Entscheidungsdatum
07.06.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
I414 2142179-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Christian EGGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.04.2021, Zl. XXXX zu Recht:
A)
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird insofern stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbots auf acht Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein algerischer Staatsangehöriger, wurde am 06.02.2016 in Wien wegen illegaler Einreise bzw. illegalem Aufenthaltes festgehalten. Daraufhin stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher rechtskräftig negativ entschieden wurde.
Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien erfolgte am 14.10.2019. Trotz eines Aufrechten Einreiseverbots reiste der Beschwerdeführer zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt wieder in Österreich ein.
Dem Beschwerdeführer wurde mit Schreiben der belangten Behörde vom 30.11.2020 die Möglichkeit eingeräumt, zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm mit einem Einreiseverbot innerhalb von zehn Tagen Stellung zu nehmen (wovon der Beschwerdeführer keinen Gebrauch machte).
Mit verfahrensgegenständlich angefochtenem Bescheid vom 28.01.2020, Zahl XXXX , erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht (Spruchpunkt I.), erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) gegen ihn (Spruchpunkt II.) und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Algerien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 55 ABs 4 FPG eine Frist für eine freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).
Mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 29.04.2021 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid der belangten Behörde Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und begründete dies mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge: BFA) habe es verabsäumt den Beschwerdeführer persönlich einzuvernehmen. Zudem habe die Behörde keine ausreichenden Länderinformationen zum Herkunftsland des Beschwerdeführers eingeholt. Weiters habe das BFA jegliche Beweiswürdigung unterlassen und keine nachvollziehbaren Feststellungen getroffen, weshalb das BFA gar nicht beurteilen hätte können, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorliegen.
Die Beschwerde und der Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 27.05.2021 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund, arbeitsfähig, ledig und hat keine Sorgepflichten. Er ist Staatsangehöriger von Algerien.
Er reiste erstmals Anfang 2016 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 06.02.2016, nach seiner Festnahme einen Antrag auf internationalen Schutz, über welchen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 03.10.2016, Zl. XXXX , negativ entschieden hat. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2016, GZ. I403 2142179-1, wurde das gegen ihn mit Bescheid vom 03.10.2016, Zl. XXXX , vom BFA befristete Einreiseverbot von sechs Jahren wegen Straffälligkeit auf die Dauer von vier Jahren herabgesetzt. Im Übrigen wurde der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien erfolgte am 14.10.2019. Gegen den Beschwerdeführer besteht aktuell ein vierjähriges Einreiseverbot. Trotz eines Aufrechten Einreiseverbots reiste der Beschwerdeführer zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt wieder in Österreich ein.
Der Beschwerdeführer verfügt in Algerien über Anknüpfungspunkte.
Der Beschwerdeführer führt in Österreich kein Familienleben. Besondere Aspekte einer nachhaltigen Integration kamen nicht hervor, vielmehr verbrachte der Beschwerdeführer den Großteil seines bisherigen zumeist illegalen Aufenthaltes im Bundesgebiet in Strafhaft. Weiters verfügt er über keine nachweislichen Deutschkenntnisse, hat an keinen beruflichen Aus- oder Weiterbildungen teilgenommen, und ist nicht Mitglied eines Vereines oder einer sonstigen integrationsbegründenden Institution.
Der Beschwerdeführer wurde in Österreich bereits mehrfach strafgerichtlich verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen, Zl. XXXX , vom 31.08.2016 wegen § 28a Abs. 1 5 Fall SMG, § 28a Abs. 2 Ziffer 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 10 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen, Zl. XXXX , vom 15.05.2018 wegen § 28a Abs. 1 4 Fall SMG, §28a Abs 4 Ziffer 3 und § 28a Abs. 1 5 Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, verurteilt.
Seiner während gegen ihn verhängtem Einreiseverbot strafgerichtlichen Verurteilung liegt zugrunde, dass der Erstangeklagte aufgrund seiner tristen finanziellen Situation mit einem Mittäter gemeinsam beschlossen hat, einem anderen, bei welchem es sich um einen verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamtes handelte, über welchen sich der Beschwerdeführer und sein Mittäter jedoch nicht in Kenntnis waren, gesamt dreizehn Kilogramm Cannabisharz anzubieten. Tatsächlich bot der Beschwerdeführer und sein Mittäter dem verdeckten Ermittler 4.891,5 Gramm netto Cannabisharz an. Aufgrund dessen erfolgte eine Festnahme durch die ermittelnden verdeckten Beamten. Die sichergestellte Suchtgiftmenge von 4.891,5 Gramm netto Cannabisharz wies einen Reinheitsgehalt von zumindest 0,77% Delta-9-THC und 10,13% THCA auf. Erschwerend wirkte sich bei der gegenständlichen Verurteilung die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen, den raschen Rückfall während offener Probezeit, das mehrfache Überschreiten der Grenzmenge beim Überlassen sowie die hohe Menge an angebotenem Suchtgift. Mildernd wirkte sich hingegen das reumütige Geständnis, der Beitrag zur Wahrheitsfindung sowie die teilweise Sicherstellung des tatverfangenen Suchtgiftes.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 03.12.2020 wegen § 15 StGB §§ 127, 129 Abs 1 Z 1, § 129 Abs 2 Z 1 und § 105 Abs StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, verurteilt.
Seiner letzten strafgerichtlichen Verurteilung liegt zugrunde, dass der Beschwerdeführer und zwei weitere Mittäter mit Gewalt versucht haben in eine Wohnung einzudringen, um sich aus dieser fremde bewegliche Sachen unrechtmäßig zuzueignen. Erschwerend wirkte sich die einschlägige Vorstrafenbelastung aus. Mildernd wirkte sich hingegen aus, dass es beim Versuch geblieben ist.
Der Beschwerdeführer befindet sich in der Justizanstalt Ried/Innkreis bis 15.04.2022 in Strafhaft.
1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat:
Algerien ist gemäß § 1 Z 10 Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 145/2019 ein sicherer Herkunftsstaat.
Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine entscheidungswesentlichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurden die aktuellen Länderinformationen der Staatendokumentation zu Algerien auszugsweise zitiert. Der Beschwerdeführer tätigte in der erhobenen Beschwerde keine Ausführungen zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung der Lage bekannt geworden, so dass das Bundesverwaltungsgericht sich den Ausführungen des Bundesamtes anschließt und auch zu den seinen erhebt.
1.3. Zur (auszugsweise wiedergegebenen) Lage im Herkunftsstaat (mit Angabe der Quellen), soweit sie für den vorliegenden Beschwerdefall von Relevanz sind:
Politische Lage
Letzte Änderung am 18.3.2021
Nach der Verfassung von 1996 ist Algerien eine demokratische Volksrepublik (AA 28.10.2020). Die Verfassung wurde am 7.3.2016 in Teilen geändert. Der direkt vom Volk und seit der Verfassungsreform von 2016 wieder mit Begrenzung auf zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählte Präsident verfügt über eine überaus starke Stellung (AA 11.7.2020). Die 2020 erfolgte Verfassungsreform bringt eine weitere Verstärkung der Rolle des Staatspräsidenten und - noch problematischer - verankert stärker als bisher eine Rolle des Militärs als Staats- und Verfassungsgarant (ÖB 11.2020). Aufgabe des vom Präsidenten (nach Konsultation der Parlamentsmehrheit) ernannten Premierministers ist lediglich die Umsetzung des Programms des Staatspräsidenten und die Koordinierung der Arbeit der Regierung (AA 11.7.2020; vgl. ÖB 11.2020). Der Präsident ist Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber des Heeres und Verteidigungsminister. Er garantiert die Einheit des Staates und ist die höchste Instanz der Rechtsprechung. Er ernennt den Premierminister nach Konsultation des Parlaments und nach Befassung des Premierministers die Minister und sitzt dem Ministerrat vor. Er ernennt die Funktionäre der Verwaltung und des Militärs, den Gouverneur der Nationalbank, die 48 Wilaya(Provinz)präfekten und die Richter des Landes (ÖB 11.2020).
In Folge der Massenproteste seit Februar 2019 und auf Druck der Armee reichte Präsident Bouteflika am 2.4.2019 seinen Rücktritt ein. Bei den Präsidentschaftswahlen am 12.12.2019 gewann der ehemalige Premierminister Abdelmadjid Tebboune (AA 11.7.2020; vgl. HRW 13.1.2021, CIA 3.3.2021, FH 2021, ÖB 11.2020), Favorit der Militärführung um den mittlerweile verstorbenen Generalstabschef Ahmed Gaïd Salah, die Wahl für sich (AA 11.7.2020). Die Wahlbeteiligung hatte einen historischen Tiefstpunkt erreicht (HRW 13.1.2021; vgl. FH 2021). Tebboune verkörpert für viele Algerier das Streben der Elite nach System- und Machterhalt. Der „Hirak“ [Anmerkung: Bezeichnung der Protestbewegung in Algerien] hatte gegen die Wahl protestiert und hält an der Forderung nach einem kompletten Systemwechsel fest. Anfängliche Dialogbemühungen des Staatspräsidenten sind seit März 2020 ins Stocken geraten. Doch auch auf Seiten der Protestbewegung ist die Dialogbereitschaft gering. Wenige dialogbereite Stimmen innerhalb des „Hirak“ wurden medienwirksam von der Protestbewegung diskreditiert. Die aktuelle Herausforderung durch die Covid-19-Pandemie lässt den Graben zwischen Regierung und Teilen der Bevölkerung vorerst in den Hintergrund treten. Die Covid-19-Maßnahmen der Regierung, wie zum Beispiel die landesweite partielle Ausgangssperre, werden von der Bevölkerung mitgetragen (AA 11.7.2020).
Die Gesetzgebung basiert mehrheitlich auf präsidentiellen Dekreten (ÖB 11.2020). Die Nationalversammlung („Assemblée Populaire Nationale“, APN) und der Senat („Conseil de la Nation“) bilden die beiden Kammern des Parlaments. Die 462 Mitglieder der Nationalversammlung werden alle fünf Jahre in allgemeiner, direkter und geheimer Wahl gewählt. Die 144 Mitglieder des Senats werden zu einem Drittel durch den Präsidenten ernannt und zu zwei Dritteln von Gemeindevertretern gewählt (AA 11.7.2020; vgl. FH 2021). Die Rolle der beiden Parlamentskammern im Staats- und Machtgefüge bleibt vor allem aufgrund der klaren Regierungsmehrheit schwach (AA 11.7.2020). Die letzten Wahlen zur Nationalversammlung fanden am 4.5.2017 statt (AA 11.7.2020; vgl. ÖB 11.2020).
Im Februar 2019 entstand in Algerien eine Massenbewegung, welche sich mit dem arabischen Wort für Bewegung „Hirak“ beschreibt. Die Proteste begannen, nachdem der damals amtierende Präsident Abdelaziz Bouteflika seine fünfte Kandidatur für die Präsidentschaftswahl ankündigte. Zunächst forderten die Demonstranten den Rücktritt des Präsidenten, welcher dieser Forderung schließlich nachkam. Die Proteste endeten jedoch nicht mit dem Rücktritt Bouteflikas. Bis Ende März 2020 wurde jeden Freitag auf den Straßen in der Hauptstadt Algier und anderswo demonstriert und die Veränderung des gesamten politischen Systems gefordert (IPB 12.6.2020; vgl. ÖB 11.2020). Die algerischen Behörden unterdrücken weiterhin Anhänger des "Hirak". Entgegen der Versprechungen Präsident Tebbounes für einen Dialog, verhaften die algerischen Behörden weiterhin Protestierende, Aktivisten und Journalisten, die dem "Hirak" angehören (HRW 13.1.2021).
