TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/10 I406 2243080-1

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Veröffentlicht am 10.06.2021
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Entscheidungsdatum

10.06.2021

Norm

AVG §78 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §69 Abs2
StGB §83 Abs1
StGB §84
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I406 2243080-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. NIGERIA, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gregor KLAMMER, Jordangasse 7/4, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 09.07.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX 2014, W105 1406213/1/27E, rechtskräftig abgewiesen wurde. Das Verfahren wurde gemäß § 75 Abs. 20 Z 1 AsylG zur Prüfung einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA, belangte Behörde) zurückgewiesen. Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung wies der Beschwerdeführer bereits fünf rechtskräftige Verurteilungen - vier davon wegen gewerbsmäßigen Verkaufs von Suchtgift - auf und befand sich in Strafhaft

2.       Mit Bescheid vom 26.01.2016 erließ das BFA gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung, erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab und verhängte gegen den Beschwerdeführer ein auf 10 Jahre befristetes Einreiseverbot.

3.       Am XXXX 2016 heiratete der Beschwerdeführer eine in Österreich aufenthaltsberichtigte EU-Bürgerin, mit der er seit XXXX 2008 eine gemeinsame Tochter hat.

4.       Knapp zwei Monate später wurde er am XXXX 2016 neuerlich mit Suchtgift aufgegriffen und am 22.11.2016 zu einer Haftstrafe von 11 Monaten verurteilt.

5.       Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.01.2018, I408 2100800-1/21E, wurde die Rückkehrentscheidung und das auf 10 Jahre befristete Einreiseverbot behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

6.       Mit Bescheid des BFA vom 31.08.2018, Zl. XXXX , wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung gewährt.

7.       Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 22.05.2019, Zl. I408 2100800-2/9E, als unbegründet ab.

8.       Am 24.02.2021 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots und schloss diesem einige Unterlagen an, darunter diverse Lohnzettel, eine A2 Deutschausweis Kopie, Geburtsurkunden seiner drei 2008, 2009 und 2011 geborenen Kinder und eine Buchungsübersicht über Unterhaltszahlungen an das Jugendamt.

9.       Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom XXXX 2021 teilte das BFA dem Beschwerdeführer mit, dass eine Ablehnung des Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes beabsichtigt sei und gewährte ihm eine 14-tägige Frist zur Erstattung einer schriftlichen Stellungnahme. Am 22.03.2021 antwortete der Beschwerdeführer darauf mit E-Mail, am 07.04.2021 übermittelte seine Rechtsvertretung zusätzlich eine schriftliche Stellungnahme.

10.      Mit Bescheid vom 30.04.2021, Zl. XXXX , wies das BFA den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots vom 24.02.2021 gemäß § 69 Abs 2 FPG ab (Spruchpunkt I.) und erlegte dem Beschwerdeführer gemäß § 78 AVG eine Bundesverwaltungsabgabe in der Höhe von EUR 6,50 auf (Spruchpunkt II.).

11.      Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 28.05.2021.

12.      Mit Schriftsatz vom 01.06.2021, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 04.06.2021, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest.

Er hält sich seit mindestens 09.07.2006 in Österreich auf und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX 2014 in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen wurde.

Aufgrund seiner Heirat mit einer in Österreich aufenthaltsberichtigten EU-Bürgerin am XXXX 2016 erteilte ihm die MA 35 des Amtes der Wiener Landesregierung am 29.07.2016 einen bis 29.07.2021 befristeten Aufenthaltstitel als begünstigter Drittstaatsangehöriger. Ab dem XXXX 2016 lebte der Beschwerdeführer von seiner Frau getrennt. Die Ehe wurde im Oktober 2019 geschieden.

Der Beschwerdeführer hat drei leibliche Kinder, davon zwei - geboren am XXXX 2009 und am XXXX 2011 - in Österreich mit einer in XXXX lebenden österreichischen Staatsbürgerin, eines mit seiner Ex-Frau, geboren am XXXX 2008, welches mittlerweile wieder in Deutschland lebt.

