TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/11 I401 2243040-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.06.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

11.06.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §53
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §53 Abs3 Z6
FPG §55 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I401 2243040-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 4. Stock, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.04.2021, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbots gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG auf zehn Jahre herabgesetzt wird.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. und VI. wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 14.04.2021 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als Bundesamt bezeichnet) dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz (FPG) fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II.), erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 und Z 6 FPG gegen ihn ein unbefristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.), gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.).

Gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. dieses Bescheides richtet sich die erhobene Beschwerde vom 14.05.2021. Die von der Beschwerde nicht erfassten Spruchpunkte I. bis III. sind daher unbekämpft in Rechtskraft erwachsen.

Mit Schriftsatz vom 28.05.2021, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 04.06.2021, legte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er ist gesund und arbeitsfähig. In Nigeria verrichtete er Hilfstätigkeiten. In Österreich ging er keiner Erwerbstätigkeit nach und absolvierte er keine berufliche Ausbildung. Er verfügt über keine Deutschkenntnisse. In Österreich leben keine Verwandten des Beschwerdeführers und führte er keine Beziehung. Er setzte keine Integrationsschritte in Österreich.

Der Beschwerdeführer stellte am 01.02.2017 in Italien und am 28.11.2018 in Dänemark mit einer Aliasidentität einen Asylantrag. Er verfügte über einen von Italien für die Zeit vom 14.08.2018 bis 14.08.2020 erteilten Aufenthaltstitel „permesso di soggiorno“. Über familiäre Bindungen in Italien verfügte er nicht.

Er wurde am 17.04.2019 wegen des dringenden Verdachts des gewerblichen Verkaufs von Suchtmitteln durch Beamte des Bezirkspolizeikommandos Klagenfurt festgenommen. Der Beschwerdeführer wurde am 20.04.2019 wegen § 28a Abs. 1 SMG in Untersuchungshaft genommen.

Nach Ablauf der auf Grund der Strafhaft des Beschwerdeführers ausgesetzten Überstellungsfrist nach Italien wurde Österreich mit 14.05.2020 für die Verfahren nach den asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen zuständig.

Mit dem am 23.02.2021 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Jugendgeschworenengericht vom 18.02.2021 wurde der Beschwerdeführer als junger Erwachsener wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 4 Z 2 SMG in Anwendung des § 19 Abs. 1 JGG zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Der [Beschwerdeführer wurde für schuldig erkannt, von Jänner 2017 bis Mitte April 2019 in verschiedenen (angeführten) Orten in Kärnten vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar Heroin mit einem Reinheitsgehalt an Heroinbase von 4,65 % und Kokain mit einem Reinheitsgehalt an Kokainbase von 43,8 % vorsätzlich, wobei sein Vorsatz von vornherein auch den an die bewusst kontinuierliche Überlassung von Suchtgift geknüpften Additionseffekt mit umfasste, in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge, und zwar 536,8 Gramm Heroin und 66,35 Gramm Kokain, in gewinnbringenden Einzelverkäufen den (namentlich genannten) Endabnehmern überlassen hat. Er hat die umschriebene Tat als Mitglied einer aus den (namentlich genannten) Mitangeklagten und weiteren namentlich nicht bekannten Personen, jedenfalls aber einer aus mindestens zehn Personen bestehenden, organisierten und auf längere Zeit, nämlich auf mehrere Monate angelegten Verbindung, die auf die Begehung von Straftaten durch vorsätzliches und vorschriftswidriges Überlassen und/oder Einführen von Suchtgift, nämlich von Heroin und Kokain, in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge ausgerichtet war, begangen.

