TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/7 W171 2148957-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.06.2021
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Entscheidungsdatum

07.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W171 2148957-2/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.03.2020, Zl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.03.2021, zu Recht erkannt:

A)

I.       Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II.      In Erledigung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 03.03.2020 wird dem Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG stattgegeben und die befristete Aufenthaltsberechtigung von XXXX als subsidiär Schutzberechtigter um zwei Jahre verlängert.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist schiitischer Moslem, reiste illegal nach Österreich ein und stellte hier am 01.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 02.02.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 02.02.2018 erteilt.

Die Zuerkennung subsidiären Schutzes wurde damit begründet, dass dem BF in Afghanistan die Lebensgrundlage gänzlich entzogen wäre, da er über keinerlei familiäre oder soziale Netzwerke in Afghanistan verfüge, zumal seine Verwandten nach wie vor im Iran lebten.

1.3. Die Beschwerde des BF gegen Spruchpunkt I. des Bescheids vom 02.02.2017 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.06.2017 als unbegründet abgewiesen.

1.4. Am 16.02.2018 beantragte der BF erstmalig die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung, welche ihm mit Bescheid des BFA vom 30.01.2018 bis zum 02.02.2020 erteilt wurde.

1.5. Am 14.02.2020 beantragte der BF die erneute Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.

1.6. Im Zuge der daraufhin am 28.02.2020 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme gab der BF an, dass er in Österreich bisher nicht erwerbstätig gewesen sei. Seine Eltern und zwei Brüder lebten im Iran, er stehe mit ihnen im Kontakt. Im Iran habe er fünf Jahre eine Schule besucht und dann mit seinem Vater auf Baustellen gearbeitet. Zu eventuell in Afghanistan aufhältigen Familienangehörigen habe er keinen Kontakt.

1.7. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA wurde der dem BF mit Bescheid vom 02.02.2017 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.), ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise im Ausmaß von 14 Tagen gewährt (Spruchpunkt VI.).

Zur Person des BF wurde im Wesentlichen festgestellt, dass er die im Spruch genannte Identität führe, afghanischer Staatsangehöriger sei, der Volksgruppe der Hazara angehöre und schiitischer Moslem sei. Er stamme aus Daikundi, habe fünf Jahre eine Schule besucht und verfüge über Arbeitserfahrung auf Baustellen. Er habe familiäre Anknüpfungspunkte im Iran. Er sei zudem ledig, kinderlos, jung, arbeitsfähig und leide weder an einer schweren körperlichen Krankheit noch an einer schweren psychischen Störung. Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde festgestellt:

„Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten liegen aktuell nicht vor. Eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung in Afghanistan konnten Sie nicht glaubhaft machen. Die oben genannten (positiven) persönlichen Eigenschaften lagen zum Zeitpunkt der Schutzgewährung vor, waren der Behörde allerdings nicht bekannt. Es liegt in Ihrem Fall eine Gefährdungslage in Bezug auf Ihre unmittelbare Heimatprovinz – nicht aber Afghanistan allgemein - vor. Sie können eine IFA (innerstaatliche Fluchtalternative) mit den Städten Mazar-e-Sharif und Herat in Anspruch nehmen und würden eben dort Arbeitsmöglichkeiten vorfinden. Die genannten Städte gelten als zumutbar sicher und sind gefahrenlos zu erreichen.“

Beweiswürdigend wurde hierzu ausgeführt:

„Sie gaben im Rahmen Ihrer Einvernahme vor dem BFA am 28.02.2020 in Bezug auf Ihr Heimatland Afghanistan keine aktuelle bzw. individuelle Gefährdungslage zu Protokoll, zumal Sie in diesem Zusammenhang lediglich Angst vor den Taliban und den Daesh, die angeblich die Feinde der Hazara wären und Ihre, wie oben ausführlich ausgeführt, angebliche Abkehr vom Islam, die Sie keineswegs glaubhaft machen konnten, angaben. Sie lassen schließlich nichts erkennen, das anzeigen würde, dass Sie im Falle der Rückkehr in Ihr Heimatland einer individuellen Bedrohungslage ausgesetzt sein würden. Hinweise einer aktuellen Verfolgung gegen Ihre Person konnten Ihrem Vorbringen keinesfalls entnommen werden.

Ihnen wurde mit Bescheid vom 02.02.2017 der Status des subsidiär Schutzberechtigten lediglich zuerkannt, weil Sie zum damaligen Zeitpunkt über kein familiäres Netzwerk in Ihrem Heimatland verfügt haben wollen; aufgrund dessen ist die Behörde davon ausgegangen, dass Sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt gewesen wären.

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten liegen jedoch zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht vor, umso mehr Ihnen nun eine Neuansiedlung in den Städten Mazar-e-Sharif und Herat zuzumuten ist.

Sie befinden sich im erwerbsfähigen Alter und bejahten im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA ausdrücklich Ihre Arbeitsfähigkeit. Sie haben zudem in der Heimat Arbeitserfahrung auf Baustellen gesammelt. Hinzu kommt, dass Sie über eine fünfjährige Schulbildung verfügen. Dies wird Ihnen freilich bei der Arbeitssuche in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat sowie der Wiedereingliederung in der afghanischen Gesellschaft nützlich sein.

