Entscheidungsdatum
09.06.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
I419 2243039-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX , StA. NIGERIA, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29.04.2021, Zl. XXXX , zu Recht:
A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I zu lauten hat: „Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ gemäß § 57 AsylG wird Ihnen nicht erteilt.“ und es in Spruchpunkt V „§ 18 Abs. 2 Z. 3 BFA-VG“ statt „§ 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF,“ zu lauten hat.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte das BFA dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß § 57 AsylG“ (Spruchpunkt I), erließ wider ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II), stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III), verhängte über ihn ein 8-jähriges Einreiseverbot (Spruchpunkt IV), gewährte für die freiwillige Ausreise keine Frist (Spruchpunkt V) und aberkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung (Spruchpunkt VI).
2. Beschwerdehalber wird vorgebracht, der Beschwerdeführer sei vom BFA nicht zu einer Einvernahme geladen worden, und die ihm zugestellten Fragen habe er in der Haft mangels ausgezeichneter Deutschkenntnisse und einer Rechtsberatung nicht beantworten können. Er habe in Italien eine Lebensgefährtin, die Mitte Juli 2021 ein Kind von ihm erwarte. Da er für dieses ein guter Vater sein wolle und seine Drogensucht mittlerweile überwunden habe, werde er künftig ein rechtschaffenes Leben führen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zunächst wird der unter Punkt I dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Der ledige Beschwerdeführer nigerianischer Staatsangehörigkeit ist Anfang 30 und stammt aus Edo State, wo er auch geboren wurde. Im Herkunftsstaat leben seine Mutter und seine Geschwister. Er spricht Englisch, beantragte im März 2017 in Italien internationalen Schutz, gelangte darauf mittels illegaler Einreise nach Österreich und stellte hier, als er am 04.11.2017 aufgegriffen wurde, einen weiteren Asylantrag, bevor er in Wien untertauchte. Diesen wies das BFA wegen Zuständigkeit Italiens zurück, was am 14.02.2018 rechtskräftig wurde, und überstellte den Beschwerdeführer am 06.04.2018 dorthin.
Spätestens im Juni 2020 gelangte der Beschwerdeführer neuerlich nach Österreich, wo er sich wieder ohne Anmeldung und neuerlich untergetaucht in Wien aufhielt. Er hat Berufserfahrung als Tapezierer und in einer Wäscherei, ist nicht drogenabhängig, leidet an keiner schweren Krankheit und ist haft- sowie arbeitsfähig.
Das LGS Wien hat den Beschwerdeführer zweimal wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften durch öffentliches Überlassen rechtskräftig verurteilt:
- Am 06.03.2018 zu 8 Monaten Freiheitsstrafe, davon 6 bedingt nachgesehen, weil er am 04.02.2018 an einer U-Bahn-Station einem verdeckten Ermittler zwei Kugeln Kokain zu gesamt 0,7 g brutto und einer Unbekannten eine solche Kugel verkauft und gegeben hatte, wobei der bisher ordentliche Lebenswandel, die teilweise Sicherstellung des Suchtgifts und sein Beitrag zur Wahrheitserforschung mildernd wirkten, erschwerend dagegen die zweifache Tatbegehung, und das LGS die Schuld als schwer und die Verurteilung als spezialpräventiv geboten erkannte, sowie
- am 29.12.2020 zu 10 Monaten Freiheitsstrafe, weil er von Ende Juni bis 08.09.2020 auf der Verkehrsfläche, deren Bezeichnung die genannte U-Bahn-Station trägt, in mehreren Taten 17 Kugeln Heroin und Kokain mit 3,4 g Heroin und 3,4 g Kokain durchschnittlicher Reinheit für mehrere Personen wahrnehmbar anderen überlassen hatte, wobei die bedingte Strafnachsicht der Vorstrafe widerrufen und diese Vorstrafe als erschwerend berücksichtigt wurde, mildernd aber das Geständnis.
Der Beschwerdeführer war und ist deshalb von 05.02. bis 04.04.2018 sowie seit 08.09.2020 in Justizhaft. Ansonsten wies er im Inland mit Ausnahme dreier Tage 2017 nie einen gemeldeten Wohnsitz auf. Außerhalb der Justizanstalt ging er keiner legalen Arbeit nach. Um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, beging er die angeführten Straftaten.
Das LG Ried im Innkreis hat die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers bewilligt. Der Beschwerdeführer wird deshalb Ende Juli 2021 die Strafhaft vorläufig beenden können. Beim LG hat er angegeben, künftig in Italien zu wohnen.
Der Beschwerdeführer ist mit einer etwa gleichaltrigen Frau englischen Vor- und Nachnamens bekannt, die in Italien wohnt, und mit der er nach eigenen Angaben eine Beziehung führt. Er lebt mit ihr nicht zusammen und hat auch sonst kein Familienleben. Es kann nicht festgestellt werden, dass sie von ihm schwanger wäre. Der Beschwerdeführer hat keine Aufenthaltsberechtigung in Italien.
