Entscheidungsdatum
09.06.2021Norm
BVergG 2018 §12 Abs1Spruch
W279 2240007-2/30E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter KOREN als Vorsitzender sowie Sabine SACHS, MAS als fachkundige Laienrichterin auf Auftraggeberseite und Mag. Sandra GENNER als fachkundige Laienrichterin auf Auftragnehmerseite, aufgrund des Antrages vom 01.03.2021 der Antragstellerin XXXX GmbH, vertreten durch Breitenfeld Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Marc-Aurel-Straße 6, 1010 Wien, hinsichtlich Los 14 des Vergabeverfahrens "Reinigungsdienstleistungen Wien II, GZ 2601.03552," der Auftraggeber Republik Österreich (Bund), Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H., Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland, Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien, Verein Neustart, vergebende Stelle Bundesbeschaffung GmbH (BBG), Lasallestraße 9b, 1020 Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I. Dem Antrag „auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung zu Los 14 vom 19.02.2021“ wird stattgegeben.
II. Dem Antrag „auf Nichtigerklärung der Entscheidung, mit welchem Bieter die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, vom 26.02.2021“ wird stattgegeben.
B)
Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit Schreiben vom 01.03.2021, beim BVwG eingebracht am gleichen Tag, begehrte die Antragstellerin (ASt) die Nichtigerklärung der am 19.02.2021 bekannt gegebenen Ausscheidensentscheidung zu Los 14, die Nichtigerklärung der Entscheidung vom 26.02.2021, mit welchem Bieter die Rahmenvereinbarung geschlossen werden soll, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Akteneinsicht in alle von den Auftraggebern vorgelegten Bestandteile des Vergabeaktes sowie die des Nachprüfungsaktes, den Ersatz der entrichteten sowie die Rückerstattung zu viel entrichteter Pauschalgebühren, und die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
Begründend wurde von der Antragstellerin Folgendes ausgeführt:
Die Auftraggeber führen ein am 12.10.2020 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union zu 2020/S 198-480258 bekannt gemachtes Vergabeverfahren als offenes Verfahren mit Bestbieterprinzip im Oberschwellenbereich zu Reinigungsdienstleistungen in 17 Losen durch. Die Antragstellerin habe insbesondere zu Los 14 ein ausschreibungskonformes Angebot gelegt. Nach Aufklärungsersuchen vom 23.12.2020 zu einer Offenlegung der Kalkulation anhand eines vorgegebenen Formblattes und Beantwortung des Aufklärungsersuchens, sei der Antragstellerin mit Schreiben vom 19.02.2021 eine Ausscheidensentscheidung unter anderem zu Los 14 mitgeteilt worden. Mit einem Schreiben vom selben Tag sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, die Rahmenvereinbarung zu Los 14 mit der XXXX GmbH abzuschließen. Mit Schreiben vom 26.02.2021 sei die Auswahlentscheidung geändert worden und sei mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, die Rahmenvereinbarung zu Los 14 mit der XXXX GmbH abzuschließen.
Angefochten werde die Ausscheidensentscheidung zu Los 14 vom 19.02.2021, die Entscheidung vom 26.02.2021, mit welchem Bieter die Rahmenvereinbarung zu Los 14 abgeschlosssen werden soll sowie sämtliche zeitlich vorhergehenden nicht gesondert anfechtbaren Entscheidungen. Die Antragstellerin habe Gebühren iHv EUR 29.808 entrichtet und es seien Kosten für die Beteiligung am Vergabeverfahren iHv EUR 5.000 exkl. USt. und Kosten für die rechtsfreundliche Vertretung iHv EUR 3.000 exkl. USt. entstanden. Weiters drohe der Antragstellerin ein Schaden in der Höhe des entgangeenn Gewinns sowie der Entgang der Chance auf die Erlangung eines wichtigen Referenzprojektes für künftige Vergabeverfahren.
Die Antragstellerin werde durch die rechtswidrige Vorgangsweise der Auftraggeberin in ihrem Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens, in ihrem Recht auf Nicht-Ausscheiden ihres Angebots, in ihrem Recht auf Abschluss der Rahmenvereinbarung mit ihr, in ihrem Recht auf Zuschlagserteilung sowie in ihrem Recht aus Widerruf verletzt.
Die Aufraggeber hätten das Angebot der Antragstellerin aufgrund einer Ungenauigkeit in einem Detailansatz der Aufklärung als ausschreibungswidrig klassifiziert und nach §141 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018 ausgeschieden. Demnach sähen die Auftraggeber eine zweimal jährliche Vollreinigung als angeboten und darin die Ausschreibungswidrigkeit. Die fragliche Position sei jedoch völlig ausschreibungskonform mit einer einmal jährlichen Vollreinigung angeboten worden. Die von den Auftraggebern in der Ausscheidensentscheidung angeführte Ungenauigkeit beziehe sich lediglich auf das im Rahmen der Aufklärung verlangte Kalkulationsblatt und dies ändere nichts an der Ausschreibungskonformität des Angebots, der Preisangemessenheit und der Plausibilität der Zusammensetzung des Gesamtpreises.