Er leistet im Rahmen seiner Möglichkeiten Unterhalt für alle drei Kinder und hatte bis zu Beginn der Corona-Pandemie über das ihm zustehende Besuchsrecht regelmäßigen Kontakt zu ihnen. Trotz der geringen Höhe seiner Unterhaltsverpflichtung bestand zum Stichtag 29.12.2020 hinsichtlich der beiden in XXXX lebenden Kinder ein offener Saldo von EUR 4.134,73 sowie EUR 5.148,73 (AS 61 und AS 66).

Der Beschwerdeführer wurde wiederholt straffällig und insgesamt sechs Mal zu langen Haftstrafen verurteilt.

Am 30.12.2007 wurde er erstmals beim gewerbsmäßigen Verkauf von Suchtgift aufgegriffen und mit Urteil eines Landesgerichtes vom 03.03.2008 gemäß §§ 27 Abs. 1 Z 1 und 27 Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 8 Monate bedingt, verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 15.05.2009 erfolgte eine weitere Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten.

Wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB wurde der Beschwerdeführer mit Urteil eines Landesgerichtes vom 24.04.2011 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Die Verurteilung erfolgte, weil der Beschwerdeführer seine damalige Lebensgefährtin und Mutter der beiden in XXXX lebenden Kinder im Wege einer Auseinandersetzung mit mehreren Faustschlägen schwer am Kopf verletzt und ihr einen Bruch der knöchernen Augenhöhle zugefügt hatte.

Am 11.01.2012 erging mit Urteil eines Landesgerichtes eine neuerliche Verurteilung wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften gemäß §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall und 27 Abs. 3 SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 12.03.2014 wurde der Beschwerdeführer neuerlich wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und 27 Abs. 3 SMG verurteilt, und zwar zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten.

Zuletzt erging mit Urteil eines Landesgerichtes vom 22.11.2016 eine weitere Freiheitsstrafe von 11 Monaten wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall SMG. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer beim Verkauf von Heroin an einen verdeckten Ermittler aufgegriffen worden war.

Fünf der strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers erfolgten nach der Geburt seiner ältesten Tochter und drei nach der Geburt seiner jüngsten Tochter. Die strafgerichtliche Verurteilung wegen Körperverletzung am 24.04.2011 erging aufgrund eines körperlichen Angriffes auf die Mutter seiner in XXXX lebenden Kindern, mit der er zum Tatzeitpunkt zusammenlebte. Zwei Monate nach der Hochzeit mit der Mutter seiner ältesten Tochter wurde er neuerlich mit Suchtgift betreten und war zuletzt vom 12.09.2016 bis 11.10.2017 in Haft.

Der Beschwerdeführer ging von 04.12.2017 bis 23.02.2018, von 15.03.2018 bis 25.04.2018, von 12.07.2018 bis 16.08.2018, von 18.02.2019 bis 26.04.2019, von 10.05.2019 bis 13.05.2019, von 20.05.2019 bis 21.05.2019, von 17.05.2019 bis 19.06.2019, von 24.06.2019 bis 01.07.2019, von 29.07.2019 bis 04.09.2019, von 20.01.2020 bis 24.01.2020, von 26.05.2020 bis 18.06.2020, von 28.08.2020 bis 30.10.2020, von 04.01.2021 bis 05.01.2021, von 18.01.2021 bis 28.01.2021 und von 12.04.2021 bis 26.05.2021 einer Beschäftigung als Leiharbeiter für verschiedene Arbeitgeber nach. In den übrigen Zeiträumen bezog er immer wieder Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, so auch aktuell seit 27.05.2021. Er ist nicht nachhaltig auf dem österreichischen Arbeitsmarkt integriert.

Der Beschwerdeführer beherrscht die deutsche Sprache und hat am 22.10.2018 eine Deutsch-Prüfung auf Niveau B1 abgelegt.

Mit Bescheid vom 31.08.2018, Zl. XXXX , erließ das BFA gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot und begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer mehrmals strafgerichtlich verurteilt worden sei und sein persönliches Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde.

Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.05.2019, Zl. I408 2100800-2/9E abgewiesen.

Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der im Akt befindlichen Strafurteile, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz.

