TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/4 I403 2242491-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.06.2021
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Entscheidungsdatum

04.06.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
StGB §229
StGB §241e
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I403 2242491-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Rumänien, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Bernhard ÖSTERREICHER, Badener Str. 28, 2511 Pfaffstätten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.05.2021, Zl. XXXX zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der in Griechenland geborene Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsbürger, zog als Kind im Alter von zehn Jahren gemeinsam mit seiner sechs Jahre älteren Schwester zu seiner zu diesem Zeitpunkt bereits in Österreich wohnhaften Mutter und war ab dem 24.08.2011 in Österreich gemeldet.

Am 16.12.2011 wurde ihm seitens einer Bezirkshauptmannschaft eine Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" ausgestellt.

Mit Schriftsatz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) vom 25.02.2021 ("Parteiengehör") wurde dem Beschwerdeführer während seiner Anhaltung in Untersuchungshaft zur Kenntnis gebracht, dass gegen ihn ein Verfahren hinsichtlich der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet worden sei und ihm die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von zehn Tagen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse bei der belangten Behörde einzubringen. Der Beschwerdeführer erstattete keine Stellungnahme.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX , GZ. XXXX , wurde er am 21.04.2021 wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB, des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB, des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB sowie der §§ 19 Abs 1 und 5 Z 4 JGG, nach § 142 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 21 (einundzwanzig) Monaten sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gem. § 43a Abs 3 StGB wurde ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 14 (vierzehn) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß „§ 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß „§ 70 Abs. 3 FPG“ wurde ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Überdies wurde einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß „§ 18 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Am 12.05.2021 wurde dagegen Beschwerde erhoben, welche dem Bundesverwaltungsgericht am 18.05.2021 vorgelegt wurde.

Für den 07.06.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumt. Am 25.05.2021 gab der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung bekannt, auf die Verhandlung verzichten zu wollen. Die Verhandlung wurde in der Folge abberaumt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Rumänien und somit EWR-Bürger. Seine Identität steht fest. Er wurde in Griechenland geboren. Er ist gesund und erwerbsfähig.

Im Alter von zehn Jahren zog der Beschwerdeführer zu seiner Mutter nach Österreich, wo er seit dem 24.08.2011 gemeldet ist. Am 16.12.2011 wurde dem Beschwerdeführer seitens einer Bezirkshauptmannschaft eine Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 NAG ausgestellt. Seine Schwester hält sich ebenfalls auf Grundlage einer Anmeldebescheinigung rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Seine Mutter war bis Juli 2020 im Bundesgebiet gemeldet.

In der Haft wird der Beschwerdeführer regelmäßig von seiner Schwester und zwei Freunden besucht.

Der Beschwerdeführer besuchte in Österreich ab dem Alter von zehn Jahren die Schule und war vom 16.01.2017 bis 31.01.2017 bei der XXXX GmbH, vom 07.01.2020 bis 05.03.2020 bei der XXXX GmbH und vom 01.04.2020 bis 01.09.2020 bei der XXXX GmbH als Lehrling beschäftigt.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich sozialisiert und hat geringere Bindungen nach Rumänien.

Am 28.07.2020 montierte der Beschwerdeführer, der über keinen Führerschein verfügt, an einem in der Werkstatt, in der er beschäftigt war, abgestellten BMW die einige Tage zuvor von seiner Schwester (ohne ihr Wissen) entwendeten Kennzeichen und fuhr damit, gemeinsam mit einem am Beifahrersitz befindlichen Freund, durch die Stadt, ehe er einen Unfall (ohne Personenschaden) verursachte und davonlief.

