TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/12 96/03/0163

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Veröffentlicht am 12.02.1997
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Index

Post- und Fernmeldewesen
16/02 Rundfunk
91/01 Fernmeldewesen

Norm

BVG Rundfunk Art1 Abs1
BVG Rundfunk Art1 Abs2
FG 1949 §3 Abs1
FG 1993 §1 Abs1
FG 1993 §5 Abs1
RFG 1974

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, in der Beschwerdesache des L in X, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (nunmehr: Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst) vom 9. November 1995, Zl. 130502/IV-JD/95, betreffend die Errichtung und den Betrieb einer Rundfunk- und Fernsehanlage, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 18. August 1994 brachte der Beschwerdeführer vor, er beabsichtige, im Wohnbau L eine Rundfunk- und Fernsehanlage einzurichten und zu betreiben, um durch ein eigenes Hörfunk- und Fernsehprogramm, welches nur die Bewohner des L empfangen könnten, die Kommunikation unter den Bewohnern zu verbessern. Beantragt wurde, "die Errichtung und den Betrieb einer Rundfunk- und Fernsehanlage, abgebildet und näher beschrieben in Beilage 1, welche einen integrierten Bestandteil dieses Antrages bildet, im Wohnbau L fernmelderechtlich gemäß § 5 Abs. 1 Fernmeldegesetz 1993 zu genehmigen".

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Fernmeldebüros für Oberösterreich und Salzburg vom 3. Mai 1995 gemäß § 5 Abs. 1 Fernmeldegesetz 1993, BGBl. Nr. 908, in Verbindung mit Art. I Abs. 2 des Bundesverfassungsgesetzes über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl. Nr. 386/1974, (BVG-Rundfunk) abgewiesen. Nach der Begründung sei für die Errichtung und den Betrieb der beantragten Rundfunk- und Fernsehanlage, die eine Fernmeldeanlage darstelle, gemäß § 5 Fernmeldegesetz 1993 eine fernmeldebehördliche Bewilligung erforderlich. Grundlage für die Entscheidung über diesen Antrag sei aber auch, da es sich beim Antragsgegenstand um eine Rundfunk- und Fernsehanlage handle, mit welcher ein nicht vom ORF ausgesendetes Rundfunk- und Fernsehprogramm verbreitet werden solle, das BVG-Rundfunk. Die Bestimmungen dieses Gesetzes (Art. I Abs. 1 und 2) gestatteten die Errichtung und den Betrieb von Rundfunk- und Fernsehanlagen zur Verbreitung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen jedoch nur dann, wenn ein Ausführungsgesetz hiezu eine Regelung treffe. Da für den Bereich des gegenständlichen Bewilligungsantrages ein Ausführungsgesetz nicht erlassen worden sei, könne dem Beschwerdeführer keine fernmeldebehördliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Rundfunk- und Fernsehanlage erteilt werden.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen wurde. In dessen Begründung wurde ausgeführt, daß sowohl die Subsumierung des dem Antrag zugrundeliegenden Sachverhalts unter den Rundfunkbegriff des Art. I Abs. 1 BVG-Rundfunk als auch die Feststellung, daß für den Bewilligungsantrag ein Ausführungsgesetz im Sinne des Art. I Abs. 2 leg. cit. nicht erlassen worden sei, sowie die Überlegungen zur Verpflichtung der Fernmeldebehörde, dieses Bundesverfassungsgesetz anzuwenden, der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes entsprächen, von dem dieser Gerichtshof auch in seinem bislang jüngsten diesbezüglichen Erkenntnis vom 27. September 1995, G 1256-1264/95, nicht abgegangen sei. In diesem Erkenntnis habe der Verfassungsgerichtshof auch klargestellt, daß es normative Folge des § 20 Abs. 1 2. Satz und der §§ 24a bis 24b der - gemäß Art. I Abs. 1 Z. 7 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 267/1972 als Bundesgesetz geltenden - Rundfunkverordnung, BGBl. Nr. 333/1965 in der Fassung BGBl. Nr. 345/1977 und BGBl. Nr. 507/1993, (RVO) sei, daß die Inhaber von Bewilligungen für Gemeinschaftsantennenanlagen auf den Betrieb von passivem Kabelrundfunk und Kabeltextveranstaltungen beschränkt seien und ihnen die Verbreitung darüber hinausgehenden Kabelrundfunks derzeit nicht gestattet sei. Der Verfassungsgerichtshof habe mit diesem Erkenntnis die Worte "Die empfangenen" und "nur zeitgleich sowie dem Inhalt nach vollständig und unverändert" im 2. Satz des § 20 Abs. 1, den § 24a und die Worte "im Kabeltext" im § 24b Abs. 2 RVO zwar als verfassungswidrig aufgehoben, aber weiters bestimmt, daß die Aufhebung der zitierten Passagen der RVO erst mit Ablauf des 31. Juli 1996 in Kraft treten werde. Bis zu diesem Zeitpunkt seien somit die §§ 20, 24a und 24b RVO in ihrem bisherigen Wortlaut weiterhin anzuwenden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 10. Juni 1996, B 4020/95, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Begründung heißt es, die Beschwerde behaupte die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf freie Meinungsäußerung. Vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 9909/1983 und VfGH 27. September 1995, G 1256-1264/95; vgl. auch VfGH 5. März 1996, B 2674/94) und der verfassungsrechtlichen Unangreifbarkeit der mit Erkenntnis G 1256-1264/95 mit Wirkung ab 1. August 1996 (nach diesem Zeitpunkt werde, sofern eine gesetzliche Regelung nicht noch erlassen werden sollte, das von der Behörde angenommene Hindernis der angestrebten Veranstaltung aktiven Kabelrundfunks nicht mehr im Wege stehen) aufgehobenen Bestimmungen der RVO lasse ihr Vorbringen die behaupteten Rechtsverletzungen, aber auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie - unter dem Blickwinkel der vom Verfassungsgerichtshof zu prüfenden Rechtsverletzungen - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer eine Verletzung des durch das Fernmeldegesetz (1993) gewährleisteten Rechtes auf Erteilung einer Rundfunkbewilligung (insbesondere §§ 5 und 11 Fernmeldegesetz) geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß Art. I Abs. 1 des BVG-Rundfunk ist Rundfunk die für die Allgemeinheit bestimmte Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild unter Benützung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung bzw. längs oder mittels eines Leiters sowie der Betrieb von technischen Einrichtungen, die diesem Zwecke dienen. Art. I Abs. 2 leg. cit. sieht vor, daß die näheren Bestimmungen für den Rundfunk und seine Organisation bundesgesetzlich festzulegen sind. Ein solches Bundesgesetz hat insbesondere Bestimmungen zu enthalten, die die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe, die mit der Besorgung der in Abs. 1 genannten Aufgaben betraut sind, gewährleisten.