Anlässlich des zweiten Jahrestages des Beginns der friedlichen Protestbewegung gingen am 22.2.2021 mehrere Tausend Demonstranten auf die Straßen und erneuerten ihre Forderungen nach einem umfassenden Politik- und Systemwechsel. Auch am 26.2.2021 wurde demonstriert, obwohl die Regierung aufgrund der Covid-19-Pandemie Zusammenkünfte verboten hat. Das Militär reagierte auf die überwiegend gewaltfreien Demonstrationen mit dem Einsatz von Tränengas und Schlagstöcken (BAMF 1.3.2021). Auch weiterhin versammeln sich Tausende Bürgerinnen und Bürger jeden Freitag auf den Straßen und demonstrieren für einen umfassenden Politik- und Systemwechsel. Die UN warnen vor einer Verschlechterung der Menschenrechtslage, da die Sicherheitskräfte gegen Teilnehmer an den friedlichen Protesten zunehmend Gewalt eingesetzt und in den vergangenen zwei Wochen wieder Hunderte Menschen willkürlich festgenommen haben. Ferner gibt es Berichte über Einschränkungen der Pressefreiheit und drohende Haftstrafen für Aktivisten, ebenso Vorwürfe über Folter und sexuelle Gewalt im Gefängnis (BAMF 8.3.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2020): Algerien - Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/algerien-node/-/222160, Zugriff 12.3.2021
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.7.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2035826/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_11.07.2020.pdf, Zugriff 12.3.2021
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (8.3.2021): Briefing Notes, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.3.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw09-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 16.3.2021
CIA - Central Intelligence Agency [USA] (3.3.2021): The World Factbook - Algeria, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/algeria/, Zugriff 12.3.2021
FH - Freedom House (2021): Freedom in the World 2021 - Algeria, https://freedomhouse.org/country/algeria/freedom-world/2021, Zugriff 15.3.2021
HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043512.html, Zugriff 12.3.2021
IPB - Institut für Protest- und Bewegungsforschung (12.6.2020): Hirak – Bewegung in Algerien, https://protestinstitut.eu/hirak-bewegung-in-algerien/, Zugriff 17.6.2020
ÖB - Österreichische Botschaft Algier [Österreich] (11.2020): Asylländerbericht Algerien, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
Sicherheitslage
Letzte Änderung 18.03.2021
Demonstrationen fanden von Mitte Februar 2019 bis Ende März 2020 fast täglich in allen größeren Städten statt. Auch wenn diese weitgehend friedlich verliefen, konnten vereinzelte gewaltsame Auseinandersetzungen nicht ausgeschlossen werden (IPB 12.6.2020). Seit Februar 2021 versammeln sich Tausende Bürgerinnen und Bürger jeden Freitag auf den Straßen und demonstrieren für einen umfassenden Politik- und Systemwechsel (BAMF 1.3.2021; vgl. BAMF 8.3.2021).
Der djihadistische Terrorismus in Algerien ist stark zurückgedrängt worden; Terroristen wurden großteils entweder ausgeschaltet, festgenommen oder haben das Land verlassen, was zur Verlagerung von Problemen in die Nachbarstaaten, z.B. Mali, geführt hat. Gewisse Restbestände oder Rückzugsgebiete sind jedoch v.a. in der südlichen Sahara vorhanden. Gruppen, wie die Groupe Salafiste pour la Prédication et le Combat (GSPC), die den 1997 geschlossenen Waffenstillstand zwischen dem algerischen Militär und der AIS nicht anerkannte, sich in die Saharagebiete zurückzog und 2005 mit Al Qaida zur AQIM verband, sind auf kleine Reste reduziert und in Algerien praktisch handlungsunfähig. Inzwischen hat sich diese Gruppe wieder mehrmals geteilt, 2013 u.a. in die Mouvement d’Unité pour je Jihad en Afrique Occidentale (MUJAO). Ableger dieser Gruppen haben den Terroranschlag in Amenas/Tigentourine [Anm.: im Jänner 2013] zu verantworten. 2014 haben sich mit dem Aufkommen des sogenannten Islamischen Staates (IS) Veränderungen in der algerischen Terrorismusszene ergeben. AQIM hat sich aufgespalten und mindestens eine Teilgruppe, Jund al-Khilafa, hat sich zum IS bekannt. Diese Gruppe hat die Verantwortung für die Entführung und Enthauptung des französischen Bergführers Hervé Gourdel am 24.9.2014 übernommen. Dies war 2014 der einzige Anschlag, der auf einen Nicht-Algerier zielte. Ansonsten richteten sich die terroristischen Aktivitäten ausschließlich auf militärische Ziele (ÖB 11.2020).
2017 gab es (mindestens) vier Anschläge mit eindeutig islamistischem Hintergrund, und zwar in Blida, Constantine, Oued Djemaa (Wilaya Blida), Ferkane (Wilaya Tebessa) und Tiaret. Im selben Jahr wurden 91 Terroristen getötet und 70 verhaftet. Dazu kommen noch 214 verhaftete Sympathisanten. 2019 und 2020 wurden keine terroristischen Angriffe verzeichnet, bei Razzien und Aktionen gegen Terroristen und deren Unterstützer kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften mit tödlichem Ausgang. Im 1 Halbjahr 2020 beliefen sich die Zahlen nach den nicht überprüfbaren Angaben des Verteidigungsministeriums auf zwölf getötete, drei sich ergebende und fünf festgenommene Terroristen. Algerische Behörden verfolgen einen relativ holistischen Ansatz des Kampfes gegen den Terrorismus und binden in ihre Bemühungen zur Deradikalisierung auch Moscheen, Frauen und Familien ein (ÖB 11.2020).
