Entscheidungsdatum
09.06.2021Norm
BFA-VG §18 Abs2 Z1Spruch
I411 2242954-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Robert POLLANZ über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU GmbH), Leopold-Moses-Gasse 4 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , Außenstelle XXXX vom 18.02.2021, Zl. XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 05.05.2021, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und das verhängte Einreiseverbot wird ersatzlos behoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III. der Beschwerdevorentscheidung zu lauten hat:
„In Stattgabe der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. wird der angefochtene Spruchpunkt wie folgt abgeändert, sodass dieser zu lauten hat:
Es wird gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria nicht zulässig ist.“
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 14.02.2021 nach Österreich ein und wurde am darauffolgenden Tag einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen und vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.
2. Mit dem Bescheid vom 18.02.2021, erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise ist nicht gewährt worden (Spruchpunkt VI.).
3. Gegen die Spruchpunkte II. bis V. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer am 10.03.2021 das Rechtsmittel der Beschwerde, in welcher die Durchführung einer Verhandlung und inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheids infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wurde.
4. Daraufhin erging am 05.05.2021 vonseiten der belangten Behörde eine Beschwerdevorentscheidung. Das Bundesamt wies die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. und V. als unbegründet (Spruchpunkt I.) und gegen Spruchpunkt III. (gemeint Spruchpunkt IV.) mit der Maßgabe ab, dass das Einreiseverbot auf 2 Jahre befristet wird (Spruchpunkt II.). Darüber hinaus wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. (gemeint Spruchpunkt III.) stattgegeben und der Spruchpunkt abgeändert und festgestellt, dass die Abschiebung nach Nigeria nicht zulässig ist (Spruchpunkt III.).
5. In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21.05.2021 einen Vorlageantrag.
6. Mit Schriftsatz vom 26.05.2021, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 01.06.2021, legte das Bundesamt die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria. Er ist ledig und hat keine Kinder. Seine Identität steht fest.
Er stellte am 20.11.2013 in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz und mit 12.05.2015 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Er verfügte über einen bis 20.05.2020 gültigen italienischen Aufenthaltstitel, der aufgrund der Covid-19 Pandemie von Gesetzes wegen bis April 2021 verlängert wurde.
Der Beschwerdeführer reiste am 04.11.2014 nach Deutschland und suchte um Asyl an, wobei er nach einigen Monaten nach Italien zurückkehrte. Das in Deutschland geführte Asylverfahren ist am 30.12.2016 eingestellt worden.
Aus wirtschaftlichen Gründen, unter anderem um eine Arbeit zu finden und um in Österreich ein Leben aufzubauen, verließ er Italien und reiste am 14.02.2021 mit einem bis 26.04.2021 gültigen nigerianischen Reisepass ins österreichische Bundesgebiet ein. Am darauffolgenden Tag wurde er einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen und festgenommen. Bei seiner Festnahme hatte er EUR 60 bei sich. Er verfügte über keinen weiteren finanziellen Mitteln, um sich eigenständig den Aufenthalt in Österreich finanzieren zu können, und war während seines Aufenthalts arbeitslos.
Im Zeitraum von 26.02.2021 bis 11.03.2021 befand er sich in Schubhaft. Am 19.03.2021 reiste er freiwillig nach Italien aus.
Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf und verfügt im Bundesgebiet über keine Verwandten oder maßgeblichen privaten Beziehungen.
Er ist in Österreich nicht vorbestraft.
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz.
Ergänzend wurden Auszüge aus dem zentralen Melderegister, dem Strafregister und dem Fremdenregister eingeholt.
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Staatsangehörigkeit und seinem Personenstand gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme und seinen nigerianischen Reisepass.
Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden einen nigerianischen Reisepass vorlegen konnte, steht seine Identität fest.
Die Feststellungen zur Asylantragstellung in Italien und zum italienischen Aufenthaltstitel basieren auf den Angaben des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme, den in der Beschwerdevorentscheidung getroffenen Feststellungen (AS 164 f) und der Korrespondenz zwischen dem Bundesamt und der Landespolizeidirektion XXXX (AS 91 f).
Auf seine Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme und auf den Bericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 15.02.2021 gehen die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers und zum geführten Asylverfahren in Deutschland zurück (AS 103).
Soweit Feststellungen zur Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich, zu seiner Festnahme sowie seinen finanziellen Mittel oder zu seiner Erwerbslosigkeit getroffen worden sind, beruhen diese auf seinen diesbezüglichen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme und auf dem Bericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 15.02.2021. Durch seine Aussagen in der Einvernahme am 15.02.2021, in Italien keine Arbeit zu haben und sich hier ein Leben aufbauen zu wollen, brachte er zum Ausdruck, Italien aus wirtschaftlichen Erwägungen verlassen zu haben (AS 110, 113).
Die festgestellte Schubhaftdauer ergibt sich aus dem Auszug aus dem zentralen Melderegister.