Mit Schreiben vom 04.03.2021 und 09.03.2021 nahmen die Auftraggeber Stellung. Sie sehen das Angebot der Antragstellerin als den bestandsfesten Ausschreibungsbedingungen widersprechend, mit einem unbehebbaren Mangel behaftet und als zwingend auszuscheiden. In der von der Antragstellerin am 12.01.2021 übermittelten Aufklärungsdatei weise eine Zelle das Intervall von 0,167 Tagen pro Monat an Stelle von 0,0833 Tagen pro Monat aus. Durch die Division von 1 (Reinigung) /12 (Monate) = 0,0833* ergäbe sich eine einmal jährlich vorzunehmende Vollreinigung. Da das Aufklärungsschreiben aber den doppelten Wert von 0,167 Tagen und somit eine zweimal jährlich vorzunehmende Vollreinigung ausweise, sei darin eine Ausschreibungswidrigkeit des Angebots der Antragstellerin erkennbar. Sie beantragen die Zurück- in eventu Abweisung sämtlicher Anträge auf Nichtigerklärung und sehen das besondere Interesse an der Fortführung des Verfahrens in einem dringenden Beschaffungsbedarf der Aufraggeber.
Mit Schreiben vom 10.03.2021 erhob die präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin hinreichend begründete Einwendungen, wahrte ihre Parteistellung im Nachprüfungsverfahren und erachtet selbst für den Fall, dass die Ausschluss- und Ausscheidensgründe gegenüber der Antragstellerin zu Recht vorlägen, einen Zuschlag zu ihren Gunsten als geboten und negiert die von der Antragstellerin behauptete Rechtswidrigkeit der Entscheidung vom 26.02.2021.
Mit GZ W279 2240007-1/3E wurde am 11.03.2021 eine – den Abschluss der Rahmenvereinbarung hinsichtlich Los 14 untersagende – einstweilige Verfügung erlassen.
Mit der Replik vom 26.03.2021 stützt die Antragstellerin die ausschreibungskonforme Angebotslegung auf die Auslegungsregelungen der §§ 914f ABGB. Ferner ändere ein im Zuge der Angebotsprüfung herangezogenes Aufklärungsblatt nicht den Inhalt den Angebotes selbst ab und verweist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 21.03.2007, 2007/04/0007), wonach im Zweifel nicht vom Vorliegen eines ausschreibungswidrigen Angebotes auszugehen sei.
In der mündlichen Verhandlung wurde am 01.04.2021 mit Einwilligung der Antragstellerin offengelegt, dass es sich bei der strittigen Position, bei der fraglich ist, ob diese ausschreibungskonform einmal oder ausschreibungswidrig zweimal jährlich zur Vollreinigung angeboten wurde, um eine Teilfläche der XXXX mit einer Fläche von 4,29 m² handelt. Darüberhinausgehende Inhalte des Vergabeaktes wurden von der Akteneinsicht ausgenommen und dahingehende Anträge abgewiesen.
Am 04.06.2021 erfolgte die Beschlussfassung im Senat über die Anträge der Antragstellerin.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (schlüssiges Beweismittel)
1.1. Zu den Inhalten der Ausschreibung
Das offene Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich „Reiningungsdienstleistungen Wien II“, BBG-interne GZ: 2601.03552 wurde in 17 Lose unterteilt. Auftraggeber des verfahrensgegenständlichen Loses sind das Bundesministerium für Inneres und das Bundesministerium für Landesverteidigung. Das Bestangebotsprinzip gewichtet den Preis mit 55 von 100 Punkten. (Schreiben der Finanzprokuratur vom 04.03.2021)
Die Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen in der berichtigten Version 05 lauten:
„…
6.3 Kalkulationsrelevante Faktoren für die Angebotserstellung
6.3.1 Objektdatenblatt / Angebotsblatt
Das Angebot ist gemäß den Angaben im Objektdatenblatt / Angebotsblatt und den dazugehörigen vertraglichen Bestimmungen zu kalkulieren. (Rz 105)
…
6.5 Rechnerisch fehlerhafte Angebote
Rechnerisch fehlerhafte Angebote werden nicht zwingend ausgeschieden. Eine Vorreihung infolge der Berichtigung eines Rechenfehlers ist zulässig. (Rz 131)
….
Die Angebote müssen bis spätestens 15.12.2020 11:00 Uhr über die Plattform evergabe.at abgegeben werden. (Rz 136)
….
6.11 Prüfung von nicht plausiblen Flächenleistungen – Prüfung der Angemessenheit der angebotenen Preise
Die Plausibilität der Machbarkeit und Erfüllbarkeit der angebotenen Flächenleistung in der Unterhaltsreinigung wird von der BBG geprüft. Bei der Beurteilung wird die BBG erforderlichenfalls auch Stellungnahmen externer Fachleute einholen. (Rz 147)
Zum Zweck der Durchführung einer vertieften Angebotsprüfung werden Preisbestandteile der Unterhaltsreinigung als wesentliche Positionen festgelegt. Nicht wesentliche Preisbestandteile sind die Grundreinigung, die Fensterreinigung, die Regiestunden und die Mehrkostenpositionen in der Unterhaltsreinigung. (Rz 148)
….