Spezifische regionale Risiken
Die Sicherheitslage in gewissen Teilen Algeriens ist weiterhin gespannt (AA 1.3.2021; vgl. ÖB 11.2020). Es gibt immer noch terroristische Strukturen, wenn auch reduziert (ÖB 11.2020; vgl. BS 29.4.2020). Die Sicherheitssituation betreffend terroristische Vorfälle hat sich weiter verbessert, die Sicherheitskräfte haben auch bislang unsichere Regionen wie die Kabylei oder den Süden besser unter Kontrolle, am relativ exponiertesten ist in dieser Hinsicht noch das unmittelbare Grenzgebiet zu Tunesien, Libyen und zu Mali (ÖB 11.2020). In den Grenzgebieten mit den Nachbarländern Libyen, Niger, Mali, Mauretanien, Tunesien und Westsahara besteht große Gefahr von terroristischen Anschlägen oder Entführungsversuchen (BMEIA 10.3.2021; vgl. AA 1.3.2021), ebenso wie in den algerischen Saharagebieten und außerhalb der Bezirke der größeren Städte im nördlichen Landesteil von Algerien, in ländlichen Gebieten und Bergregionen. Terroristische Aktivitäten richten sich in erster Linie gegen die staatliche Sicherheitskräfte (AA 1.3.2021).
Immer wieder versuchen kriminelle, terroristische bzw. bewaffnete Gruppen Algeriens Grenzgebiete für ihre Zwecke zu nutzen bzw. diese zu durchqueren. Die auf Grund politischer Gegebenheiten bzw. mangelnder Ressourcen nicht vorhandene oder zu schwache Präsenz von Sicherheitskräften in den angrenzenden Staaten erleichtert dies. Die algerische Armee hat daher generell die Kontrolle der Grenzregionen verstärkt und angesichts der aktuellen Situation in Libyen und Tunesien auch die Streifen- und Übungstätigkeit in Grenznähe (BMEIA 10.3.2021).
Der interkommunale Konflikt in der Region Ghardaia mit gewalttätigen Zusammenstößen zwischen 2013 und 2015 wurde durch eine starke Militärpräsenz unter Kontrolle gebracht. Islamistische Extremisten, die eine echte Bedrohung für die staatliche Identität darstellen, sind nach wie vor eine sehr kleine Minderheit. Sie werden von der Bevölkerung kaum oder gar nicht unterstützt (BS 29.4.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.3.2021): Algerien: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/algerien-node/algeriensicherheit/219044#content_1, Zugriff 17.3.2021
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (8.3.2021): Briefing Notes, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.3.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw09-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 16.3.2021
BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (10.3.2021): Reiseinformationen Algerien, Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/algerien/, Zugriff 17.3.2021
BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Algeria, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_DZA.pdf, Zugriff 23.6.2020
IPB - Institut für Protest- und Bewegungsforschung (12.6.2020): Hirak - Bewegung in Algerien, https://protestinstitut.eu/hirak-bewegung-in-algerien/, Zugriff 17.6.2020
ÖB - Österreichische Botschaft Algier [Österreich] (11.2020): Asylländerbericht Algerien, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung 18.03.2021
Die Verfassung garantiert Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung, diese Rechte werden jedoch von der Regierung in der Praxis eingeschränkt (USDOS 11.3.2020). Nach anderen Angaben können die meisten Bürger innerhalb des Landes und ins Ausland relativ frei reisen (FH 2021). Die Regierung hält aus Gründen der Sicherheit Reiserestriktionen in die südlichen Bezirke El-Oued und Illizi, in der Nähe von Einrichtungen der Kohlenwasserstoffindustrie sowie der libyschen Grenze, aufrecht. Überlandreisen sind aufgrund von Terrorgefahr zwischen den südlichen Städten Tamanrasset, Djanet und Illizi eingeschränkt (USDOS 11.3.2020).
Jungen wehrpflichtigen Männern, die ihren Wehrdienst noch nicht abgeleistet haben, wird die Ausreise ohne Sondergenehmigung verweigert (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 2021). Sondergenehmigungen erhalten Studenten und Personen in besonderen Familienkonstellationen. Personen, die jünger als 18 Jahre sind, ist es gemäß Familienrecht nicht gestattet, ohne die Erlaubnis einer Aufsichtsperson ins Ausland zu reisen (USDOS 11.3.2020). Verheiratete Frauen, die jünger als 18 Jahre sind, dürfen ohne die Erlaubnis ihres Ehemanns nicht ins Ausland reisen (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 2021). Ehefrauen, die älter als 18 Jahre sind, sind Auslandsreisen auch ohne Erlaubnis des Ehemanns gestattet (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
FH - Freedom House (2021): Freedom in the World 2021 - Algeria, https://freedomhouse.org/country/algeria/freedom-world/2021, Zugriff 16.3.2021
USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Algeria, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ALGERIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 17.3.2020
Grundversorgung
Letzte Änderung 18.03.2021
Nahezu die gesamten Staatseinkünfte des Landes stammen aus dem Export von Erdöl und Erdgas. Rund 90% der Grundnahrungsmittel und fast die Gesamtheit der Pharmazeutika und Gebrauchsgüter werden importiert. Eine an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientierte oder auf Autarkie zielende Industrialisierung hat nicht stattgefunden. Die Staatseinnahmen – und damit die Fähigkeit zur Subventionierung von Grundbedürfnissen (Grundnahrungsmittel, Wohnungsbau, Infrastruktur) – sind seit 2014 aufgrund der sinkenden Öl- und Gaspreise drastisch zurückgegangen (RLS 7.4.2020; vgl. BS 29.4.2020). Durch den Verfall der Öl- und Gaspreise befindet sich die algerische Wirtschaft seit 2014 in einer Abwärtsspirale. Öffentliche Ausgaben sind angespannt. Steuererhöhungen führten 2019 und Anfang 2020 zu Demonstrationen. Die Corona-Krise 2020 hat die wirtschaftliche Krise weiter vertieft (DI / DTDA 2020).
