TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/8 I411 2196397-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.06.2021
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Entscheidungsdatum

08.06.2021

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
StGB §127
StGB §130 ersterFall
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I411 2196397-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. ALGERIEN, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Wien vom 16.04.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.05.2021 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 13.10.2017 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden als Bundesamt oder belangte Behörde bezeichnet) von der Verhängung der Untersuchungshaft gegen den Beschwerdeführer wegen § 28a SMG verständigt.

2. Aufgrund dessen ist dem Beschwerdeführer mit Verständigung vom 19.12.2017 seitens der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht worden, dass im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot und in eventu die Erlassung eines ordentlichen Schubhaftbescheides geplant sei. Ihm wurde die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von 10 Tagen ab Zustellung der Verständigung eine schriftliche Stellungnahme einzubringen und Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen zu beantworten.

3. Eine Stellungnahme des Beschwerdeführers langte am 29.12.2017 beim Bundesamt ein.

4. Am 10.04.2018 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.04.2018 erließ das Bundesamt gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von 4 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot und erteilte gemäß § 70 Abs 3 FPG einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung (Spruchpunkt I. und II.).

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die erhobene Beschwerde vom 16.05.2018.

7. Am 25.05.2018 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor und verzichtete auf die Durchführung sowie Teilnahme an einer Verhandlung.

8. Am 14.05.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer und seine ehemalige Gattin als Zeugin einvernommen wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der oben angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Algerien und hat seit 08.11.2010 einen durchgehend gemeldeten Hauptwohnsitz in Österreich.

Er heiratete am 18.08.2009 in Algerien die slowakische Staatsbürgerin XXXX und bekam aufgrund der Eheschließung erstmals eine von 06.12.2010 bis 17.05.2011 gültige Aufenthaltskarte ausgestellt. Seit 07.12.2015 ist er Inhaber einer bis 07.12.2025 gültigen Daueraufenthaltskarte.

Aus seiner Ehe gingen insgesamt drei Kinder hervor, die in den Jahren 2011, 2013 sowie 2016 geboren wurden, und er lebte mit seinen beiden Söhnen, seiner Tochter und mit XXXX (vorher XXXX ) bis zum 22.03.2021 in einem gemeinsamen Haushalt. Am 27.11.2020 ließen sich der Beschwerdeführer und XXXX scheiden und die beiden schlossen für den Fall der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses einen Vergleich ab, mit dem sie insbesondere Vereinbarungen hinsichtlich der Obsorge über ihre Kinder und der Unterhaltsbeiträge des Beschwerdeführers getroffen haben.

Der Beschwerdeführer und seine ehemalige Gattin stehen nach wie vor in Kontakt und pflegen ein gutes, freundschaftliches Verhältnis. Er nimmt seine Vaterrolle wahr und kümmert sich um seine Kinder, die mindestens jedes zweite Wochenende bei ihm übernachten. Sowohl an seine ehemalige Gattin als auch an seine Kinder leistet er monatlich Unterhaltsbeiträge.

Er ging in Österreich immer wieder Erwerbstätigkeiten nach, unter anderem war er auf Baustellen tätig oder arbeitete als Security. Derzeit bezieht er Notstandshilfe und verfügt über eine Einstellungszusage.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich vorbestraft:

1.) Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 29.06.2016, rechtskräftig seit 05.07.2016, zu 012 XXXX wurde er wegen §§ 127 StGB, 130 Abs 1 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monate, bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.

2.) Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 22.03.2018, rechtskräftig seit 27.03.2018, zu XXXX wurde er wegen dem Vergehen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. Fall, Abs 3 1. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 12 Monate bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt. Vom Widerruf der mit Urteil vom 29.06.2016 zu XXXX gewährten bedingten Strafnachsicht wurde abgesehen und die Probezeit wurde auf 5 Jahre verlängert.

Der Beschwerdeführer wurde für schuldig befunden, in Wien vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut, in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge durch großteils gewinnbringenden Verkauf überlassen zu haben, und zwar im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) am 10.10.2017 2.678,5 Gramm netto (beinhaltend die Wirkstoffe 1,13 % Delta-9- THC und 14,82% THCA) an den verdeckten Ermittler XXXX des XXXX , für einen Preis von 10.000,-- EUR, wobei er an Suchtmittel gewöhnt ist und die Straftat vorwiegend deshalb beging, um sich für den persönlichen Gebrach Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen.