Er hat keine familiären Anknüpfungspunkte oder sonstigen sozialen Bindungen in Österreich und spricht kaum Deutsch. Sein Privatleben beschränkt sich auf Alltags-, Haft- und Behördenkontakte. Am 06.05.2021 hat er ein Rückkehrberatungsgespräch abgebrochen. Er ist nicht willens, in den Herkunftsstaat zurückzukehren, und hat außerhalb der Justizanstalt keine legale Erwerbsmöglichkeit.
1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat:
Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria mit Stand 23.11.2020 zitiert. Im Beschwerdeverfahren sind keine entscheidenden Änderungen bekannt geworden.
Aus Berichten des Auswärtigen Amts (Deutschland) und Gesundheitsstatistiken ergibt sich betreffend die Pandemie in Nigeria:
„Nigeria ist von COVID-19 im internationalen Vergleich weniger betroffen. Schwerpunkte sind Lagos und die Hauptstadtregion Abuja (Federal Capital Territory). […]
Die Flughäfen Abuja und Lagos sind für den regulären internationalen Flugverkehr geöffnet. Mit kurzfristigen Stornierungen von Flügen und /oder Umbuchungen muss gerechnet werden. Der zur Einreise berechtigte Personenkreis ist beschränkt; derzeit können nur nigerianische Staatsangehörige, Personen mit einer gültigen Daueraufenthaltsgenehmigung für Nigeria und Diplomaten nach Nigeria einreisen. […]
Die Bundesstaaten können auf Grundlage von Empfehlungen der nigerianischen Bundesregierung über das Ausmaß COVID-bezogener Beschränkungen selbständig entscheiden. Einzelne Bundesstaaten haben Bewegungsbeschränkungen und Auflagen innerhalb der Bundesgrenzen verhängt. Im Hauptstadtbezirk Federal Capital Territory sowie in Lagos gilt eine nächtliche Ausgangssperre von 0 bis 4 Uhr. Beschäftigte in systemrelevanten Sektoren und aus dem Ausland nachts Einreisende sind von der nächtlichen Ausgangssperre ausgenommen Geschäfte, Banken, Märkte, Hotels und Unternehmen sind unter Einhaltung von strengen Hygienemaßnahmen geöffnet, in manchen Bundesstaaten dürfen Restaurants nur im Außenbereich bewirten. Bars und Nachtclubs sind geschlossen. Menschenansammlungen mit mehr als 50 Personen bleiben grundsätzlich untersagt. Einzelne Bundesstaaten können religiöse Versammlungen von mehr als 50 Personen unter Einhaltung von Hygienemaßnahmen zulassen. […]
Im öffentlichen Raum gilt die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Die Behörden können die Einhaltung der Maskenpflicht und von Bewegungsbeschränkungen jederzeit überprüfen, Verstöße sanktionieren und Temperaturmessungen an öffentlichen Orten durchführen.“
Andererseits zeigt das Verhältnis der Zahl Infizierter (ohne Verstorbene und Geheilte), 1.509 per 07.06.2021, davon keiner in Edo State, zur Zahl der ca. 200 Mio. Einwohner (7,5 pro Million) keine gravierende Zahl dieser Infizierten, die Quote in Österreich beträgt derzeit 538 pro Million. Auch bei Berücksichtigung der Testanzahl im Verhältnis zur Bevölkerung, die in Österreich 1.150-mal so hoch ist, ergäbe eine Hochrechnung einen Wert pro Million (8.666), der in Österreich (77.405 auf die Bevölkerung gerechnet) im Herbst 2020 auch schon in etwa erreicht war.
Daraus folgt nicht, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr zwangsläufig in eine ausweglose Situation geriete.
Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:
1.2.1 Grundversorgung
Nigeria ist die größte Volkswirtschaft Afrikas. Die Erdölproduktion ist der wichtigste Wirtschaftszweig des Landes. Aufgrund des weltweiten Verfalls der Erdölpreise rutschte Nigeria 2016 jedoch in eine schwere Rezession, die bis zum zweiten Quartal 2017 andauerte (GIZ 6.2020). 2018 wuchs die nigerianische Wirtschaft erstmals wieder um 1,9 Prozent (GIZ 6.2020; vgl. AA 24.5.2019c). Getragen wurde das Wachstum vor allem durch die positive Entwicklung von Teilen des Nicht-Öl-Sektors (Landwirtschaft, Industrie, Gewerbe). Seit 2020 ist die nigerianische Wirtschaft aufgrund des erneuten Verfalls des Rohölpreises sowie der massiven wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie wieder geschwächt. Wie hoch der wirtschaftliche Schaden sein wird, ist bislang noch nicht abschätzbar (GIZ 6.2020). Für 2020 wird aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf Nigeria und der drastisch gesunkenen Erdölpreise mit einer Schrumpfung des nigerianischen BIP um 4,4 % gerechnet. In der 2. Jahreshälfte 2020 ist jedoch ein Wiederanziehen der Konjunktur feststellbar und für 2021 wird ein Wachstum von 2,2 % erwartet (WKO 14.9.2020).
Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 16.1.2019). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei- und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat – gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 6.2020). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 16.1.2020). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 6.2020). Vor allem im Bereich Stromversorgung und Transport ist die Infrastruktur weiterhin mangelhaft und gilt als ein Haupthindernis für die wirtschaftliche Entwicklung (AA 24.5.2019c).
Über 60 Prozent (AA 24.5.2019c) bzw. nach anderen Angaben über 70 Prozent (GIZ 6.2020) der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Der Agrarsektor wird durch die Regierung stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 6.2020; vgl. AA 24.5.2019c). Die unterentwickelte Landwirtschaft ist jedoch nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken (AA 24.5.2019c). Einerseits ist das Land nicht autark, sondern auf Importe – v.a. von Reis – angewiesen. Andererseits verrotten bis zu 40 Prozent der Ernten wegen fehlender Transportmöglichkeiten (ÖB 10.2019). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt von kleinen Anbauflächen – in der Regel in Subsistenzwirtschaft (AA 24.5.2019c).
Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt. Insgesamt hat sich der Prozentsatz an Unterernährung in den nördlichen Staaten im Vergleich zu 2015 verbessert und liegt nun unter der Alarmschwelle von 10 Prozent. Gemäß Schätzungen von UNICEF unterliegen aber weiterhin zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren in Nordnigeria einem hohen Risiko von schwerer akuter Unterernährung (ÖB 10.2019). Im Jahr 2019 benötigten von der Gesamtbevölkerung von 13,4 Millionen Menschen, die in den Staaten Borno, Adamawa und Yobe leben, schätzungsweise 7,1 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Davon sind schätzungsweise 80 Prozent Frauen und Kinder (IOM 17.3.2020).
Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2020; vgl. GIZ 9.2020b). 87 Millionen Nigerianer (40 Prozent der Bevölkerung) leben in absoluter Armut, d.h. sie haben weniger als 1 US-Dollar pro Tag zur Verfügung (GIZ 6.2020). 48 Prozent der Bevölkerung Nigerias bzw. 94 Millionen Menschen leben in extremer Armut mit einem Durchschnittseinkommen von unter 1,90 US-Dollar pro Tag (ÖB 10.2019). Die Armut ist in den ländlichen Gebieten größer als in den städtischen Ballungsgebieten (GIZ 9.2020b). Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 6.2020).
Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei den Jugendlichen im Alter von 15 bis 35 wird sie auf über 50 Prozent geschätzt (GIZ 9.2020b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent – in erster Linie unter 30-jährige – mit großen regionalen Unterschieden. Die Chancen, einen sicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst, staatsnahen Betrieben oder Banken zu finden, sind gering, außer man verfügt über eine europäische Ausbildung und vor allem über Beziehungen (ÖB 10.2019). Verschiedene Programme auf Ebene der Bundesstaaten aber auch der Zentralregierung zielen auf die Steigerung der Jugendbeschäftigung ab (ÖB 10.2019; vgl. BS 2020).
Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 9.2020b). Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Eine immer noch geringe Anzahl von Nigerianern (acht Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2020).
Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2019). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2020). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019). [...]
1.2.2 Rückkehr
Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).
Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 16.1.2020). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JROs) gemeinsam mit FRONTEX (ÖB 10.2019). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 16.1.2020).
Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 16.1.2020). Die Erfahrungen mit den JROs seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2019). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 16.1.2020) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2019) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 16.1.2020; vgl. ÖB 10.2019). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2019).
Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im „Decree 33“ nicht zu befürchten (AA 16.1.2020). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets „overstay“ angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2019).
Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z. B. die Angebote nicht bekannt sind oder eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 16.1.2020).
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich zunächst aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie der Beschwerde. Das BFA konnte seinerseits auf die Angaben des Beschwerdeführers aus dem Asylverfahren aufbauen, aus denen es im Bescheid Feststellungen übernahm, etwa zur Familie im Herkunftsstaat, die unbestritten blieben. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.
2.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zum Sozialleben des Beschwerdeführers in Österreich ergaben sich darüber hinaus aus der kurzen feststellbaren Aufenthaltsdauer (seit weniger als einem Jahr) die, zumal sie seit Anfang September in der Justizhaft verläuft, also von der Außenwelt physisch getrennt, nicht geeignet war, Kontakte außerhalb der Anstalt ohne Bezug zur Haft entstehen zu lassen. Auch der Beschwerdeführer selbst hat weder beim BFA (das ihn am 30.09.2020 und nochmals am 23.02.2021 zu einer schriftlichen Stellungnahme eingeladen hatte) noch in der Beschwerde maßgebliche Anknüpfungspunkte im Inland behauptet.
