TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/25 W279 2216810-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.05.2021
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Entscheidungsdatum

25.05.2021

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W279 2216810-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs-und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1.2.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.3.2021 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 5.1.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Anlässlich seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF zu seinem Fluchtgrund befragt an, an seinem Arbeitsplatz habe es einen Landsmann gegeben der Sunnit gewesen sei. Dieser habe ihn oft im Geschäft besucht, bedroht und geschlagen. Eines Tages sei dieser zu ihm ins Geschäft gekommen und habe behauptet, dass der BF sein Kind umgebracht habe. Aus diesem Grund habe er Vergeltung gewollt und ihn sowie seine Familie mit dem Tod bedroht. Daraufhin habe der BF beschlossen mit seiner Familie zu flüchten.

3. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) am 4.7.2017 gab der BF an, er sei Tadschike und bekenne sich zur schiitischen Glaubensgemeinschaft des Islam. Er sei verheiratet und habe vier Kinder. Seine Frau heiße XXXX und lebe an einer anderen Adresse. Sie seien noch zusammen, er nehme aber an, sie wolle sich von ihm trennen, um schneller einen Status und mehr Geld zu bekommen. Im März 2016 habe es ein Betretungsverbot gegen seine Frau gegeben, er sei dabei mit den gemeinsamen vier Kindern in der Wohnung geblieben.

Der BF gab an, er sei im Iran, in XXXX geboren und sei als Kind mit seinen Eltern nach Afghanistan zurückgekehrt. Dort habe er in der Stadt XXXX , im Bezirk XXXX gemeinsam mit seiner Mutter, seinem Bruder, seiner Schwester, seiner Frau und den Kindern bis zu seiner Ausreise gelebt. Sein Vater sei ca. 8 Monate, bevor sie Afghanistan verlassen haben, getötet worden. Dieser habe Streit mit seinem Geschäftspartner gehabt. Dabei sei es um Geld gegangen. Wegen des Streites habe der Vater seinen Geschäftspartner bei der Polizei angezeigt, diese habe allerdings nichts herausfinden können. Eines Tages sei sein Vater nicht mehr nach Hause gekommen, er glaube, dass er umgebracht wurde.

Seine Mutter lebe nunmehr mit seinen Geschwistern im Iran. In Afghanistan habe der BF keine Familienangehörigen mehr, aber Freunde. Sein Freund XXXX lebe in XXXX und habe ihm auch bei der Ausreise geholfen.

In XXXX habe der BF ein Elektronikgeschäft geführt. Er habe fünf Jahre lang die Schule besucht, könne lesen und schreiben. Sein Geschäft habe er acht Jahre gehabt. Mit einem Mann namens XXXX habe er Probleme gehabt. In der Gegend sei er als gefährlicher Mann bekannt gewesen und die Leute hätten Angst vor ihm gehabt. Dieser habe ihn geschlagen, an der Hand verletzt und Ungläubiger genannt. Der Sohn eines Mitgliedes der „ XXXX “, namens XXXX sei entführt worden. Der BF habe Angst gehabt, dass ihm diese mächtigen Männer diese Entführung anhängen würden und er dadurch Probleme bekommen würde. Vor zwei Jahren hätten diese begonnen ihn zu schikanieren; das letzte Mal sei er drei Monate vor seiner Ausreise geschlagen worden. XXXX sei sein Geschäftsnachbar gewesen und habe ihn zwei Mal geschlagen. Im Falle einer Rückkehr fürchte der BF um sein Leben und das seiner Familie.

In Österreich würden noch der Bruder und die Schwester seiner Frau leben.

4. Am 11.7.2017 wurde die damalige Ehefrau des BF XXXX niederschriftlich vor dem BFA einvernommen. Im Wesentlichen sagte diese in Hinblick auf die Herkunft und die Wohnsituation in Afghanistan das Gleiche aus, wie schon der BF. Auch führte diese aus, dass ihr Ex-Ehemann ein Elektronikgeschäft in Afghanistan geführt habe. Zu ihrem Fluchtgrund befragt, gab die Ex-Ehefrau des BF an, die Probleme hätten angefangen, als ihr Schwiegervater gestorben sei. Es sei um das Erbe gegangen und ihr Mann habe sich mit seiner Mutter sowie der restlichen Familie angelegt. Deswegen hätten diese sie aus dem Haus, wo sie gewohnt habe, hinausgeschmissen. Ihr Ex-Ehemann habe gesagt, dass er keine Sekunde mehr in Afghanistan verbringen wolle und deshalb habe die Familie das Herkunftsland verlassen. Auf die Frage, ob sie etwas davon wisse, dass ihr Ex-Ehemann in seinem Geschäft überfallen worden wäre, antwortete die Ex-Ehefrau des BF, dass sie so etwas nicht mitbekommen habe. Vielmehr habe ihr Ex-Ehemann ihr die Geschichte hier erzählt und ihr auch gesagt, sie müsse das erzählen. Auf Nachfrage, wann der BF ihr die Geschichte erzählt habe, sagte diese bevor sie in Österreich eingereist seien.

5. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom XXXX hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), sondern gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Rückkehr mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

In der Entscheidungsbegründung wurde seitens des BFA im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF eine ihm im Herkunftsstaat drohende asylrelevante Gefährdung nicht habe glaubhaft machen können.

Zusammengefasst führte das BFA aus, dass der BF seine Fluchtgeschichte nicht nachvollziehbar, wenig detailreich und zu oberflächlich dargestellt habe. So habe der BF keine konkreten Angaben zu der Person machen können, die ihn verfolgt haben soll und sei es auch nicht nachvollziehbar, warum sich der BF nicht im Falle dieser vermeintlichen Geschehnisse mit Privatpersonen an die Polizei gewandt habe. Zudem käme hinzu, dass seine Ex-Ehefrau völlig unterschiedliche Angaben zu seinen Fluchtgründen im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme gemacht habe.

6. Der BF erhob gegen den oben genannten Bescheid fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerde und ficht diesen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang an.

Im Rahmen seiner Beschwerde führte der BF erstmals aus, dass er seit 8.3.2019 eine protestantische Kirche in Österreich besuche. Sein Interesse am Christentum bestehe schon seit Monaten, doch habe er aufgrund seines Wohnortes sowie mangelnder Sprachkenntnis bisher keine Kirche besuchen können, mit der Ausnahme eines Kirchenbesuchs in Linz vor drei bis vier Monaten. Bis zum Erlass des verfahrensgegenständlichen Bescheides sei sein Interesse am Christentum nicht konkret genug gewesen, um es dem BFA in einer ergänzenden Stellungnahme mitzuteilen. Zudem lehne der BF den Islam aufgrund der Gewalt, beispielsweise im Namen der Religion verübte Selbstmordattentate, sowie aufgrund der Verbreitung von Lügen ab. Bislang sei er noch nicht zum Christentum konvertiert, da er sich zuerst gut informieren und lernen wolle, bevor er diese wichtige Entscheidung trifft. So wurde in der Beschwerde ausgeführt, dass der BF nach der Definition der Apostasie als Islam-Abgefallener anzusehen sei und er daher im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Verfolgungshandlungen ausgesetzt sein würde.