Bei den Strafbemessungsgründen wurde das Geständnis des Beschwerdeführers und die Sicherstellung des Suchtgifts mildernd und die Vorstrafe erschwerend berücksichtigt.

In der mündlichen Verhandlung gestand der Beschwerdeführer ein, zweimal strafgerichtlich verurteilt worden zu sein und zeigte sich reumütig.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz.

Ergänzend wurden Auszüge aus dem zentralen Melderegister, dem Strafregister, dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung und der Sozialversicherungsdatenbank eingeholt.

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen Angaben und aus der in Vorlage gebrachten Kopie seines Reisepasses.

Die Feststellung zum aufrecht gemeldeten Hauptwohnsitz ergibt sich aus dem eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister.

Die Feststellungen zur Eheschließung mit XXXX und zu den erteilten Aufenthaltskarten gründen sich auf die vorgelegte Heiratsurkunde und den aktuellen Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung.

Soweit Feststellungen zur erfolgten Scheidung, zum persönlichen Verhältnis des Beschwerdeführers mit seinen Kindern und seiner ehemaligen Gattin getroffen wurden, gehen auf die im Rahmen der mündlichen Verhandlung getätigten Angaben und die im Akt befindliche Vergleichsausfertigung des Bezirksgerichts XXXX sowie auf die vom Beschwerdeführer übermittelten Fotokopien über gebuchte Überweisungen zurück. Die ehemalige Lebensgefährtin des Beschwerdeführers betonte in der mündlichen Verhandlung, dass er regelmäßig Kontakt zu seinen Kindern hat und sich um sie kümmert.

Die Feststellungen zu seinen Erwerbstätigkeiten und zum aktuellen Bezug von Notstandshilfe ergeben sich aus dem aktuellen Sozialversicherungsdatenauszug und seinen Aussagen in der niederschriftlichen Einvernahme sowie in der mündlichen Verhandlung.

Auf das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schreiben der XXXX GmbH vom 03.05.2021 geht die Feststellung zur Einstellungszusage zurück.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus der eingeholten sowie aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich und den im Akt befindlichen Strafurteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 22.03.2018 (AS 633 ff). Der Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung auf seine strafgerichtlichen Verurteilungen angesprochen und vermittelte den Eindruck, sich seiner Schuld bewusst zu sein. Durch seine Aussagen, er habe einen Fehler begangen, aber er habe aus diesen gelernt und möge eine Chance erhalten, brachte er glaubwürdig zum Ausdruck, selbstkritisch mit seinem strafrechtlich relevanten Verhalten umzugehen und dieses zu bereuen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1.    Zur Stattgabe der Beschwerde und zur Behebung des Bescheids:

3.1.1.  Rechtslage

Gemäß § 67 FPG Abs 1 kann gegen begünstigte Drittstaatsangehörige ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des § 67 Abs 3 FPG, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden (§ 67 Abs 2 FPG).

Wird durch ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs 1 BFA-VG).

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Der Beschwerdeführer hält sich nachweislich seit 08.11.2010 im Bundesgebiet auf und verfügt über eine bis 07.12.2025 gültige Daueraufenthaltskarte.

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer, einen begünstigten Drittstaatsangehörigen (§ 2 Abs 4 Z 11 FPG), ist sohin nur dann zulässig, wenn aufgrund seines persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. - noch zu § 86 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011, der Vorgängerbestimmung des § 67 FPG - etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0197, und vom 21. Februar 2013, Zl. 2012/23/0042, mwN).“ (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039)

Zudem gilt es festzuhalten, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen eigenständig und unabhängig von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6. Juli 2010, Zl. 2010/22/0096) und es bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung geht. (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Im konkreten Fall begründete das Bundesamt die Erlassung des 4-jährigen Aufenthaltsverbot damit, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich verurteilt worden sei und sein persönliches Verhalten eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die Grundinteressen der Gesellschaft darstelle. Das von ihm gezeigte Verhalten sei erst vor kurzem gesetzt worden und aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation sowie der Tatsache, dass er bereits vorbestraft sei, sei mit einer Fortsetzung zu rechnen. Es müsse daher von einer aktuellen Gefahr gesprochen werden. Unter Bedachtnahme auf seinen getrübten Lebenswandel, seiner Vorstrafe, die aktuelle Verurteilung, die neuerliche Straffälligkeit innerhalb der Probezeit, sei es zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, ihm eine positive Zukunftsprognose zu geben.