Die Argumentation der Beschwerde, er sei daran gehindert gewesen, weil ihm ausgezeichnete Deutschkenntnisse fehlten, geht insofern ins Leere, als der Beschwerdeführer Englisch spricht, sodass ihm (außer den beratend Tätigen auch) ein Großteil der erwachsenen Österreicher zumindest dem Inhalt nach erklärt hätte, was das BFA ihm schreibt, beim ersten Schreiben z. B. auch sein Rechtsanwalt vor dem Schöffengericht (AS 14). Sich vom Inhalt eines Behördenschreibens Kenntnis zu verschaffen ist jedenfalls Aufgabe einer Verfahrenspartei, weil sie sonst ihrer Mitwirkungspflicht kaum nachkommen kann. Warum der Beschwerdeführer sich dazu physisch zu einer Rechtsberatungsorganisation außerhalb der Haftanstalt hätte begeben müssen (AS 231), erklärt die Beschwerde nicht.
Die Feststellung einer bevorstehenden Vaterschaft des Beschwerdeführers scheiterte daran, dass dieser sich seit 08.09.2020 in Justizhaft befindet und als errechneten Geburtstermin den 15.07.2021 angab, also 310 Tage nach seiner Festnahme. Demgegenüber dauert eine Schwangerschaft notorisch ca. 9 Monate, und damit wäre bei einer angenommenen Zeugung am Tag der Festnahme in Wien mit einer Niederkunft etwa in der ersten Junihälfte zu rechnen. Selbst mit genaueren Annäherungen kommt man nicht auf Mitte Juli, weil auch eine Berechnung nach der weiblichen Periode (40 Wochen bzw. 280 Tage, „Naegele-Regel“) die Zeugung nicht vor dem Oktober 2020 annehmen ließe.
Das Nichtbestehen eines Familienlebens folgte ebenso aus dem bereits Monate währenden zweiten Haftaufenthalt des Beschwerdeführers. Die Daten zur Gesundheit waren aus den Angaben über die Arbeit in Haft (AS 18), den Feststellungen des LGS (AS 88) und des BFA (AS96) sowie der Beschwerde (AS 233) abzuleiten. Daraus folgte mit Blick auf das Alter auch die Arbeitsfähigkeit.
2.2 Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Das Länderinformationsblatt mit Stand 23.11.2020 wurde dem Beschwerdeführer am 25.02.2021 (AS 79) mit der Einladung übermittelt, dazu Stellung zu nehmen, was dieser nicht tat.
Der Beschwerdeführer trat damit den Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsstaat nicht entgegen. Seither sind - auch betreffend die Pandemie - keine entscheidungswesentlichen Änderungen der Ländersituation bekannt geworden, zumal der Beschwerdeführer außer (2017) eine frühere Hüftfraktur (AS 212) keine Leiden bekanntgab, womit auch mit Blick auf sein Alter kein pandemiebedingtes Risiko anzunehmen ist.
Die Feststellungen zur Pandemie entstammen der Homepage des deutschen Außenamts (Abfrage 08.06.2021, Information unverändert seit 05.05.2021; www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#content_0) und des „Centre for Disease Control“ des Herkunftsstaats (per 07.06.2021, covid19.ncdc.gov.ng). Die inländischen Zahlen sind die des BMSGPK mit Stand vom 07. (Tests) bzw. 08.06.2021, 09:30 h (https://www.derstandard.at/story/2000124389425/aktuelle-zahlen-coronavirus-oesterreich-weltweit).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt I):
Im Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß § 57 AsylG“ nicht erteilt werde. Damit war nach der Begründung (S. 82 = AS 172) das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemeint. Dem ist durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.
Nach § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz in drei Fall-konstellationen zu erteilen, nämlich (jeweils unter weiteren Voraussetzungen) nach mindestens einem Jahr der Duldung (Z. 1), zur Sicherung der Strafverfolgung gerichtlich strafbarer Handlungen und zur Geltendmachung oder Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche im Zusammenhang mit solchen Handlungen (Z. 2) sowie bei Gewaltopfern, die glaubhaft machen, dass die Erteilung dieser Aufenthaltsberechtigung zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z. 3).
Von den alternativen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 liegt hier keine vor und wurde vom Beschwerdeführer auch keine behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen. Der Spruchpunkt war demnach von der Richtigstellung abgesehen zu bestätigen und die Beschwerde dagegen als unbegründet abzuweisen.
3.2 Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II):
In § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ist angeordnet, dass die Entscheidung, mit welcher einem Fremden von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird, mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden ist.
Nach dem im bezogenen 8. Hauptstück des FPG zu findenden § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Allerdings legt § 9 Abs. 1 BFA-VG fest, dass - u. a. - eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, die in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingreift, nur zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.