Der Beschwerdeführer hat am 30.07.2020 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Mittätern (§ 12 StGB)

I.) mit Gewalt gegen eine Person, nämlich R. K., dem Genannten fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Geldbörse samt EUR 270,-- an Bargeld, mit dem Vorsatz, durch deren Zueignung sich unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, indem einer der unbekannten Mittäter R.K. in dessen Fahrzeug von hinten erfasste und in einem Würgegriff festhielt, sodass der Beschwerdeführer die Geldbörse des Genannten an sich nehmen konnte;

II.) im Zuge der unter Punkt I.) beschriebenen Tat nachstehende Urkunden, über die er nicht oder nicht allein verfügen durfte, mit dem Vorsatz, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, unterdrückt, und zwar

A.) die Kennzeichen der G.L., indem zwei der unbekannten Mittäter die Kennzeichen vom Fahrzeug der Marke Audi des R.K. abmontierten und an sich nahmen;

B.) den Führerschein des R.K. und den Zulassungsschein, indem er die Urkunden gemeinsam mit der Geldbörse des R.K. an sich nahm;

III.) im Zuge der unter Punkt I.) beschriebenen Tat ein unbares Zahlungsmittel, nämlich die Bankomatkarte des R.K., über das er nicht oder nicht allein verfügen durfte, mit dem Vorsatz, dessen Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, unterdrückt, indem er die Bankomatkarte gemeinsam mit der Geldbörse des R.K. an sich nahm.

Am 06.08.2020 entwendete der Beschwerdeführer ein weiteres Kennzeichen und fuhr wiederum unerlaubt mit einem in der Werkstatt abgestellten Auto.

Er wurde am 12.02.2021 festgenommen, und es wurde über ihn Untersuchungshaft verhängt. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX , GZ. XXXX , wurde er am 21.04.2021, rechtskräftig seit 21.04.2021, wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB, die Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB, des Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB sowie der §§ 19 Abs 1 und 5 Z 4 JGG, nach § 142 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 21 (einundzwanzig) Monaten sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gem. § 43a Abs 3 StGB wurde ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 14 (vierzehn) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Bei der Strafbemessung wurden mildernd das teilweise Geständnis, das Alter unter 21 Jahre und der bisher ordentliche Lebenswandel, erschwerend dagegen das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen gewertet.

Der Beschwerdeführer befindet sich in Strafhaft, aus der er am 02.07.2021 entlassen werden soll.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines vor den österreichischen Behörden in Vorlage gebrachten rumänischen Reisepasses und seines rumänischen Personalausweises fest.

Dass der Beschwerdeführer kaum Bindungen zu Rumänien hat, ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen in Zusammenschau mit dem Umstand, dass er die prägenden Jahre ab seinem 10. Lebensjahr in Österreich verbracht hat. Soweit im angefochtenen Bescheid die Rede davon ist, dass sich keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers in Österreich befinden würden, steht dies in offenkundigem Widerspruch dazu, dass die Schwester des Beschwerdeführers in Österreich lebt (und seine Mutter jedenfalls bis Juli 2020); dies ergibt sich auch aus den im Akt der belangten Behörde einliegenden Zeugenvernehmungen zur Straftat der Polizei (AS 117 Zeugenaussage eines Opfers am 13.08.2020: „Ich kenne XX (den Beschwerdeführer) über seine Mutter, welche meinte, dass er Autos reparieren würde.“; AS 81 Amtsvermerk der Stadtpolizei XXXX zur Aussage des Beschwerdeführers vom 28.07.2020: „Das Kennzeichen, welches ich nach dem Unfall abmontiert habe, gehört meiner Schwester (…).“) in Zusammenschau mit dem Zentralen Melderegister. Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, dass der Beschwerdeführer seine Hauptsozialisierung in Rumänien erfahren habe, wurde von der belangten Behörde mit seiner Staatsangehörigkeit und seinen heimatstaatlichen Sprachkenntnissen begründet. Unabhängig davon, dass die Rumänisch-Kenntnisse des Beschwerdeführers in der Beschwerde als rudimentär bezeichnet werden und dass sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Schwester in Griechenland geboren sind, so dass sich die Frage stellt, wieviele Jahre seines Lebens der Beschwerdeführer überhaupt in Rumänien verbracht hat, steht jedenfalls fest, dass der überwiegende Teil seiner Sozialisierung in Österreich stattgefunden hat, da er die Hälfte seines Lebens hier verbracht hat und die Jahre von zehn bis zwanzig für die Sozialisierung entscheidender sind als die ersten zehn Lebensjahre, in denen man sich auch nach der höchstgerichtlichen Judikatur noch in einem anpassungsfähigen Alter befindet. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher von einer Sozialisierung in Österreich und einem Verlust der Bindungen zu Rumänien aus.