Algerien leistet sich aus Gründen der sozialen und politischen Stabilität ein für die Möglichkeiten des Landes aufwendiges Sozialsystem, das aus den Öl- und Gasexporten finanziert wird. Das Land hat - als eines von wenigen Ländern - in den letzten 20 Jahren eine Reduktion der Armutsquote von 25% auf 5% erreicht. Schulbesuch und Gesundheitsfürsorge sind kostenlos. Energie, Wasser und Grundnahrungsmittel werden stark subventioniert. Ein Menschenrecht auf Wohnraum wird anerkannt. Für Bedürftige wird Wohnraum kostenlos zur Verfügung gestellt. Missbräuchliche Verwendung ist häufig (ÖB 11.2020). Algerien hat ein relativ gut ausgebildetes Sozialsystem, dieses ist allerdings von einigen Unausgewogenheiten geprägt, z.B. Ungleichheiten zwischen formal Angestellten und im informellen Sektor Tätigen. Eine Alterspension ist rechtlich für 100% der Bevölkerung vorgesehen, tatsächlich beziehen konnten diese im Jahr 2018 nur 59%. Arbeitslosengeld existiert im formalen Sektor, es ist aber vergleichsweise niedrig (DI / DTDA 2020).
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist bislang durch umfassende Importe gewährleistet. Insbesondere im Vorfeld religiöser Feste, wie auch im gesamten Monat Ramadan, kommt es allerdings immer wieder zu substanziellen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln. Für Grundnahrungsmittel wie Weizenmehl, Zucker und Speiseöl gelten im Jänner 2011 eingeführte Preisdeckelungen und Steuersenkungen. Im Bereich der Sozialfürsorge kommt, neben geringfügigen staatlichen Transferleistungen, vornehmlich der Familien-, im Süden des Landes auch der Stammesverband, für die Versorgung alter Menschen, Behinderter oder chronisch Kranker auf. In den Großstädten des Nordens existieren „Selbsthilfegruppen“ in Form von Vereinen, die sich um spezielle Einzelfälle (etwa die Einschulung behinderter Kinder) kümmern. Teilweise fördert das Solidaritätsministerium solche Initiativen mit Grundbeträgen (AA 11.7.2020).
Die Arbeitslosigkeit liegt [Stand 2019] bei 11,7%, die Jugendarbeitslosigkeit (15 - 24-Jährige) bei 29,5% (WKO 2.2021); nach anderen Angaben bei 17% bzw. 50% (RLS 7.4.2020). In einer weiteren Quelle wird die Jugendarbeitslosigkeit mit Stand 2020 mit 30% angegeben, v.a. unter Frauen und höher Gebildeten (DI / DTDA 2020). Die Regierung anerkennt die Problematik der hohen Akademikerarbeitslosigkeit (ÖB 11.2020). Laut Weltbank betrug die Arbeitslosigkeit Ende 2019 12,3%; dieser Wert ist jedoch im Gefolge der COVID-Pandemie sicherlich angestiegen, aktuelle verlässliche Zahlen liegen nicht vor. Schwer zu beziffern ist der informelle Sektor, der laut UN-Quellen (inoffiziell) auf bis zu 60% des Landes geschätzt wird (ÖB 11.2020), nach anderen Angaben arbeiten 38% der Algerier im informellen Sektor (DI / DTDA 2020).
Das staatliche Arbeitsamt Agence national d’emploi / ANEM (http://www.anem.dz/) bietet Dienste an, es existieren auch private Jobvermittlungsagenturen (z.B. http://www.tancib.com/index.php?page=apropos). Seit Februar 2011 stehen jungen Menschen Starthilfekredite offen, wobei keine Daten darüber vorliegen, ob diese Mittel ausgeschöpft wurden. In manchen Regionen stellt der Staat kostenlos Land, Sach- sowie Geldmittel zur Verfügung, um landwirtschaftliche Unternehmungen zu erleichtern. Grundsätzlich ist anzumerken, dass allen staatlichen Genehmigungen/Unterstützungen eine (nicht immer deklarierte) sicherheitspolitische Überprüfung vorausgeht, und dass Arbeitsplätze oft aufgrund von Interventionen besetzt werden. Der offiziell erfasste Wirtschaftssektor ist von staatlichen Betrieben dominiert (ÖB 11.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.7.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2035826/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_11.07.2020.pdf, Zugriff 12.3.2021
BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Algeria, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_DZA.pdf, Zugriff 23.6.2020
DI / DTDA - Danish Industry / Danish Trade Union Development Agency [Dänemark] (2020): Labour Market Report Algeria - 2020, https://www.ulandssekretariatet.dk/wp-content/uploads/2020/06/LMR-Algeria-2020-final-version1.pdf, Zugriff 17.3.2021
ÖB - Österreichische Botschaft Algier [Österreich] (11.2020): Asylländerbericht Algerien, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
RLS - Rosa-Luxemburg-Stiftung (7.4.2020): Zwischen Pandemie-Bekämpfung und politischer Repression, https://www.rosalux.de/news/id/41937/zwischen-pandemie-bekaempfung-und-politischer-repression?cHash=d0f52147ae9940a356cf04f0af11b4a9, Zugriff 17.6.2020
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (2.2021): Länderprofil Algerien, https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-algerien.pdf, Zugriff 16.3.2021
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung 18.03.2021
Der Standard in öffentlichen Krankenhäusern entspricht nicht europäischem Niveau (ÖB 11.2020; vgl. AA 11.7.2020). Krankenhäuser, in denen schwierigere Operationen durchgeführt werden können, existieren in jeder größeren Stadt; besser ausgestattete Krankenhäuser gibt es an den medizinischen Fakultäten von Algier, Oran, Annaba und Constantine. Häufig auftretende chronische Krankheiten wie Diabetes, Krebs, Tuberkulose, Herz- und Kreislaufbeschwerden, Geschlechtskrankheiten und psychische Erkrankungen können auch in anderen staatlichen medizinischen Einrichtungen behandelt werden. AIDS-Patienten werden in sechs Zentren behandelt (AA 11.7.2020). Vor allem in Algier sind Privatspitäler entstanden, die nach europäischem Standard bezahlt werden müssen. Der Sicherheitssektor kann auf ein eigenes Netz von Militärspitälern zurückgreifen. Mit Frankreich besteht ein Sozialabkommen aus den 1960er-Jahren, das vorsieht, dass komplizierte medizinische Fälle in Frankreich behandelt werden können. Dieses Abkommen ist seit einiger Zeit überlastet. Nicht alle Betroffenen können es in Anspruch nehmen. Dies soll nun auch aus Kostengründen weiter eingeschränkt werden und entsprechende medizinische Zentren im Land geschaffen werden. Auch mit Belgien besteht ein entsprechendes Abkommen (ÖB 11.2020).