Der Beschwerdeführer meint, die geplante Fernsehanlage unterliege nicht dem BVG-Rundfunk, weil die Darbietungen nicht für die Allgemeinheit, sondern nur für die Bewohner des Wohnbaus L bestimmt seien. Daß diese Rechtsansicht verfehlt ist, hat der Verfassungsgerichtshof bereits in dem die Versagung der Bewilligung einer Fernsehrundfunkanlage in der Anlage L betreffenden Erkenntnis vom 16. Dezember 1983, VfSlg. 9909, ausgesprochen und dies damit begründet, daß der Adressatenkreis nicht individuell bestimmt und fest abgegrenzt, sondern generell bestimmt und durchaus variabel sei. Unter derartigen Umständen sei davon auszugehen, daß die Anlage einer für die Allgemeinheit bestimmten Verbreitung von Darbietungen diene, anders etwa als (im Regelfall) der Betrieb einer technisch ähnlichen Anlage in einem Hotel, in einem Krankenhaus oder in einem Altenwohnheim. Auf diese auch vom Verwaltungsgerichtshof geteilte Rechtsauffassung ist der Beschwerdeführer zu verweisen, zumal er im gegenständlichen Verfahren nichts vorgebracht hat, was nunmehr eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Anwendungsbereich des Fernmeldegesetzes, BGBl. Nr. 170/1949, in ständiger Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 10. September 1986, SlgNr. 12206/A) in Übereinstimmung mit dem Verfassungsgerichtshof (vgl. das Erkenntnis vom 16. Dezember 1983, VfSlg. 9909) die Auffassung vertreten, daß die Bewilligung von Fernmeldeanlagen, die zum Betrieb von Rundfunk im Sinne des Art. I Abs. 1 BVG-Rundfunk bestimmt sind, auch im Lichte des Art. 10 MRK nur dann erteilt werden darf, wenn ein entsprechendes Bundesgesetz im Sinne des Art. I Abs. 2 leg. cit. ergangen ist, wobei das Fernmeldegesetz selbst kein derartiges Ausführungsgesetz darstellt. Da sich Gegenteiliges weder aus dem Fernmeldegesetz 1993 noch aus anderen Rechtsvorschriften ergibt, hält der Verwaltungsgerichtshof an dieser Rechtsauffassung auch im Anwendungsbereich des Fernmeldegesetzes 1993 fest. Daß die bisher zu Art. I Abs. 2 BVG-Rundfunk ergangenen Ausführungsgesetze, nämlich das Bundesgesetz über die Aufgaben und die Einrichtung des Österreichischen Rundfunks, BGBl. Nr. 379/74, sowie das Regionalradiogesetz, BGBl. Nr. 506/1993, auf den Beschwerdeführer keine Anwendung finden, ist unbestritten.

Auf dem Boden dieser Rechtslage ist die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers mangels eines auf sein Projekt anwendbaren Ausführungsgesetzes i.S. des Art. I Abs. 2 BVG-Rundfunk nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Der Anregung des Beschwerdeführers, § 5 Fernmeldegesetz 1993 und das Regionalradiogesetz einer Überprüfung ihrer Verfassungskonformität zuzuführen, zu entsprechen, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der erstgenannten Bestimmung im Hinblick auf den Ablehnungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 1996 und hinsichtlich des Regionalradiogesetzes mangels Präjudizialität nicht veranlaßt.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, 12. Februar 1997

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996030163.X00

Im RIS seit

11.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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