Aus diesen Gründen ist schließlich einzig festzustellen, dass Sie im Falle der Rückkehr für Ihre Existenzsicherung aufkommen können. Auch ein fehlender sozialer bzw. familiärer Background bzw. fehlende Unterstützung in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat führt freilich nicht zu einer Unzumutbarkeit einer Neuansiedlung in diesen Städten, umso mehr Sie als erwachsener, arbeitsfähiger und gesunder Mann Ihren Lebensunterhalt in eigener Regie organisieren und bewerkstelligen und dabei im Bedarfsfall auch auf die diversen Unterstützungsnetzwerke (internationale und nationale Rückkehrorganisationen bzw. NGO´s) zurückgreifen könnten.

Anzumerken ist, dass bereits der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung erkannt hatte, dass selbst fehlende familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte bzw. Unterstützungen in Mazar-e-Sharif oder Herat Stadt nicht zu einer Unzumutbarkeit einer Rückkehr an diese Orte führen. Auch eine schwierige Lebenssituation (bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht), die ein Rückkehrer vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht mehr aus, um eine Rückkehr in die Städte Mazar-e-Sharif oder Herat zu verneinen.

Da es Ihnen in Österreich schließlich gelungen ist, Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten sowie die im Alltag immer wieder auftretenden Schwierigkeiten in den diversen Bereichen zu bewältigen, ist es Ihnen freilich nun sehr wohl zuzumuten, mit Ihrer (neu gewonnenen) Lebenserfahrung auch in Afghanistan, speziell in Mazar-e-Sharif oder Herat Stadt, zumutbar leben zu können. Dies alles spricht schließlich dafür, dass Sie nun in der Lage sein werden, sich (auch) aus eigenen Kräften ein notdürftiges Überleben in Afghanistan zu sichern, und somit ist davon auszugehen, dass Sie nun aufgrund Ihrer bisherigen Lebenserfahrung über die hierfür erforderlichen Fertigkeiten verfügen.

Aufgrund soeben genannter Gründe liegen derzeit jene Voraussetzungen, die die Gewährung subsidiären Schutzes unabdingbar machen, nicht vor.

Bezugnehmend auf eine etwaige Ortsunkenntnis oder anfänglich möglicherweise bestehende Orientierungslosigkeit in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat ist anzumerken, dass dies - alleine gesehen - freilich nicht zur Feststellung führen kann, diese Orte kämen nicht als taugliche Fluchtalternative in Frage, zumal nun gerade mit den ansässigen Hilfsorganisationen Möglichkeiten gegeben sind, um diesem etwaigen Problem Abhilfe zu verschaffen. Hinzu kommt, dass es einem Erwachsenen wohl zumutbar ist, sich in den Großstädten seines Heimatlandes Kenntnisse der örtlichen Begebenheiten anzueignen, genauso wie er dies – wohl wesentlich komplizierter – im (weiten) Ausland ohne Sprachkenntnisse zu erlangen in der Lage sein wird müssen. In Anbetracht der Vielzahl an Rückkehrern aus dem Ausland und deren Möglichkeiten, sich im Heimatland Afghanistan anzusiedeln, lässt sich kein Grund feststellen, der gerade in Ihrem Fall eine solche Rückkehr unmöglich erscheinen ließe, umso mehr Sie diesbezüglich auch keine plausible Begründung abgegeben oder eine besondere Stellung erklärt haben.

Dass Sie schließlich den Lebensunterhalt sowohl in Mazar-e-Sharif als auch in Herat Stadt bestreiten könnten, ist Ihrem Vorbringen insofern zu entnehmen, als Sie glaubhaft machten, zweifellos über mehrere Jahre hinweg Arbeitserfahrung auf Baustellen gesammelt zu haben. Es ist Ihnen schließlich nun zuzumuten, dass Sie auch unter durchaus schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt nach einer Beschäftigung suchen und möglicherweise durch das Verrichten von Gelegenheitsarbeiten Ihren Lebensunterhalt - (auch) ohne unmittelbar in Herat Stadt oder Mazar-e-Sharif bestehendem familiären Background - bestreiten könnten.

Überdies ist anzumerken, dass das BFA zum Zeitpunkt der Schutzgewährung davon ausgegangen ist, dass Sie im Falle der Rückkehr vor eine ausweglose Situation gestellt gewesen wären. Nunmehr hat sich jedoch insbesondere aufgrund der Schilderung Ihres Lebenslaufes die damalige Ausgangslage zu den Merkmalen Ihrer Person gänzlich konträr dargestellt; wie dieser schließlich zu entnehmen ist – und durch den im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA gewonnenen Eindruck durch den zur Entscheidung berufenen Organwalter bestätigt wird -, zeichnen Sie sich durch Ihr freundliches Verhalten aus und überzeugen zudem mit Ihrer Flexibilität und Aufgeschlossenheit. Diese Attribute kamen vor allem durch die Absolvierung von Deutschkursen und des Integrationskurses zum Vorschein. Diese (zuvor genannten) positiven Attribute werden Ihnen im Falle der Rückkehr freilich von hohem Nutzen sein.

Sie haben schließlich während Ihres Aufenthaltes hier in Österreich gezeigt, dass Sie sich sogar in einem fremden Land, in welchem sich insbesondere die Kultur, die Sprache sowie auch die Religion von Ihrem Heimatland unterscheidet, anpassen können und zurechtfinden. Dies wird Ihnen bei der Eingliederung in die afghanische Gesellschaft nützlich sein, und eine ausweglose Situation im Falle der Rückreise muss aus diesen Gründen – auch trotz eines fehlenden familiären Backgrounds in den als IFA geprüften Gebieten – ausgeschlossen werden.

