TE Bvwg Beschluss 2021/5/28 W104 2242031-1

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Veröffentlicht am 28.05.2021
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Entscheidungsdatum

28.05.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
MOG 2007 §6
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W104 2242031-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Baumgartner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , BNr. XXXX , gegen den Bescheid der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 27.8.2020, AZ II/4-DZ/16-15869013010, betreffend die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2019:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte elektronisch einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2019.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf die Gewährung von Direktzahlungen unter Abänderung eines Vorbescheides abgewiesen, wobei dies im Bescheid nicht begründet wurde.

Mit E-Mail vom 9.9.2020 machte Frau XXXX die Behörde darauf aufmerksam, dass ihr Vater im April 2018 verstorben sei, sie aber mit ihm zusammen jahrelang den Betrieb bewirtschaftet habe. Ihr selbst sei erst im November 2019 die Verlassenschaft nach ihrem Vater zusammen mit ihren Brüdern eingeantwortet worden. Ihre Mutter sei nach wie vor Mitbewirtschafterin. Der Beschwerde liegt ein Einantwortungsbeschluss und ein nachgereichter, von allen Erben und der verbleibenden Bewirtschafterin unterschriebener Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2019 sowie ein „Report“ der Behörde bei, wonach es bei einer Neuberechnung zu einer Prämienzahlung im Ausmaß von EUR 773,19 kommen würde.

Dieses E-Mail wurde von der AMA als Beschwerde in Behandlung genommen und die Akten an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

Die AMA erklärte anlässlich der Aktenübermittlung, dass aus Sicht der AMA ein Anwendungsfall des § 28 Abs. 3 VwGVG vorliege. Die Aktenlage habe sich dahingehend geändert, dass Unterlagen nachgereicht wurden. Wäre die AMA aber für die Erlassung eines neuen Bescheides zuständig, könne dies zu einer wesentlichen Beschleunigung des Verfahrens führen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die Beschwerdeführerin stellte elektronisch einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2019.

Die AMA hat den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zum Bewirtschafterwechsel und der damit verbundenen Einantwortung der Erben offensichtlich nicht hinreichend ermittelt.

2. Beweiswürdigung:

Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen in der für das betroffene Antragsjahr maßgeblichen Fassung:

Artikel 14 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 639/2014 der Kommission vom 11. März 2014, ABl. L L 181 vom 20.6.2014, S. 1, im Folgenden VO (EU) 639/2014 lautet:
„Artikel 14

Vererbung, Änderung des Rechtsstatus oder der Bezeichnung sowie Zusammenschluss und Aufteilung

1. Hat ein Betriebsinhaber den Betrieb oder einen Teil des Betriebs durch Vererbung oder vorweggenommene Erbfolge erhalten, so ist er berechtigt, in seinem eigenen Namen die Anzahl und den Wert der Zahlungsansprüche, die dem erhaltenen Betrieb oder Teil dieses Betriebs zuzuweisen sind, unter denselben Bedingungen wie der ursprüngliche Betriebsinhaber zu beantragen.

[…].

2. Eine Änderung der Bezeichnung hat keine Auswirkungen auf die Anzahl und den Wert der zuzuweisenden Zahlungsansprüche.

Eine Änderung des Rechtsstatus hat keine Auswirkungen auf die Anzahl und den Wert der zuzuweisenden Zahlungsansprüche, wenn der Betriebsinhaber, der in Bezug auf Betriebsführung, Gewinne und finanzielle Risiken die Kontrolle über den ursprünglichen Betrieb ausgeübt hat, auch den neuen Betrieb leitet.

[…].“

Zur Zurückverweisung:

§ 28 Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:

„(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.“

3.2. Rechtliche Würdigung:

1. Die Gewährung der Basisprämie setzt gemäß Art. 24 Abs. 1 VO (EU) 1307/2013 die Zuweisung von (neuen) Zahlungsansprüchen voraus. Diese Zahlungsansprüche konnten vom Antragsteller gemäß Art. 24 Abs. 1 VO (EU) 1307/2013 selbst „erwirtschaftet“ worden sein, indem dieser im Antragsjahr 2014 Direktzahlungen erhalten hatte. Ferner konnten Zahlungsansprüche im Rahmen der Vererbung oder einer vorweggenommenen Erbfolge sowie im Zuge einer Betriebsaufteilung gemäß Art. 14 Abs. 1 VO (EU) 639/2014 übertragen werden.

Nach dem Tod eines der Gesellschafter einer Bewirtschaftungsgemeinschaft bilden die bisherige Bewirtschafterin und die Erben ihres Mitbewirtschafters eine neue Bewirtschaftungsgemeinschaft, die den Betrieb im Wege der Vererbung übernommen hat.

2. Der Amtswegigkeitsgrundsatz und der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichten die Behörde, von Amts wegen ohne Rücksicht auf Vorträge, Verhalten und Behauptungen der Parteien die entscheidungserheblichen Tatsachen zu erforschen und deren Wahrheit festzustellen. Der Untersuchungsgrundsatz verwirklicht das Prinzip der materiellen (objektiven) Wahrheit, welcher es verbietet, den Entscheidungen einen bloß formell (subjektiv) wahren Sachverhalt zu Grund zu legen. Vor dem Hintergrund des Amtswegigkeitsprinzips und dem Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit, hätte die belangte Behörde den wahren Sachverhalt hinsichtlich des Bewirtschafterwechsels somit ermitteln müssen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, 2. Teilband, Wien 2005, Manz Verlag, § 39 Rz 3ff).

Daraus ergibt sich, dass der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt unzureichend ermittelt wurde. In Anbetracht der Komplexität der Bezug habenden Beihilferegelung und des technischen Charakters der Entscheidung über die aus dem neuen Sachverhalt erfließenden Berechnungen läge eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht weder im Interesse der Raschheit noch wäre diese mit einer Kostenersparnis verbunden. Vielmehr dient die Zurückverweisung der Angelegenheit einer raschen und kostensparenden Vervollständigung des neuen Sachverhalts. Dies deckt sich auch mit den Ausführungen der belangten Behörde im Vorlageschreiben an das Bundesverwaltungsgericht.

3. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war und Art. 47 GRC dem nicht entgegenstand. Letztlich handelte es sich um die Beurteilung reiner Rechtsfragen, die auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verwaltungsgerichtshofes keiner Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung bedürfen (VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117; vgl. dazu mwN auch Senft, Verhandlungspflicht der Verwaltungsgerichte aus grundrechtlicher Perspektive, ZVG 2014/6, 523 (534).

4. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. zur Zurückverweisung etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Direktzahlung Ermittlungspflicht Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Sachverhaltsfeststellung Mehrfachantrag-Flächen Nachreichung von Unterlagen Verlassenschaft Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W104.2242031.1.00

Im RIS seit

15.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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