7. Mit Eingabe vom 19.3.2021 beantragte der BF die Einvernahme des XXXX , welcher ihn auf die Taufe vorbereitet habe, als Zeugen zum Nachweis der Ausübung des christlichen Glaubens.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.3.2021 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi im Beisein der Rechtsvertreterin des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der BF zu seinem Gesundheitszustand, seinem Fluchtgrund, seinem Leben im Heimatland sowie in Österreich befragt wurde. Der Zeuge XXXX wurde ebenfalls einvernommen. Das BFA ist nicht erschienen.

Nach seinem Tagesablauf befragt gab der BF an, er lese in der Früh in der Bibel und versuche über „YouTube“ Deutsch zu lernen. Dann koche und putze er. Anschließend gehe er spazieren. Abends spreche er mit seiner Gruppe über „Imo-App“ über die Bibel.

Bislang habe der BF in Österreich aufgrund der mangelnden Arbeitserlaubnis nicht gearbeitet. Ehrenamtlich habe er sich in einem Pensionistenheim betätigt; dort habe er die Pensionisten einmal in der Woche in die Kirche gebracht und sei so auch selbst in die Kirche gegangen.

Wenn der BF eine positive Entscheidung bekomme, werde er in der Solartechnik arbeiten, da er in Afghanistan auch in der Tätigkeit aktiv gewesen sei und seine Kinder unterstützen wolle, damit diese eine bessere Zukunft bekommen können.

Geheiratet habe er in Afghanistan vor zehn oder elf Jahren und sei nunmehr seit drei Jahren offiziell geschieden, wohne aber seit viereinhalb Jahren getrennt von seiner Ex-Ehefrau. Jeden Samstag sehe er seine Kinder, sie kämen in der Früh zu ihm und würden bis zehn Uhr am Abend bei ihm bleiben. Einmal im Monat würden seine Kinder bei ihm übernachten. Er habe vier Kinder, XXXX , seine Tochter, 15 Jahre alt, besuche die Mittelschule in XXXX , XXXX sein Sohn, besuche dieselbe Mittelschule in XXXX , XXXX , sein Sohn, 11 Jahre alt, besuche die dritte Klasse Volksschule und XXXX , seine jüngste Tochter, 9 Jahre alt, besuche die zweite Klasse der Volksschule.

In Bezug auf seine Aussagen vor dem BFA gab der BF an, dass einige Dinge falsch übersetzt worden wären. So habe sein Vater Streit mit seinem Geschäftspartner gehabt, da es Unstimmigkeiten über den Bau von zwei Supermärkten gegeben habe. Der Geschäftspartner sei Eigentümer der Grundstücke gewesen sein und der Vater habe die Geschäfte darauf gebaut. Nach einer Auseinandersetzung über den Verkauf von einigen Geschäften sei der Vater ermordet worden. Der Geschäftspartner habe daraufhin zum BF gesagt, dass er ihm den Anteil seines Vaters zurückgeben solle und dass er sich nicht mehr hier blicken lassen solle, sonst bekäme er dasselbe Schicksal wie sein Vater.

Der BF gab an im Iran geboren worden zu sein und als kleines Kind nach Afghanistan zurückgekehrt zu sein. Im Alter von 23 oder 24 habe er Afghanistan verlassen.

Der BF führte weiters aus er sei Christ, seine Kinder seien immer noch Muslime. Wenn sie volljährig werden, würde er versuchen sie zum Christentum zu bekehren. Mit seiner Ex-Ehefrau rede er nicht über das Christentum, sie beleidige ihn deswegen. So habe sie zum ihm gesagt, er habe seine Religion verkauft und sei ein „ungläubiger Mensch“. Der BF sei in einem islamischen Land aufgewachsen. Doch im Islam sei alles Zwang, sobald man nicht bete, faste oder in die Moschee gehe, sei es Sünde. So habe man ihm beigebracht, man lande in der Hölle, wenn man eine kleine oder eine große Sünde begehe. Man bete auf Arabisch und er verstehe es nicht einmal. Er verstehe nicht, wenn Gott so liebevoll sei, wieso man wegen einer kleinen Sünde in der Hölle landen solle. Bis er in Europa angekommen war, sei alles zwanghaft gewesen. Seine Probleme hätten in Europa zugenommen und sein Gott habe ihn nicht erhört. Er sei hoffnungslos gewesen. Sein Freund namens XXXX , sei ein Christ gewesen und habe ihm gesagt, dass es in seiner Kirche einen Deutschkurs gäbe. Er sei mit offenen Armen willkommen geheißen worden. So habe er angefangen in der Bibel zu lesen. Er esse mittlerweile auch Schweinefleisch und trinke Alkohol. Mit seinen Kindern rede er nicht über das Christentum, da sie noch minderjährig seien und er Angst habe, dass seine Ex-Ehefrau den Kontakt verbiete.

Der Zeuge XXXX führte im Rahmen seiner Befragung aus, dass er den BF seit Februar oder März 2019 kenne, seitdem dieser in die Kirche der Baptistengemeinde-Projektgemeinde komme. Vor der Pandemie sei der BF ein- bis zweimal die Woche in die Kirche gekommen. Freitags habe er die Glaubenskurse besucht und sonntags sei er in die Kirche gegangen. Der BF habe 2019 einen Einführungskurs besucht und auch den Glaubenskurs sowie den Taufkurs absolviert. Der BF habe ihm und einer Mitarbeiterin namens XXXX über die Sorgen im Zusammenhang mit seinen Kindern erzählt. Er und XXXX hätten den BF seelsorgerisch begleitet. Der Zeuge sagte weiter aus, er sei lange Zeit Gemeindeältesters gewesen und habe eine ähnliche Leitungsfunktion wie ein Pastor. Beim BF habe er deutliche Veränderungen bemerkt, so sei der BF lange bestimmt durch seine Ängste gewesen. Nunmehr habe er mehr Verständnis für seine Ex-Ehefrau, sei ruhiger und könne besser mit Konflikte umgehen. Der BF sei bereit den nächsten Schritt zu tun, so besuche er nunmehr den Jüngerschaftskurs, ein Kurs, in welchem gelehrt wird, wie die Jünger Jesus nachfolgen. Zurzeit würden solche Kurse vorwiegend online stattfinden.

Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung legte der BF folgende Schriftstücke vor: Protokoll des Bezirksgerichtes XXXX vom 26.1.2021, Taufurkunde der Freikirchen Österreich vom 26.1.2020, Teilnahmebestätigung des ÖIF, Werte-und Orientierungskurs vom 8.4.22016, „ XXXX Lerntafel“ vom 11.3.2021, Bilder mit den Kindern vom 13.3.2021, Bilder einer Ganzkörpertaufe.

8. Mit Eingabe vom 21.4.2021 erstattete der BF eine Stellungnahme und legte eine Bestätigung der Wiener Lerntafel vom 9.4.2021 sowie einen Brief seiner Kinder XXXX und XXXX vom 12.4.2021 vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage der Verwaltungsakte der belangten Behörde und der herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in Afghanistan wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Folgendes festgestellt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF führt den im Spruch angeführten Namen und ist volljähriger Staatsangehöriger von Afghanistan. Seine Muttersprache ist Farsi. Der BF ist der Volksgruppe der Tadschiken zugehörig, hat sich zur sunnitischen Glaubensgemeinschaft des Islam bekannt und ist nunmehr zum Christentum konvertiert.

Der BF ist geschieden und hat vier Kinder. Die alleinige Obsorge für die gemeinsamen Kinder kommt der Mutter XXXX zu. Dem BF kommt ein Kontaktrecht zu.

Der BF ist im Iran, in Mashad geboren und ist im Kindesalter zusammen mit seinen Eltern nach Afghanistan zurückgekehrt. In Afghanistan lebte der BF in der Stadt XXXX , im Bezirk XXXX bis zu seiner Ausreise. Dort besuchte der BF fünf Jahre lang die Schule und betrieb in der Stadt XXXX ein Elektronikgeschäft. Im Herkunftsstaat verfügt der BF noch über Freunde; Familienangehörige des BF leben im Iran.

Der BF ist gesund, verfügt über Deutschkenntnisse und hat in Österreich diverse Deutsch-Kurse besucht. Der BF hat den Werte-und Orientierungskurs des ÖIF am 8.4.2016 absolviert, Er ist strafrechtlich unbescholten und nimmt Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der BF hatte in Afghanistan keine persönlichen Probleme mit staatlichen Organen, bewaffneten Gruppierungen wie den Taliban oder Privatpersonen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder dass der BF in seinem Herkunftsstaat jemals einer konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohung oder Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung ausgesetzt gewesen wäre.

1.3. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan:

Der BF wurde als sunnitischer Moslem erzogen und war traditionsgemäß mit der Religion verbunden. Der BF stand in Afghanistan und im Iran unter religiösem Druck.

Der BF hat sich gänzlich vom Islam abgewandt. Das auslösende Ereignis war seine Ankunft in Europa. In Österreich hat der BF den christlichen Glauben kennengelernt, geprüft und ist nunmehr getauftes Mitglied der Baptistengemeinde Projekt: Gemeinde (Freie Kirchen in Österreich). Seine Familie hat von der Konversion zum christlichen Glauben erfahren, ihn verstoßen und ihn aus dem Erbe ausgeschlossen. Auch seine Ex-Ehefrau bezeichnet den BF aufgrund seiner Konversion als „Ungläubigen“. Er würde auch in Afghanistan für das Christentum eintreten und sich zu seinem christlichen Glauben öffentlich bekennen. Er hat ein fundiertes Bibelwissen, er konnte die Fragen des Richters beantworten. Er hat den christlichen Glauben in sich aufgesogen und sein Leben neu nach christlichen Maßstäben geordnet.

Dem BF kann nicht zugemutet werden, seine bereits verinnerlichte christliche Weltanschauung zu unterdrücken. Aufgrund dieser Einstellung, die sich in der Glaubensüberzeugung und dem Leben in der Glaubensgemeinschaft manifestiert, besteht für den BF im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan die Gefahr, Opfer ernsthafter psychischer und physischer Gewalt zu werden.

Dem BF droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Wertehaltung und seiner Abwendung vom islamischen Glauben eine Verfolgung aus religiösen und/oder politischen Gründen. Vom afghanischen Staat kann er keinen effektiven Schutz erwarten. Es besteht keine innerstaatliche Fluchtalternative.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Länderspezifische Anmerkungen

COVID-19:

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

Berichten zufolge, haben sich mehr als 30.000 Menschen in Afghanistan mit COVID-19 angesteckt (WP 25.5.2020; vgl. JHU 26.6.2020), mehr als 670 sind daran gestorben. Dem Gesundheitsministerium zufolge, liegen die tatsächlichen Zahlen viel höher; auch bestünde dem Ministerium zufolge die Möglichkeit, dass in den kommenden Monaten landesweit bis zu 26 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert werden könnten, womit die Zahl der Todesopfer 100.000 übersteigen könnte. Die COVID-19 Testraten sind extrem niedrig in Afghanistan: weniger als 0,2% der Bevölkerung – rund 64.900 Menschen von geschätzten 37,6 Millionen Einwohnern – wurden bis jetzt auf COVID-19 getestet (WP 25.6.2020).

In vier der 34 Provinzen Afghanistans – Nangahar, Ghazni, Logar und Kunduz – hat sich unter den Sicherheitskräften COVID-19 ausgebreitet. In manchen Einheiten wird eine Infektionsrate von 60-90% vermutet. Dadurch steht weniger Personal bei Operationen und/oder zur Aufnahme des Dienstes auf Außenposten zur Verfügung (WP 25.6.2020).

In Afghanistan sind landesweit derzeit Mobilität, soziale und geschäftliche Aktivitäten sowie Regierungsdienste eingeschränkt. In den größeren Städten wie z.B. Kabul, Kandahar, Mazar-e Sharif, Jalalabad, Parwan usw. wird auf diese Maßnahmen stärker geachtet und dementsprechend kontrolliert. Verboten sind zudem auch Großveranstaltungen – Regierungsveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Sportveranstaltungen – bei denen mehr als zehn Personen zusammenkommen würden (RA KBL 19.6.2020). In der Öffentlichkeit ist die Bevölkerung verpflichtet einen Nasen-Mund-Schutz zu tragen (AJ 8.6.2020).

Wirksame Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von COVID-19 scheinen derzeit auf keiner Ebene möglich zu sein: der afghanischen Regierung zufolge, lebt 52% der Bevölkerung in Armut, während 45% in Ernährungsunsicherheit lebt (AF 24.6.2020). Dem Lockdown folge zu leisten, "social distancing" zu betreiben und zuhause zu bleiben ist daher für viele keine Option, da viele Afghan/innen arbeiten müssen, um ihre Familien versorgen zu können (AJ 8.6.2020).

Gesellschaftliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Auswirkungen

In Kabul, hat sich aus der COVID-19-Krise heraus ein "Solidaritätsprogramm" entwickelt, welches später in anderen Provinzen repliziert wurde. Eine afghanische Tageszeitung rief Hausbesitzer dazu auf, jenen ihrer Mieter/innen, die Miete zu reduzieren oder zu erlassen, die aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht arbeiten konnten. Viele Hausbesitzer folgten dem Aufruf (AF 24.6.2020).

Bei der Spendenaktion „Kocha Ba Kocha“ kamen junge Freiwillige zusammen, um auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu reagieren, indem sie Spenden für bedürftige Familien sammelten und ihnen kostenlos Nahrungsmittel zur Verfügung stellten. In einem weiteren Fall startete eine Privatbank eine Spendenkampagne, durch die 10.000 Haushalte in Kabul und andere Provinzen monatlich mit Lebensmitteln versorgt wurden. Außerdem initiierte die afghanische Regierung das sogenannte „kostenlose Brot“-Programm; bei den bedürftigen Familien – ausgewählt durch Gemeindeälteste – rund einen Monat lang mit kostenlosem Brot versorgt werden (AF 24.6.2020). In dem mehrphasigen Projekt, erhält täglich jede Person innerhalb einer Familie zwei Stück des traditionellen Brots, von einer Bäckerei in der Nähe ihres Wohnortes (TN 15.6.2020). Die Regierung kündigte kürzlich an, das Programm um einen weiteren Monat zu verlängern (AF 24.6.2020; vgl. TN 15.6.2020). Beispielsweise beklagten sich bedürftige Familien in der Provinz Jawzjan über Korruption im Rahmen dieses Projektes (TN 20.5.2020).

Weitere Maßnahmen der afghanischen Regierung

Schulen und Universitäten sind nach aktuellem Stand bis September 2020 geschlossen (AJ 8.6.2020; vgl. RA KBL 19.6.2020). Über Fernlernprogramme, via Internet, Radio und Fernsehen soll der traditionelle Unterricht im Klassenzimmer vorerst weiterhin ersetzen werden (AJ 8.6.2020). Fernlehre funktioniert jedoch nur bei wenigen Studierenden. Zum einen können sich viele Familien weder Internet noch die dafür benötigten Geräte leisten und zum Anderem schränkt eine hohe Analphabetenzahl unter den Eltern in Afghanistan diese dabei ein, ihren Kindern beim Lernen behilflich sein zu können (HRW 18.6.2020).

Die großen Reisebeschränkungen wurden mittlerweile aufgehoben; die Bevölkerung kann nun in alle Provinzen reisen (RA KBL 19.6.2020). Afghanistan hat mit 24.6.2020 den internationalen Flugverkehr mit einem Turkish Airlines-Flug von Kabul nach Istanbul wiederaufgenommen; wobei der Flugplan aufgrund von Restriktionen auf vier Flüge pro Woche beschränkt wird (AnA 24.6.2020). Emirates, eine staatliche Fluglinie der Vereinigten Arabischen Emirate, hat mit 25.6.2020 Flüge zwischen Afghanistan und Dubai wiederaufgenommen (AnA 24.6.2020; vgl. GN 9.6.2020). Zwei afghanische Fluggesellschaften Ariana Airlines und der lokale private Betreiber Kam Air haben ebenso Flüge ins Ausland wiederaufgenommen (AnA 24.6.2020). Bei Reisen mit dem Flugzeug sind grundlegende COVID-19-Schutzmaßnahmen erforderlich (RA KBL 19.6.2020). Wird hingegen die Reise mit dem Auto angetreten, so sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Zwischen den Städten Afghanistans verkehren Busse. Grundlegende Schutzmaßnahmen nach COVID-19 werden von der Regierung zwar empfohlen – manchmal werden diese nicht vollständig umgesetzt (RA KBL 19.6.2020).

Seit 1.1.2020 beträgt die Anzahl zurückgekehrter Personen aus dem Iran und Pakistan: 339.742; 337.871 Personen aus dem Iran (247.082 spontane Rückkehrer/innen und 90.789 wurden abgeschoben) und 1.871 Personen aus Pakistan (1.805 spontane Rückkehrer/innen und 66 Personen wurden abgeschoben) (UNHCR 20.6.2020).

Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 01.04.2021

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 6.10.2020; vgl. AA

16.7.2020) . Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha'i und Christen machen weniger als 1% der Bevölkerung aus (AA 16.7.2020; vgl. CIA 6.10.2020, USDOS

10.6.2020) . Genaue Angaben zur Größe der christlichen Gemeinschaft sind nicht vorhanden (USDOS 10.6.2020). In Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan (UP 16.8.2019; vgl. BBC 11.4.2019). Die muslimische Gemeinschaft der Ahmadi schätzt, dass sie landesweit 450 Anhänger hat, gegenüber 600 im Jahr 2017 (USDOS 10.6.2020).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 10.6.2020; vgl. FH 4.3.2020). Ausländische Christen und einige wenige Afghanen, die originäre Christen und nicht vom Islam konvertiert sind, werden normal und fair behandelt. Es gibt kleine Unterschiede zwischen Stadt und Land. In den ländlichen Gesellschaften ist man tendenziell feindseliger (RA KBL 10.6.2020). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens (AA 16.7.2020; vgl. USCIRF 4.2020, USDOS 10.6.2020), da es keine öffentlich zugänglichen Kirchen im Land gibt (USDOS 10.6.2020; vgl. AA 16.7.2020). Einzelne christliche Andachtsstätten befinden sich in ausländischen Militärbasen. Die einzige legale christliche Kirche im Land befindet sich am Gelände der italienischen Botschaft in Kabul (RA KBL 10.6.2020). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung dieser katholischen Kapelle unter der Bedingung, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Missionierung vermieden werde (KatM KBL 8.11.2017). Gemäß hanafitischer Rechtsprechung ist Missionierung illegal; Christen berichten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber (USDOS 10.6.2020). Die Abkehr vom Islam gilt als Apostasie, die nach der Scharia strafbewehrt ist (USDOS 10.6.2020; vgl. AA 16.7.2020). Wie in den vergangenen fünf Jahren gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen wegen Blasphemie oder Apostasie; jedoch berichten Personen, die vom Islam konvertieren, dass sie weiterhin die Annullierung ihrer Ehen, die Ablehnung durch ihre Familien und Gemeinschaften, den Verlust ihres Arbeitsplatzes und möglicherweise die Todesstrafe riskieren (USDOS

10.6.2020) .

Das Gesetz verbietet die Produktion und Veröffentlichung von Werken, die gegen die Prinzipien des Islam oder gegen andere Religionen verstoßen (USDOS 10.6.2020). Das neue Strafgesetzbuch 2017, welches im Februar 2018 in Kraft getreten ist (USDOS 10.6.2020; vgl. ICRC o.D.), sieht Strafen für verbale und körperliche Angriffe auf Anhänger jedweder Religion und Strafen für Beleidigungen oder Verzerrungen gegen den Islam vor (USDOS 10.6.2020).

