TE Bvwg Beschluss 2021/6/4 W151 2229783-1

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Veröffentlicht am 04.06.2021
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Entscheidungsdatum

04.06.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch


W151 2221744-1/11E

W151 2221745-1/9E
W151 2221746-1/8E
W151 2229783-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) mj. XXXX , geb. XXXX , 3.) mj. XXXX , geb. XXXX , und 4.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, jeweils gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, vom 12.07.2019, Zl. XXXX , XXXX , XXXX , und vom 20.02.2020, Zl. XXXX beschlossen:

A)       Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, die bekämpften Bescheide hinsichtlich Spruchpunkt I. behoben und die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Die Erstbeschwerdeführerin (in der Folge BF 1) ist die Mutter der mj. Zweitbeschwerdeführerin (in der Folge BF 2), der mj. Drittbeschwerdeführerin (in der Folge BF 3), und der in Österreich nachgeborenen mj. Viertbeschwerdeführerin (in der Folge BF 4), alle Staatsangehörige von Afghanistan. BF 1, BF 2 und BF 3 reisten am 20.04.2019 nach Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 legal in Österreich ein und stellten am 24.04.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren. Der Antrag bezog sich auf den Ehegatten der BF 1 bzw. Vater der BF 2 und BF 3, welchem mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 11.09.2014 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde.

2. Im Rahmen einer am selben Tag durchgeführten Erstbefragung der BF 1 gab diese - unter Verwendung eines verkürzten Formulars für die Erstbefragung - an, dass sie keine eigenen Fluchtgründe hätten (Protokollierung durch Ankreuzen einer im Formular möglichen vorgefertigten Antwort) und einen Antrag in Bezug auf XXXX , IFA Z: XXXX (ihren Ehemann) stelle, welcher in Österreich den Status des subsidiär Schutzberechtigten erlangt habe. Die mitgereisten Kinder hätten auch keine eigenen Fluchtgründe. Ebenfalls im Rahmen des vorgefertigten Formulars ist angekreuzt, dass die BF 1 mit einer Entscheidung der belangten Behörde auf Basis der gegebenen Angaben zufrieden seien und auf eine weitere Einvernahme verzichte.

3. Mit den im Spruch bezeichneten Bescheiden des BFA vom 12.07.2019 wurden die Anträge hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 jeweils abgewiesen (Spruchpunkt I.). Den Anträgen wurde bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG, wie auch § 8 Abs. 1 iVm. § 34 Abs. 3 AsylG 2005 stattgegeben (Spruchpunkt II.) und BF 1, BF 2 und BF 3 befristete Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis 11.09.2019 erteilt (Spruchpunkt III.).

In den Bescheiden wurde begründend darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführer keine Fluchtgründe geltend gemacht hätten, es jedoch anzunehmen sei, dass sie solche Gründe bereits bei der im Zuge der Antragstellung durchgeführten Einvernahme gemacht hätten. Aus dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hätten sich keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes ergeben, welcher gemäß Art 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention zur Gewährung von Asyl führen würde.

4. Mit am 22.07.2019 beim BFA eingebrachten Schriftsatz erhoben BF 1, BF 2 und BF 3 dagegen die verfahrensgegenständlichen Beschwerden. Das Bundesamt habe mit der BF 1 keine Einvernahme durchgeführt und ihr sei die rechtliche Bedeutung der Erklärung, sie sei wegen ihres Ehegatten nach Österreich gekommen, nicht klar gewesen. Die Beweiswürdigung des BFA sei nicht überzeugend, da die BF 1 zu ihren Fluchtgründen und den Befürchtungen zu einer Abschiebung nach Afghanistan nicht konkret befragt worden sei. Dem angefochtenen Bescheid fehle jegliche nachvollziehbare Erwägung der Situation von Frauenrechten in Afghanistan und wären hierzu eigenständige Ermittlungen erforderlich gewesen.

5. Die Beschwerden wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 26.07.2019 zur Entscheidung vorgelegt.

6. Mit Bescheiden des BFA vom 05.09.2019 wurden die befristeten Aufenthaltsberechtigungen der BF 1, BF 2 und BF 3 bis zum 11.09.2021 verlängert.

7. Am 30.12.2019 brachte die BF 1 als gesetzliche Vertretung des am XXXX geborenen Kindes XXXX (Viertbeschwerdeführerin) einen Antrag auf internationalem Schutz von einem in Österreich nachgeborenen Kind gemäß § 17 Abs. 3 AsylG ein.

8. Dieser Antrag wurde mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid vom 20.02.2020 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), dem Antrag wurde bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG stattgegeben (Spruchpunkt II.) und der BF 4 eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis 11.09.2021 erteilt (Spruchpunkt III.).

9. Mit am 13.03.2020 beim BFA eingebrachten Schriftsatz erhob die BF 4 dagegen eine Beschwerde, die am 20.03.2020 dem BVwG vorgelegt wurde.

10. Mit Eingabe vom 18.05.2021 legten die Beschwerdeführer Unterlagen zu einem am XXXX in Österreich geborenen Kind, XXXX , vor und erstatteten mit Schreiben vom 20.05.2021 eine Stellungnahme zur Situation in Afghanistan.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 VwGVG trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß Abs. 2 leg. cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Zur Behebung der Bescheide und Zurückverweisung:

1. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgt die Entscheidung und Anordnung durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Gemäß § 18 AsylG 2005 hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Fremder, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung oder im Zulassungsverfahren zu befragen. Diese Befragung dient insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen. Diese Einschränkung gilt nicht, wenn es sich um einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 leg.cit.) handelt.

