homosexuell ist.

Es wird festgestellt, dass der BF in seinem Heimatland eine Verfolgung bzw. Gefährdung zu befürchten hätte.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

SOGI - Sexuelle Orientierung und Genderidentität

Homosexuelle Handlungen sind illegal und können nach § 377 des „Bangladesh Penal Code, 1860“ (BPC) mit lebenslangen Freiheitsentzug (ILGA 3.2019), mit einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren, inklusive der Möglichkeit einer Geldstrafe bestraft werden (ILGA 3.2019; vgl. AA 27.7.2019). Das Gesetz wird nicht aktiv angewandt. Gerichtsverfahren oder Verurteilungen von Homosexuellen sind nicht bekannt (ÖB 8.2019). Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft (Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender und Intersex) berichteten, dass die Polizei das Gesetz als Vorwand benutzt, um LGBTI-Personen sowie feminine Männer, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, zu schikanieren (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 27.7.2019).

Homosexualität ist gesellschaftlich absolut verpönt und wird von den Betroffenen nicht offen gelebt. Wo Homosexuelle als solche erkannt werden, haben sie mit gesellschaftlicher Diskriminierung, in Einzelfällen auch mit Misshandlungen bis hin zum Mord zu rechnen (ÖB 8.2019; vgl. HRW 14.1.2020). Jedes Jahr wird über dutzende Angriffe auf Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichtet (FH 2020). Bei einem durch das Human Rights Forum Bangladesh (HRFB) eingereichten Bericht beim UN-Ausschuss gegen Folter vom 29.6.2019 wurden für den Zeitraum 2013 bis 2018 insgesamt 434 Beschwerden wegen schikanöser Behandlungen oder Misshandlungen angeführt. Davon betrafen 294 Fälle Angriffe gegen Angehörige sexueller Minderheiten (HRFB 22.6.2019).

Eine besondere Rolle kommt dem „dritten Geschlecht“ zu, den sogenannten „Hijras“, Eunuchen und Personen mit unterentwickelten oder missgebildeten Geschlechtsorganen. Diese Gruppe ist aufgrund einer langen Tradition auf dem indischen Subkontinent im Bewusstsein der Gesellschaft präsent und quasi etabliert. Dieser Umstand schützt sie jedoch nicht vor Übergriffen und massiver gesellschaftlicher Diskriminierung (AA 27.7.2019), auch wenn viele Hijras in klar definierten und organisierten Gemeinschaften leben, die sich seit Generationen erhalten haben. Obwohl sie eine anerkannte Rolle in der Gesellschaft Bangladeschs innehaben, bleiben sie trotzdem marginalisiert (DFAT 22.8.2019). Die Regierung verabsäumte es, den Schutz der Rechte von Hijras ordnungsgemäß durchzusetzen (HRW 14.1.2020).

LGBT-Organisationen, insbesondere für Lesben, sind selten (USDOS 11.3.2020). Es gibt keine NGO für sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität in Bangladesch, dafür aber NGOs wie „Boys of Bangladesh“, die „Bhandu Social Welfare Society“ und online Gemeinschaften wie „Roopbaan“, das lesbische Netzwerk „Shambhab“ und „Vivid Rainbow“ (ILGA 3.2019).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (22.8.2019): DFAT Country Information Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2016264/country-information-report-bangladesh.pdf, Zugriff 6.4.2020

FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

HRFB - Human Rights Forum Bangladesh (22.6.2019): veröffentlicht von CAT – UN Committee Against Torture: Stakeholders' Submission to the United Nations Committee against Torture, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014744/INT_CAT_CSS_BGD_35310_E.docx, Zugriff 6.4.2020

ILGA – International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (3.2019): State Sponsored Homophobia 2019 (Autor: Mendos, Lucas Ramon), https://www.ecoi.net/en/file/local/2004824/ILGA_State_Sponsored_Homophobia_2019.pdf, Zugriff 6.4.2020

ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 26.3.2020

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Hinsichtlich der Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF sowie zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und seiner Muttersprache wird den bereits im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen des BFA gefolgt, an denen sich im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel ergeben haben, zumal diese Feststellungen, die auf den im Verfahren vor dem BFA getätigten eigenen Angaben des BF gründen, im vorliegenden Beschwerdeschriftsatz auch nicht beanstandet wurden.

Die Feststellungen zur Herkunft des BF (geboren in Bangladesch), seiner Ausbildung, seinem Familienstand und seinen in Bangladesch aufhältigen Familienangehörigen legte auf Grund der Aussagen des BF das BFA dem angefochtenen Bescheid zu Grunde, diese decken sich mit dem vom BF im Verfahren mehrfach übereinstimmend getätigten Angaben und wurden im Beschwerdeschriftsatz nicht bestritten.