Aufgrund der diesbezüglichen Länderinformationen und Ihrer bis dato ausgeübten Arbeitstätigkeiten lässt sich schließlich kein Grund mehr feststellen, der Ihre Rückkehr nach Afghanistan unzumutbar machen würde. Zudem befinden Sie sich im erwerbsfähigen Alter und es ist in Ihrem Fall – wie bereits zur Würdigung Ihrer Person ausführlichst dargestellt – nicht ersichtlich, dass bei Ihnen eine grundsätzliche Arbeitsfähigkeit nicht gegeben wäre. Es ist gerade für junge Menschen ein leichtes Unterfangen, neue soziale Kontakte in einer Ihnen noch weitestgehend unbekannten Umgebung zu knüpfen. Darüber hinaus könnten Sie selbstverständlich im Falle der Rückkehr - wie den Feststellungen zum Herkunftsland klar hervorgeht - zum Zwecke des Bestreitens des Lebensunterhaltes Unterstützungen, insbesondere in Zusammenhang mit einer Rückkehr, vom UNHCR oder IOM in Anspruch nehmen.

Daher besteht schließlich kein Zweifel daran, dass Sie sich als arbeitsfähiger und gesunder Mann in Mazar-e-Sharif oder in Herat Stadt ohne kulturelle, traditionelle und sprachliche Barrieren selbst versorgen können, zumal auch ebendort internationale Hilfsorganisationen den Wiedereinstieg für Rückkehrer unterstützen.

Des Weiteren geht der Länderinformation klar hervor, dass Mazar-e-Sharif und Herat über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut bzw. sicher erreichbare Städte sind.“

Rechtlich wurde dazu begründend ausgeführt:

„Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs.1) nicht oder nicht mehr vorliegen.

Während der 2. Fall des § 9 Abs.1 Z 1 AsylG jene Fälle betrifft, in denen sich die für die Erteilung maßgeblichen Voraussetzungen nach dem Erteilungszeitpunkt wesentlich geändert haben, stellt die erstgenannte Variante darauf ab, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung nie vorgelegen haben. Die Bestimmung normiert in den angeführten Fällen eine Verpflichtung zur Aberkennung.

Mit Urteil vom 23.5.2019, Bilali, C-720/17, hat der EuGH zu Recht erkannt, dass Art. 19 Abs.1 in Verbindung mit Art. 16 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes dahin auszulegen sei, dass ein Mitgliedstaat den subsidiären Schutzstatus aberkennen müsse, wenn er diesen Status zuerkannt habe, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt gewesen seien, indem er sich auf Tatsachen gestützt habe, die sich in der Folge als unzutreffend erwiesen hätten, und obgleich der betroffenen Person nicht vorgeworfen werde könne, sie habe den Mitgliedstaat bei dieser Gelegenheit irregeführt. Der Gerichtshof verweist schließlich auf die Zielsetzung und allgemeine Systematik der Richtlinie, insbesondere auf Art. 18, der die Zuerkennung von subsidiären Schutzstatus nur an Personen vorsieht, die die genannten Voraussetzungen erfüllen. Wenn der Mitgliedstaat diesen Status nicht rechtmäßig gewähren durfte, muss er erst recht verpflichtet sein, ihn abzuerkennen, wenn sein Irrtum festgestellt wird (vgl. Urteil vom 24.6.2015, H.T., C-373/13)

Artikel 8 der Statusrichtlinie normiert die Möglichkeit der Nicht-Gewährung von internationalem Schutz, steht dem Antragsteller interner Schutz zur Verfügung (inländische Fluchtalternative).

Die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzes sind nach der österreichischen Rechtslage gemäß § 8 Abs. 1 und § 11 AsylG dann gegeben, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat

1.       eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder

2.       für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde und zudem

3.       eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht offen steht.

§ 8 Abs. 3 AsylG greift also die Möglichkeit des Art. 8 der Statusrichtlinie auf und bringt unmissverständlich zum Ausdruck, dass in jenem Fall, in dem Fremden eine innerstaatliche Schutzalternative zur Verfügung steht, die in § 8 Abs. 1 AsylG genannten Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz nicht gegeben sind (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Das Nicht-Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative ist im österreichischen Asylrecht also eine Erteilungsvoraussetzung.

Der Ansicht, dass im Aberkennungsverfahren die Frage des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgeklammert zu bleiben habe, weil § 9 Abs.1 Z 1 nur auf § 8 Abs. 1 AsylG, nicht aber auf § 8 Abs. 3 AsylG verweise, ist nicht zuzustimmen (VwGH v 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Der VwGH führt aktuell zur Aberkennung des subsidiären Schutzstatus aus, dass die Bestimmung des oben angeführten § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG das Ziel verfolge, sicherzustellen, dass nur jenen Fremden, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt (vgl. VwGH 14.08.2019, Ra 2016/20/0038).

Der VwGH führt in diesem Erkenntnis aus: Dies wird auch in den Materialien zum Fremdenrechtspaket 2005 (RV 952 BlgNR 22. GP, 38) - wenngleich dort auch nur kurz angesprochen, so dennoch deutlich – zum Ausdruck gebracht, indem betont wird, dass der Fremde (auch) in einem solchen Fall den Schutz Österreichs nicht mehr benötige. Während der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG die Konstellation erfasst, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiärem Schutz die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat, betrifft der von der Behörde und vom BVwG hier zur Anwendung gebrachte § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind.