Eine individuelle Abwägung der berührten Interessen ergibt, dass ein Eingriff in das Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen ist.
Im Hinblick auf Art. 8 EMRK zu berücksichtigen ist, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zuerst etwa 5 Monate und nunmehr – soweit er feststeht – nach der trotz Überstellung nach Italien unternommenen Rückkehr etwa 9 Monate gedauert hat.
Von einer „Aufenthaltsverfestigung“ kann daher und schon unabhängig davon keine Rede sein, dass dieser sich spätestens dann des unsicheren Aufenthalts bewusst sein musste, als im Februar 2018 sein Asylantrag vom BFA zurückgewiesen wurde. Außerdem fußt der neuerliche Aufenthalt auf einer weiteren illegalen Einreise und dem bis zum Ergreifen beim Drogenhandel unangemeldeten Verbleib, also dem Untertauchen vor den Behörden.
Der Beschwerdeführer hat, auch wenn er in Italien eine Lebensgefährtin (gehabt) haben sollte, kein Familienleben im Bundesgebiet und auch nie ein solches behauptet, ebenso wenig hat er außerhalb der Justizanstalt eine gesicherte Unterkunft oder ein sonstiges über die alltäglichen Verrichtungen hinausreichendes Privatleben.
Die Frage nach dem Eingriff in das Privat- oder Familienleben eines Drittstaatsangehörigen darf indes, wie die Beschwerde richtig erwähnt, nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden, vielmehr muss auch die Situation in den anderen Mitgliedstaaten mitberücksichtigt werden (vgl. VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237).
Mit einem in Italien lebenden Kind hätte der Beschwerdeführer einen Anknüpfungspunkt im Gemeinschaftsgebiet. Der Rechtsprechung nach entstünde das Familienleben freilich erst mit der Geburt dieses Kindes. (VfGH 12.10.2016, E1349/2016 mwN)
Dem Beschwerdeführer steht es frei, sich um einen Aufenthaltstitel in der Italienischen Republik zu bemühen, speziell dann, wenn er in Zukunft Vater eines dort wohnenden Kindes, womöglich italienischer Staatsangehörigkeit (wofür kein Hinweis besteht), werden sollte. Alternativ besteht, um die Kontakte aus dem Privatleben fortzusetzen, dessen Abbruch er mit der Delinquenz in Kauf nahm, zu der (als Neuerung in der Beschwerde erstmals erwähnten) Frau – neben Treffen im Herkunftsstaat oder in Drittländern – auch die Kontaktmöglichkeit über Telefon und Internet.
Ob die italienischen Behörden den Aufenthaltstitel erteilen, werden sie unter Wahrung des Art. 8 EMRK entscheiden können. Dem steht auch die Ausschreibung des Einreiseverbots im Schengener Informationssystem (SIS) nicht entgegen (vgl. VwGH 13.09.2012, 2011/23/0413). Je nach Inhalt der Entscheidung ist dann dem Beschwerdeführer eine Fortführung seines Privat- oder künftigen Familienlebens in der Italienischen Republik oder auch in anderen Staaten grundsätzlich möglich.
Damit ergibt sich keine solche Bedeutung der Anknüpfung des Beschwerdeführers im Gemeinschaftsgebiet, dass schon aus diesem Grund von der - grundsätzlich nicht im Ermessen stehenden (VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237) - Rückkehrentscheidung abzusehen wäre.
Im Herkunftsstaat hat er familiäre, kulturelle und andere soziale Anknüpfungspunkte sowie Ortskenntnisse, beherrscht die Landessprache und kann aufgrund seines Alters und seiner Arbeitsfähigkeit und -erfahrung legale Erwerbsmöglichkeiten ergreifen. Damit wird er im Falle seiner Rückkehr, selbst wenn es sich um Hilfstätigkeiten handelt, seinen Lebensunterhalt bestreiten können, auch wenn eine Unterstützung durch die Familie ausbleiben sollte.
In Österreich dagegen ist es ihm, wie festgestellt, nur möglich gewesen, durch Drogenhandel Einkommen zu erzielen, bis er in die Justizhaft kam und dann jeweils auch strafgerichtlich verurteilt wurde.
Diese Umstände sprechen für eine Rückkehrentscheidung, dazu das öffentliche Interesse daran, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind, auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.
Es würde eine Benachteiligung jener Fremden gleichkommen, die die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen in Österreich beachten, wenn sich der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- oder Familienleben berufen könnte, obwohl er seinen Aufenthalt lediglich durch die faktische Einreise sowie den unangemeldeten Verbleib und die Delinquenz erzwungen hat. In letzter Konsequenz würde ein solches Verhalten zu einer unsachlichen und damit verfassungswidrigen Differenzierung der Fremden untereinander führen.
Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen zudem das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Kriminalität und das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Ordnung des Melde- und des Fremdenwesens gegenüber. Diesen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu.
