Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASVG §357;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/08/0008Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien 1. vom 11. November 1996, Zl. MA 15-II-K 38/96, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, und 2. vom 12. November 1996, Zl. MA 15-II-K 38/96, betreffend Zurückweisung eines Einspruches als verspätet (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1101 Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen erstangefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 26. Juni 1996, mit welchem ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist gegen den Bescheid der Gebietskrankenkasse vom 20. September 1994 abgewiesen wurde, keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.
Nach der Bescheidbegründung habe der Beschwerdeführer in seinem Einspruch geltend gemacht, er habe erst am 13. März 1996 durch eine Anfrage bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse erfahren, daß "ein bereits rechtskräftiger Haftungsbescheid" (nach dem Beschwerdevorbringen in Verbindung mit den der Beschwerde beigeschlossenen Unterlagen: betreffend die Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 10 ASVG als Geschäftsführer einer GesmbH) gegen ihn vorliege. Daraufhin habe er in seinen Geschäftsunterlagen Nachschau gehalten und festgestellt, daß ihm der Haftungsbescheid tatsächlich zugegangen sei. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum gegen den Haftungsbescheid nicht fristgerecht Einspruch erhoben worden sei. Zum damaligen Zeitpunkt habe er aber einen besonders umfangreichen Arbeitsaufwand im Zusammenhang mit dem Ausgleichsverfahren und einem Wohnungsverkauf zu bewältigen gehabt. Der Beschwerdeführer könne sich nicht entsinnen, den Haftungsbescheid bewußt zur Kenntnis genommen zu haben, da er sonst seinen Rechtsvertreter verständigt hätte. Vermutlich sei der Bescheid von einer Aushilfskraft ohne Bearbeitung einfach abgelegt worden. Es treffe ihn somit nur ein minderer Grad des Versehens an der Fristversäumnis. Nach Hinweis auf § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG führt die belangte Behörde sodann aus, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eingehende Schriftstücke mit der erforderlichen Sorgfalt durchzusehen seien. Dies habe der Beschwerdeführer seinen eigenen Angaben zufolge nicht getan, da ihm ansonsten der Haftungsbescheid über einen Betrag von S 500.000,-- hätte auffallen müssen. Habe er aber das Öffnen und Aufarbeiten der Post, wie er vermute, einer Aushilfskraft überlassen, so hätte er diese zumindest überwachen müssen. Dies sei vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet worden. Die Behörde habe daher davon ausgehen können, daß der Beschwerdeführer seine Sorgfaltspflichten, die ihm auch bei einer Mehrbelastung zuzumuten seien, verletzt habe. Nach Auffassung der belangten Behörde liege somit nicht nur ein minderer Grad des Versehens an der Versäumung der Einspruchsfrist gegen den Haftungsbescheid vor, weshalb der Einspruch als unbegründet abzuweisen gewesen sei.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde (demgemäß) der vom Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse vom 20. September 1994 erhobene Einspruch als verspätet zurückgewiesen.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In seiner Verfahrensrüge gegen den erstangefochtenen Bescheid macht der Beschwerdeführer geltend, daß die belangte Behörde kein Beweisverfahren durchgeführt und insbesondere seinen Anträgen, ihn als Auskunftsperson einzuvernehmen, nicht nachgekommen sei. Die vom Beschwerdeführer geschilderten Umstände seien so gelagert, daß eine Vernehmung des Beschwerdeführers zur Glaubhaftmachung dieser besonderen Umstände "unbedingt erforderlich" gewesen wäre, um sich "überhaupt ein ordnungsgemäßes tatsächliches Bild darüber zu verschaffen, warum es zu der Nichtbearbeitung des für den Beschwerdeführer ja massiv einschränkenden Haftungsbescheides gekommen" sei.
Damit zeigt der Beschwerdeführer keine Verfahrensmängel auf, bei deren Unterbleiben die belangte Behörde zu einem anderen Verfahrensergebnis hätte kommen können. Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist nämlich nicht geeignet, einen Wiedereinsetzungsgrund darzutun:
Der vom Beschwerdeführer der vorliegenden Beschwerde in Kopie beigelegten Wiedereinsetzungsantrag vom 25. März 1996 enthält einerseits das Zugeständnis des Beschwerdeführers, den Haftungsbescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 20. September 1994 erhalten zu haben, andererseits die Behauptung, daß er sich an diesen Haftungsbescheid "beim besten Willen nicht erinnern" könne. Warum gegen diesen Haftungsbescheid keine Berufung erhoben worden sei, sei "für ihn ... nicht nachvollziehbar".