Dem Erkenntnis zugrundeliegenden Verfahren lag der Sachverhalt zugrunde, dass die fehlenden Voraussetzungen in der Person des Antragstellers gelegen waren, die Behörde damit Tatsachen den Asylwerber betreffend, die bereits im Zeitpunkt der Zuerkennung vorlagen, fälschlicherweise nicht berücksichtigt hat.

Allerdings trifft der VwGH in diesem Erkenntnis keinerlei Aussage darüber, wie vorzugehen ist, wenn die Behörde entscheidungsrelevante Tatsachen, die außerhalb der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht berücksichtigt hat. Die allgemeinen Erläuterungen des VwGH im oa Erkenntnis treffen eindeutig auch auf einen solchen Sachverhalt zu. Auch in einem solchen Fall würde eine Aberkennung des Schutzstatus nicht auf einer Änderung der relevanten Tatsachenumstände beruhen, sondern auf einer Neubewertung des bereits zum Zeitpunkt der Gewährung des Schutzstatus vorliegenden Sachverhaltes. Auch hier hat der Verweis auf die Materialen des Fremdenrechtspaketes (RV 952 BlgNr 22. GP, 38) Gültigkeit, wonach die Bestimmung des § 9 Abs.1 Z1 AsylG 2005 das Ziel verfolgt, sicherzustellen, dass nur jenen Fremden, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt.

Der Wortlaut dieser Bestimmung ist eindeutig. Wenn die Erteilungsvoraussetzungen nicht vorliegen, so ist abzuerkennen. Für Interpretationen etwa dahingehend, dass die Aberkennung etwa nur bei bestimmten Fällen von Tatsachenunkenntnis der Behörde anzuwenden wäre, besteht angesichts dieser Eindeutigkeit der Formulierung kein Raum.

Und tatsächlich wird in der Judikatur von einer weitreichenden Möglichkeit der Durchbrechung der Rechtskraft ausgegangen.

So führte bereits der AsylGH am 23.9.2010 in E9 318.625-2/2010 aus, dass die Konstellation des 1. Falles jener entspricht, die der „Zurücknahme“ der Anerkennung als Asylberechtigter zugrunde liegt – mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Fälle der vom AsylG 2005 vorgesehenen Zurücknahme Umstände betreffen, in denen die Anerkennung als Asylberechtigter deshalb zu Unrecht erfolgt ist, weil bereits zum Entscheidungszeitpunkt Asylausschlussgründe vorgelegen sind. Bei der Aberkennung des subsidiären Schutzes stellt das AsylG 2005 hingegen lediglich darauf ab, dass die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben. Eine Differenzierung, ob die Voraussetzungen mangels Schutzwürdigkeit oder mangels Schutzbedürftigkeit nicht vorgelegen haben, nimmt das Gesetz nicht vor. Diese Abänderung sieht die Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung vor.

Der AsylGH bestätigt die von der ersten Instanz vorgenommene Durchbrechung der Rechtskraft, bewertet die Rückkehrgefährdung neu und bestätigt die Aberkennung des Schutzstatus: Das Ermittlungsergebnis ergab, dass die Voraussetzungen weder zum Zeitpunkt ihrer Zuerkennung vorlagen, noch aktuell gegeben sind. Die Grundlagen für die amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auf Basis des § 9 Abs.1 Z 1, 1. Fall AsylG 2005 liegen somit vor.

In der Entscheidung XXXX vom 09.09.2019 stellt das BVwG fest, dass „Fremde nicht über den Status des subsidiären Schutzes verfügen sollen, wenn sie die Voraussetzungen dafür nicht erfüllen. Es ist in einem solchen Fall mit einer Aberkennung vorzugehen, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Gewährung auch tatsächlich vorgelegen haben oder ob sie nachträglich weggefallen sind. Im Aberkennungsverfahren ist demnach eine aktuelle Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes vorzunehmen, was sich erstens schon aus der Formulierung des ersten Falles des § 9 Abs.1 Z 1 AsylG ergibt, und zudem durch die Rechtsprechung des VwGH Bestätigung findet.“

Gestützt auf diese Bestimmung nimmt das BVwG schließlich eine Aberkennung wegen Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative vor und stellt dabei fest, dass sich die Umstände seit der Zuerkennung des Status nicht wesentlich und nachhaltig verändert haben. Unabhängig davon, wieso diese im Zeitpunkt der Erteilung des Schutzes nicht berücksichtigt wurde, beurteilt das BVwG die allgemeine Lage rein zum jetzigen Zeitpunkt und gelangt zur Feststellung, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative dem Status des subsidiär Schutzberechtigten entgegenstehe.

Wie oben bereits kurz angeschnitten, würde es auch der Systematik und den Zielen der Statusrichtlinie widersprechen, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsstellungen Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen (EuGH 23.05.20019, Bilali, C-720/17). Damit stellte der EuGH klar, dass die Schutzgewährung aus familiären oder humanitären Gründen nicht in den Anwendungsbereich der Statusrichtlinie fällt und es für die Gewährung nationalen Schutzes aus solchen Gründen einer Form bedarf, die die Gefahr der Verwechslung mit der Schutzgewährung im Sinne der Statusrichtlinie ausschließt (VwGH 21.5.2019, Ro 2019/01/0106).