Aus dem Vorlageantrag vom 21.05.2021 und dem Auszug aus dem Fremdenregister ergibt sich die Feststellung zur freiwilligen Ausreise.
Dass er in Österreich über keine Verwandten oder maßgeblichen privaten Beziehungen verfügt, fußt auf seinen Aussagen in der niederschriftlichen Einvernahme.
Die Feststellung zur mangelnden Integration geht auf die sehr kurze Aufenthaltsdauer und auf das Fehlen von maßgeblichen Integrationsschritten zurück.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der eingeholten Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 01.06.2021.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Rückkehrentscheidung:
3.1.1. Rechtslage
Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Fremde halten sich unter anderem rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen (§ 31 Abs 1 Z 3 FPG).
Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen (Art 21 Abs 1 SDÜ)
Für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten je Sechsmonatszeitraum gelten nach Art 5 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 für einen Drittstaatsangehörigen folgende Einreisevoraussetzungen:
a)
Er muss im Besitz eines oder mehrerer gültiger Reisedokumente sein, die ihn zum Überschreiten der Grenze berechtigen.
b)
Er muss im Besitz eines gültigen Visums sein, falls dies nach der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (17), vorgeschrieben ist, außer wenn er Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels ist.
c)
Er muss den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen, und er muss über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben.
d)
Er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein.
e)
Er darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen und darf insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.
Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall
In der Beschwerde vom 10.03.2021 wird vorgebracht, dass das Bundesamt die Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs 1 Z 1 FPG gestützt habe, jedoch keinerlei Feststellungen zur Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts getroffen habe. Der Beschwerdeführer habe bei seiner Einreise einen nigerianischen Reisepass bei sich und sei im Besitz eines italienischen Aufenthaltstitels gewesen, weshalb er gemäß § 21 SDÜ sich in Österreich grundsätzlich bis zu drei Monate innerhalb von 6 Monaten frei bewegen könne.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen hielt sich der Beschwerdeführer allerdings nicht rechtmäßig in Österreich auf. Aus der oben zitierten Bestimmung des Art 5 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 ergibt sich die Einreisevoraussetzung, dass der Drittstaatsangehörige bei einem Aufenthalt von bis zu drei Monaten je Sechsmonatszeitraum über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein muss, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben.
Da der Beschwerdeführer Italien aus wirtschaftlichen Gründen verließ, während seines Aufenthalts in Österreich arbeitslos war und nicht bescheinigen konnte, über genügend finanzielle Mittel zu verfügen, um sich seinen Aufenthalt in Österreich sowie die Rückreise leisten zu können, sind die soeben gennannten Voraussetzungen für eine rechtmäßige Einreise und einen rechtmäßigen Aufenthalt nicht gegeben. Er verfügte zwar bei seiner Einreise über EUR 60,--, es ist jedoch notorisch bekannt, dass ein Fremder, der nach Österreich kommt, selbst im Falle eines sehr kurzen Aufenthalts von wenigen Tagen mit diesem geringen Betrag nicht selbständig in der Lage ist, sich eine Unterkunft und ausreichende Verpflegung zu finanzieren. Abgesehen davon beabsichtigte der Beschwerdeführer sich in Österreich ein Leben aufzubauen und daher nicht nur ein paar Tage, sondern länger in Österreich zu bleiben. Der Beschwerdeführer verfügte daher für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts im Bundesgebiet über keine ausreichenden Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts.
Das Bundesamt stützte die Rückkehrentscheidung somit zu Recht auf § 52 Abs 1 Z 1 FPG. Da der Beschwerdeführer in Österreich über kein schützenswertes Privat und Familienleben verfügt, ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht unzulässig im Sinne von § 9 Abs 2 BFA-VG. Der Beschwerdeführer verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.
3.2. Zur Feststellung, dass die Abschiebung nach Nigeria nicht zulässig ist:
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 05.05.2021 wurde in Stattgabe der Beschwerde der angefochtene Spruchpunkt abgeändert und festgestellt, dass die Abschiebung nach Nigeria nicht zulässig ist.
Begründend führte das Bundesamt aus, dass dem Beschwerdeführer in Italien der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine Aberkennung bislang nicht erfolgt sei.
Ein inhaltliches „Auseinanderfallen“ der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zur (Nicht-)Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einerseits und der Feststellung über die Zulässigkeit der Abschiebung nach § 52 Abs. 9 FrPolG 2005 andererseits ist - jedenfalls auf Basis des nationalen Rechts - daher ausgeschlossen (vgl. näher VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119; 15.9.2016, Ra 2016/21/0234).
Das Bundesamt stellte daher zu Recht fest, dass die Abschiebung nach Nigeria nicht zulässig ist.