Wie das Bundesamt zu Recht ausführte, wurde der Beschwerdeführer zweimal strafgerichtlich verurteilt, zuletzt wegen dem Vergehen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. Fall, Abs 3 1. Fall SMG und sein Verhalten ließ ein Fehlen einer Verbundenheit zu rechtsstaatlich geschützten Werten erkennen und stellte eine schwerwiegende Beeinträchtigung öffentlicher Interessen dar.

So hat der VwGH in Bezug auf Suchtmitteldelinquenz wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 22.11.2012, 2011/23/0556; 20.12.2012, 2011/23/0554).

Gegenständlich gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass die von den Strafgerichten verhängten Strafen überwiegend bedingt ausgesprochen wurden, die letzte Straftat im Jahr 2017 begangen wurde, der Beschwerdeführer erstmals das Haftübel verspüren musste und er sich bei seiner letzten Verurteilung vor dem Strafgericht hinsichtlich des Vergehens des Suchtgifthandels geständig zeigte.

Ferner hält sich der Beschwerdeführer seit über 10 Jahren durchgehend im Bundesgebiet auf und verfügt er über kernfamiliäre Bezugspunkte in Österreich in Form seiner drei minderjährigen Kinder. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass er sich um die Beziehung zu seinen Kindern bemüht und versucht, bestmöglich seinen familiären Fürsorgepflichten nachzukommen. Insbesondere durch die regelmäßige Betreuung und die finanziellen Beiträge trägt er zum Lebensunterhalt seiner Kinder bei.

Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2015/22/0025; E 19. November 2014, 2013/22/0270).

Der familiäre, soziale und wirtschaftliche Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers liegt seit mehreren Jahren durchgehend in Österreich und in einer Zusammenschau ist nicht nur das Vorliegen eines ausgeprägten und berücksichtigungswürdigen Familienlebens iSd. Art 8 EMRK beim Beschwerdeführer festzustellen, sondern auch eine positive Zukunftsprognose.

Ein Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat. Dieser Zeitraum ist nach den Grundsätzen der Judikatur umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden - etwa in Hinblick auf das der strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Verhalten oder einen raschen Rückfall - manifestiert hat (vgl. zum Ganzen VwGH 26.4.2018, Ra 2018/21/0027, mwN). (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0118)

Angesichts der Umstände, dass er aufgrund seiner zweiten Verurteilung erstmals das Übel der Haft erfahren musste, seine letzte Straftat mehr als 3 Jahre zurückliegt und er sich letztlich reuig zeigte, lässt sich aus Sicht des erkennenden Gerichts eine aktuelle Gefährlichkeit des Beschwerdeführers nicht erschließen. Er war mittlerweile seit über 3 Jahren nicht mehr straffällig, weshalb im Zusammenhang mit seiner gezeigten Reue in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, davon ausgegangen werden kann, dass er sich auch zukünftig wohlverhalten wird. Auch die Entscheidung des Landesgerichts für Strafsachen XXXX , vom Widerruf der mit Urteil vom 29.06.2016 zu XXXX gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen, stützt die zuvor genannte positive Zukunftsprognose, da der Widerruf der bedingten Strafnachsicht zum damaligen Zeitpunkt nicht geboten erschien, um den Beschwerdeführer von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Unter Berücksichtigung aller relevanter Umstände kann zum Entscheidungszeitpunkt nicht angenommen werden, dass der Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit nachhaltig und maßgeblich gefährden würde. Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots und Durchsetzungsaufschubs liegen deshalb gegenwärtig nicht vor.

Daher war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen einen begünstigten Drittstaatsangehörigen bei einer Aufenthaltsdauer von über 10 Jahren, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284 und 10.07.2019, Ra 2019/19/0186).

Schlagworte

Angemessenheit Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsverbot Aufenthaltsverbot aufgehoben Behebung der Entscheidung Diebstahl Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Integration Interessenabwägung Kassation mündliche Verhandlung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Vergehen Verhältnismäßigkeit Vermögensdelikt Wiederholungsgefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I411.2196397.1.00

Im RIS seit

13.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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