Um Härtefälle, die sich im Zuge einer Aberkennung ergeben können, zu vermeiden, hat die österreichische Rechtsordnung die Verpflichtung der Behörde normiert, einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, wenn dies im Sinne des Artikel 8 EMRK geboten ist. Keinesfalls aber kann einem Drittstaatsangehörigen der subsidiäre Schutz aus anderen Erwägungen als denen in § 8 AsylG 2005 genannten beibehalten werden.

Im Aberkennungsverfahren ist demnach eine aktuelle Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes vorzunehmen.

Im gegenständlichen Fall ist aus folgenden Gründen gem. § 9 Abs. 1 Z. 1, 1.Fall AsylG abzuerkennen:

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargestellt, sind in Ihrem Fall die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht vorliegend, umso mehr Sie auf Nachfragen des zur Entscheidung berufenen Organwalters auch nichts vorbrachten oder glaubhaft machten, dass eine aktuell vorliegende Gefährdung Ihrer Person im gesamten Heimatstaat annehmen ließe.

Es konnte zwar für Ihr unmittelbares Herkunftsgebiet in der Provinz Daikundi eine reale Gefahr im Sinne einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bzw. für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts erkannt werden. Nicht aber konnte festgestellt werden, dass Ihnen aktuell keine innerstaatliche Fluchtalternative offen stünde.

Den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 entsprechend braucht es keiner externen Unterstützung, um für alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter, soweit keine spezifischen Vulnerabilitäten vorliegen, eine IFA in den Städten Mazar-e Sharif und Herat erkennen zu können. Auch entspricht es der Rechtsprechung des VwGH, dass es einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist und die Möglichkeit hat, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans zugemutet werden kann, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren wurde, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen ist (vgl. VwGH Ra 2019/20/0175).

Den obigen Ausführungen entsprechend (siehe dazu Feststellungen und Beweiswürdigung) fallen Sie schließlich unter die Personengruppe, der eine IFA in Mazar-e Sharif und auch Herat offensteht, umso mehr in Ihrem Fall auch keinerlei besondere Gefährdungsfaktoren hervorgekommen sind.

Auf Grundlage des aktuellen Kenntnisstandes der Behörde zu der Situation in Ihrem Heimatland wird festgestellt, dass Sie derzeit nicht die Voraussetzungen gemäß § 8 Abs. 1 und § 11 AsylG erfüllen, weshalb auch gemäß § 9 Abs. 1 Z 1, erster Fall des AsylG der Status des subsidiären Schutzberechtigten abzuerkennen war.

Der Vollständigkeit halber wird ausgeführt, dass diese nunmehrige Entscheidung keineswegs von einer Änderung der Rechtsprechung alleine getragen ist, sondern von einer Aktualisierung des Kenntnisstandes der Behörde zur allgemeinen Situation in Ihrem Heimatland.

Berücksichtigt wurde dabei auch Ihre konkrete Einzelsituation, wobei das Ermittlungsverfahren spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten zu Tage brachte, die im Zeitpunkt der Zuerkennung des Schutzstatus keine Berücksichtigung fanden (siehe dazu Feststellungen zu Ihrer Person und die entsprechende Beweiswürdigung).“

1.8. Gegen den Bescheid wurde seitens des BF fristgerecht Beschwerde erhoben.

1.9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 22.03.2021 eine mündliche Verhandlung durch, zu der die belangte Behörde entschuldigt nicht erschien. Der BF gab an, dass er über ein A2-Zertifikat verfüge und bereits Kurse auf B1-Niveau absolviert habe. Er habe in Österreich bisher nur einmal für eine Woche auf einer Baustelle gearbeitet. Er habe schon viele Bewerbungen verschickt, jedoch noch keinen Arbeitsplatz gefunden.

Seine Eltern und Brüder lebten im Iran. Die Geschwister seiner Eltern kenne er nicht, sein Vater habe keinen Kontakt zu seinen Familienmitgliedern erhalten. Sein Vater arbeite als Hilfsarbeiter. Der älteste seiner Brüder sein nicht arbeitsfähig, die anderen beiden gingen noch zur Schule. Die Familie habe Afghanistan verlassen, als er zwei Jahre alt gewesen sei. Er habe nie finanzielle Unterstützung von ihr erhalten.

Er leide an Schmerzen im Oberschenkel und mehrmals im Monat an Migräne, sei aber arbeitsfähig. Im Iran habe er mit seinem Vater Hilfsarbeiten verrichtet.

Zu seiner religiösen Überzeugung gab der BF an, dass er nicht mehr an Gott glaube.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Identität des BF steht fest. Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan sowie Mitglied der Volksgruppe der Hazara. Der BF stammt aus der Provinz Daikundi. Er ist im Kindesalter mit seiner Familie in den Iran gereist, wo er bis zu seiner Ausreise lebte. Er ist volljährig und arbeitsfähig. Er leidet an keinen schweren psychischen oder physischen Erkrankungen.

Der BF spricht Dari und auf Niveau A2 Deutsch. Er verfügt über eine fünfjährige Schulbildung und war im Iran als Hilfsarbeiter auf Baustellen tätig. In Österreich war der BF noch nicht erwerbstätig. Anhaltspunkte für eine Berufsausbildung liegen nicht vor. Die Familienangehörigen des BF sind allesamt im Iran ansässig. Der BF hat keine Verwandten in Afghanistan, hält aber zu seinen Familienangehörigen im Iran Kontakt.