Sollten sich anlässlich der Angebotsprüfung herausstellen, dass die angebotenen Preise nicht angemessen erscheinen, wird der Bieter schriftlich zur Aufklärung aufgefordert. (Rz 157)
Hinweis: Im Zuge der Aufklärung hat der Bieter die Kalkulation der Flächenleistung pro Raumkategorie/Leistungsart genau nach dem von der BBG vorgelegten Muster aufzubereiten und vorzulegen. Der Bieter darf bzw. hat in diesem Muster ausschließlich die Intervalle zur Voll-, Teil- bzw. Sichtreinigung entsprechend dem Leistungsverzeichnis bzw. den Angaben in den Spalten „Geschäftsfallspezifika“ sowie „Leistungsnutzungsdetails“ anzupassen und die Angaben zur von ihm kalkulierten Flächenleistung vorzunehmen. Die vorgelegte Kalkulation zur Flächenleistung hat den gesamten, Rechenvorgang einschließlich aller kalkulationsrelevanten Faktoren wie Flächen, Flächenleistung, Intervalle, Stundensatz, etc. zu beinhalten und muss in direkter, kalkulatorischer Beziehung zu den jeweiligen Einheitspreisen stehen. (Rz 158)
Die Kalkulation ist zwingend in dem vorgegebenen Excel - Sheet vorzulegen. (Rz 159)
Weiters hat der Bieter im Zuge der Aufklärung verständlich in schriftlicher Form zu erklären, wie und mit welchen besonderen Mitteln an Chemie, Reinigungstechnik, mit welchen besonderen organisatorischen Prozessen und Maßnahmen etc. die festgelegten Leistungen, insbesondere die Reinigung trotz der vom Bieter gegebenenfalls hohen Flächenleistungen erfüllt werden können. (Rz 160)
Danach werden jene Angebote ausgeschieden, bei denen eine für die BBG nicht schlüssige Aufklärung gegeben wird, insbesondere deren kalkulierter notwendiger Arbeitsstunden-Aufwand bei der Unterhaltsreinigung wesentlich von dem Aufwand abweicht, der nach der allgemeinen Erfahrung und/oder entsprechend fachlicher Beurteilung normalerweise notwendig ist (Beurteilung der Erfüllungsmöglichkeit bzw. Erfüllungswahrscheinlichkeit des Leistungsversprechens). (Rz 161)
Die im Zuge der Aufklärung getroffenen Zusagen und Festlegungen des Bieters werden im Auftragsfall Bestandteil der Rahmenvereinbarung. (Rz 162)
6.12 Fehlen bewertungsrelevanter Angaben
Weiters werden Angebote, bei denen auch nur eine bewertungsrelevante Angabe (z.B. Einheitspreise und/oder Pauschalen für die GR, UR, FR, Mehrkosten, Regiestundensätze, Preisangebote von einem zu einem Los gehörenden (Teil-) Objekt, etc.) fehlt, ausgeschieden. (Rz 163)
6.13 Prüfen nicht plausibel zusammengesetzter Stundensätze – Angemessenheit der Preise
Der zugrunde gelegte kalkulierte Stundensatz ist nach Aufforderung der BBG offen zu legen und dient dieser zur Überprüfung der Angemessenheit des Preises. (Rz 164)
Die Offenlegung der Stundensatzkalkulation dient der BBG weiters dazu, die Plausibilität der angebotenen technischen Leistung, namentlich der Qualität wie z.B. behauptete Schulung der gewerblichen Mitarbeiter, angebotener hoher Führungs- und Kontrollaufwand des Objektleiters, Kosten der Objektevaluierung, Einsatz von Vorarbeitern, etc., zu beurteilen. (Rz 165)
6.14 Prüfen von nicht aufwandsbezogenen Einheitspreisen
Angebote, bei denen Einheitspreise nicht plausibel sind oder in denen höherwertige Leistungen zum gleichen Preis angeboten werden wie geringerwertige Leistungen, werden ausgeschieden. (Rz 166)
6.15 Ausscheiden bei unterlassener bzw. nicht nachvollziehbarer Aufklärung
Angebote werden gemäß § 141 Abs 2 BVergG 2018 ausgeschieden, wenn der Bieter es unterlassen hat, innerhalb der ihm gestellten Frist die Aufklärung zu geben oder die verlangten Unterlagen vorzulegen. (Rz 167)
…“ (Vergabeakt \06 Ausschreibungsunterlagen\Version 8\2601.03552_02_AAB_RD Wien II_ber05.pdf)
Das in XLSX-Format gehaltene Angebotsblatt für alle 17 Lose mit circa 11.000 Zeilen weist in der ersten Version (Zeile 8904, Spalte Q) wie in der letzten Version (Zeile 9024, Spalte R) in der - auf die in der XXXX befindliche und 4,29m2 große Fläche Bezug nehmenden - Zelle den Text „1x jährliche Vollreinigung gem. ÖNORM D2050“ auf. (Vergabeakt)
Die Raumgröße von 4,29m2 entspricht weniger als 0,0008% der ausgeschriebenen Gesamtfläche aller 17 Lose bzw. 0,01% der Gesamtfläche des Loses 14. (Protokoll der mündlichen Verhandlung, Seite 5)
Die Ausschreibung ist bestandfest geworden. (Schreiben der Finanzprokuratur vom 09.03.2021, Seite 6)
1.2. Zum Angebot der Antragstellerin
Die Antragstellerin hat neben Angeboten für weitere Lose des Vergabeverfahrens am 14.12.2020 fristgerecht ein Angebot hinsichtlich Los 14 eingebracht.