Immer wieder wird darauf aufmerksam gemacht, dass sich in Algerien ausgebildete Ärzte in Frankreich und Deutschland niederlassen, was zu einem Ärztemangel in Algerien führt. Die Versorgung im Landesinneren mit fachärztlicher Expertise ist nicht sichergestellt. Augenkrankheiten sind im Süden häufig. Algerien greift für die Versorgung im Landesinneren auf kubanische Ärzte zurück, z.B. die im April 2013 neu eröffnete Augenklinik in Bechar. Immer wieder kommt es zu Beschwerden und Protesten über den unzureichenden Zustand des Gesundheitssystems, im Zuge der COVID-Pandemie kam es auch zu tätlichen Übergriffen auf Spitalspersonal. Probleme sind auch bei der Spitalshygiene und Medikamentenversorgung (nur Billigimporte oder lokale Produktion) gegeben. Die Müttersterblichkeit und Komplikationen bei Geburten sind aufgrund von Nachlässigkeiten in der Geburtshilfe hoch. Tumorpatienten können medizinisch nicht nach westlichem Standard betreut werden. Schwierig ist die Situation von Alzheimer- und Demenzpatienten und sowie von Behinderten. Generell wird, um ein Intensivbett zu kommen oder eines behalten zu können, oft auch zu Bestechung gegriffen (ÖB 11.2020).
Grundsätzlich ist medizinische Versorgung in Algerien allgemein zugänglich und kostenfrei (ÖB 11.2020; vgl. AA 11.7.2020). Krankenversichert ist nur, wer einer angemeldeten Arbeit nachgeht. Die staatliche medizinische Betreuung in Krankenhäusern steht auch Nichtversicherten beinahe kostenfrei zur Verfügung, allerdings sind Pflege und Verpflegung nicht sichergestellt, Medikamente werden nicht bereitgestellt, schwierige medizinische Eingriffe sind nicht möglich. Grundsätzlich meiden Algerier nach Möglichkeit die Krankenhäuser und bemühen sich, Kranke so schnell wie möglich in häusliche Pflege übernehmen zu können. Ohne ständige familiäre Betreuung im Krankenhaus ist eine adäquate Pflege nicht gesichert (ÖB 11.2020).
In der gesetzlichen Sozialversicherung sind Angestellte, Beamte, Arbeiter oder Rentner sowie deren Ehegatten und Kinder bis zum Abschluss der Schul- oder Hochschulausbildung obligatorisch versichert. Die Sozial- und Krankenversicherung ermöglicht grundsätzlich in staatlichen Krankenhäusern eine kostenlose, in privaten Einrichtungen eine kostenrückerstattungsfähige ärztliche Behandlung. Immer häufiger ist jedoch ein Eigenanteil zu übernehmen. Die höheren Kosten bei Behandlung in privaten Kliniken werden nicht oder nur zu geringerem Teil übernommen. Algerier, die nach jahrelanger Abwesenheit aus dem Ausland zurückgeführt werden, sind nicht mehr gesetzlich sozialversichert und müssen daher sämtliche Kosten selbst übernehmen, sofern sie nicht als Kinder oder Ehegatten von Versicherten erneut bei der Versicherung eingeschrieben werden oder selbst einer versicherungspflichtigen Arbeit nachgehen (AA 11.7.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.7.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2035826/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_11.07.2020.pdf, Zugriff 12.3.2021
ÖB - Österreichische Botschaft Algier [Österreich] (11.2020): Asylländerbericht Algerien, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
Rückkehr
Letzte Änderung 18.03.2021
Die illegale Ausreise, d.h. die Ausreise ohne gültige Papiere bzw. ohne eine Registrierung der Ausreise per Stempel und Ausreisekarte am Grenzposten, ist gesetzlich verboten (Art. 175 bis 1. algerisches Strafgesetzbuch, Gesetz 09-01 vom 25.2.2009, kundgemacht am 8.3.2009) (ÖB 11.2020; vgl. AA 11.7.2020). Das Gesetz sieht ein Strafmaß von zwei bis sechs Monaten und / oder eine Strafe zwischen 20.000 DA bis 60.000 DA [Anm.: ca. 126 - 378 Euro] vor (ÖB 11.2020).
Rückkehrer, die ohne gültige Papiere das Land verlassen haben, werden mitunter zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Für illegale Bootsflüchtlinge („harraga“) sieht das Gesetz Haftstrafen von zwei bis zu sechs Monaten und zusätzliche Geldstrafen vor. In der Praxis werden zumeist Bewährungsstrafen verhängt (AA 11.7.2020).
Eine behördliche Rückkehrhilfe ist der ÖB nicht bekannt. Ebenso sind der Botschaft keine NGOs bekannt, die solche Unterstützung leisten. Es gibt in Algerien 10.000 angemeldete Vereine, die meisten davon sind Wohltätigkeitsvereine - es ist allerdings nicht bekannt, ob von diesen spezielle Rückkehrhilfe geleistet wird. Generell kann davon ausgegangen werden, dass Familien zurückkehrende Mitglieder wieder aufnehmen und unterstützen. Die Botschaft kennt auch Fälle von finanzieller Rückkehrhilfe (1.000-2.000€) durch Frankreich, für Personen, die freiwillig aus Frankreich ausgereist sind. Ähnliches gibt es in unterschiedlicher Höhe auch für andere EU-Staaten (ÖB 11.2020).