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

Dem BF wurde nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet und Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz mit Bescheid des BFA vom 02.02.2017, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 02.02.2018 erteilt. Seither wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 30.01.2018 einmal verlängert. Mit Schreiben vom 14.01.2020 stellte der BF einen neuerlichen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung.

1.2. Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des BF und der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere in der Herkunftsprovinz der Familie des BF Daikundi, sowie in den Städten Mazar-e Sharif, Herat und Kabul, haben sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA vom 02.02.2017, bzw. seit der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.01.2018 nicht wesentlich und nachhaltig verändert.

Das Bundesamt unterlag im Zeitpunkt der Zuerkennung bzw. Verlängerung des Status des subsidiär Schutzberechtigten keinem Tatsachenirrtum.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu Punkt II.1. ergeben sich aus den insoweit unstrittigen Verwaltungs- und Gerichtsakten des BF.

Seitens der belangten Behörde wurde im Rahmen der Feststellungen zu den Gründen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten festgestellt, dass hinsichtlich des BF die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen.

Das BFA stützte im Bescheid vom 02.02.2017 die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich darauf, demzufolge der BF in Afghanistan über kein familiäres oder soziales Netzwerk verfüge. Hinsichtlich dieser persönlichen Umstände ist auch unter Zugrundelegung der im bekämpften Bescheid diesbezüglich getroffenen Feststellungen bislang keine entscheidungswesentliche Änderung eingetreten. Der BF hat schon im Iran Berufserfahrung als Hilfsarbeiter gesammelt, aber in Österreich keine Berufsausbildung absolviert und auch nicht gearbeitet. Dem Bundesamt war auch schon im Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten die uneingeschränkte Erwerbsfähigkeit des Genannten bekannt.

Im Verlauf eines Vergleichs der individuellen Situation des BF sowie der Sicherheits- und insbesondere Versorgungslage in Afghanistan zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der rechtskräftigen Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung einerseits und zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. der vorliegenden Entscheidung andererseits konnte auch nicht festgestellt werden, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, zwischenzeitig wesentlich und nachhaltig verändert hätten. Dabei erfolgte insbesondere eine Gegenüberstellung des Inhalts der dem Bescheid des BFA vom 02.02.2017zugrunde gelegten Länderberichte sowie jener der belangten Behörde zum Zeitpunkt der letzten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung vorliegenden Informationen aus dem entsprechenden Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes zu Afghanistan vom 02.03.2017 (Stand: 30.01.2018) mit der Berichtslage, die das Bundesamt bei Erlassung des angefochtenen Bescheides herangezogen hat.

Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Sicherheits- und Versorgungslage sowie die Erreichbarkeit der als innerstaatliche Fluchtalternative angeführten Städte Mazar-e Sharif, Herat und Kabul. Eine diesbezüglich maßgebliche und nachhaltige Lageänderung kann seit dem Zeitpunkt der letzten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung nicht erkannt werden, wobei dies im bekämpften Bescheid auch nicht einmal behauptet wurde. Auch ein Vergleich der vom Bundesamt im bekämpften Bescheid angeführten UNHCR-Richtlinie zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 lässt im Hinblick auf die darin angeführte Ausnahme für alleinstehende, leistungsfähige Männer keinen wesentlichen Unterschied zur gleichnamigen UNHCR-Richtlinie vom 19.04.2016 erkennen (vgl. zur aktuellen Situation aber auch VfGH 09.06.2020, Zl. E 3393/2019-16; VfGH 26.06.2020, Zl. E 810-816/2020-13; VwGH 21.10.2020, Zl. Ra 2020/18/0284).

Eine allgemein in Afghanistan eingetretene und für den gegenständlichen Fall relevante Lageänderung kann sohin sowohl im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bzw. der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als auch im Vergleich zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides verneint werden (vgl. dazu etwa auch BVwG 21.02.2020, Zl. W229 2203885-1/6E; BVwG 25.06.2020, Zl. W169 2153738-2/5; BVwG 25.06.2020, Zl. W242 2150296-3/6E; BVwG 02.07.2020, Zl. W278 2228621-1/5E).

Die Feststellungen zur aktuellen maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen samt zitierter Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Es kann – insbesondere angesichts des kurzen Zeitraumes - auch ausgeschlossen werden, dass sich die maßgebliche Situation in Afghanistan seit der bekämpften Entscheidung zwischenzeitlich nachhaltig verbessert hätte, wobei auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen (vgl. dazu etwa BVwG 19.10.2020, Zl. W266 2189955-1/10E; BVwG 14.10.2020, Zl. W109 2160438-1/37E; BVwG 13.10.2020, Zl. W127 2127910-2/11E).