Die behördliche Meldung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ab August 2011 ergibt sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister der Republik, ebenso der Aufenthalt seiner Mutter (bis Juli 2020) und der seiner Schwester.

Die Feststellungen zum Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers und seiner Schwester auf Grundlage von Anmeldebescheinigungen nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz ergeben sich aus einer Abfrage im Informationsverbund zentrales Fremdenregister.

Die Versicherungszeiten des Beschwerdeführers in Österreich als Lehrling ergeben sich aus einer Abfrage im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger.

Die Feststellungen zum Vorfall am 28.07.2020 ergeben sich aus einem Amtsvermerk der Stadtpolizei XXXX vom selben Tag, GZ. XXXX ; die Feststellungen zum 06.08.2020 aus den im Akt einliegenden Vernehmungsprotokollen der Stadtpolizei XXXX vom 08.08.2021 und vom 12.08.2020 zu GZ XXXX

Die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich. Die Feststellungen hinsichtlich der seiner Verurteilung zugrunde liegenden strafbaren Handlungen sowie der Erwägungen des Strafgerichts im Rahmen der Strafbemessung ergeben sich aus der im Akt enthaltenen Urteilsausfertigung des Landesgerichts XXXX vom 21.04.2021 zur Zl. XXXX.

Dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Inhaftierung von seiner Schwester und zwei Bekannten besucht wurde, ergibt sich aus einer seitens des Bundesverwaltungsgerichtes angeforderten Besucherliste der Justizanstalt vom 19.05.2021.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Zu den Rechtsgrundlagen:

Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG idgF BGBl. I Nr. 146/2020 lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I. Nr. 87/2012).“

§ 67 FPG setzt Art. 28 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG; vgl. § 2 Abs. 4 Z 18 FPG) um. Diese mit "Schutz vor Ausweisung" betitelte Bestimmung lautet:

„(1) Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.

(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.

(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie

a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder

b) minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG idgF BGBl. I Nr. 146/2020 lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“

Der mit "Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern" betitelte § 53a Abs. 1 bis 3 NAG idgF BGBl. I Nr. 146/2020 lautet:

„§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von:

1.       Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2.       Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3.       durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1.       zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2.       sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3.       drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.“

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall:

Eingangs ist festzustellen, dass der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht, dass der Beschwerdeführer dadurch, dass er keine Stellungnahme zum Parteiengehör abgegeben habe, den behördlich angekündigten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zustimme, nicht beigetreten werden kann. Dies wird im Übrigen auch durch das Erheben der Beschwerde offensichtlich.

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet „eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr“ darstelle. Damit stellt sie offenbar auf den Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG ab und übersieht, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines mehr als fünfjährigen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet das Daueraufenthaltsrecht iSd § 53a NAG und Art. 16 Freizügigkeitsrichtlinie erworben hat. Der Beschwerdeführer hält sich unbestritten seit 24.08.2011 im Bundesgebiet auf. Damit fehlen weniger als drei Monate zum Erreichen eines zehnjährigen Aufenthalts, bei dem der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG anzuwenden wäre, wonach ein Aufenthaltsverbot nur zulässig ist, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet wird. Die Frage, ob - analog zu der zu Inlandsaufenthalten von mehr als 10 Jahren entwickelten Judikatur vom Verwaltungsgerichtshof zu Rückkehrentscheidungen (vgl. VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0132, Rn. 13, mwN) – der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG auch bei einem geringfügigen Unterschreiten der zehnjährigen Aufenthaltsdauer Anwendung findet, kann gegenständlich letztlich unbeantwortet bleiben, da – wie zu zeigen sein wird – auch der in § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Gefährdungsmaßstab ("schwerwiegende Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit") im Fall des Beschwerdeführers nicht erreicht ist.