Algerien erklärt sich bei Treffen mit EU-Staatenvertretern immer wieder dazu bereit, Rückkehrer aufzunehmen, sofern zweifelsfrei feststehe, dass es sich um algerische Staatsbürger handle. Nachfragen bei EU-Botschaften bestätigen, dass Algerien bei Rückübernahmen kooperiert, allerdings ist der Rhythmus relativ langsam, angeblich maximal 5-10 pro Tag, bzw. auch pro Woche. Algerien behauptet, dass dies auf die insgesamt vielen Rückübernahmen aus zahlreichen Staaten zurückzuführen ist, weil die Aufnahmebehörden sonst überlastet wären. Zwischen Algerien und einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bestehen bilaterale Rückübernahmeabkommen (ÖB 11.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.7.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2035826/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_11.07.2020.pdf, Zugriff 12.3.2021
ÖB - Österreichische Botschaft Algier [Österreich] (11.2020): Asylländerbericht Algerien, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
Zur Covid-19-Pandemie:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet hat. (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei etwa 80 % der Betroffenen leicht bzw. symptomlos und bei ca. 15 % der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5 % der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten bei Risikogruppen auf, zum Beispiel bei älteren Personen und Personen mit medizinischen Problemen oder Vorerkrankungen (wie Diabetes, Herzkrankheiten, Immunschwächen, Bluthochdruck etc.) (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).
Die COVID-19-Pandemie traf Algerien hart, das öffentliche Gesundheitswesen im Land war nicht annähernd auf eine Krise solchen Ausmaßes vorbereitet (RLS 7.4.2020; vgl. GTAI 15.5.2020). Es gab Berichte von überfüllten Krankenhäusern in Algier und in Blida (GTAI 15.5.2020) und es gab einen Mangel an Ausrüstung und Medikamenten. Im März 2020 wurde Lokalbehörden untersagt, statistische Angaben zu COVID-19-Entwicklungen zu machen und die Öffentlichkeitsarbeit wurde bei den Ministerien in Algier gebündelt (RLS 7.4.2020). Die Regierung hat eilig Maßnahmen gesetzt, um mehr Intensivbetten anzubieten. Präsident Tebboune kündigte Anfang April 2020 an, nach der Pandemie den Gesundheitssektor umzustrukturieren. Mitte Mai war die Zahl der Erkrankten für die Krankenhäuser bewältigbar (GTAI 15.5.2020).
Die COVID-19-Risikogruppe-Verordnung (Österreichs) listet die medizinischen Gründe (Indikationen) für die Zugehörigkeit einer Person zur COVID-19-Risikogruppe auf. Auf Grundlage dieser Indikationen darf eine Ärztin/ein Arzt ein COVID-19-Risiko-Attest ausstellen.
Dass der Beschwerdeführer derzeit an einer COVID-19-Infektion leidet oder im Hinblick auf eine etwaige Vorerkrankung zu einer vulnerablen Personengruppe gehören würde, wurde nicht vorgebracht. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID 19 in der Regel mit nur geringen Symptomen, vergleichbar einer Grippe. Bei Personen in der Altersgruppe bis 39 Jahre ist die Sterblichkeit sehr gering und liegt unter 1 %.
In Österreich gibt es mit Stand 31.05.2021 00:00 Uhr aktuell 12.411 aktive Fälle und 10.291 gemeldete Todesfälle (https://info.gesundheitsministerium.at/dashboard_Epidem.html?l=de; Zugriff 31.05.2021).
Algerien hat mit Stand 31.05.2021 aktuell insgesamt 128.456 bestätigte Fälle und 3.460 Todesfälle zu verzeichnen (https://covid19.who.int/region/afro/country/dz; Zugriff 31.05.2021).
Diese Zahlen sind auch mit der Einwohnerzahl von rund 43 Mio. in Algerien und etwa 8,8 Mio. in Österreich in Relation zu setzen.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Algerien. Auszüge aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Zentralen Fremdenregister (IZR), dem Strafregister und dem zentralen Melderegister wurden ergänzend eingeholt.
Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität des Beschwerdeführers ergibt sich einerseits aus dem Zentralen Fremdenregister, aus welchem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer am 14.10.2021 nach Tunesien rückgeführt wurde und andererseits aus dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen vom 03.12.2020, Zl. XXXX (AS 257).
Die Angaben zu seinem Gesundheitszustand und seiner Arbeitsfähigkeit ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerde, in welcher er selbst angibt, dass ihm ein Einreiseverbot für die ganze Schengen Zone die Arbeitssuche erschweren würde. Daraus lässt sich ableiten, dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig und gesund ist, zumal zudem auch im gegenständlichen Verfahren nichts Gegenteiliges vorgebracht wurde.
Dass der Beschwerdeführer ledig ist und keine Sorgepflichten hat, ergibt sich aus dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen in Wien vom 03.12.2020, Zl. XXXX (AS 260). Aufgrund des erst vor kurzem ergangenen Strafurteils und der Tatsache, dass der Beschwerdeführer seit 16.10.2020 bis 12.03.2021 in Untersuchungshaft und seit 12.03.2021 in Haft ist, kann geschlussfolgert werden, dass keine Änderungen seiner persönlichen Verhältnisse eingetreten sind. Auch in der Beschwerde hat der Beschwerdeführer diesbezügliche keine weiteren substantiierten Ausführungen getätigt.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer erstmals Anfang 2016 nach Österreich eingereist ist, ergibt sich aus dem Vorverfahren indem sein Antrag auf Asyl rechtskräftig abgewiesen wurde und ein Einreiseverbot von vier Jahren verhängt worden ist (siehe Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2016, GZ. I403 2142179-1).