Die Feststellung, dass das Bundesamt bei Zuerkennung bzw. Verlängerung des Status des subsidiär Schutzberechtigten keinem Tatsachenirrtum unterlag, ergibt sich daraus, dass dies von der Behörde im bekämpften Bescheid weder erkennbar dargetan wurde, noch aus den entsprechenden Verwaltungsakten sowie den vom Bundesamt zum Zeitpunkt der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung herangezogenen Länderinformationen ersichtlich ist. Das BFA stellte zwar im angefochtenen Bescheid Folgendes fest: „Die oben genannten (positiven) persönlichen Eigenschaften lagen zum Zeitpunkt der Schutzgewährung vor, waren der Behörde allerdings nicht bekannt.“, legte aber nicht dar, auf welche positiven Eigenschaften sie sich konkret bezieht. Der Beweiswürdigung ist zu entnehmen, dass das BFA die Feststellungen „Sie überzeugen mit ihrer Flexibilität sowie Aufgeschlossenheit. Sie sind anpassungsfähig sowie anpassungswillig.“ als „neue“ positive Eigenschaften ansieht. Die Beweiswürdigung legt allerdings nicht dar, aus welchem Grund der Behörde diese positiven Eigenschaften vor Bescheiderlassung am 02.02.2017 nicht bekannt gewesen wären und aus welchem Grund diese Charaktereigenschaften den BF nunmehr in die Lage versetzen könnten, seinen Lebensunterhalt auch ohne soziales oder familiäres Netzwerk in Afghanistan zu erwirtschaften. Vor dem Hintergrund der Feststellungen im Bescheid vom 02.02.2017 („Es konnte aber festgestellt werden, dass Ihnen in Heimatland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen wäre, zumal Sie über keinerlei soziale oder familiäre Netzwerke in Afghanistan verfügen, zumal ihre Verwandten nach wie vor im Iran leben. Eine Rückführung nach Afghanistan erscheint derzeit nicht zumutbar, weil sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde.“ Seite 13 des Bescheids vom 02.02.2017, Fehler und Hervorhebung im Original) fehlt es auch an der Relevanz dieser Charaktereigenschaften im Hinblick auf eine mögliche Verletzung von Art. 3 EMRK.

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

Zu Spruchteil A):

2. Zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

2.1. § 8 AsylG 2005 lautet:

„(1) Einem Fremden ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

[…]

Nach Abs. 3 leg. cit. sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.

Gemäß Abs. 4 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

[…]“

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann, und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Gemäß § 11 Abs. 2 AsylG 2005 ist bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

2.2. Das Bundesamt stützte sich bei der gegenständlichen Aberkennung erkennbar auf § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005.

Im ersten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG stellt das Gesetz darauf ab, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nie vorgelegen sind. Dieser Tatbestand korrespondiert mit Art. 19 Abs. 3 lit. b der Statusrichtlinie, nach dem eine Aberkennung oder Nichtverlängerung des Status dann erfolgt, wenn eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausschlaggebend war. Zur Frage, ob sich § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG nur auf den eben genannten "Erschleichungstatbestand" der Statusrichtlinie oder aber auf jede (vom Fremden nicht zu vertretende) Änderung des Kenntnisstandes der Behörde bezieht, ist auf die Entscheidung des EuGH vom 23.05.2019, C-720/17, zu verweisen.

Im gegenständlichen Fall hat die Behörde die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten explizit auf § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG gestützt. Begründend wurde einerseits ausgeführt, dass im Lichte der Judikatur der Höchstgerichte (und des EuGH) im Aberkennungsverfahren eine aktuelle Prüfung (im Sinne einer Neubewertung) des Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes vorzunehmen sei. Die Behörde ging davon aus, dass die Gewährung des subsidiären Schutzes aufgrund ausbleibender Berücksichtigung einer zwingenden Voraussetzung, nämlich der ordnungsgemäßen Prüfung des Vorliegens einer tauglichen IFA, erfolgt sei.

Zunächst ist festzuhalten, dass (lediglich) eine andere rechtliche Beurteilung oder Würdigung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts dem Wegfall oder (zumindest) der maßgeblichen Änderung jener Umstände, die zur rechtskräftigen Zuerkennung subsidiären Schutzes geführt haben, nicht gleichzuhalten ist.

Entgegen der Rechtsansicht der Behörde ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG nicht, dass im Zuge eines Verfahrens über einen Antrag auf Verlängerung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine Neubewertung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts geboten und zulässig wäre (vgl. u.a. Bescheid 31.05.2019, S 109f).

So verwies der VwGH in seiner Entscheidung vom 29.01.2020, Ra 2019/18/0367, auf seine bisherige Rechtsprechung, wonach es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkungen von Bescheiden nicht zulässig ist, die Aberkennung (im dort entschiedenen Fall: gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005) auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) nicht geändert hat (VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0155, Rz 25).

Diese Überlegungen hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 27. Mai 2019, Ra 2019/14/0153, auch auf Fälle übertragen, in denen die Aberkennung auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 gestützt wird. Nichts anderes kann in Fällen gelten, in welchen die Aberkennung auf § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG gestützt wird.

Auch aus der Statusrichtlinie ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass eine Neubewertung des Sachverhalts geboten wäre. Gemäß Art. 19 Abs. 1 der Statusrichtlinie erkennen die Mitgliedstaaten bei Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG gestellt wurden, einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus ab, beenden diesen oder lehnen seine Verlängerung ab, wenn die betreffende Person gemäß Artikel 16 leg. cit. nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann.

Gemäß Art. 16 Abs. 1 der Statusrichtlinie hat ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist.