Bei Unionsbürgern, die nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Daueraufenthaltsrecht iSd § 53a NAG und Art. 16 Freizügigkeitsrichtlinie erworben haben, ist nämlich nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in Art. 28 Abs. 2 Freizügigkeitsrichtlinie und § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Maßstab - der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG angesiedelt ist - heranzuziehen (vgl. VwGH 22.12.2020, Ra 2020/21/0452).

Die belangte Behörde stützte das gegenständlich angefochtene Aufenthaltsverbot auf das strafrechtswidrige Fehlverhalten des Beschwerdeführers. Er wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX, GZ. XXXX, 21.04.2021, wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB, des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB, des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB sowie der §§ 19 Abs 1 und 5 Z 4 JGG, nach § 142 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 21 (einundzwanzig) Monaten sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gem. § 43a Abs 3 StGB wurde ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 14 (vierzehn) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Bei der Strafbemessung wurden mildernd das teilweise Geständnis, das Alter unter 21 Jahre und der bisher ordentliche Lebenswandel, erschwerend dagegen das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen gewertet. Der Beschwerdeführer hatte am 30.07.2020 gemeinsam mit anderen R.K. eine Geldbörse samt EUR 270,--, Bankomatkarte, Führerschein und Zulassungsschein weggenommen, indem einer der unbekannten Mittäter R.K. in dessen Fahrzeug von hinten erfasste und in einem Würgegriff festhielt, sodass der Beschwerdeführer die Geldbörse des Genannten an sich nehmen konnte; zudem hatten sie die Kennzeichen seines Autos abmontiert.

Das Bundesverwaltungsgericht teilt durchaus die Ansicht der belangten Behörde, dass dieses Verhalten des Beschwerdeführers nicht dem „Grundinteresse der österreichischen Bevölkerung“ entspricht und der Beschwerdeführer dadurch „Angst und Unruhe“ verbreitete. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0367, mwN).

Es ist daher auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer – zusätzlich zu seiner Verurteilung - bei zumindest zwei Gelegenheiten (am 28.07.2020 und am 06.08.2020), ohne entsprechende Erlaubnis der Inhaber und ohne über eine Lenkerberechtigung zu verfügen, zwei Autos in Betrieb nahm, die in der Werkstatt, in welcher der Beschwerdeführer angestellt war, abgestellt worden waren, und dass er für diesen Zweck auch Kennzeichen (unter anderem von seiner Schwester) entwendete. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer am 28.07.2020 einen Unfall verursachte und sich selbst dadurch nicht abschrecken ließ, nochmals am 06.08.2020 ein Auto widerrechtlich in Betrieb zu nehmen. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus das Persönlichkeitsprofil eines nicht gefestigten und verantwortungslosen jungen Erwachsenen, der die Folgen seines Tuns nicht bedenkt. Unabhängig von der Frage, ob der Beschwerdeführer, wie in der Beschwerde behauptet, durch die Erfahrung des Haftübels Reife und Selbstreflexion erlangt hat, ist der belangten Behörde dahingehend zuzustimmen, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters nach höchstgerichtlicher Judikatur grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. zuletzt VwGH 30.04.2020, Ra 2019/20/0399, mwN). Da der Beschwerdeführer sich noch in Haft befindet, kann noch nicht von einem Gesinnungswandel ausgegangen werden.

Letztlich ist daher im gegenständlichen Fall ausschlaggebend, ob der Beschwerdeführer durch das Verhalten, das er im Juli/August 2020 setzte, den in § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG vorgesehenen Gefährdungsmaßstab erfüllt hat. Danach setzt eine Aufenthaltsbeendigung voraus, dass der (weitere) Aufenthalt des Unionsbürgers eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Dieser Maßstab liegt im abgestuften System der Gefährdungsprognosen über dem Gefährdungsmaßstab nach dem ersten und zweiten Satz des § 67 Abs. 1 FPG, jedoch unter jenem nach dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG (VwGH, 26.11.2020, Ro 2020/21/0013).

