TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/12 95/03/0023

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Veröffentlicht am 12.02.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
93 Eisenbahn;

Norm

AVG §8;
EisenbahnG 1957 §32;
EisenbahnG 1957 §34 Abs4;
EisenbahnG 1957 §35 Abs1;
EisenbahnG 1957 §35 Abs2;
EisenbahnG 1957 §35 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der 1. J L, 2. E L und 3. D L, alle in E, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 7. Dezember 1994, Zl. 226.366-3-II/21-1994, betreffend Auflassung eines nichtöffentlichen Eisenbahnüberganges (mitbeteiligte Partei: Österreichische Bundesbahnen, Wien I, Elisabethstraße 9), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben vom 20. Juli 1994 beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung gemäß § 35 Abs. 1 des Eisenbahngesetzes 1957 für die ersatzlose Auflassung des nichtöffentlichen Eisenbahnüberganges in km 30.644 der ÖBB-Strecke Wien West-Salzburg.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. Dezember 1994 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 35 des Eisenbahngesetzes 1957, BGBl. Nr. 60, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 899/1993, für die Auflassung des nichtöffentlichen Eisenbahnüberganges in km 30,644 der Bahnstrecke Wien West-Salzburg die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung erteilt. Die belangte Behörde sprach aus, daß nach erfolgter Auflassung eine schriftliche Erklärung der fachlich zuständigen gemäß § 15 Eisenbahngesetz verzeichneten Person der mitbeteiligten Partei über die sach- und fachgemäße Ausführung der Baumaßnahme an die Oberste Eisenbahnbehörde vorzulegen sei. Gemäß § 35 Abs. 4 Eisenbahngesetz wurde für die bewilligte Baumaßnahme eine Frist von drei Jahren ab Datum des Bescheides festgesetzt.

In der gegen diesen Bescheid an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde beantragen die Beschwerdeführer, die sich in ihrem "gesetzlich gewährleisteten Recht auf Benützung des nichtöffentlichen Eisenbahnüberganges in km 30,644 verletzt" erachten, die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auch die mitbeteiligte Partei beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer bringen im wesentlichen vor, daß der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin den gegenständlichen Eisenbahnübergang bereits seit Jahrzehnten, mindestens seit 40 Jahren benützen, um vom Grundstück 1671 zum Grundstück 1013 zu gelangen. Dieses Wegerecht sei seitens der mitbeteiligten Partei immer anerkannt worden. Im Jahre 1992 hätten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin ihre landwirtschaftlich genutzten Liegenschaften ihrem Sohn, dem Drittbeschwerdeführer, übergeben, sodaß dieser in deren Rechte an der Benützung des nichtöffentlichen Bahnüberganges eingetreten sei. Die Rechtsauffassung der belangten Behörde, daß der Antrag der mitbeteiligten Partei zu bewilligen sei, weil die Beschwerdeführer keine Nachweise über bestehende Rechte zur Benützung des Eisenbahnüberganges vorgelegt hätten, sei verfehlt, zumal die mitbeteiligte Partei anläßlich der Verhandlungen - die mitbeteiligte Partei habe sich bereits seit den Siebzigerjahren um eine Auflassung des Bahnüberganges bemüht - zumindest den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin als Wegeberechtigte anerkannt habe. Darüber hinaus ergebe sich zweifelsfrei, daß die Beschwerdeführer ein Recht zur Benützung des Eisenbahnüberganges ersessen hätten. In rechtswidriger Weise habe es die belangte Behörde auch unterlassen, den Drittbeschwerdeführer dem Verfahren beizuziehen und ihm den angefochtenen Bescheid zuzustellen. Die belangte Behörde habe sich auch nicht mit der Stellungnahme der Beschwerdeführer vom 24. August 1994, woraus sich ergebe, daß Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin den Übergang bereits seit mindestens 40 Jahren benützen, auseinandergesetzt. Die belangte Behörde hätte den Sachverhalt umfassend klären müssen, woraus sich ergeben hätte, daß die mitbeteiligte Partei Erst- und Zweitbeschwerdeführer als berechtigte Wegebenützer bezeichnet hätten und eine Vorvereinbarung über eine Ablösung für den Fall der Auflassung des Überganges abgeschlossen worden sei.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei setzen dem im wesentlichen entgegen, daß die Benützung des Überganges durch die Beschwerdeführer nicht rechtmäßig erfolgt sei. Sie hätten ihr Recht weder ersessen, noch sei es durch die mitbeteiligte Partei anerkannt worden. Die Beschwerdeführer hätten daher einen Nachweis für das Bestehen eines Benützungsrechtes für den gegenständlichen nichtöffentlichen Eisenbahnübergang nicht erbracht.