Die ASt hat im betreffenden Objekt eine „1x jährliche Vollreinigung gem. ÖNORM D2050“ angeboten, wobei die betreffende Zelle mit zitiertem Text (Spalte R, Zeile 9024) nicht durch die ASt zu befüllen war, sondern von der BBG vorgegeben und von der ASt unverändert übernommen wurde (betreffende Spalten 1 und 2 sind Bordeauxrot bzw. Altrosa hinterlegt). (Vergabeakt\03 Bieterangebote XXXX _08_Angebotsblatt_ber06.xlsx; Karteikarte: Angebotsblatt; Protokoll der mündlichen Verhandlung, Seite 11)
Die Zelle „Preis/Einheit in EUR netto“ (Spalte V, Zeile 9024; Beschriftung: helles Moosgrün) wurde durch die ASt befüllt und an die BBG übermittelt. (Vergabeakt\03 Bieterangebote\ XXXX _Angebotsblatt_ber06.xlsx;)
1.3. Zum Aufklärungsersuchen
Am 23.12.2020 wurde die ASt zur schriftlichen Aufklärung aufgefordert:
„…Zur Überprüfung der Angemessenheit der angebotenen Preise werden die Plausibilität der Machbarkeit und Erfüllbarkeit der angebotenen Flächenleistung in der Unterhaltsreinigung und die zugrunde gelegten Stundensätze geprüft (Pkt. 6.11 sowie Pkt. 6.13 der Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen). …“
In den an die Bieter versandten Aufklärungsersuchen wurden die Bieter nicht generell hinsichtlich sämtlicher Objekte, sondern lediglich bezüglich bestimmter, ausgewählter Objekte zur Aufklärung aufgefordert. Dabei entsprach ein XLSX-Tabellenblatt einem Objekt, hinsichtlich Los 14 waren höchstens 17 Tabellenblätter für 17 Objekte auszufüllen. Die präsumtive Rahmenvereinbarungspartnerin hatte sechs von 17, die Antragstellerin 17 von 17 Objekte aufzuklären. Im Aufklärungsersuchen hinsichtlich Los 14 hatte die Antragstellerin für die 17 Objekte circa 3.825 Zellen (circa 50% der 7.650 Zellen von 17 Objekten/Tabellenblätter bei 18 Zellen in je 25 Zeilen) zu befüllen. (Protokoll der mündlichen Verhandlung, Seite 8) Im Aufklärungsersuchen waren die beiden gegenständliche Zellen nicht mit dem – einzig möglichen richtigen - Wert 0,0833 durch die Auftraggeberin vorbefüllt, sondern waren durch die Bieter der (teil-)aufklärungsbedürftigen Angebote zu befüllen.
1.4. Zum Aufklärungsblatt der Antragstellerin
Die Antragstellerin hatte im das Los 14 betreffenden Aufklärungsblatt circa 3.825 Zellen zu befüllen. In zwei Zellen derselben Zeile hat die Antragstellerin irrtümlich die Werte 0,167 anstelle von 0,0833 eingetragen. Durch die Fehlbefüllung der beiden Zeilen wurde das Angebot nicht unplausibel und war keine Verletzung der Schutznormen der ÖNORM D2050 indiziert.
1.5. Zur Ausscheidung des Angebotes der Antragstellerin
Mit Schreiben vom 19.02.2021 wurden die Angebote der Antragstellerin hinsichtlich Los 13 und das gegenständliche Los 14 – jeweils auf §141 Abs. 1 Z 7 gestützt – ausgeschieden. Als weitergehende Beschreibung wurde ausgeführt:
„1018_Sonstige Flächen 1 [m²] gemäß Leistungsnutzung Details gilt: ist Haustechnik; LV: 1x jährliche Vollreinigung gem. ÖNORM D2050 Das entspricht einem Intervall von 0,0833*Tage/Monat. Es wurde jedoch mit einem Intervall von 0,167* Tage/Monat kalkuliert. Das entspricht 2x jährliche Vollreinigung, Das Angebot widerspricht den Ausschreibungsbedingungen und ist daher gemäß § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018 auszuscheiden. “. (Vergabeakt)
2. Beweiswürdigung
Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Faktische Widersprüche sind nicht hervorgekommen. Auch die Aufraggeberin ist nicht der Meinung, dass die Antragstellerin die zwei gegenständlichen Zellen absichtlich falsch befüllt habe, sondern geht von einem Irrtum der Antragstellerin aus. Die Auftraggeberin sieht durch die falsche Befüllung der zwei Zellen weder eine Verletzung der Schutznormen der ÖNORM D2050, noch eine fehlende Plausibilität des Angebotes hinsichtlich der XXXX oder des gesamten Loses 14 indiziert, sondern leitet aus diesen beiden Zellen einen Nachweis eines den Ausschreibungsbedingungen widersprechenden Angebotes ab. (Protokoll der mündlichen Verhandlung, insb. Seiten 8-10)
Die Antragstellerin hat das Aufklärungsblatt erst nach Abgabe des Angebotes erhalten und dieses somit erst nach Abgabe des Angebotes befüllen können. Es ist davon auszugehen, dass die Antragsstellerin vor Abgabe des Angebotes eine interne Kostenkalkulation durchgeführt hat. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin zufällig die Idente Kalkulationsform, wie sie im Aufklärungsblatt vorgesehen ist, für ihre interne Kostenkalkulation zeitlich vor der Angebotslegung verwendet hat.
Bei der Frage, ob aufgrund zweier - unabsichtlich fehlerhaft - befüllter Zellen des Aufklärungsblattes, in dem nach Angebotslegung mehrere tausende Zellen zu befüllen waren, ein Angebot als den Ausschreibungsbedingungen widersprechend oder als Alternativangebot qualifiziert werden kann, handelt es sich nicht um eine festzustellende Sachverhaltsfrage, sondern um eine – in Punkt 3 zu klärende - Rechtsfrage.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1 Anzuwendendes Recht
3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes – BVwGG, BGBl I 2013/10 idF BGBl I 2019/44, lauten:
„Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.“
3.1.2 Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 2018/57, lauten:
„Anwendungsbereich
§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) …“
3.1.3 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idF BGBl II 2019/91, lauten:
Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind folgende Begriffsbestimmungen maßgebend:
1. Abänderungsangebot ist ein Angebot eines Bieters, das im Hinblick auf die ausgeschriebene Leistung eine lediglich geringfügige gleichwertige technische Änderung beinhaltet, das von der ausgeschriebenen Leistung aber nicht in einem so weitgehenden Ausmaß wie ein Alternativangebot abweicht.