Im Fall des Beschwerdeführers kommen die sehr kurze Aufenthaltsdauer und die praktisch gänzlich fehlenden Integrationsschritte in Österreich hinzu.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden. Die Beschwerde dagegen erweist sich somit als unbegründet.
3.3 Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III)
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.
Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
§ 50 Abs. 3 FPG erklärt die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria einer realen Gefahr der Folter, der unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Auch fehlt es an jedem Indiz dafür, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt Gefahr laufen würde, in seinem Leben beeinträchtigt oder gar getötet zu werden.
Zudem liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und damit die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre.
Der Beschwerdeführer wird aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes in der Lage sein, in Nigeria zumindest notdürftig leben zu können. Er ist dort aufgewachsen und hat Zeit zumindest auch mit seinen Angehörigen und anderen Landsleuten verbracht. Er spricht Englisch und hat auch schon Arbeitserfahrung gesammelt. So kann er vorhandene Sozialkontakte auffrischen und neue knüpfen, selbst wenn sich seine Verwandten wider Erwarten nicht ihn kümmern.
Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich – auch ohne Drogendelikte – wirtschaftlich besser leben kann als im Herkunftsstaat, genügt nicht für die Annahme, er würde dort keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Zudem besteht in Nigeria keine so extreme Gefahrenlage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.
Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass in Nigeria das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht substantiiert behauptet.
Eine der Abschiebung nach Nigeria entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht.
Daher erwiesen sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung als rechtmäßig und die Beschwerde daher insoweit als unbegründet. Die Beschwerde war daher auch betreffend den Spruchpunkt III abzuweisen.
3.4 Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt IV):
Nach § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, und zwar grundsätzlich für bis zu 10 Jahre. Solche Tatsachen, die auch bei der Bemessung der Dauer zu berücksichtigen sind, sind nach Abs. 3 Z. 1 die gerichtliche Verurteilung des Drittstaatsangehörigen zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zumindest sechs Monaten, aber auch aber auch die mehrmalige Verurteilung wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Delikten und die Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten.
Wie sich aus den Feststellungen ergibt, trifft die Voraussetzung einer Strafdauer von zumindest sechs Monaten auf beide Verurteilungen des Beschwerdeführers zu, jene einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten nach dem Widerruf auch auf alle zwei. Da die erste Verurteilung wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften erging, ist die weitere eine solche wegen Delikten, die auf den gleichen schädlichen Neigungen beruhen.
Damit liegen die genannten Voraussetzungen mehrfach und gemeinsam vor, was sich auch auf die Dauer eines Einreiseverbots auswirkt. Beachtlich ist auch, dass § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG ein bis zu zehnjähriges Einreiseverbot bereits bei einer Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten vorsieht. Die jüngste über den Beschwerdeführer verhängte unbedingte Freiheitsstrafe übersteigt somit das 3-Fache dieses Werts.
Angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers gefährdet sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Es besteht kein Zweifel, dass von ihm eine massive Gefährdung des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Kriminalität, speziell von Drogendelikten, und von unangemeldeten Aufenthalten Fremder ausgeht.
Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen somit das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Kriminalität und das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Ordnung des Melde- und des Fremdenwesens gegenüber. Diesen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH handelt es sich bei Suchtgiftdelinquenz um ein besonders verpöntes Fehlverhalten, „bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht“. (VwGH 15.11.2018, Ra 2018/19/0541 mwN)
Das BFA hat Bezug auf die Verurteilungen und Rückfälle des Beschwerdeführers genommen und auf dieser Basis ein Einreiseverbot mit der Dauer von acht Jahren ausgesprochen.
Das ist angesichts der Umstände, im Speziellen der Delinquenz des Beschwerdeführers, der sich soweit ersichtlich nach seiner Überstellung einzig zu dem Zweck und unangemeldet nochmals nach Österreich begab, um seine Drogengeschäfte noch während der Bewährungszeit der ersten Strafe fortzusetzen, sowie seiner mangelnden Selbsterhaltungsmöglichkeit im Inland (was nach § 53 Abs. 2 FPG schon für sich genommen ein Einreiseverbot für bis zu fünf Jahre nach sich zöge, hier aber bei der Bemessung der Verbotsdauer zu Buche schlägt) nachvollziehbar und angemessen, wie auch die folgenden Überlegungen zeigen:
Das persönliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers bestand nicht etwa in einem einmaligen „Fehltritt“ und einer daran folgenden Besserung. Vielmehr wurde er bereits kurz nach seiner ersten Einreise (wenn auch nicht nachweisbar in den ersten drei Monaten) bei einer strafbaren Handlung aus dem Suchtgiftbereich angetroffen, wobei ihn seine anschließende Verurteilung nicht davon abhielt, nach der neuerlichen Einreise – nur aber mehrere Monate hindurch und bis zur neuerlichen Festnahme – genau jenes Delikt immer wieder zu begehen, dessentwegen er bereits bestraft worden war.