Einsicht wurde auch genommen in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu I408 2100800-2 und damit in das Beschwerdeverfahren zu dem gegen den Beschwerdeführer erlassenen Aufenthaltsverbot.

Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Grundversorgung (GVS) und dem AJ-WEB Auskunftsverfahren wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund des vorliegenden nigerianischen Reisepasses zweifelsfrei fest (AS 186).

Die Feststellung zu seinem Aufenthalt in Österreich seit Juli 2006 und zu seinem negativ entschiedenen Asylantrag ergibt sich unstrittig aus dem Akteninhalt in Zusammenschau mit den eingeholten Auszügen aus dem zentralen Melderegister und dem zentralen Fremdenregister.

Die Feststellung zu seiner Ehe war aufgrund der vorliegenden Heiratsurkunde des Standesamts- und Staatsbürgerschaftsverbandes XXXX vom XXXX 2017 zu treffen (AS 148). Die Feststellung zur Trennung des Beschwerdeführers von seiner Frau und der im Oktober 2019 erfolgten Scheidung ergibt sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers (AS 144), die sich mit einem entsprechenden Eintrag im zentralen Melderegister decken.

Die Vaterschaft zu den drei Kindern von zwei Müttern ist durch die in Vorlage gebrachten Geburtsurkunden bestätigt (AS 109-111). Dass der Beschwerdeführer bis zu Beginn der Corona-Pandemie in Kontakt mit seinen Kindern stand, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben (AS 54). Die Höhe der von ihm (teilweise nicht) geleisteten Unterhaltszahlungen ist den vorgelegten Buchungsübersichten und Kontomitteilungen zu entnehmen (AS 57 bis 80).

Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen und den damit verbundenen Haftstrafen beruhen auf den Auszügen aus Strafregister und ZMR, den im Verwaltungsakt inneliegenden Strafurteilen, sowie den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren I408 2100800-2.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer trotz seiner Verantwortung und Unterhaltspflicht gegenüber seinen in Österreich lebenden Kindern und seiner Ex-Frau weiterhin strafffällig geblieben ist, resultiert aus dem zeitlichen Ablauf der Verurteilungen.

Die Zeiten der Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers und der wiederholte Bezug von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe ergeben sich aus einem AJ-WEB Auskunftsverfahren vom 09.06.2021. Die Feststellung, dass keine nachhaltige Integration des Beschwerdeführers auf dem österreichischen Arbeitsmarkt vorliegt war aufgrund des Umstandes, dass die Zeiten seiner Erwerbstätigkeit zusammengezählt nur wenige Monate betragen, zu treffen.

Die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers sind durch das im Verfahren I408 2100800-2 in Vorlage gebrachte Deutschzertifikat belegt.

Die Feststellung zu dem gegen den Beschwerdeführer erlassenen zehnjährigen Aufenthaltsverbot ergibt sich aus dem Bescheid des BFA vom 31.08.2018, Zl. XXXX , die Abweisung der Beschwerde gegen diesen Bescheid aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.05.2019, Zl. I408 2100800-2/9E.

Dass sich der Beschwerdeführer trotz des aufrechten Aufenthaltsverbots weiterhin im Bundesgebiet aufhält, ergibt sich unstrittig aus dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1      Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf. Die belangte Behörde setzte sich ferner auch umfassend mit dem Sachverhalt auseinander und begründete in der Beweiswürdigung nachvollziehbar, warum eine Aufhebung des Aufenthaltsverbots nicht in Betracht kommt. Deshalb schloss sich das Bundesverwaltungsgericht der Beweiswürdigung der belangten Behörde zur Gänze an. Das Beschwerdevorbringen deckt sich grundsätzlich mit dem Vorbringen im Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots und zeigte keine neuen Sachverhalts- oder Rechtsfragen auf, die zu klären wären. Es mussten daher keine neuen Beweise aufgenommen werden.

Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.2 Zur Abweisung des Antrags auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1 Rechtslage

Gemäß § 69 Abs 2 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

3.2.2 Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall

Im gegenständlichen Fall stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung des mit Bescheid des BFA vom 31.08.2018 erlassenen Aufenthaltsverbots, das mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.05.2019 in zweiter Instanz in Rechtskraft erwuchs.

Er begründete seinen Antrag damit, dass von einer nachhaltigen und maßgeblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich im vorliegenden Fall nicht mehr ausgegangen werden könne. Seit der Begehung der strafbaren Handlungen, wegen der er verurteilt worden sei, seien mehrere Jahre vergangen. Er sei seit der letzten Verurteilung nicht mehr straffällig geworden, habe weitreichende Integrationsschritte gesetzt und gehe einer Beschäftigung nach. Außerdem habe er in Österreich einen großen Freundeskreis und ein Familienleben aufgrund seiner drei Kinder. Er wolle weiterhin ungestört in Österreich arbeiten, sich integrieren und auch seinen Verpflichtungen als Vater nachkommen und beantrage aus diesem Grund die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes.

In der Beschwerde beruft sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf dieselben Gründe und machte außerdem geltend, dass die belangte Behörde nicht dargelegt habe, aus welchen Gründen sie davon ausgehe, dass von seiner Person nach wie vor eine gegenwärtige und tatsächliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehe. Sein Wohlverhalten, die regelmäßige und laufende Beschäftigung sowie das Kümmern um seine Kinder sei Glaubhaftmachung genug, dass er sich geändert habe und nicht gefährlich sei. Speziell seine Kinder würden leiden. Bei einer Entscheidung über die Rückführung des Vaters seien die Interessen der Kinder zu berücksichtigen.

Aufgrund der folgender Erwägungen war die Beschwerde jedoch als unbegründet abzuweisen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbots nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist (VwGH vom 20.12.2018, Ra 2018/21/0156). Bei der Entscheidung über die Aufhebung einer solchen Maßnahme kann die Rechtmäßigkeit jenes Bescheides, mit dem diese Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (vgl. VwGH Punkt 4.2. der Entscheidungsgründe vom 24. Jänner 2012, Zl. 2011/18/0267; 12.03.2013, 2012/18/0228).

Ob die Gründe, die zur Erlassung geführt haben, weggefallen sind, ist nach den gemäß § 67 Abs. 1 FPG maßgeblichen Ermessenskriterien zu prüfen. Hiebei hat eine Gesamtbetrachtung der seit der Verhängung eingetretenen Sachlage, also auch zusätzlicher belastender Umstände, zu erfolgen. Auf dieser Grundlage ist zu prüfen, ob von einem Aufenthalt des Betroffenen noch die seinerzeit für die Erlassung maßgeblichen Gefahren ausgehen. Ist dies zu verneinen, ist das Aufenthaltsverbot aufzuheben. Gegen diesen Fremden darf dann nur wegen eines anderen Sachverhalts neuerlich ein Aufenthaltsverbot verhängt werden. (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 69 FPG 2005, Stand 1.3.2016, rdb.at).

Nach Erlassung des ab 22.05.2019 durchsetzbaren Aufenthaltsverbots hat der Beschwerdeführer das Bundesgebiet nicht verlassen und kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann daher keine Rede davon sein, dass sich der Beschwerdeführer nach Verspüren des Haftübels wohlverhalten habe, vielmehr verstärkt das Verhalten des Beschwerdeführers, mit dem er zum Ausdruck brachte, sich nicht an die österreichische Rechtsordnung halten zu wollen, die für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen.

Seitens des Beschwerdeführers wurde ferner auch nicht hinreichend dargelegt, weshalb bei ihm - gerade vor dem Hintergrund seines mehrmaligen strafrechtlichen Fehlverhaltens - mittlerweile ein vollzogener nachhaltiger Gesinnungswandel zu erkennen sei und eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit jedenfalls nicht mehr vorläge. Der seit seiner Entlassung aus der Strafhaft verstrichene Zeitraum reicht noch nicht aus, um einen Wegfall der von ihm ausgehenden Gefahr annehmen zu können.

Die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten wiegen schwer und sein Fehlverhalten beeinträchtigt insgesamt in hohem Ausmaß das Grundinteresse der Gesellschaft an der Verhinderung strafbarer Handlungen.