2. Alternativangebot ist ein Angebot über einen alternativen Leistungsvorschlag des Bieters.
3. Angebot ist die Erklärung eines Bieters, eine bestimmte Leistung gegen Entgelt unter Einhaltung festgelegter Bedingungen erbringen zu wollen.
…
7. Ausschreibung ist die an eine bestimmte oder unbestimmte Zahl von Unternehmern gerichtete Erklärung des Auftraggebers, in der er festlegt, welche Leistung er zu welchen Bedingungen erhalten möchte (Bekanntmachung sowie Ausschreibungs- und Wettbewerbsunterlagen).
…
15. Entscheidung ist jede Festlegung eines Auftraggebers im Vergabeverfahren.
a) Gesondert anfechtbar sind folgende, nach außen in Erscheinung tretende Entscheidungen:
aa) im offenen Verfahren: die Ausschreibung; sonstige Entscheidungen während der Angebotsfrist; das Ausscheiden eines Angebotes; die Widerrufsentscheidung; die Zuschlagsentscheidung; ….
Grundsätze des Vergabeverfahrens
§ 20. (1) Vergabeverfahren sind nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundsätze wie insbesondere der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz sowie des freien und lauteren Wettbewerbes und unter Wahrung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige (geeignete) Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.
(2) …
Inhalt der Ausschreibungsunterlagen
§ 91. (1)
(9) In den Ausschreibungsunterlagen ist anzugeben, ob rechnerisch fehlerhafte Angebote gemäß § 138 Abs. 7 ausgeschieden werden und ob eine Vorreihung infolge der Berichtigung eines Rechenfehlers zulässig ist.
Inhalt der Angebote
§ 127. (1) Jedes Angebot muss insbesondere enthalten:
….
(2) Mit der Abgabe seines Angebotes erklärt der Bieter, dass er die Bestimmungen der Ausschreibung kennt, über die erforderlichen Befugnisse zur Ausführung des Auftrages verfügt, die ausgeschriebene Leistung zu diesen Bestimmungen und den von ihm angegebenen Preisen erbringt und sich bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist an sein Angebot bindet.
Vorgehen bei der Prüfung
§ 135. (1) Die Prüfung der Angebote erfolgt in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht nach den in der Ausschreibung festgelegten Kriterien.
(2) Bei Angeboten, die für eine Zuschlagserteilung in Betracht kommen, ist im Einzelnen zu prüfen:
1. ob den in § 20 Abs. 1 angeführten Grundsätzen entsprochen wurde;
2. nach Maßgabe der §§ 80 bis 87 die Eignung des Bieters bzw. – bei der Weitergabe von Leistungen – der namhaft gemachten Subunternehmer hinsichtlich des diese betreffenden Auftragsteiles;
3. ob das Angebot rechnerisch richtig ist;
4. die Angemessenheit der Preise;
5. ob das Angebot den sonstigen Bestimmungen der Ausschreibung entspricht, insbesondere ob es formrichtig und vollständig ist.
…
Prüfung der Angemessenheit der Preise und vertiefte Angebotsprüfung
§ 137. (1) Die Angemessenheit der Preise ist in Bezug auf die ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen. Dabei ist von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen.
(2) Der öffentliche Auftraggeber muss Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen und gemäß Abs. 3 vertieft prüfen, wenn
1. Angebote einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen, oder
2. Angebote zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen aufweisen, oder
3. nach der Prüfung gemäß Abs. 1 begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen.
(3) Bei einer vertieften Angebotsprüfung ist zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Geprüft werden kann insbesondere, ob
1. im Preis von Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze sowie die Personalkosten, diese insbesondere im Hinblick auf die dem Angebot zugrunde gelegten Kollektivverträge, nachvollziehbar sind,
2. der Einheitspreis (Pauschalpreis, Regiepreis) für höherwertige Leistungen grundsätzlich höher angeboten wurde als für geringerwertige Leistungen, und
3. die gemäß § 105 Abs. 2 geforderte oder vom Bieter gemäß § 128 Abs. 2 vorgenommene Aufgliederung der Preise oder des Gesamtpreises (insbesondere der Lohnanteile) aus der Erfahrung erklärbar ist.
Vorgehen bei Mangelhaftigkeit der Angebote
§ 138. (1) Ergeben sich bei der Prüfung der Angebote Unklarheiten über das Angebot oder über die geplante Art der Durchführung der Leistung oder werden Mängel festgestellt, so ist, sofern die Unklarheiten für die Beurteilung der Angebote von Bedeutung sind, vom Bieter eine verbindliche Aufklärung zu verlangen. Die vom Bieter übermittelten Auskünfte bzw. die vom Bieter allenfalls vorgelegten Nachweise sind der Dokumentation über die Prüfung der Angebote beizuschließen.
(2) Die durch die erfolgte Aufklärung allenfalls veranlasste weitere Vorgangsweise darf die Grundsätze der §§ 20 Abs. 1, 112 Abs. 3, 113 Abs. 2 und 139 nicht verletzen.
(3) Ergeben sich bei der Prüfung der Eignung von Subunternehmern, die für den Nachweis der Eignung des Bieters nicht erforderlich sind, Mängel, die nicht durch eine Aufklärung gemäß Abs. 1 und 2 behoben werden können, so hat der öffentliche Auftraggeber den betreffenden Subunternehmer abzulehnen.
(4) Weist ein Angebot solche Mängel auf, dass eine Bearbeitung nicht zumutbar ist, so ist es auszuscheiden.