Dazu kommt, dass es sich bei den Suchtgiften nicht etwa nur um Cannabiskraut für den Eigenkonsum handelte, sondern um Heroin und Kokain, und diese (auch) für andere Personen.
Es besteht kein Zweifel, dass vom Beschwerdeführer eine massive Gefährdung des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Kriminalität, speziell von Drogendelikten ausgeht. Wie der VwGH betont, ist Drogenhandel unter die typischerweise schweren Verbrechen einzuordnen, zu denen auch Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung und Brandstiftung zählen (z. B. 05.04.2018, Ra 2017/19/0531 mwN)
Nach seiner ständigen Rechtsprechung handelt es sich bei Suchtgiftdelinquenz um ein besonders verpöntes Fehlverhalten, „bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht“ (z. B. 15.11.2018, Ra 2018/19/0541 mwN).
Wenn in der Beschwerde die Erheblichkeit der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr unter Hinweis auf die Entscheidung des VwGH vom 24.01.2019, Ra 2018/21/0248, in Abrede gestellt wird, ist dem entgegenzuhalten, dass es dabei im Gegensatz zur vorliegenden Beschwerdesache um ein Aufenthaltsverbot ging, das wider einen (seit mehr als 15 Jahren hier wohnenden) EWR-Bürger erlassen worden war, und daher um den Gefährdungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG.
Neben der Einwirkung auf die Volksgesundheit wirkt sich das Fehlen legaler Arbeitsmöglichkeiten des Beschwerdeführers im Inland (außer bisher in der Haft) auf die Gefährlichkeitsprognose aus. Bei der ersten verhängten Strafe ist zu berücksichtigen, dass die Verurteilung angesichts der fehlenden Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 Z. 2 f SMG erfolgte, also das Strafgericht die Diversion als unzulässig erkannte.
Die Dauer des Einreiseverbots hat sich an der Dauer der zu prognostizierenden vom Fremden ausgehenden Gefährdung zu orientieren. Außerdem ist auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen (VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109).
Die bisherigen Taten und der Lebenswandel im Inland lassen befürchten, dass der Beschwerdeführer bei Bedarf wieder auf Straftaten gegen die Gesundheit zur Verschaffung von Einkommen verfallen wird. Seine durchgehende Missachtung der Meldepflicht, die mehrfache illegale Einreise und seine mangelnde Mitwirkung im Asylverfahren beim BFA durch Untertauchen deuten auf eine Grunddistanz zu Staat und Rechtsordnung hin. Es ist also nicht zu verkennen, dass der Beschwerdeführer die Werte der österreichischen Rechtsordnung kaum verinnerlicht hat. Da er sich aktuell in Strafhaft befindet, ist auch kein Wohlverhalten oder Gesinnungswandel feststellbar (vgl. VwGH 03.07.2018, Ra 2018/21/0066).
Fallbezogen kommt auf Grund des angeführten gesetzlichen Rahmens eine Dauer bis zu zehn Jahren in Frage. Angesichts der Umstände ist nicht damit zu rechnen, dass die genannte vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung bereits mittelfristig vertretbar gering werden wird. Die Gefährdung, die vom Beschwerdeführer ausgeht, wird geringer werden, wenn dieser nach der Rückkehr Arbeit und ein passendes soziales Umfeld gefunden hat. Bis der Beschwerdeführer alsdann zu einem Verhalten gefunden haben wird, das den Erwartungen an eine mit den rechtlich geschützten Werten ausreichend verbundene Person entspricht, ist mit einer Anpassungsphase zu rechnen, wie die festgestellten Straftaten zeigen, die auch zu einem Widerruf der gewährten Strafnachsicht führten.
Daher erscheint eine Herabsetzung des Einreiseverbotes auf unter acht Jahre als nicht angemessen, auch wenn in § 53 Abs. 3 Z. 5 ff FPG noch gravierendere Verhaltensweisen und Straftaten angeführt sind, als sie ihm vorzuwerfen sind,
Private Interessen, die eine kürzere Geltungsdauer geböten, sind ebenfalls nicht zu erkennen. Derzeit verfügt der Beschwerdeführer in Europa über kein Familienleben, wenngleich ein solches in Zukunft nicht ausgeschlossen ist. Der Beschwerdeführer kann sich in einem solchen Fall, wie oben bereits ausgeführt, auch während das Einreiseverbot gilt ungehindert an die – z. B. – italienischen Behörden wenden.
Im vorliegenden Beschwerdefall sind damit auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK keine Umstände zutage getreten, die eine Reduzierung der Befristung nahelegen würden. Der Beschwerde kann wegen des soeben Ausgeführten auch nicht beigetreten werden, wenn sie vorbringt, ein achtjähriges Einreiseverbot hindere den Beschwerdeführer, künftig ein rechtschaffenes Leben zu führen und „für sein zukünftiges Kind“ ein gutes Vorbild zu sein, weil diese Vorhaben den Umständen nach keinesfalls in Österreich verwirklicht werden müssten.