3.3. Zur Behebung des Einreiseverbots:
3.3.1. Rechtslage und Rechtsprechung
Gemäß § 53 Abs 1 FPG kann vom Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
Nach § 53 Abs 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 FPG, vorbehaltlich des § 53 Abs. 3 FPG, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Ein Tatbestand, der die Erlassung eines Einreiseverbots rechtfertigen kann, ist die Mittellosigkeit. Das Vorliegen einer für die Verhängung eines Einreiseverbots relevanten Gefahr ist nach der demonstrativen Aufzählung des § 53 Abs 2 Z 1 bis 9 FPG (soweit hier relevant) nämlich dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs 2 Z 6 FPG).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs. 2 FPG gerechtfertigt ist (VwGH, 20.09.2018, Ra 2018/20/0349 mit Hinweisen auf andere Entscheidungen).
Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu erlassen, sondern nur dann, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist weiters in Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl auch VwGH Ra 2016/21/0289).
3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall
Das Bundesamt erließ gestützt auf § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot und begründete dieses im Wesentlichen mit der Mittelosigkeit des Beschwerdeführers. Er habe am 15.02.2021 über EUR 60 verfügt und angegeben, sich in Österreich niederlassen zu wollen. In seinem Fall sei nicht von einer Änderung der wirtschaftlichen Lage auszugehen und die bereits indizierte Gefahr einer Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen sei nicht zuletzt angesichts der Angabe, sich in Österreich eine Arbeit suchen zu wollen, als konkret anzusehen. Angesichts seines nach der Entlassung aus der Schubhaft gesetzten Fehlverhaltens müsse davon ausgegangen werden, dass ein Beobachtungszeitraum von einem Jahr nicht ausreiche, um von einem Wohlverhalten sowie einer nachhaltigen Änderung der wirtschaftlichen Situation auszugehen.
Obwohl im gegenständlichen Fall der Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 6 FPG erfüllt und somit eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit indiziert sein könnte, da der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren nicht nachgewiesen hat, dass sein Unterhalt gesichert ist, ist die Erlassung eines Einreiseverbots zusätzlich zur Rückkehrentscheidung gegenständlich nicht notwendig. Vom Beschwerdeführer geht keine maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung aus.
Er hielt sich bis zu seiner freiwilligen Ausreise für nicht einmal zwei Monate in Österreich auf. Damit stellt der kurzfristige sowie unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich und der unterbliebene Nachweis betreffend den Besitz ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar.
Der bloße unrechtmäßige Aufenthalt ist noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbots gebietet. Wenn sich das Fehlverhalten darauf beschränkt und ausnahmsweise nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens vorliegt, ist überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen (VwGH 15.05.2012, 2012/18/0029).
Der Beschwerdeführer ist während seines Aufenthaltes weder strafgerichtlich in Erscheinung getreten noch wurde er wegen Verwaltungsübertretungen bestraft. Angesichts seiner Unbescholtenheit kann von einer noch relativ geringfügigen Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ausgegangen werden.
Der Beschwerde war daher stattzugeben und das Einreiseverbot zu beheben.
3.4 Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:
Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Der Verwaltungsgerichtshof geht bezüglich der Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden in ständiger Rechtsprechung davon aus (vgl. zuletzt VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053-4), dass es in diesem Zusammenhang nicht genüge, auf eine – die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende – Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren (vgl. etwa – zum Durchsetzungsaufschub nach § 70 Abs. 3 FPG – VwGH 12.09.2013, 2013/21/0094, mwN; siehe auch – zum Kriterium der Notwendigkeit einer sofortigen Ausreise nach § 52 Abs. 6 FPG – Erkenntnis VwGH 03.07.2018, Ro 2018/21/0007, Rn 11).
Derartige Umstände, die nicht nur ein öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung begründen, sondern darüber hinaus ihren sofortigen Vollzug erfordern, hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid mit dem Verweis auf den illegalen Aufenthalt und der Mittelosigkeit des Beschwerdeführers zutreffend aufgezeigt. Eine sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme erwies sich insofern aus Gründen der öffentlichen Ordnung als erforderlich.
Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt ein Überwiegen der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides, weshalb die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den gegenständlichen bekämpften Bescheid zulässig war.
Die Beschwerde erweist sich daher hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides als unbegründet und war abzuweisen.
4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn – wie im vorliegenden Fall – deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).
Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht nur etwa ein Monat liegt - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen, das Beschwerdevorbringen erwies sich als unsubstantiiert. Die wesentlichen Feststellungen sind unbestritten geblieben. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und es waren auch keine Beweise aufzunehmen.
Zudem reiste der Beschwerdeführer bereits freiwillig aus dem Bundesgebiet aus und es liegt ein Verfahren nach § 18 BFA-VG vor, welches das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet innert 7 Tagen zu entscheiden, es sei denn es lägen Gründe vor, die aufschiebende Wirkung nach § 18 Abs 5 BFA-VG zuzuerkennen. Dies war im gegenständlichen Fall aber nicht gegeben.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbots, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
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ECLI:AT:BVWG:2021:I411.2242954.1.00Im RIS seit
15.09.2021Zuletzt aktualisiert am
15.09.2021