Im Beschwerdefall war Gegenstand des Antrages der mitbeteiligten Partei vom 20. Juli 1994 die Auflassung eines nichtöffentlichen Eisenbahnüberganges, wobei der Antrag an die belangte Behörde folgenden Wortlaut hatte:

"Betreff: ÖBB-Strecke Wien West-Salzburg;

Auflassung des nicht-öffentlichen Eisenbahnüberganges

(n.ö. EÜ) in km 30.644

Bezug: BMföWuV zu Zl.: 226.366

Die Österreichischen Bundesbahnen haben den ggst. n.ö. EÜ in km 30.644 zur Auflassung vorgesehen. Dieser ist derzeit durch einen 2-teiligen Sperrschranken gesichert.

Gespräche über die Auflassung wurden schon seit längerer Zeit geführt. In diesen Gesprächen mit dem Wegeberechtigten der Fam. K, behauptete die Fam. L ebenfalls ein Wegerecht zu besitzen.

Die Österreichischen Bundesbahnen haben nach neuerlicher Prüfung festgestellt, daß lediglich die Fam. K als alleinige Wegeberechtigte anzusehen sind.

Mit Schreiben vom 10.6.94 an die Fam. L haben die Österreichischen Bundesbahnen mitgeteilt, daß nach neuerlicher Prüfung der Aktenlage, kein Wegerecht eingeräumt werden kann. Sie wurden aber aufgefordert bis 24.6.94 einen schriftlichen Nachweis ihres angeblichen Wegerechts zu erbringen.

Dieser konnte allerdings mit Schreiben vom 23.6.94 NICHT erbracht werden.

Von der Fam. K als nunmehr einzigen Wegeberechtigten liegt die Zustimmungserklärung zur ersatzlosen Auflassung des ggst. n.ö. EÜ vor.

Die Kosten für die Auflassung werden zur Gänze von den Österreichischen Bundesbahnen getragen.

Rechte Dritter werden nicht berührt.

Die der Sicherung dienenden Einrichtungen werden abgetragen und das Profil der freien Strecke durchgezogen.

Wir beantragen:

gemäß § 35 Abs. 1 des EisbG 1957 für die ersatzlose Auflassung des nicht-öffentlichen Eisenbahnüberganges in km 30.644 der ÖBB-Strecke Wien West-Salzburg die eisenbahnrehtliche Baugenehmigung

Das geplante Bauvorhaben liegt im Bundesland Niederösterreich, der BH St. Pölten-Land und der Pol. Gemeine E, sowie im Bereich der Bundesbahndirektion Wien und der Streckenleitung Wien West."

Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf die Bestimmung des § 35 des Eisenbahngesetzes 1957 (EisbG), welcher folgenden Wortlaut hat:

"(1) Die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung erteilt die Behörde. Von dieser Erteilung ist dem Landeshauptmann, sofern dieser nicht selbst zuständig ist, Kenntnis zu geben.

(2) In der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung ist über alle gegen das Bauvorhaben erhobenen Einwendungen sowie über alle sonst vom Bauvorhaben berührten Interessen zu entscheiden, soweit es sich nicht um zivilrechtliche Ansprüche handelt; diese sind auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

(3) Einwendungen, die eine Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte zum Inhalt haben, sind als unbegründet abzuweisen, wenn der durch die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung entstehende Vorteil für die Öffentlichkeit größer ist als der Nachteil, der der Partei durch die Genehmigung des Bauvorhabens erwächst.

(4) In der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung ist eine angemessene Frist vorzuschreiben, innerhalb der der Bau auszuführen und der Betrieb zu eröffnen ist. Die Behörde kann auf rechtzeitig gestellten Antrag diese Frist verlängern. Wird die Frist ohne zwingende Gründe nicht eingehalten, so hat die Behörde die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für erloschen zu erklären."

§ 32 EisbG ("Baugenehmigung") hat folgenden Wortlaut:

"(1) Für den Bau von neuen und für Veränderungen bestehender Eisenbahnanlagen ist ein Bauentwurf aufzustellen. Die Behörde bestimmt, welche Unterlagen aus technischen oder verfahrensrechtlichen Gründen nach den Erfordernissen des Falles vorzulegen sind.