Nach all dem war die Beschwerde auch betreffend diesen Spruchpunkt abzuweisen.
3.5 Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V):
Das BFA hat die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt und dies mit der Voraussetzung des § 18 Abs. 2 BFA-VG begründet. Nach § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird, was hier - nach dem Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheides – zutrifft (der im Ergebnis zu Recht erging, wie sogleich gezeigt wird).
Für die freiwillige Ausreise steht – nach der Entlassung aus der Strafhaft (VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237) – daher keine Frist offen. Demnach war die Beschwerde auch zum Spruchpunkt V abzuweisen.
3.6 Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VI):
Nach § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG, auf den sich das BFA bezieht, ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung ohne Ermessen abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise eines Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist. Das BFA verwies diesbezüglich darauf, dass ohne die Aberkennung „das Risiko der Vereitelung oder Verzögerung der von der Behörde zu setzenden Verfahrensschritte“ bestünde. Nach Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten des Beschwerdeführers stehe fest, dass „das Gesamtwohl“ die sofortige „Umsetzung dieses Bescheides“ erfordere.
Es argumentiert dann weiter, dass sich keine Gründe ergeben hätten, „die gegen die sofortige Umsetzung des Bescheides sprechen“. Diese sofortige Umsetzung sei geboten, weil der Beschwerdeführer durch sein „oben geschildertes Verhalten“ die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Da im Herkunftsstaat keine reale menschenrechtsrelevante Gefahr bestehe, sei es dem Beschwerdeführer „zumutbar“, den Verfahrensausgang dort abzuwarten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Durchsetzungsaufschub und zur aufschiebenden Wirkung ausgeführt, dass gesondert zu begründen ist, inwieweit die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers geboten sein soll. Die auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Bezug nehmenden Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen sind, vermögen die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes nicht zu ersetzen. (VwGH vom 21.11.2006, 2006/21/0171 mwN)
Wenn das BFA zur Konkretisierung des Interesses der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf jene Argumente zurückgreift, die es bereits zur Untermauerung des Einreiseverbots herangezogen hat („oben geschildertes Verhalten“), nämlich die in seiner rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt IV angeführten Feststellungen (strafbares Verhalten, zwei illegale Einreisen, Untertauchen nach dem Asylantrag, illegaler Aufenthalt), reicht das nach der eben zitierten Rechtsprechung nicht hin, sondern wäre es erforderlich, andere Gründe für die geforderte Notwendigkeit der sofortigen Ausreise ins Treffen zu führen.
Nach dem Inhalt des Bescheids kann als „geschildertes Verhalten“ noch gelten, dass der Beschwerdeführer gemäß den Feststellungen des BFA in der Asylwerberunterkunft ein „Fehlverhalten“ an den Tag legte, welches zu 14 Meldungen wegen Störungen der Nachtruhe und Rauchens im Zimmer führte (S. 6, AS 96), allerdings lässt sich aus diesem Verhalten (das dem vorgelegten Akt auch nicht entnommen werden kann) die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise nicht ableiten.
Aus den Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer auch nach der jüngsten Einreise eine Anmeldung nach dem MeldeG unterließ, sich allerdings den Straftaten zufolge monatelang hier aufgehalten hat und auch nunmehr kundtat, wieder nach Italien zu wollen, nicht aber in den Herkunftsstaat, ergibt sich jedoch jedenfalls die alternative Voraussetzung des § 18 Abs. 2 Z. 3 BFA-VG, Fluchtgefahr, bei deren Vorliegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BFA ebenfalls obligatorisch ist.
Demgemäß war Spruchpunkt VI durch Austausch der angewendeten Gesetzesbestimmung zu korrigieren.
Durch die Anführung von Z. 1 statt (nun) Z. 3 im Spruch war der Beschwerdeführer allerdings nicht beschwert. Die Beschwerde erweist sich daher auch insoweit als unbegründet, sodass sie auch zum Spruchpunkt VI abzuweisen war.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Relevanz des Privat- und Familienlebens bei Rückkehrentscheidungen oder zur ganzheitlichen Verhaltensbeurteilung bei der Verhängung und Bemessung von Einreiseverboten.
Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.
4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist.
Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der relevante Sachverhalt ist vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Gericht rund sechs Wochen liegen - die gebotene Aktualität auf.
Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 mwH).
Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.
Schlagworte
Abschiebung Angemessenheit Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot Einreiseverbot rechtmäßig freiwillige Ausreise Frist Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Gewerbsmäßigkeit Haft Haftstrafe illegaler Aufenthalt Interessenabwägung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Vergehen Verhältnismäßigkeit Wiederholungsgefahr WiederholungstatenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I419.2243039.1.00Im RIS seit
14.09.2021Zuletzt aktualisiert am
14.09.2021