Der einschlägig vorbestrafte Beschwerdeführer wurde in Österreich fünf Mal wegen Drogendelikte und einmal wegen schwerer Körperverletzung an seiner Lebensgefährtin und Mutter von zwei seiner drei Kinder verurteilt. Die vom Beschwerdeführer über einen Zeitraum von neun Jahren (von 2007 bis 2016) verübten Straftaten sowie die von den Strafgerichten jeweils verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von insgesamt 7 Jahren zeigen, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt. Die Art der Begehung und die Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten, sowohl die wiederholten Suchtgiftdelikte als auch die schwere Körperverletzung, zeugen unzweifelhaft von einer gravierenden kriminellen Energie des Beschwerdeführers und daraus ableitbaren hoher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.

Obwohl bereits mehrere Jahre seit seiner letzten strafgerichtlichen Verurteilung vergangen sind, bedarf es angesichts seiner schwerwiegenden strafrechtlichen Vorgeschichte und aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer einschlägig und wiederholt straffällig wurde ein längeres Wohlverhalten, um von einem Wegfall oder Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr ausgehen zu können.

Im Vergleich zu dem im Verfahren zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes zugrunde gelegten Sachverhalt haben sich auch keine derart stark zugunsten des Beschwerdeführers auszulegenden Umstände ergeben, denen zufolge ein Überwiegen des persönlichen Interesses an einem Aufenthalt in Österreich gegenüber dem öffentlichen Interesse an der weiteren Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes anzunehmen gewesen wäre.

Schon vor dem Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes führte der Beschwerdeführer den Vollzug seiner letzten Haftstrafe, seine Erwerbstätigkeit und seine drei im Bundesgebiet lebenden Kinder ins Treffen. All diese Umstände konnten den Beschwerdeführer nicht von der Begehung schwerwiegender Straftaten abhalten, sodass eine (erneute) Rückfälligkeit immer noch nicht ausgeschlossen werden kann.

In einer Gesamtschau der oben dargestellten Gesichtspunkte ergaben sich auch für das Bundesverwaltungsgericht keine maßgeblichen Anhaltspunkte dafür, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einer maßgeblichen Änderung der Umstände auszugehen und das verhängte Aufenthaltsverbot aufzuheben gewesen wäre.

Die Ansicht der belangten Behörde trifft zu, das Aufenthaltsverbot sei wegen der vom Beschwerdeführer nach wie vor ausgehenden erheblichen und gegenwärtigen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auch weiterhin erforderlich.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids als unbegründet abzuweisen.

3.3 Zur Auferlegung der Bundesverwaltungsabgaben (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 78 Abs 1 AVG können den Parteien in den Angelegenheiten der Bundesverwaltung (unmittelbare oder mittelbare Bundesverwaltung, übertragener Wirkungsbereich der Gemeinden in Bundesangelegenheiten) für die Verleihung von Berechtigungen oder sonstige wesentlich in ihrem Privatinteresse liegende Amtshandlungen der Behörden Bundesverwaltungsabgaben auferlegt werden, sofern die Freiheit von derlei Abgaben nicht ausdrücklich durch Gesetz festgesetzt ist.

Nach Tarif A Z 2 der Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, in der Fassung vom 03.11.2020 sind für sonstige Bescheide oder Amtshandlungen, die wesentlich im Privatinteresse der Partei liegen, soweit nicht eine andere Tarifpost Anwendung findet, EUR 6,50 zu entrichten.

Da der Antrag des Beschwerdeführers auf die Aufhebung des Aufenthaltsverbots abzielt und dies in seinem privaten Interesse lag, hat er EUR 6,50 zu entrichten.

Die Auferlegung der Bundesverwaltungsabgaben erfolgte sohin zu Recht. Es wird auch in der Beschwerde nicht moniert, dass die Auferlegung der Bundesverwaltungsabgaben nicht zu Recht erfolgt wäre.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Änderung maßgeblicher Umstände Antragstellung Aufhebung Aufenthaltsverbot Ausreiseverpflichtung Ermessen Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Gesamtbetrachtung Gewalttätigkeit Körperverletzung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen schwere Straftat Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Verwaltungsabgabe Wegfall der Gründe Wiederholungstaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I406.2243080.1.00

Im RIS seit

14.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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