Das Zivil- und Strafrecht basiert auf der Verfassung; laut dieser müssen Gerichte die verfassungsrechtlichen Bestimmungen sowie das Gesetz bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. In Fällen, in denen weder die Verfassung noch das Straf- oder Zivilgesetzbuch einen bestimmten Rahmen vorgeben, können Gerichte laut Verfassung die sunnitische Rechtsprechung der hana- fitischen Rechtsschule innerhalb des durch die Verfassung vorgegeben Rahmens anwenden, um Recht zu sprechen. Die Verfassung erlaubt es den Gerichten auch, das schiitische Recht in jenen Fällen anzuwenden, in denen schiitische Personen beteiligt sind. Nicht-Muslime dürfen in Angelegenheiten, die die Scharia-Rechtsprechung erfordern, nicht aussagen. Die Verfassung erwähnt keine eigenen Gesetze für Nicht-Muslime. Vertreter nicht-muslimischer religiöser Minderheiten, darunter Sikhs und Hindus, berichten über ein Muster der Diskriminierung auf allen Ebenen des Justizsystems (USDOS 10.6.2020).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsalierung gegenüber religiösen Minderheiten und reformerischen Muslimen behindert (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 10.6.2020).

Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 4.3.2020). Mitglieder der Taliban und des Islamischen Staates (IS) töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 10.6.2020; vgl. FH 4.3.2020). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 10.6.2020).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Konvertiten vom Islam riskieren die Annullierung ihrer Ehe (USDOS 10.6.2020). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind gültig (USE o.D.). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über das Religionsbekenntnis. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt. Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 10.6.2020).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 10.6.2020).

Anmerkung: Zu Konversion, Apostasie und Blasphemie siehe die jeweiligen Unterkapitel des Kapitels Religionsfreiheit.

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.7.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/loc al/2035827/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-jjnd_abschiebungsr

elevante_LageJn_derJslamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_16.

07.2020. pdf, Zugriff 12.10.2020

•        BBC (11.4.2019): Afghanistan’s one and only Jew, https://www.bbc.com/news/av/world-asia-478 85738/afghanistan-s-one-and-only-jew , Zugriff 12.10.2020

•        CIA - Central Intelligence Agency [USA] (6.10.2020): The World Factbook - Afghanistan, https: //www.cia.gov/the-world-factbook/countries/afghanistan/, Zugriff 12.10.2020

•        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Afghanistan, https://www.ecoi.net/e n/document/2030803.html, Zugriff 12.10.2020

•        ICRC - International Committee of the Red Cross (o.D.): National Implementation of IHL, https: //ihl-databases.icrc.org/applic/ihl/ihl-nat.nsf/implementingLaws.xsp?documentId=598034855221 CE85C12582480054D831&action=openDocument&xp_countrySelected=AF&xp_topicSelected =GVAL-992BU6&from=state&SessionID=DNMSXFGMJQ , Zugriff 12.10.2020

•        KatM KBL - Vertreter der katholischen Mission in Afghanistan mit Sitz in Kabul (8.11.2017): Informationen zur katholischen Mission in Afghanistan. Antwortschreiben, liegt bei der Staatendokumentation auf.

•        RA KBL - Lokaler Rechtsanwalt in Kabul (10.6.2020): Auskunft per E-Mail.

•        UP - Urdu Point (16.8.2019): Afghanistan’s Only Jew Has No Plans To Emigrate, Says Lives ’Like A Lion Here’, https://www.urdupoint.com/en/world/afghanistans-only-jew-has-no-plans-to-emigra- 691600.html , Zugriff 2.9.2019

•        USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2020): United States Commission on International Religious Freedom 2020 Annual Report; Country Reports: Tier 2 Countries: Afghanistan, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/Afghanistan.pdf, Zugriff

12.10.2020

•        USDOS - United States Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/06/AFGHANIST AN-2019-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf, Zugriff 12.10.2020

•        USE - United States Embassy in Afghanistan [USA] (o.D.): Marriage, https://af.usembassy.gov/u-s -citizen-services/local-resources-of-u-s-citizens/marriage/, Zugriff 12.10.2020

Schiiten

Letzte Änderung: 01.04.2021

DerAnteil schiitischer Muslime an der Bevölkerung wird auf 10 bis 19% geschätzt (CIA6.10.2020; vgl. AA 16.7.2020). Zuverlässige Zahlen zur Größe der schiitischen Gemeinschaft sind nicht verfügbar und werden vom Statistikamt nicht erfasst. Gemäß Vertretern der Religionsgemeinschaft sind die Schiiten Afghanistans mehrheitlich Jafari-Schiiten (Zwölfer-Schiiten), 90% von ihnen gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara. Unter den Schiiten gibt es auch Ismailiten (USDOS 10.6.2020).

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten (AA

16.7.2020) . Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen. Gemäß Zahlen von UNAMAgab es im Jahr 2019 10 Fälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten, die 485 zivile Opfer forderten (117 Tote und 368 Verletzte), was einem Rückgang von 35 % gegenüber 2018 entspricht, als es 19 Fälle gab, die 747 zivile Opfer forderten (233 Tote und 524 Verletzte). Der Islamische Staat Khorasan Provinz (ISKP) bekannte sich zu sieben der zehn Vorfälle und gab an, dass diese auf die religiöse Minderheit der schiitischen Muslime ausgerichtet waren (USDOS 10.6.2020). In den Jahren 2016, 2017 und 2018 wurden durch den Islamischen Staat (IS) und die Taliban 51 terroristischen Angriffe auf Glaubensstätten und religiöse Anführer der Schiiten bzw. Hazara durchgeführt (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 21.6.2019, CRS 1.5.2019).

Die schiitische Hazara-Gemeinschaft bezeichnet die Sicherheitsvorkehrungen der Regierung in den von Schiiten dominierten Gebieten als unzureichend. Die afghanische Regierung bemüht sich erneut um die Lösung von Sicherheitsproblemen im von schiitischen Hazara bewohnten Gebiet Dasht-e Barchi im Westen von Kabul-Stadt, das im Laufe des Jahres Ziel größerer Angriffe war, und kündigte Pläne zur Verstärkung der Präsenz der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) an. Nach Angaben der schiitischen Gemeinschaft gab es trotz der Pläne keine Aufstockung der ANDSF-Kräfte; es wurde jedoch angemerkt, dass die Regierung Waffen direkt an die Wachen der schiitischen Moscheen in Gebieten verteilt habe, die als mögliche Angriffsziele angesehen werden (USDOS 10.6.2020).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 4.3.2020). Obwohl einige schiitische Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demografischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiert. Vertreter der Sunniten hingegen geben an, dass Schiiten im Vergleich zur Bevölkerungszahl in den Behörden überrepräsentiert seien. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten; vier Parlamentssitze sind für Ismailiten reserviert (USDOS 10.6.2020).

Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime 25 bis 30% (AB 8.9.2020; vgl. USIP 14.6.2018, AA 2.9.2019). Des Weiteren tagen regelmäßig rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 10.6.2020).

Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten, Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 10.6.2020).

Anmerkung: Weiterführende Informationen zu Angriffen auf schiitische Glaubensstätten, Veranstaltungen und Moscheen können dem Kapitel „Sicherheitslage“ samt Unterkapiteln entnommen werden. Weiterführende Informationen zur mehrheitlich schiitischen Volksgruppe der Hazara finden sich im Kapitel „Ethnische Gruppen“ im Unterkapitel Hazara.

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.7.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/loc al/2035827/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsr elevante_LageJn_derJslamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_16.

07.2020. pdf, Zugriff 8.10.2020

•        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local /2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrel evante_LageJn_derJslamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09 .2019.pdf, Zugriff 8.10.2020

•        AB - Afghan Bios (8.9.2020): National Ulema Council Afghanistan AUC, http://www.afghan-bios. info/index.php?option=com_afghanbios&id=1218&task=view&total=3340&start=3067&Itemid=2 , Zugriff 8.10.2020

•        CIA - Central Intelligence Agency [USA] (6.10.2020): The World Factbook - Afghanistan, https: //www.cia.gov/the-world-factbook/countries/afghanistan/, Zugriff 9.10.2020

•        CRS - Congressional Research Service (1.5.2019): Afghanistan: Background and U.S. Policy In Brief, https://fas.org/sgp/crs/row/R45122.pdf, Zugriff 8.10.2020

•        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom of the World 2020, https://www.ecoi.net/en/document/2 030803.html , Zugriff 8.10.2020

•        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Afghanistan, https://www.ecoi.net/e n/document/2004321.html, Zugriff 8.10.2020

•        USDOS - United States Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/06/AFGHANIST AN-2019-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf, Zugriff 8.10.2020

•        USDOS - United States Department of State [USA] (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/AFGHANIST AN-2018-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf, Zugriff 8.10.2020

•        USIP - United States Institute of Peace [USA] (14.6.2018): Afghanistan's Imams Helped Achieve a Surprise Truce, https://www.usip.org/publications/2018/06/afghanistans-imams-helped-achieve-su rprise-truce , Zugriff 8.10.2020

Apostasie, Blasphemie, Konversion

Letzte Änderung: 01.04.2021

Glaubensfreiheit, die auch eine freie Religionswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan de facto nur eingeschränkt. Die Abkehr vom Islam (Apostasie) wird nach der Scharia als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht (FH 4.3.2020; vgl AA 16.7.2020, USDOS 10.6.2020).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 16.7.2020). Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam (LIFOS 21.12.2017). Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtsprechung Missionierung illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtsprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 10.6.2020) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung „religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323).

Wie in den vergangenen fünf Jahren gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen wegen Blasphemie oder Apostasie (USDOS 10.6.2020; vgl. AA 16.7.2020); jedoch berichten Personen, die vom Islam konvertierten, dass sie weiterhin die Annullierung ihrer Ehen, die Ablehnung durch ihre Familien und Gemeinschaften, den Verlust ihres Arbeitsplatzes und möglicherweise die Todesstrafe riskieren (USDOS 10.6.2020) Die afghanische Regierung scheint kein Interesse daran zu haben, negative Reaktionen oder Druck hervorzurufen (LIFOS 21.12.2017; vgl. RA KBL 10.6.2020) - weder vom konservativen Teil der afghanischen Gesellschaft, noch von den liberalen internationalen Kräften, die solche Fälle verfolgt haben (LIFOS 21.12.2017).

Es kann jedoch einzelne Lokalpolitiker geben, die streng gegen mutmaßliche Apostaten vorgehen und es kann auch im Interesse einzelner Politiker sein, Fälle von Konversion oder Blasphemie für ihre eigenen Ziele auszunutzen (LIFOS 21.12.2017).

Allein der Verdacht, jemand könnte zum Christentum konvertiert sein, kann der Organisation Open Doors zufolge dazu führen, dass diese Person bedroht oder angegriffen wird (AA

16.7.2020) . Die afghanische Gesellschaft hat generell eine sehr geringe Toleranz gegenüber Menschen, die als den Islam beleidigend oder zurückweisend wahrgenommen werden (LIFOS 21.12.2017; vgl. FH 4.3.2020). Obwohl es auch säkulare Bevölkerungsgruppen gibt, sind Personen, die der Apostasie beschuldigt werden, Reaktionen von Familie, Gemeinschaften oder in einzelnen Gebieten von Aufständischen ausgesetzt, aber eher nicht von staatlichen Akteuren (LIFOS 21.12.2017). Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 4.3.2020).

Abtrünnige haben Zugang zu staatlichen Leistungen; es existiert kein Gesetz, Präzedenzfall oder Gewohnheiten, die Leistungen für Abtrünnige durch den Staat aufheben oder einschränken. Sofern sie nicht verurteilt und frei sind, können sie Leistungen der Behörden in Anspruch nehmen (RA KBL 10.6.2020).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.7.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/loc al/2035827/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-jjnd_abschiebungsr elevante_LageJn_derJslamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_16.

07.2020. pdf, Zugriff 27.8.2020

•        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Afghanistan, https://www.ecoi.net/e n/document/2030803.html, Zugriff 6.8.2020

•        LIFOS - Center för landinformation och landanalys inom migrationsomrädet [Schweden] (21.12.2017): Temarapport: Afghanistan -Kristna, apostater och ateister, https://www.ecoi.net /en/file/local/1420820/1226j1515061800_171221551.pdf, Zugriff 27.8.2020

•        MoJ - Ministry of Justice [Afghanistan] (15.5.2017): Strafgesetz, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf

•        RA KBL - Lokaler Rechtsanwalt in Kabul (10.6.2020): Auskunft per E-Mail.

•        USDOS - United States Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/06/AFGHANIST AN-2019-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf, Zugriff 27.8.2020

Tadschiken

Letzte Änderung: 01.04.2021

Die Volksgruppe der Tadschiken ist die zweitgrößte Volksgruppe in Afghanistan (MRG o.D.d; vgl. RFE/RL 9.8.2019) und hat einen deutlichen politischen Einfluss im Land (MRG o.D.d). Sie machen etwa 27 bis 30% der afghanischen Bevölkerung aus (GIZ 4.2019; vgl. MRG o.D.d). Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan (Provinzen Badakhshan, Takhar, Baghlan, Parwan, Kapisa und Kabul) bilden Tadschiken in weiten Teilen des Landes ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten. In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit (GIZ 4.2019).