Die illegal erfolgte Einreise des BF ist aktenkundig. Dass der BF in die staatliche Grundversorgung einbezogen und er strafrechtlich unbescholten ist, geht aus einer Einsichtnahme in die österreichischen amtlichen Register (Grundversorgungs-Informationssystem, Fremdeninformationssystem, Zentrales Melderegister, Strafregister) hervor.

Dass der BF über sonstige private Anknüpfungspunkte in Österreich im nennenswerten Ausmaß verfügt war seinen diesbezüglich getätigten Angaben nicht zu entnehmen; die einzigen Anknüpfungspunkte ergeben sich aus seinen Tätigkeiten für XXXX und XXXX .

Auch dem Beschwerdeschriftsatz lassen sich keine darüber hinaus gehenden substantiierten Ausführungen entnehmen. Ebenso wurden im Laufe des Verfahrens keine weiteren Stellungnahmen abgegeben bzw. Unterlagen vorgelegt, aus denen anderes hervorgehen würde und sind die Ausführungen der belangten Behörde, wonach der BF im Bundesgebiet über keine relevanten privaten Anknüpfungspunkte verfügt nicht zu beanstanden. Der BF hat nach seiner letzten Eingabe derzeit keine feste Partnerschaft. Dass der BF am sozialen bzw. kulturellen Leben, ausgenommen in der LGBTI-Community, in Österreich teilnimmt, konnte mangels diesbezüglicher Angaben des BF bzw. der Vorlage von entsprechenden Unterlagen jedenfalls nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF gründen auf dessen eigenen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht. Im Laufe des Verfahrens wurden auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt, die derzeit gesundheitliche Beeinträchtigungen des BF nachweisen würden. Der BF hat keine lebensbedrohlichen Krankheiten vorgebracht.

II.2.2. Dem Fluchtvorbringen des BF, aufgrund seiner homosexuellen Neigung in Bangladesch verfolgt worden zu sein, sprach das BFA die Glaubhaftigkeit ab.

Diese Beurteilung ist nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht und der Begründung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes insoferne zu beanstanden, weil das Fluchtvorbringen des BF hinsichtlich einer Verfolgung des BF durch seine Aussagen dargelegt wurde; auch wenn der BF beispielsweise gefälschte Dokumente vorlegte, um sein Fluchtvorbringen zu untermauern, ist seinen Ausführungen, dass er seine Homosexualität im Verborgenen lebte, nach Ansicht des VfGH nicht entgegenzutreten.

Das Bundesverwaltungsgericht hat zu dem Beschwerdevorbringen des BF Verhandlungstermine mit zeugenschaftlichen Vernehmungen durchgeführt und den Sachverhalt erhoben.

Eine für die behauptete Verfolgung ausreichende Begründung hat der BF letztlich durch die jahrelange Homosexualität, die er im Verborgenen lebte, dargelegt.

Dass der BF in Österreich seine Homosexualität auslebt, war auf Grund seiner Schilderungen und der Zeugen glaubhaft.

Die Sorgen des BF vor Verfolgung wegen seiner homosexuellen Orientierung sind unter Zugrundelegung des zutreffenden Kapitels im Länderbericht berechtigt.

Die vom BF dargelegten Vorfälle stehen in Einklang mit den Länderfeststellungen, wonach Homosexuelle, wenn sie als solche erkannt werden, mit gesellschaftlicher Diskriminierung, in Einzelfällen auch mit Misshandlungen bis hin zum Mord zu rechnen zu haben, und jedes Jahr über dutzende Angriffe auf Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichtet wird.

Durch die geschilderten Ereignisse haben sich an der sexuellen Orientierung des BF im Verfahren nach dem Erkenntnis des VfGH für eine andere Beurteilung nicht ausreichende Zweifel ergeben, sodass die seinerzeitigen Erwägungen des BFA, die homosexuelle Orientierung des BF im Verfahren zu widerlegen, nicht ausreichten.

Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung konnte der Eindruck, dass der BF homosexuell ist, auf Grund seiner Ausführungen und der angebotenen Zeugen sowie glaubhaften innerstaatlichen Aktivitäten nicht falsifiziert werden.

Laut den Länderfeststellungen wird § 377 Strafgesetzbuch von Bangladesch zwar nicht aktiv angewandt, es aber als Vorwand benutzt, um LGBTI-Personen zu schikanieren. Ein offenes Bekenntnis zur Homosexualität ist in Bangladesch gesellschaftlich unmöglich und führt einerseits zur Ausgrenzung durch die dortige Gesellschaft und gesellschaftlichen Diskriminierungen. Jedes Jahr wird über dutzende Angriffe auf Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichtet. Auch dem BF, welcher bereits Diskriminierungshandlungen vor seiner Ausreise ausgesetzt gewesen sei, droht daher in Bangladesch aufgrund seiner sexuellen Orientierung eine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung.