Gemäß § 19 Abs. 2 AsylG 2005 ist ein Asylwerber vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, soweit er nicht auf Grund von in seiner Person gelegenen Umständen nicht in der Lage ist, durch Aussagen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, zumindest einmal im Zulassungsverfahren und - soweit nicht bereits im Zulassungsverfahren über den Antrag entschieden wird - zumindest einmal nach Zulassung des Verfahrens einzuvernehmen.

2. Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Im vorliegenden Fall stützte die belangte Behörde ihre Entscheidung bezüglich der Frage des Vorliegens asylrelevanter Verfolgung der Beschwerdeführer ausschließlich auf die kurzen, formularhaften Angaben der BF 1 in der niederschriftlichen Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in dem sie mittels Ankreuzen einer standardisierten Antwort angab, keine eigenen Fluchtgründe zu haben. Davon ausgehend unterließ die belangte Behörde weitere Erhebungen zu dem im vorliegenden Verfahren maßgebenden Sachverhalt und sah insbesondere davon ab, die BF 1 selbst einzuvernehmen und zu allfälligen Fluchtgründen zu befragen.

Damit übersieht die belangte Behörde jedoch, dass gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 die Einvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung "insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden [dient] und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen [hat]". Diese Regelung bezweckt den Schutz der Asylwerber davor, sich im direkten Anschluss an die Flucht aus ihrem Herkunftsstaat vor uniformierten Staatsorganen über traumatische Ereignisse verbreitern zu müssen, weil sie unter Umständen erst vor kurzem vor solchen geflohen sind (vgl. VfGH 27.06.2012, U 98/12, unter Hinweis auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, RV 952 XXII. GP, S. 44). Daraus ergibt sich auch, dass an die dennoch bei der Erstbefragung erstatteten, in der Regel kurzen Angaben zu den Fluchtgründen im Rahmen der Beweiswürdigung keine hohen Ansprüche in Bezug auf Stringenz und Vollständigkeit zu stellen sind (vgl. VfGH 20.02.2014, U 1919/2013 ua.).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, ist es auf dem Boden der gesetzlichen Regelung des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 zwar weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten der Erstbefragung zu späteren Angaben einzubeziehen, es bedarf aber sorgsamer Abklärung und auch der in der Begründung vorzunehmenden Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; 13.11.2014, Ra 2014/18/0061 uva).

Vor diesem Hintergrund kann auch ein bloß formelhafter Verzicht der BF 1 auf eine weitere Einvernahme in der niederschriftlichen Erstbefragung das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht von seiner in § 19 Abs. 2 AsylG 2005 normierten Verpflichtung entbinden, die gebotene ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers nur auf der Grundlage einer Einvernahme durch die Behörde selbst vorzunehmen. Das BFA hätte somit auch dann, wenn eigene Fluchtgründe in den von der BF 1 gestellten Anträgen (noch) nicht enthalten waren, das allfällige Vorliegen solcher Gründe im Wege einer Einvernahme zu prüfen gehabt. Mangels Durchführung einer Einvernahme vor dem BFA wurde der BF 1 nicht mehr die Gelegenheit zu einem diesbezüglichen Vorbringen gegeben.

Im vorliegenden Fall tätigte das BFA daher nicht einmal ansatzweise Ermittlungen hinsichtlich des maßgebenden Sachverhalts im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, sondern hat die Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts in Wahrheit zur Gänze an das BVwG delegiert. Insbesondere hat sich das BFA nicht mit der Möglichkeit einer westlichen Orientierung der BF 1 auseinandergesetzt und nicht geprüft, ob zu der allgemeinen Diskriminierungslage für Frauen in Afghanistan im Fall der BF 1 eine individuelle asylrelevante Verfolgungs- und Bedrohungslage hinzutritt. Der angefochtene Bescheid leidet somit im Ergebnis unter erheblichen Ermittlungsmängeln in Bezug auf die Frage der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer konkret und gezielt gegen die BF 1 gerichteten Verfolgung maßgeblicher Intensität. Der vorliegende Sachverhalt erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung der Beschwerdeführer hinsichtlich der Frage der Gewährung des Status der Asylberechtigten daher als so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen des Sachverhalts diesbezüglich unerlässlich erscheinen.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetztes liegen, v.a. unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde für die Ermittlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist, und weil eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll.

Dass eine unmittelbare Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des BFA gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG in Spruchpunkt I. aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.

Das BFA wird im fortgesetzten Verfahren die BF 1 einzuvernehmen und sich mit ihrem Vorbringen zu allfälligen Fluchtgründen im Wege einer ganzheitlichen Würdigung auseinanderzusetzen haben.

Hinsichtlich des Antrages auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung ist darauf hinzuweisen, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt - nämlich das Vorliegen von mangelhaften Ermittlungen zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt - durch die vorliegenden Bescheide unter Bedachtnahme auf die Beschwerden feststeht und daher auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werden kann.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das hg. Erkenntnis hält sich an die darin zitierte Judikatur des VwGH.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Familienverfahren individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung soziale Gruppe vulnerable Personengruppe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W151.2229783.1.00

Im RIS seit

14.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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