(5) Stellt der öffentliche Auftraggeber im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung fest, dass die angebotenen Preise nicht angemessen sind, so hat er vom Bieter eine verbindliche Aufklärung zu verlangen. Der öffentliche Auftraggeber darf das Angebot nur ausscheiden, wenn trotz des Vorbringens des Bieters die Preise für den öffentlichen Auftraggeber nicht betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Er hat das Angebot jedenfalls auszuscheiden, wenn die Prüfung ergibt, dass der Bieter die in § 93 genannten Bestimmungen nicht berücksichtigt hat. Die Prüfung hat unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Bieters zu erfolgen. Die vom Bieter erteilten Auskünfte sind in die Dokumentation der Prüfung der Angebote aufzunehmen.
(6) Stellt der öffentliche Auftraggeber bei einem Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich fest, dass ein Angebotspreis im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig ist, weil der betreffende Bieter eine staatliche Beihilfe erhalten hat, so darf er das Angebot allein aus diesem Grund nur dann ausscheiden, wenn der Bieter nach Aufforderung durch den öffentlichen Auftraggeber nicht innerhalb einer vom öffentlichen Auftraggeber festgesetzten angemessenen Frist nachweisen kann, dass die betreffende Beihilfe im Sinne des Art. 107 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar war. Sofern der öffentliche Auftraggeber aus diesem Grund ein Angebot ausscheidet, hat er dies der Kommission bekannt zu geben.
(7) Rechnerisch fehlerhafte Angebote sind, sofern dies in der Ausschreibung festgelegt wurde, dann nicht weiter zu berücksichtigen, wenn die Summe der Absolutbeträge aller Berichtigungen – erhöhend oder vermindernd – 2% oder mehr des ursprünglichen Gesamtpreises beträgt. Berichtigungen von Seitenüberträgen der Zwischensummen im Angebot (Übertragungsfehler), mit denen nicht weitergerechnet wurde, bleiben dabei unberücksichtigt. Eine Vorreihung infolge der Berichtigung eines Rechenfehlers ist, ausgenommen der öffentliche Auftraggeber hat in der Ausschreibung ausdrücklich anderes festgelegt, unzulässig.
Aufklärungen und Erörterungen
§ 139. (1) Während eines offenen oder eines nicht offenen Verfahrens sind nur Aufklärungen zum Einholen von Auskünften über die Eignung sowie von Auskünften, die zur Prüfung der Preisangemessenheit, der Erfüllung der Mindestanforderungen und der Gleichwertigkeit von Alternativ- oder Abänderungsangeboten erforderlich sind, zulässig.
(2) Bei Alternativ- und Abänderungsangeboten sind Erörterungen, die unumgängliche technische Änderungen geringen Umfanges und sich daraus ergebende geringfügige Änderungen der Preise betreffen, unter Wahrung der Grundsätze des § 20 Abs. 1 zulässig.
(3) Aufklärungen und Erörterungen können
1. als Gespräche in kommissioneller Form oder
2. schriftlich
durchgeführt werden. Gründe und Ergebnisse sind in der Dokumentation festzuhalten.
…
Ausscheiden von Angeboten
§ 141. (1) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung hat der öffentliche Auftraggeber aufgrund des Ergebnisses der Prüfung folgende Angebote auszuscheiden:
1. Angebote von Bietern, die von der Teilnahme am Vergabeverfahren gemäß § 25 auszuschließen sind, oder
2. Angebote von Bietern, deren Eignung nicht gegeben ist, oder
3. Angebote, die eine – durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte – nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises (zB spekulative Preisgestaltung) aufweisen, oder
4. Angebote, bei denen der Bieter keine Preise angibt, sondern nur erklärt, das billigste Angebot um einen bestimmten Prozentsatz oder Wert zu unterbieten, oder
5. Angebote, bei denen ein Vadium verlangt wurde, dessen Nachweis bei Angebotsöffnung jedoch fehlt, oder
6. verspätet eingelangte Angebote, oder
7. den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote, Teil-, Alternativ-, Varianten- und Abänderungsangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden, nicht gleichwertige Alternativ- oder Abänderungsangebote und Alternativangebote, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen, sowie fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind, oder
8. rechnerisch fehlerhafte Angebote, die gemäß den Festlegungen in der Ausschreibung nicht weiter zu berücksichtigen sind, oder
9. Angebote von nicht aufgeforderten Bietern, oder
10. Angebote von Bietern, die nachweislich Interessen haben, die die Ausführung des Auftrages beeinträchtigen können, oder
11. Angebote von Bietern, bei denen dem öffentlichen Auftraggeber im Zeitpunkt der Zuschlagsentscheidung bzw. des Ablaufes der gemäß § 131 Abs. 3 gesetzten Nachfrist
a) keine für die Zulässigkeit der Ausübung einer Tätigkeit in Österreich erforderliche behördliche Entscheidung, oder
b) kein Nachweis darüber, dass die gemäß einer Entscheidung nach lit. a notwendige Berufsqualifikation erworben wurde, oder
c) kein Nachweis darüber, dass vor Ablauf der Angebotsfrist ein auf Einholung einer Entscheidung nach lit. a gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist, oder
d) eine behördliche Entscheidung, die die Zulässigkeit der Ausübung einer Tätigkeit in Österreich ausschließt,
vorliegt.
(2) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung kann der öffentliche Auftraggeber Angebote von Bietern ausscheiden, die es unterlassen haben, innerhalb der ihnen gestellten Frist die verlangten Aufklärungen zu geben oder deren Aufklärungen einer nachvollziehbaren Begründung entbehren. Von einem Bieter, der im Gebiet einer anderen Vertragspartei des EWR-Abkommens oder in der Schweiz ansässig ist, können auch Aufklärungen über die Zulässigkeit der Ausübung der Tätigkeit in Österreich verlangt werden.