Dass der Beschwerdeführer am 14.10.2019 nach Algerien rückgeführt wurde, ergibt sich aus einem Auszug aus dem Fremdenregister.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland Algerien Anknüpfungspunkte besitzt, ergibt sich einerseits aus dem Vorverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, GZ. I403 2142179-1, und andererseits aus dem Umstand, dass er den Großteil seines Lebens in Algerien verbrachte und dort geboren ist.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich kein Familienleben führt ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt. Er gab weder vor der belangten Behörde an, dass er ein Familienleben führe noch in seiner Beschwerde. Würde tatsächlich ein Familienleben bei dem Beschwerdeführer oder ein relevantes Privatleben vorliegen, wäre zu erwarten gewesen, dass er dies bereits bei seiner Stellungnahme vor dem BFA oder spätestens in der Beschwerde angegeben hätte, da kein vernünftiger Grund ersichtlich ist, weshalb der Beschwerdeführer dies hätte verschweigen sollen. Auch der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer seit der rechtskräftigen Entscheidung im Vorverfahren (Bundesverwaltungsgericht, GZ. I403 2142179-1) illegal in Österreich aufhält und zudem Großteils in Haft befand, spricht gegen eine maßgebliche Integration. Insofern ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass ein unzulässiger Eingriff in das Privat- und Familienleben vorliegt als unsubstantiiert zu betrachten.
Dass der Beschwerdeführer über keine nachweislichen Deutschkenntnisse verfügt, ergibt sich daraus, dass er im gesamten Verfahren keine Teilnahme- oder Absolvierungsbestätigung eines Deutschkurses vorgelegt hat. Zudem brachte er in seiner Beschwerde selbst nur vor, dass er sehr gut französisch sprechen würde. Angaben zu allfälligen Deutschkenntnissen machte er in seiner Beschwerde nicht.
In Zusammenschau machte der Beschwerdeführer damit weder vor der belangten Behörde, noch in der gegenständlichen Beschwerde konkrete Angaben, welche die Annahme einer Integration in Österreich in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht rechtfertigen würden.
Auch in seiner Beschwerde hat der Beschwerdeführer keine neuen Sachverhalte oder Nachweise einer integrativen Verfestigung geltend gemacht.
Aus einem Strafregisterauszug vom 28.05.2021 und den dem Verwaltungsakt inneliegenden Strafurteilen ergibt sich die Feststellung zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers.
Aus einem Schreiben der Justizanstalt Ried/Innkreis ergibt sich die Feststellung zu dem aktuellen Aufenthalt des Beschwerdeführers.
2.3. Zum Herkunftsstaat:
Algerien ist gemäß § 1 Z 10 Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 145/2019 ein sicherer Herkunftsstaat.
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Algerien samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Beschwerdeführer trat den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren auch nicht substantiiert entgegen. Seitens seiner Rechtsvertretung erfolgte keine Stellungnahme, weshalb die obgenannten Länderfeststellungen der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden konnten.
Aus diesen Länderfeststellungen ergibt sich insgesamt, dass in Algerien für die Masse der Bevölkerung nicht im gesamten Staatsgebiet jene gemäß der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegt, welche die Rückkehr eines Fremden automatisch im Widerspruch zu Art. 2 oder Art. 3 EMRK erscheinen lässt (vgl. dazu VwGH vom 21. August 2001, 2000/01/0043). Wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt wird eine nach Algerien abgeschobene Person, bei welcher keine besonders berücksichtigungswürdigen Umstände vorliegen, durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine "unmenschliche Lage" versetzt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 lagen zu keinem Zeitpunkt vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig war noch der Beschwerdeführer ein Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 AsylG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor.
Die Beschwerde war daher hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.2. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.
Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer über kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben in Österreich sowie auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren das Bestehen eines Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht substantiert vorgebracht und stellt somit die Ausweisungsentscheidung schon aus dieser Erwägung keine Verletzung des Art. 8 EMRK dar (AsylGH 03.12.2009, A2 253.985-0/200853).
Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH).
Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216, mwH).
Der Beschwerdeführer war im Bundesgebiet (mit Ausnahme der Zeiten seiner Inhaftierung) nie mit einem Wohnsitz gemeldet, er war nie legal erwerbstätig, er verfügt hier über keine nachweislichen engen sozialen Bindungen, hat sich keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse angeeignet oder sonstige Ausbildungen absolviert. Es wurden im gesamten Verfahren keine Aspekte einer Integration des Beschwerdeführers in gesellschaftlicher, sozialer oder wirtschaftlicher Hinsicht ersichtlich, sodass sein Aufenthalt im Bundesgebiet offensichtlich ausschließlich den Zweck hatte, durch die Begehung von Straftaten illegale Einnahmequellen zu erlangen.
Der Beschwerdeführer hat kein konkretes Vorbringen hinsichtlich im Gebiet der Mitgliedstaaten bestehender sozialer Bindungen erstattet. Selbst unter der hypothetischen Annahme von sozialen Bezugspunkten würde die durch die aufenthaltsbeendende Maßnahme sowie das Einreiseverbot bewirkte vorübergehend verwehrte Möglichkeit von besuchsweisen Aufenthalten des Beschwerdeführers im Gebiet der Mitgliedstaaten zu keinem maßgeblichen Eingriff führen. Etwaigen Bezugspersonen wäre es nämlich weiterhin möglich, den Beschwerdeführer im Herkunftsstaat oder in Drittstaaten zu besuchen und im Übrigen über das Telefon und Internet in Verbindung zu bleiben. Im Übrigen hätte dem Beschwerdeführer bereits im Vorfeld klar sein müssen, dass allfällige soziale Bindungen durch seine strafbaren Handlungen angesichts der drohenden Haftstrafen und des bereits bestehenden Einreiseverbots maßgebliche Einschränkung erfahren würden.
Dem Beschwerdeführer wird es als volljährigem gesundem Mann ohne besonderen Schutzbedarf problemlos möglich sein, wieder im Herkunftsstaat Fuß zu fassen.
Allfälligen privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Aufenthalt in Österreich und anderen Mitgliedstaaten standen im Übrigen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen sowie an der Verhinderung von strafbaren Handlungen im Bereich der Suchtgiftkriminalität und Vermögenskriminalität gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffe