TE Bvwg Beschluss 2021/6/4 I411 2220748-2

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Veröffentlicht am 04.06.2021
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Entscheidungsdatum

04.06.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


I411 2220748-2/2E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2021, Zl. XXXX erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Marokko (alias Algerien), hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter beschlossen:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-Verfahrensgesetz rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein marokkanischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 14.08.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Nachdem sich der Beschwerdeführer in weiterer Folge durch untertauchen seinem Asylverfahren entzog, wurde dieses Verfahren eingestellt. Der Beschwerdeführer stellte am 31.01.2019 in der Schweiz einen Asylantrag und wurde er daraufhin nach Österreich rücküberstellt. Am 05.06.2019 stellte er einen zweiten Antrag. Mit Bescheid vom 19.06.2019, Zl. 1126362301/190568335, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung erkannte die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.). Des Weiteren gewährte sie dem Beschwerdeführer keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII.), erließ über ihn ein dreijähriges Einreiseverbot (Spruchpunkt VIII.) und ordnete ihm eine Unterkunftnahme in einem näher bezeichneten Quartier an (Spruchpunkt IX.). Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 04.07.2019, GZ: I422 2220748-1, als unbegründet ab.

2. Im Zuge einer Dublin-Überstellung wurde der Beschwerdeführer am 26.04.2021 von der Schweiz nach Österreich überstellt und stellte einen neuen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Einvernahme durch die belangte Behörde am 20.05.2021 gab er an keine Fluchtgründe zu haben und nur finanzielle Gründe gäbe. Weiters gab er an wieder nach Marokko zurückkehren zu wollen. Er stellte einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr.

3. Mit bekämpftem Bescheid vom 01.02.2021 hob die belangte Behörde gemäß § 12a Abs 2 AsylG den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG auf. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass keine neuen Fluchtgründe vorgebracht worden seien und der Beschwerdeführer Marokko aus wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben. Hinsichtlich des neuerlichen Antrages auf internationalen Schutz würden keine dem Erstverfahren entgegenstehenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens entgegenstehen. Eine Verletzung wie in § 12a Abs 2 Z 3 AsylG beschrieben drohe nicht. Der Beschwerdeführer habe auch keinen Familienbezug im Bundesgebiet.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig von Amts wegen eingebrachte Beschwerde vom 02.06.2021.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger von Marokko. Seine Identität steht fest.

1.2 Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.

1.3 Der Bescheid der belangten Behörde 19.06.2019, Zl. 1126362301/190568335, mit dem der (zweite) Antrag auf internationalen Schutz abschlägig entschieden wurde, ist seit 05.07.2019 rechtskräftig.

1.4 Dem Beschwerdeführer droht im Fall seiner Rückkehr nach Marokko keine Verfolgung. Es droht dem Beschwerdeführer keine Todesstrafe, keine Folter oder menschenunwürdige Behandlung oder Strafe im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat. Eine Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung droht dem Beschwerdeführer nicht. Im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren brachte der Beschwerdeführer familiäre als Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates vor. Der Beschwerdeführer hat seinen Herkunftsstaat aus wirtschaftlichen Gründen verlassen.

1.5 Der Beschwerdeführer stammt aus einem sicheren Drittstaat. Marokko ist fähig und willens, seine Bürger zu schützen.

1.6 Der Folgeantrag wird voraussichtlich abzuweisen sein.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Der Verfahrensgang und der festgestellte maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt den vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2 Die Feststellungen zur Person, seiner Herkunft, seiner Religionszugehörigkeit und zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers gründen sich auf dem vorgelegten marokkanischen Reisepass, seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor der belangten Behörde, sowie auf den diesbezüglich unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid und in dem rechtskräftigen Bescheid vom 19.06.2019.

2.3 Die Feststellungen zur Gesundheit des Beschwerdeführers und seiner Arbeitsfähigkeit beruhen ebenfalls auf dessen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor der belangten Behörde. Der Beschwerdeführer hat keine schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheiten oder psychischen Störungen vorgebracht. Daher besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer gesund und damit auch arbeitsfähig ist.

2.4. Dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht vorbestraft ist, ergibt sich aus der aktuellen Strafregisterauskunft.

2.5 Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers und aus dem Akteninhalt.

2.6 Die maßgeblichen Feststellungen zu den nunmehr vorgebrachten Fluchtgründen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Aussagen vor der belangten Behörde am 01.06.2021, die Feststellungen zu den im abgeschlossenen Vorverfahren vorgebachten Fluchtgründe basieren auf den rechtskräftig getroffenen Feststellungen der belangten Behörde im Bescheid vom 19.06.2019. Danach steht unzweifelhaft fest, dass der Beschwerdeführer nur aus wirtschaftlichen Gründen seinen Herkunftsstaat verlassen hat.

2.7 Die Feststellung, dass Marokko ein sicherer Drittstaat ist und willens und fähig ist, seine Bürger zu schützen, ergibt sich unzweifelhaft aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Marokko samt den dort publizierten Quellen. Der Beschwerdeführer bringt keine Anhaltspunkte vor, die eine andere Beurteilung erlauben würden. Die Seriosität der Quellen des Länderinformationsblattes führen zum unzweifelhaften Schluss, dass Marokko ein sicherer Herkunftsstaat ist.

2.8 Die Feststellung, dass der Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, ergibt sich aus dem mit den Voranträgen identen Fluchtmotiven des Beschwerdeführers.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 12a Abs 2 AsylG kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden unter nachstehenden Voraussetzungen aufheben, wenn der Fremde einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs 1 Z 23 AsylG gestellt hat und kein Fall des § 12a Abs 1 AsylG vorliegt:

1. Gegen den Beschwerdeführer besteht eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG
2. der Antrag ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und          
3. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung würde keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten und für den Beschwerdeführer als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen.

Als Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs 1 Z 23 AsylG ist ein einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag zu qualifizieren. Im gegebenen Fall hat der Beschwerdeführer einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs 1 Z 23 AsylG gestellt. Als Staatsangehöriger von Algerien ist der Beschwerdeführer ein Drittstaatsangehöriger im Sinne der § 2 Abs 1 Z 20 b AsylG.

Die Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG liegen vor.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19.06.2019 wurde der Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Algerien rechtskräftig negativ entschieden. Dem Beschwerdeführer droht keine asylrelevante Verfolgung in Algerien. Mit selbigem Bescheid hat die belangte Behörde auch rechtskräftig einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung einschließlich der Feststellung erlassen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien zulässig. Diese Entscheidung ist seit 05.07.2019 rechtskräftig.

Der Folgeantrag des Beschwerdeführers wird voraussichtlich zurückzuweisen sein, weil keine entscheidungsrelevante Änderung des Maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist. Es ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt, der voraussichtlich eine in der Hauptsache anderslautende Entscheidung ergeben würde. Sowohl dem Vorbringen hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Gründe als auch den neuen – unglaubwürdigen – Gründen fehlt es an Asylrelevanz, sodass eine entscheidungswesentliche Änderung nicht zu erwarten ist.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Rückkehrentscheidung ist ebenfalls nicht zu erwarten, das neue Vorbringen diesbezüglich keine stichhaltigen Argumente zu liefern vermag.

Umstände, die darauf hindeuten, dass den Beschwerdeführer ein reales Risiko gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung oder der Todesstrafe besteht, sind im Verfahren nicht vom Beschwerdeführer behauptet worden und auch nicht im Verfahren hervorgekommen.

Dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Marokko die nötigsten Lebensgrundlagen entzogen würden und damit die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, ist nicht anzunehmen, da der Beschwerdeführer gesund und erwerbsfähig ist. Ein Grund dafür, dass er seinen Lebensunterhalt nicht nach seiner Rückkehr wieder bestreiten könnte, ist nicht ersichtlich.

Das Verfahren zur allfälligen Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG durch die belangte Behörde erfordert ein Ermittlungsverfahren, wobei der Grundsatz des rechtlichen Gehörs zu beachten ist. Im vorliegenden Fall liegt ein Ermittlungsverfahren, das diesen rechtsstaatlichen Anforderungen genügt, vor. Der Beschwerdeführer hatte die Möglichkeit des Parteiengehörs im Rahmen seiner Vernehmung am 01.06.2021, als ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Länderfeststellungen und zu den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens gegeben wurde.

Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht musste aufgrund des § 22 Abs 1 BFA-VG, wonach in Verfahren betreffend eine Entscheidung der belangten Behörde, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde, ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden ist, entfallen.

Damit liegen die Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG vor, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtswidrig ist; da dies § 22 Abs 1 BFA-VG ausdrücklich vorsieht, war die vorliegende Entscheidung mit Beschluss zu treffen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Identität der Sache Privat- und Familienleben real risk reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I411.2220748.2.00

Im RIS seit

14.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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