Die getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat stützen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch und die darin angeführten Quellen. Das Länderinformationsblatt zu Bangladesch wurde dem Rechtsvertreter des BF vor Durchführung der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht. In den angeführten Länderfeststellungen wird eine Vielzahl von Berichten verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen zusammengefasst, die ein ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation in Bangladesch zeigen. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, zumal die Länderinformationen seitens des vertretenen BF unbestritten geblieben sind.

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich die Umstände unter Berücksichtigung der vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation bisher nicht (wesentlich) geändert haben.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

II.3.2. Zu A)

II.3.2.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates oder wegen Schutzes in einem EWR-Staat oder in der Schweiz zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Ausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat. Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Herkunftsstaates zugemutet werden kann. Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Gemäß Abs. 2 ist bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist ein Flüchtling, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, 2016/19/0074 uva.).

Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 2005 setzt gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus. Gleichfalls nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber.

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. VwGH 31.05.2001, 2001/20/0041; 23.07.1999, 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. VwGH 14.12.2000, 2000/20/0494; 06.10.1999, 98/01/0311; 14.10.1998, 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht soweit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (vgl. VwGH 21.09.2000, 98/20/0361; 04.05.2000, 99/20/0599).

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 07.11.2013, C-199/12, ausgesprochen, dass Art 9 Abs. 1 in Verbindung mit Art 9 Abs. 2 lit c der Qualifikations-Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, als solcher keine Verfolgungshandlung darstellt. Dagegen ist eine Freiheitsstrafe, mit der homosexuelle Handlungen bedroht sind und die im Herkunftsland, welches eine solche Regelung erlassen hat, tatsächlich verhängt wird, als unverhältnismäßige oder diskriminierende Bestrafung zu betrachten und stellt somit eine Verfolgungshandlung dar. Art 10 Abs. 1 lit d in Verbindung mit Art 2 Buchst c der Qualifikations-Richtlinie ist dahin auszulegen, dass vom Geltungsbereich der Richtlinie nur homosexuelle Handlungen ausgeschlossen sind, die nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten strafbar sind. Bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft können die zuständigen Behörden von dem Asylbewerber auch nicht erwarten, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden.

Der BF hat im Verfahren glaubhaft gemacht, dass er – durch das Bekanntwerden seiner Homosexualität in seinem Herkunftsland – Diskriminierungshandlungen von Privatpersonen ausgesetzt war bzw. sich jahrelang bemühte, seine homosexuelle Orientierung nicht bekannt zu machen.

Es ist davon auszugehen, dass die Homosexualität des BF im Fall einer Rückkehr in seiner Umgebung offenkundig wird, womit der BF mit hoher Wahrscheinlichkeit (erneut) Opfer diskriminierender Praktiken der Gesellschaft in Bangladesch werden würde, vor denen staatliche Organe Homosexuelle - den Länderfeststellungen zufolge - nicht zu schützen vermögen, sondern den Berichten zufolge vielmehr auch selbst in Schikanen involviert sein können.

Im Fall einer Rückkehr wäre der BF der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt und würde dieser maßgeblichen Einschränkungen in seinem Beziehungs- und Sexualleben unterliegen. Der BF wäre gezwungen, seine sexuelle Orientierung im Geheimen – unter ständiger Angst entdeckt zu werden – zu leben, um sich nicht der Gefahr von Diskriminierung, strafgerichtlicher Verfolgung oder körperlicher Schädigung auszusetzen.

Dies ist mit der Rechtsprechung nicht vereinbar, wonach auch vom BF nicht erwartet werden kann, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim haltet oder Zurückhaltung hinsichtlich seiner sexuellen Ausrichtung übt ("l'expression de son orientation sexuelle"), um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden (siehe dazu auch VfGH 21.06.2017, E3074/2016; VfGH 18.09.2014, E910/2014).

Es ist daher unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles davon auszugehen, dass dem BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ungerechtfertigte Eingriffe von erheblicher Intensität aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen drohen. Die behaupteten Diskriminierungen sind ein wesentliches Indiz für eine drohende Verfolgung im Fall einer Rückkehr des BF. Diese Verfolgung ist dem Heimatstaat zuzurechnen, weil der Heimatstaat des BF den Länderfeststellungen zufolge nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, von anderen Stellen ausgehende Verfolgungshandlungen hintanzuhalten.

Eine solche Behandlung droht dem BF in ganz Bangladesch, weil davon auszugehen ist, dass die Maßnahmen gegen ihn überall gesetzt werden könnten. Eine inländische Fluchtalternative besteht daher nicht.

Im vorliegenden Fall sind somit die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gegeben.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II.3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides ausführlich wiedergegeben.

Schlagworte

Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Diskriminierung Ersatzentscheidung Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Homosexualität inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative mündliche Verhandlung private Verfolgung sexuelle Orientierung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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