(3) Der öffentliche Auftraggeber hat den Bieter vom Ausscheiden seines Angebotes unter Angabe des Grundes zu verständigen.
…
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes
§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.
Senatszuständigkeit und -zusammensetzung
§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.
(2) …
Anzuwendendes Verfahrensrecht
§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.
Zuständigkeit
§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.
(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig
1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie
2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.
(3) …
Einleitung des Verfahrens
§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern
1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
(2) …
Nichtigerklärung von Entscheidungen des Auftraggebers
§ 347. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers mit Erkenntnis für nichtig zu erklären, wenn
1. sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte rechtswidrig ist und
2. die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.
(2) …“
3.2 Formale Voraussetzungen
3.2.1 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts
3.2.1.1 Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Republik Österreich (Bund). Als Auftraggeber traten mit der in 17 Lose gegliederten Ausschreibung auch andere Rechtsträger auf. Für das gegenständliche Los fungieren als Auftraggeber ausschließlich das Bundesministerium für Inneres und das Bundesministerium für Landesverteidigung.
Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag gemäß § 7 BVergG 2018. Der geschätzte Auftragswert des gegenständlichen Loses liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 3 BVergG 2018, sodass gemäß § 12 Abs 1 BVergG 2018 ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vorliegt.
3.2.1.2 Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 342 Abs 2 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit d B-VG ist sohin gegeben.
3.2.1.3 Da darüber hinaus laut Stellungnahme des Auftraggebers das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 342 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.
3.2.2 Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages
3.2.2.1 Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Der Nach-prüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.
3.2.2.2 Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung gemäß §§ 342 Abs 1 und 344 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei kein Grund für die Unzulässigkeit gemäß § 344 Abs 2 BVergG 2018 vorliegt.
3.3. zu A) I.
3.3.1. Rückschluss vom Aufklärungsblatt auf das Angebot und den Ausschreibungsbedingungen widersprechendes Angebot
Der Sachverhalt ist - wie sich in der mündlichen Verhandlung gezeigt hat - unstrittig. Kern der gegenständlichen Entscheidung ist die Frage der Zulässigkeit der Ausscheidung eines Angebotes aufgrund eines Rückschlusses von einer Fehlbefüllung zweier Zellen eines Aufklärungsblattes (das zeitlich dem Angebot nachgelagert dem Bieter übermittelt wurde und im Maximalfall beinahe 4.000 zu befüllende Zellen enthält) auf das Angebot. Die Auftraggeberin sieht dabei aufgrund der Zellenbefüllung „0,167“ statt „0,083“ im von der Antragsstellerin ausgefüllten Aufklärungsblatt, dass die Bieterin für einen sehr kleinen Teil der ausgeschriebenen Flächen (4,29m2) eine zweimaljährliche Vollreinigung angeboten habe. Dabei geht auch die Auftraggeberin von einer unabsichtlichen Fehlbefüllung durch die Antragsstellerin aus. Die Argumentation der Auftraggeberin sieht (neben der betriebswirtschaftlichen Plausibilitätsprüfung) einerseits einen Rückschluss vom Aufklärungsblatt auf das im Angebot Angebotene. Weiters ist dieser Rückschluss im Ergebnis derart weitgreifend, dass sogar von einem den Ausschreibungsbedingungen widersprechenden Angebot ausgegangen wird.
In 2012/04/0066 vom 27.10.2014 führt der Verwaltungsgerichtshof aus:
„Zudem ist wie sich aus dem E 21. März 2011, 2007/04/0007, - mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 25. Jänner 2011, 2006/04/0200, und dem dort verwiesenen E vom 19. November 2008, 2004/04/0102, - ergibt, vor dem Hintergrund des § 108 Abs. 2 BVergG 2006 die Annahme, ein Bieter wolle ein den Ausschreibungsbedingungen widersprechendes Angebot legen, nur dann gerechtfertigt, wenn er dies - klar - zum Ausdruck bringt.“
§ 108 Abs. 2 BVergG 2006 entspricht hierbei dem in casu anzuwendenden § 127 Abs. 2 BVergG 2018, weswegen es keinen Grund gibt an der Übertragbarkeit dieser Judikatur auf den aktuellen Fall zu zweifeln.
Von der von der Auftraggeberin vorgebrachten Denkweise ausgehend, wurde das Aufklärungsblatt nicht nur zur Überprüfung der Preisangemessenheit bzw. Einhaltung der ÖNORM D2050, sondern darüberhinausgehend auch zur Interpretation, Umdeutung und Abänderung des Angebotes der Antragstellerin herangezogen.
Aufklärungsblätter dienen der Prüfung des Angebotes insbesondere hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Plausibiliät des Angebotes – und im gegenständlichen Fall insbesondere auch der Einhaltung der ÖNORM D2050 - nicht aber der nachträglichen Umdeutung der durch das Angebot manifestierten Willenserklärungen. Die vergebende Stelle hat mit dieser Vorgangsweise hierbei aufgrund zweier Zellen des Aufklärungsblattes der Bieterin nicht nur eine doppelt gründliche Reinigung der gegenständlichen 4,29 Quadratmeter zugesinnt, sondern legt dem Angebot, also einer Willenserklärung der Antragsstellerin, einen Erklärungswert entgegen dem eindeutigen Wortlaut „1xjährlich“ zugrunde. Gegen diese Vorgangsweise spricht neben der Eindeutigkeit des Wortlautes „1xjährlich“, der der zeitlichen Lagerung des Angebotes „1xjährlich“ und der gegenständlichen Zellen „0,167“ auch die grundsätzliche Vertauschung von textlicher Erörterung und per se aussagefreien Dezimalzahlen. Der Wert „0,167“ bekommt – neben seiner mathematischen Bedeutung – erst mit der verbalen Erläuterung, dass er sich auf die Häufigkeit der jährlichen Vollreinigung einer bestimmten Fläche dividiert durch die Anzahl der kalendarischen Monate pro Jahr bezieht, eine sinnvolle Bedeutung für das gegenständliche Vergabeverfahren. Dieser grundsätzlichen Denk- und Vorgehensweise widerspricht das Vorgehen der vergebenden Stelle.