Als rein sesshaftes Volk kennen die Tadschiken im Gegensatz zu den Paschtunen keine Stammesorganisation (GIZ 4.2019; vgl. MRG o.D.d). Heute werden unter dem Terminus täjik „Ta- dschike“ fast alle dari/persisch sprechenden Personen Afghanistans, mit Ausnahme der Hazara, zusammengefasst (STDOK 7.2016).

Tadschiken dominierten die „Nordallianz“, eine politisch-militärische Koalition, welche die Taliban bekämpfte und nach dem Fall der Taliban die international anerkannte Regierung Afghanistans bildete. Tadschiken sind in zahlreichen politischen Organisationen und Parteien, die dominanteste davon ist die Jamiat-e Islami, vertreten (MRG o.D.d). Die Tadschiken sind im nationalen

Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (BI 29.9.2017).

Quellen:

•        BI - Brookings Institution, the (29.9.2017): Afghanistan Index, https://www.brookings.edu/wp-conte nt/uploads/2016/07/21csi_20171002_afghanistan_index.pdf, Zugriff 9.10.2020

•        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019): Länder-Informations- Portal Afghanistan - Gesellschaft, https://www.liportal.de/afghanistan/gesellschaft/ , Zugriff

9.10.2020

•        MRG - Minority Rights Group (o.D.d) [letztes Referenzdatum: 4.2017]: Afghanistan - Tajiks, https: //minorityrights.org/minorities/tajiks/, Zugriff 9.10.2020

•        RFE/RL - Radio Free Europe Radio Liberty (9.8.2019): Who's Who Among The Afghan Presidential Candidates, https://www.rferl.org/a/afghan-presidential-election-candidates/30102105.html , Zugriff 9.10.2020

•        STDOK - Staatendokumentation des BFA (7.2016): AfPak - Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, https://www.ecoi.net/en/file/local/1236701/90_1470057716_afgh-stammes-und-clanstru ktur-onlineversion-2016-07.pdf, Zugriff 9.10.2020

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus Pakistan

Die Grenze zu Pakistan war fast drei Monate lang aufgrund der COVID-19-Pandemie gesperrt. Mit 22.6.2020 erhielt Pakistan an drei Grenzübergängen erste Exporte aus Afghanistan: frisches Obst und Gemüse wurde über die Grenzübergänge Torkham, Chaman und Ghulam Khan nach Pakistan exportiert. Im Hinblick auf COVID-19 wurden Standardarbeitsanweisungen (SOPs – standard operating procedures) für den grenzüberschreitenden Handel angewandt (XI 23.6.2020). Der bilaterale Handel soll an sechs Tagen der Woche betrieben werden, während an Samstagen diese Grenzübergänge für Fußgänger reserviert sind (XI 23.6.2020; vgl. UNHCR 20.6.2020); in der Praxis wurde der Fußgängerverkehr jedoch häufiger zugelassen (UNHCR 20.6.2020).

Pakistanischen Behörden zufolge waren die zwei Grenzübergänge Torkham und Chaman auf Ansuchen Afghanistans und aus humanitären Gründen bereits früher für den Transithandel sowie Exporte nach Afghanistan geöffnet worden (XI 23.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus dem Iran

Die Anzahl aus dem Iran abgeschobener Afghanen ist im Vergleich zum Monat Mai stark gestiegen. Berichten zufolge haben die Lockerungen der Mobilitätsmaßnahmen dazu geführt, dass viele Afghanen mithilfe von Schmugglern in den Iran ausreisen. UNHCR zufolge, gaben Interviewpartner/innen an, kürzlich in den Iran eingereist zu sein, aber von der Polizei verhaftet und sofort nach Afghanistan abgeschoben worden zu sein (UNHCR 20.6.2020).

Quellen:

AF - Asia Foundation (24.6.2020): Afghanistan’s Covid-19 Bargain, https://asiafoundation.org/2020/06/24/afghanistans-covid-19-bargain/, Zugriff 26.6.2020

AJ - al-Jazeera (8.6.2020): Afghan schools, universities to remain closed until September, https://www.aljazeera.com/news/2020/06/afghan-schools-universities-remain-closed-september-200608062711582.html, Zugriff 26.6.2020

AnA – Andolu Agency (24.6.2020): Afghanistan resumes international flights amid COVID-19, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-resumes-international-flights-amid-covid-19/1888176, Zugriff 26.6.2020

GN – Gulf News (9.6.2020): COVID-19: Emirates to resume regular passenger flights to Kabul from June 25, https://gulfnews.com/uae/covid-19-emirates-to-resume-regular-passenger-flights-to-kabul-from-june-25-1.71950323, Zugriff 26.6.2020

HRW - Human Rights Watch (18.6.2020): School Closures Hurt Even More in Afghanistan, https://www.hrw.org/news/2020/06/18/school-closures-hurt-even-more-afghanistan, Zugriff 26.6.2020

JHU -John Hopkins Universität (26.6.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 26.6.2020

RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (19.6.2020): Antwortschreiben per Mail, liegt bei der Staatendokumentation auf.

TN – Tolonews (15.6.2020): Govt Will Resume Bread Distribution: Palace, https://tolonews.com/afghanistan/govt-will-resume-bread-distribution-palace, Zugriff 29.6.2020

TN – Tolonews (15.6.2020): Poor Claim ‘Unjust’ Bread Distribution in Jawzjan, https://tolonews.com/afghanistan/poor-claim-%E2%80%98unjust%E2%80%99-bread-distribution-jawzjan, Zugriff 29.6.2020

UNHCR – (20.6.2020): Border Monitoring Update COVID-19 Response 14-20 June 2020, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/77302, Zugriff 26.6.2020

WHO – World Health Organization (25.3.2020): Coronavirus disease 2019 (COVID-19) Situation Report –65, https://www.who.int/docs/default-source/coronaviruse/situation-reports/20200325-sitrep-65-covid-19.pdf?sfvrsn=2b74edd8_2, Zugriff 16.4.2020

WP - Washington Post (25.6.2020): Coronavirus sweeps through Afghanistan’s security forces, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-security-forces-military/2020/06/24/0063c828-b4e2-11ea-9a1d-d3db1cbe07ce_story.html, Zugriff 26.6.2020

XI – Xinhua (23.6.2020): Pakistan receives 1st Afghan export since COVID-19 pandemic, http://www.xinhuanet.com/english/2020-06/23/c_139159139.htm, Zugriff 26.6.2020

Stand: 18.5.2020

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

In 30 der 34 Provinzen Afghanistans wurden mittlerweile COVID-19-Fälle registriert (NYT 22.4.2020). Nachbarländer von Afghanistan, wie China, Iran und Pakistan, zählen zu jenen Ländern, die von COVID-19 besonders betroffen waren bzw. nach wie vor sind. Dennoch ist die Anzahl, der mit COVID-19 infizierten Personen relativ niedrig (AnA 21.4.2020). COVID-19 Verdachtsfälle können in Afghanistan aufgrund von Kapazitätsproblem bei Tests nicht überprüft werden – was von afghanischer Seite bestätigt wird (DW 22.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; NYT 22.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Auch wird die Dunkelziffer von afghanischen Beamten höher geschätzt (WP 20.4.2020). In Afghanistan können derzeit täglich 500 bis 700 Personen getestet werden. Diese Kapazitäten sollen in den kommenden Wochen auf 2.000 Personen täglich erhöht werden (WP 20.4.2020). Die Regierung bemüht sich noch weitere Testkits zu besorgen – was Angesicht der derzeitigen Nachfrage weltweit, eine Herausforderung ist (DW 22.4.2020).