In der Entscheidung Bilali gegen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 23.05.2009, C-720/17, führt der EuGH hinsichtlich der Systematik der Statusrichtlinie (unter anderem) Folgendes aus:

"Aus dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95 ergibt sich, dass ein Kausalzusammenhang besteht zwischen der Änderung der Umstände nach Art. 16 dieser Richtlinie und der Unmöglichkeit für den Betroffenen, seinen Status des subsidiär Schutzberechtigten zu behalten, da seine ursprüngliche Furcht, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie zu erleiden, nicht mehr begründet erscheint. Zwar ergibt sich eine solche Änderung im Allgemeinen daraus, dass sich die tatsächlichen Umstände im Drittland geändert haben und durch diese Änderung die Ursachen, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, beseitigt worden sind, jedoch sieht zum einen Art. 16 der Richtlinie 2011/95 nicht ausdrücklich vor, dass sein Anwendungsbereich auf einen solchen Fall beschränkt ist, und zum anderen kann eine Änderung des Kenntnisstands des Aufnahmemitgliedstaats hinsichtlich der persönlichen Situation der betroffenen Person in gleicher Weise dazu führen, dass die ursprüngliche Befürchtung, dass Letztere einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 dieser Richtlinie erleidet, im Licht der neuen Informationen, die diesem Mitgliedstaat zur Verfügung stehen, nicht mehr begründet erscheint (vgl. entsprechend Urteil vom 2. März 2010, Salahadin Abdulla u. a., C-175/08, C-176/08, C-178/08 und C-179/08, EU:C:2010:105, Rn. 66)."

Der EuGH kommt schließlich in der zitierten Entscheidung zu dem Ergebnis, dass eine (bedeutsame und endgültige) Änderung des Kenntnisstandes des Aufnahmemitgliedstaats hinsichtlich der persönlichen Situation der betroffenen Person dem Tatbestand des Art. 16 Abs. 1 der Statusrichtlinie, konkret einer wesentlichen und nachhaltigen Änderung oder einer Beseitigung jener Umstände, die zur Zuerkennung des Schutzstatus geführt haben, gleichzuhalten ist.

Im Umkehrschluss muss jedoch davon ausgegangen werden, dass eine Neubewertung eines unveränderten Sachverhalts – etwa infolge einer Änderung der Rechtsprechung – nach der Systematik der Statusrichtlinie nicht geboten ist.

In der Entscheidung Bilali gegen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 23.05.2009, C-720/17, hielt der EuGH fest, dass Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16 der Richtlinie 2011/95 dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat den subsidiären Schutzstatus aberkennen muss, wenn er diesen Status zuerkannt hat, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt waren, indem er sich auf Tatsachen stützte, die sich in der Folge als unzutreffend erwiesen haben, und obgleich der betroffenen Person nicht vorgeworfen werden kann, sie habe den Mitgliedstaat bei dieser Gelegenheit irregeführt.

Dem vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen lag der Fall zugrunde, dass das Bundesasylamt irrtümlich davon ausgegangen war, dass der Revisionswerber Staatsangehöriger Algeriens sei und ihm rechtskräftig den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt hatte. In weiterer Folge gelangte die Behörde nach neuen Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass der Revisionswerber Staatsangehöriger Marokkos sei und in Bezug auf Marokko die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status nicht vorliegen würden.

Im gegenständlichen Fall liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Bundesamt irrtümlich von falschen Tatsachen ausgegangen wäre und der BF zum Zeitpunkt der Gewährung die Voraussetzungen für die Zuerkennung nicht erfüllt hat.

Im hier gegenständlichen Fall ist daher kein Tatsachenirrtum des Bundesamtes auszumachen. Vielmehr beurteilt die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung einen im Wesentlichen unverändert gebliebenen Sachverhalt rechtlich neu. Aus der zitierten Entscheidung des EuGH lässt sich aber nicht ableiten, dass ein möglicher Rechtsirrtum bei Zuerkennung des Schutzstatus einen nach der StatusRL zulässigen Grund für die Aberkennung dieses Status darstellt, zumal in jenem Urteil an mehreren Stellen unmissverständlich von einem Irrtum über Tatsachen bzw. Daten die Rede ist (s. etwa Rz 26, 31, 42, 51 und 65; vgl. auch VwGH 29.01.2020, Zl. Ra 2019/18/0262, RS 4 letzter Satz [dort zwar zum zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, aber insoweit generalisierbar]). Der Verwaltungsgerichtshof stellte in seiner Entscheidung vom 29.01.2020 unter ausdrücklichen Verweis auf die Entscheidung des EuGH vom 23.05.2019 (Bilali, C- 720/17, Rn 50) zudem auch klar, dass eine bloße unterschiedliche Beweiswürdigung eines im Wesentlichen gleichen Vorbringens ohne maßgebliches neues Sachverhaltssubstrat für sich genommen nicht zu einer Aberkennung berechtigt, da darin keine Änderung des Kenntnisstandes des Aufnahmemitgliedstaates liegt (vgl. VwGH 29.01.2020, Zl. Ra 2019/18/0262, Rn 32).

Da auch sonst keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Voraussetzungen für einen der sonstigen Aberkennungstatbestände nach § 9 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 vorliegen, war der Beschwerde daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid zur Gänze zu beheben.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben. Dem BF kommt aufgrund der Behebung dieses Spruchpunktes weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Afghanistan zu.

Vor diesem Hintergrund ist Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides spruchgemäß dahingehend abzuändern, dass dem Antrag des BF vom 14.02.2020 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG stattgegeben und die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von zwei Jahren ab Rechtskraft der gegenständlichen Entscheidung verlängert wird (vgl. diesbezüglich VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0281).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche höchstgerichtliche Rechtsprechung wurde insbesondere unter Punkt II.3.2.2 entsprechend wiedergegeben.

Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aktuelle Länderfeststellungen befristete Aufenthaltsberechtigung Rückkehrsituation Sicherheitslage subsidiärer Schutz Verlängerung Versorgungslage wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W171.2148957.2.00

Im RIS seit

13.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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