Nach dem weiteren Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag versucht nun der Beschwerdeführer spekulative Erklärungsalternativen dafür anzubieten, aus welchem Grund gegen den Haftungsbescheid wohl ein Rechtsmittel nicht erhoben worden sei: Er erwägt, daß dafür "zahlreiche Gespräche mit der Hausbank ... und anderen Gläubigern ..., genauso wie mit der Ausgleichsverwalterin und dem Rechtsanwalt des Einschreiters" in Betracht kämen (wobei in der Folge nur Gespräche am 14. September, 29. September und 5. Oktober 1994 genannt werden), womit er offenbar zum Ausdruck bringen will, daß er durch die geistige Beschäftigung mit diesen Problemen den Haftungsbescheid nicht beachtet haben könnte. Andererseits erwähnt der Beschwerdeführer, daß "vermutlich" der Haftungsbescheid durch eine Aushilfskraft "ohne bearbeitet zu werden" abgelegt worden sei. Der Beschwerdeführer könne sich (immerhin) daran erinnern, daß er "in der fraglichen Zeit durch Personalmangel bedingt, selbst im Geschäft lange Zeiten tätig war, sodaß auch diesbezüglich seine starke persönliche Beanspruchung" gegeben gewesen sei. Es sei aber durchaus möglich, daß der Beschwerdeführer "den Haftungsbescheid beim Postamt behoben" habe; hätte er ihn aber "weiter bearbeitet" so hätte er "sicherlich" seinen Rechtsvertreter und die Ausgleichsverwalterin über einen solchen Haftungsbescheid "in Kenntnis gesetzt".
Mit diesem spekulativen, im wesentlichen auf Vermutungen aufbauenden Vorbringen vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun, daß er - im Sinne des gemäß § 357 ASVG auch im Verfahren vor dem Sozialversicherungsträger anwendbaren § 71 Abs. 1 AVG - "durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" gehindert war, die Einspruchsfrist einzuhalten (ganz abgesehen von der Frage, ob ihm am Eintritt eines solchen Ereignisses nur ein minderer Grad des Versehens zur Last zu legen wäre). Insbesondere ist aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers (das er auch in seiner Beschwerde wiederholt) nicht nachzuvollziehen, aus welchem Grund er außerstande war, den Haftungsbescheid wahrzunehmen, wo er ihn doch - wie er selbst einräumt - erhalten hat. Bei der jedem Bürger zumutbaren Sorgfalt im Umgang mit eigenhändig zuzustellenden, behördlichen Schriftstücken wäre es am Beschwerdeführer gelegen, den Inhalt dieses Kuverts bewußt "wahrzunehmen". Ist aber aufgrund einer solchen mangelnden Wahrnehmung des Gegenstandes dieses Kuverts (nämlich: des Bescheides) weder ein Fristvormerk durch den Beschwerdeführer vorgenommen, noch der Bescheid an den rechtsfreundlichen Vertreter zur rechtzeitigen Einbringung eines Einspruches weitergeleitet worden, dann kann von vornherein nicht gesagt werden, daß dies nicht abwendbar gewesen wäre. Auch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten "Gespräche" vom 14. September, 29. September und 5. Oktober 1994 lassen - unter Anwendung der Denkgesetze - keinen Schluß darauf zu, daß der Beschwerdeführer durch diese Gespräche ab dem 27. September 1994 (Datum der Hinterlegung der Postsendung beim zuständigen Postamt) während der gesamten Einspruchsfrist dauernd dispositionsunfähig gewesen wäre.
Da somit das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Wiedereinsetzungsantrag schon vor dem Hintergrund des Gesetzeswortlautes des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG als Darlegung eines Wiedereinsetzungsgrundes untauglich gewesen ist, haben die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse und die belangte Behörde diesen Antrag zu Recht abgewiesen. Es war daher auch nicht erforderlich, zu diesem Vorbringen ein Beweisverfahren durchzuführen.
Es wurde daher auch der Einspruch des Beschwerdeführers mit dem zweitangefochtenen Bescheid zu Recht als verspätet zurückgewiesen.
Da somit bereits aus der vorliegenden Beschwerde entnommen werden konnte, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997080007.X00Im RIS seit
03.04.2001