(2) Der Bauentwurf ist der Behörde in dreifacher Ausfertigung vorzulegen. Die Behörde kann eine geringere Anzahl von Ausfertigungen insbesondere für einzelne Unterlagen, festlegen."

§ 34 Abs. 4 EisbG lautet:

"Parteien im Sinne des § 8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950, BGBl. Nr. 172, sind insbesondere der Bauwerber, die Eigentümer der betroffenen Liegenschaften, die an diesen dinglich Berechtigten, die Wasserberechtigten und die Bergwerksberechtigten. Betroffene Liegenschaften sind außer den durch den Bau selbst in Anspruch genommenen Liegenschaften auch die, die in den Bauverbotsbereich (§ 38) oder in den Feuerbereich (§ 40) zu liegen kommen, sowie die, die wegen ihrer Lage im Gefährdungsbereich (§ 39) Veränderungen oder Beschränkungen unterworfen werden müssen."

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die mitbeteiligte Partei im vorliegenden Fall den Antrag stellte, über ein konkretes Bauprojekt abzusprechen, nämlich über das Vorhaben, den zweiteiligen Sperrschranken in Bahnkilometer 30,644 der Strecke Wien West - Salzburg aufzulassen, die der Sicherung dienenden Einrichtungen abzutragen und das Profil der freien Strecke durchzuziehen. Diese beabsichtigten Maßnahmen waren im Antrag vom 20. Juli 1994 ausdrücklich genannt, und es ist daher die belangte Behörde grundsätzlich zu Recht davon ausgegangen, daß darüber gemäß § 35 EisbG abzusprechen ist. Anders als in dem vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 24. April 1996, Zl. 93/03/0261, entschiedenen Fall vermag daher der vorliegende Bescheid die Rechtswirkungen einer eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung zu entfalten, und es besteht damit auch die Möglichkeit, daß die Beschwerdeführer als Partei gemäß § 34 Abs. 4 EisbG in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein können.

Die belangte Behörde hat jedoch den Einwendungen, die seitens der Beschwerdeführer erhoben wurden, nicht die ihnen zukommende Bedeutung beigemessen. In dem auf alle Beschwerdeführer bezugnehmenden, vom Erstbeschwerdeführer unterfertigten, bei der belangten Behörde am 24. August 1994 eingelangten Schreiben wurde gegen die Auflassung des Bahnüberganges unter Behauptung eines dinglichen Rechtes unter anderem folgendes vorgebracht:

" ... Tatsache ist, daß wir seit vielen Jahrzehnten, mindestens aber 40 Jahre den Eisenbahnübergang benützen, um vom Grundstück 1671 zum Grundstück 1013 zu kommen.

Selbstverständlich müssen wir dabei die Grundstücke 1581 und 1016 der Familie R und A K benützen. Unser Anwalt ist eben dabei, die grundbücherliche Einräumung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens, die bisher unbestrittenermaßen bestanden hat, gerichtlich durchzusetzen.

Unser Wegerecht wurde auch von der ÖBB früher immer anerkannt und wurden wir von der ÖBB als Wegeberechtigte ausdrücklich bezeichnet und als solche zu Verhandlungen betreffend dieses Wegerechts geladen.

....

Wir gehen daher davon aus, daß nunmehr unser Sohn, D L, in unsere Rechte eingetreten ist, nachdem er den Weg nach wie vor so benützt, wie wir ihn durch Jahrzehnte hindurch ohne jede Beanstandung benützt haben. Wir sprechen uns daher gegen eine Auflassung des gegenständlichen nichtöffentlichen Eisenbahnüberganges aus."

Unabhängig von allenfalls vorangegangenen Gesprächen zwischen den Beschwerdeführern und der mitbeteiligten Partei zwecks Erzielung einer Einigung oder Hinweisen, daß anderen Personen ein "Fahr- und Wegerecht" eingeräumt wurde - wie allenfalls aus den dem Antrag der mitbeteiligten Partei beigelegten Schriftstücken abgeleitet werden könnte -, haben die Beschwerdeführer damit gegen das vorliegende Bauvorhaben Einwendungen erhoben, und es werden von diesem konkrete Interessen berührt, über die die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 35 Abs. 2 und Abs. 3 EisbG hätte absprechen müssen.

Da die belangte Behörde dies unterließ, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für nicht erforderliche Beilagen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995030023.X00

Im RIS seit

17.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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