Landesweit können – mit Hilfe der Vereinten Nationen – in acht Einrichtungen COVID-19-Testungen durchgeführt werden (WP 20.4.2020). Auch haben begrenzte Laborkapazitäten und -ausrüstung einige Einrichtungen dazu gezwungen Testungen vorübergehend einzustellen (WP 20.4.2020). Unter anderem können COVID-19-Verdachtsfälle in Einrichtungen folgender Provinzen überprüft werden: Kabul, Herat, Nangarhar (TN 30.3.2020) und Kandahar. COVID-19 Proben aus angrenzenden Provinzen wie Helmand, Uruzgan und Zabul werden ebenso an die Einrichtung in Kandahar übermittelt (TN 7.4.2020a).

Jahrzehntelange Konflikte in Afghanistan machen das Land anfällig für den Ausbruch von Krankheiten: nach wie vor ist Polio dort endemisch (als eines von drei Ländern weltweit) (WP 20.4.2020) außerdem ist das Gesundheitssystem fragil (AnA 21.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Beispielsweise mangelt es an adäquaten Medikamenten für Patient/innen, die an COVID-19 erkrankt sind. Jedoch sind die wenigen Medikamente, die hierfür zur Verfügung stehen, kostenfrei (ARZ KBL 7.5.2020). Der landesweite Mangel an COVID-19-Testkits sowie an Isolations- und Behandlungseinrichtungen verdeutlichen diese Herausforderung (AnA 21.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Landesweit stehen 10.400 Krankenhausbetten (BBC 9.4.2020) und 300 Beatmungsgeräte zur Verfügung (TN 8.4.2020; vgl. DW 22.4.2020; QA 16.4.2020). 300 weitere Beatmungsgeräte plant die afghanische Regierung zu besorgen. Weiters mangelt es an geschultem Personal, um diese medizinischen Geräte in Afghanistan zu bedienen und zu warten (DW 22.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Engpässe bestehen bei den PPE (personal protective equipment), persönlichen Schutzausrüstungen für medizinisches Personal; außerdem wird mehr fachliches Personal benötigt, um Patient/innen auf den Intensivstationen zu betreuen (ARZ KBL 7.5.2020).

Aufgrund der Nähe zum Iran gilt die Stadt Herat als der COVID-19-Hotspot Afghanistans (DW 22.4.2020; vgl. NYT 22.4.2020); dort wurde nämlich die höchste Anzahl bestätigter COVID-19-Fälle registriert (TN 7.4.2020b; vgl. DW 22.4.2020). Auch hat sich dort die Anzahl positiver Fälle unter dem Gesundheitspersonal verstärkt. Mitarbeiter/innen des Gesundheitswesens berichten von fehlender Schutzausrüstung – die Provinzdirektion bestätigte dies und erklärtes mit langwierigen Beschaffungsprozessen (TN 7.4.2020b). Betten, Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräte und Medikamente wurden bereits bestellt – jedoch ist unklar, wann die Krankenhäuser diese Dinge tatsächlich erhalten werden (NYT 22.4.2020). Die Provinz Herat verfügt über drei Gesundheitseinrichtungen für COVID-19-Patient/innen. Zwei davon wurden erst vor kurzem errichtet; diese sind für Patient/innen mit leichten Symptomen bzw. Verdachtsfällen des COVID-19 bestimmt. Patient/innen mit schweren Symptomen hingegen, werden in das Regionalkrankenhaus von Herat, welches einige Kilometer vom Zentrum der Provinz entfernt liegt, eingeliefert (TN 7.4.2020b). In Hokerat wird die Anzahl der Beatmungsgeräte auf nur 10 bis 12 Stück geschätzt (BBC 9.4.2020; vgl. TN 8.4.2020).

Beispiele für Maßnahmen der afghanischen Regierung

Eine Reihe afghanischer Städte wurde abgesperrt (WP 20.4.2020), wie z.B. Kabul, Herat und Kandahar (TG 1.4.2020a). Zusätzlich wurde der öffentliche und kommerzielle Verkehr zwischen den Provinzen gestoppt (WP 20.4.2020). Beispielsweise dürfen sich in der Stadt Kabul nur noch medizinisches Personal, Bäcker, Journalist/innen, (Nahrungsmittel)Verkäufer/innen und Beschäftigte im Telekommunikationsbereich bewegen. Der Kabuler Bürgermeister warnte vor "harten Maßnahmen" der Regierung, die ergriffen werden, sollten sich die Einwohner/innen in Kabul nicht an die Anordnungen halten, unnötige Bewegungen innerhalb der Stadt zu stoppen. Die Sicherheitskräfte sind beauftragt zu handeln, um die Beschränkung umzusetzen (TN 9.4.2020a).

Mehr als die Hälfte der afghanischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze (WP 22.4.2020): Aufgrund der Maßnahmen sorgen sich zehntausende Tagelöhner in Kabul und Herat um ihre Existenz. UNICEF zufolge, arbeiten allein in Kabul mindestens 60.000 Kinder, um das Familieneinkommen zu ersetzen (TG 1.4.2020). Offiziellen Schätzungen zufolge können z.B. in Herat-Stadt 150.000 Tagelöhner aufgrund des Lockdowns nicht arbeiten und haben somit kein Einkommen. Weil es in Herat an Ressourcen mangelt, um Hunderttausende zu ernähren, nimmt die Bevölkerung die Bedrohung durch das Virus nicht ernst. Zwar hat die Bevölkerung anfangs großzügig gespendet, aber auch diese Spenden werden weniger, nachdem die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen auf Unternehmen sichtbar werden (NYT 22.4.2020).

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die International Organization for Migration (IOM) unterstützen das afghanische Ministerium für öffentliche Gesundheit (MOPH) (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020); die WHO übt eine beratende Funktion aus und unterstützt die afghanische Regierung in vier unterschiedlichen Bereichen während der COVID-19-Krise (WHO MIT 10.5.2020): 1

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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