Der erkennende Senat sieht die vom VwGH u.a. in 2012/04/0066 geforderte „klare“ Ausdrucksweise in der Fehlbefüllung der gegenständlichen zwei Zellen aus diesen Gründen als nicht gegeben.
3.3.2. Rechenfehler
Als Rechenfehler wird eine mit einem evidenten Erklärungsirrtum behaftete Willenerkärung des Bieters angesehen. (Smutek in Heid/Deutschmann/Hofbauer/Reisner (Hrsg), BVergG 2018 (2019) zu § 126 BVergG 2018 Rz 7 mit Verweis zu Heid/Kondert in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4 (2015) Rz 1505)
Nach §91 Abs. 9 hat der Auftraggeber in der Ausschreibung zu normieren, wie mit Rechenfehlern verfahren wird. Dabei wählte die Auftraggeberin in casu in Rz 131 die denkbar großzügigste Möglichkeit des Umgangs mit Rechenfehlern. So wurde eine mögliche Vorreihung infolge eines berichtigten Rechenfehlers – wie dies §138 Abs. 7 letzter Satz ermöglicht – ausdrücklich festgelegt.
Die Auftraggeberin stützt ihre Argumentation auch auf Rz 105 der AAB, wonach das Angebot gemäß den Angaben im Objektdatenblatt/Angebotsblatt und den dazugehörigen vertraglichen Bestimmungen zu kalkulieren ist. Eine der Rz105 widersprechende Vorgangsweise der Antragstellerin wurde nicht ersichtlich – das Aufklärungsblatt wurde der Antragstellerin erst zu einem späteren Zeitpunkt übermittelt und die Antragstellerin konnte ihre Kalkulation daher nicht aufgrund dieses Aufklärungsblattes durchführen.
Im Gedankenexperiment, das davon ausgeht, dass der Wert „0,167“ nicht durch Fehleingabe bei der Befüllung des Aufklärungsblattes erstmalig im Zusammenhang mit der gegenständlichen Fläche von 4,29m2 entstanden ist, sondern bereits vor Legung des Angebotes Teil der internen Kalkulation der Antragstellerin gewesen war und von dieser internen Kalkulation später in das Aufklärungsblatt übertragen worden ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin ein der Ausschreibung widersprechendes Angebot legen wollte, sondern wäre vom Vorliegen eines Rechenfehlers vor Legung des Angebotes auszugehen.
Die im Aufklärungsblatt befindliche Abweichung zeigt in jeder sinnvollen Betrachtungsweise jedenfalls eine Abweichung von weniger als den in §138 Abs. 7 erwähnten zwei Prozentpunkten.
Dieser Rechenfehler wäre einer Berichtigung (in Zusammenschau mit Rz 131 sogar einer Vorreihung) zugänglich gewesen.
3.3.3. Verhältnismäßigkeit
Aufgrund des unzulässigen Rückschlusses von Aufklärungsblatt auf das Angebot, die besonders geringe räumliche, zeitliche und monetäre Bedeutung der Fehlbefüllung, der Vielzahl der zu befüllenden Zellen, der besonders strengen Ausscheidensvorgehensweise bei gleichzeitig besonders großzügiger Akzeptanz von Rechenfehlern sieht der erkennende Senat in der gegenständlichen Ausscheidensentscheidung jedenfalls eine Verletzung des in §20 Abs. 1 BVergG normierten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegeben.
3.4. zu A) II.
Ausscheidensentscheidungen und Zuschlagsentscheidungen sind gesondert anfechtbare Entscheidungen §2 Z 15 BVergG. Bei Hinwegdenken der gegenständlichen Ausscheidensentscheidung ist eine Zuschlagsentscheidung an die Antragsstellerin und somit ein anderer Ausgang des gegenständlichen Vergabeverfahrens denkbar. Es liegt somit das Kriterium der Wesentlichkeit nach §347 Abs. 1 Z2 BVergG vor. Da die die Antragstellerin ausscheidende Entscheidung für nichtig zu erklären war, ist nach §347 Abs. 1 BVergG auch die zu Gunsten der mitbeteiligten Partei erfolgte Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären
3.5. Über den Antrag auf Gebührenersatz wird gesondert entschieden werden.
B) Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu VwGH 2012/04/0066) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Angebot ausschreibungswidrig Angemessenheit Aufklärung mangelhaft Auslegung der Ausschreibung Ausscheiden eines Angebotes Ausscheidensentscheidung Ausschreibung Auswahlentscheidung bestandfeste Ausschreibung Bietergleichbehandlung Dienstleistungsauftrag Fehlbezeichnung Grundsatz der Gleichbehandlung Irrtum Kalkulation mündliche Verhandlung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren Nachvollziehbarkeit Nichtigerklärung objektiver Erklärungswert Rahmenvereinbarung Rechenfehler Referenzprojekt Schaden Verfahrensausgang Vergabeverfahren Verhältnismäßigkeit Wertgrenze wesentlicher Einfluss WillenserklärungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W279.2240007.2.00Im RIS seit
13.09.2021Zuletzt aktualisiert am
13.09.2021