So geht etwa der EuGH davon aus, dass die Bekämpfung von mit bandenmäßigem Handel mit Betäubungsmitteln verbundener Kriminalität, wobei der Betroffene in dem zugrundeliegenden Sachverhalt von einem Strafgericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde, unter den Begriff "schwerwiegende Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" im Sinne des Art. 28 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie fällt (vgl. EuGH (Große Kammer) 23.11.2010, C- 145/09, Panagiotis Tsakouridis); dieser Gefährdungsmaßstab entspricht jenem des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG. Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung des EuGH hat der Verwaltungsgerichtshof in einem Fall kürzlich festgehalten, dass eine erstmalige strafgerichtliche Verurteilung eines Fremden aufgrund eines Suchtgiftdeliktes zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten, wobei dieser anderen vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge überlassen hatte, indem er über einen Zeitraum von etwa einem halben Jahr insgesamt 2.500 Gramm Cannabiskraut verkauft und überdies noch Cannabiskraut und Kokain über einen längeren, nicht mehr festzustellenden Zeitraum in wiederholten Angriffen erworben und besessen hatte, auch in Verbindung mit einer verwaltungsrechtlichen Bestrafung nach dem FSG wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne gültige Lenkberechtigung, nicht ohne weiteres die Annahme einer den Maßstab des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG erfüllenden Gefährdung rechtfertigt (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0127). Dies erscheint insoweit bemerkenswert, da der Verwaltungsgerichtshof ebenso in ständiger Rechtsprechung betont, dass gerade Suchtgiftdelinquenz ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. etwa VwGH 01.04.2019, Ra 2018/19/0643; 01.03.2018, Ra 2018/19/0014, mwN).

Dieser Gefährdungsmaßstab war dagegen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes etwa durch die Verübung des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und fünfter Fall sowie Abs. 2 Z 3 SMG (Einfuhr und Überlassen von Suchtgift jeweils in einer großen Menge im Zeitraum von zwei Jahren), was zur Verhängung einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren führte, ihrer Art und Schwere nach erfüllt (VwGH, 15.09.2016, Ra 2016/21/0262).

Vor dem Hintergrund, dass die Bestimmung des Art. 28 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie offenkundig den Zweck verfolgt, dass ein Unionsbürger nur noch unter erschwerten Bedingungen in seinem Recht auf Freizügigkeit eingeschränkt werden darf, wenn er in einem Mitgliedstaat das Recht zum Daueraufenthalt erlangt hat (vgl. VwGH 12.03.2013, 2012/18/0228), erachtet das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer Gesamtschau die Erfüllung des Gefährdungsmaßstabs des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG ("schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit") im Falle des Beschwerdeführers als nicht gegeben.

Das mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides verhängte Aufenthaltsverbot erfolgte somit nicht zu Recht, was zugleich auch die Gegenstandslosigkeit der Aussprüche hinsichtlich der Nicht-Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides) bedingt.

In Stattgabe der Beschwerde war der angefochtene Bescheid daher ersatzlos aufzuheben.

Sollte der Beschwerdeführer in Zukunft noch einmal straffällig werden, wird die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn neuerlich zu prüfen sein.

3.2. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Im gegenständlichen Fall konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war. Zudem wurde von Seiten des Beschwerdeführers auf die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung ausdrücklich verzichtet. Die belangte Behörde hatte die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht beantragt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Angemessenheit Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsverbot Aufenthaltsverbot aufgehoben aufschiebende Wirkung Behebung der Entscheidung Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Integration Interessenabwägung Kassation öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Raub Urkundenunterdrückung Verbrechen Vergehen Verhältnismäßigkeit Wiederholungsgefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I403.2242491.1.00

Im RIS seit

13.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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