Bei den Strafbemessung wurde sein bisheriges tadelloses Vorleben, aber besonders sein Alter unter 21 Jahren, und ein Teilgeständnis als mildernd gewertet. Diesen Milderungsgründen standen keine Erschwerungsgründe gegenüber. Bei Abwägung der Strafzumessungstatsachen sah das Jugendgeschworenengericht bei ihm (bei einem Strafrahmen nach § 28a Abs 4 SMG in Anwendung des § 19 Abs. 1 JGG von bis zu 15 Jahren) eine vierjährige Freiheitsstrafe als tat- und schuldadäquate Sanktion an.

Der Beschwerdeführer gab bei seiner am 17.03.2021 durch das Bundesamt erfolgten niederschriftlichen Einvernahme - dazu mehrmals befragt - an, in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz stellen zu wollen. Er brachte wiederholt seine Rückkehrwilligkeit nach Italien zum Ausdruck. Der Beschwerdeführer verweigerte die Unterfertigung des Einvernahmeprotokolls. Das Bundesamt räumte ihm auf Grund des bei der erfolgten Einvernahme gezeigten Verhaltens mit Schreiben vom 18.03.2021 zum Ergebnis der Beweisaufnahme betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme ein. Er weigerte sich, die Übernahme des Schreibens zu bestätigen. Das eingeräumte Parteiengehör nahm er nicht wahr.

Es lässt sich nicht feststellen, wann der Beschwerdeführer nach Österreich eingereist ist. Er war in Österreich nicht mit einem (Haupt-) Wohnsitz gemeldet. Er befand sich in der Zeit vom 18.04.2019 bis 30.04.2021 in der Justizanstalt Klagenfurt in Untersuchungs- bzw. Strafhaft. Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 28.04.2021 wurde ihm gegenüber die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Abschiebung angeordnet. Am 30.04.2021 wurde er in das Polizeianhaltezentrum Klagenfurt überstellt.

Am 05.05.2021 reiste der Beschwerdeführer im Rahmen der unterstützen freiwilligen Rückkehr aus dem Bundesgebiet nach Nigeria aus.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird zum maßgeblichen Sachverhalt erhoben:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes unter Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers bei den niederschriftlichen Einvernahmen vom 18.04.2019 (AS 13 f), vom 17.03.2021(AS 183 ff) und vom 26.04.2021 (AS 311 ff), in den bekämpften Bescheid (AS 223) und den Beschwerdeschriftsatz (AS 351 ff). Ergänzend wurden Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister, dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister sowie ein Versicherungsdatenauszug eingeholt.

Aus dem (in Kopie) vorliegenden Reisepass ergibt sich seine Identität bzw. nigerianische Staatsangehörigkeit. Dass er in Italien einen Asylantrag gestellt und ihm ein bis 14.08.2020 gültiger Aufenthaltstitel „permesso di soggiorno“ erteilt wurde sowie er bei dem in Dänemark geführten Asylverfahren („ASYLANSØGER I DANMARK“ am 28.11.2018) eine Aliasidentität verwendet hatte, fußt auf dem im erstinstanzlichen Akt sich befindenden Eurodac Abgleich und dem Abgleichsbericht zur VIS Abfrage jeweils vom 12.01.2019.

Wann bzw. wie häufig der Beschwerdeführer illegal nach Österreich eingereist ist, lässt sich deshalb nicht feststellen, weil zum einen im Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 18.02.2021 der Tatzeitraum von Jänner 2017 bis Mitte April 2019 ermittelt wurde, zum anderen der Beschwerdeführer bei seiner am 18.04.2019 erfolgten niederschriftlichen Einvernahme durch ein Organ des Landespolizeidirektion Klagenfurt (betreffend „BFA - Befragung“) angab, am 10.04.2019 von Italien nach Österreich gekommen zu sein und er in Italien am 01.02.2017 und in Dänemark am 28.11.2018 einen Asylantrag gestellt hatte.

Auf seine bei den niederschriftlichen Einvernahmen gemachten Angaben gehen die Feststellungen, dass in Österreich keine Verwandten von ihm leben, er keine Beziehung im Bundesgebiet geführt und er keine Integrationsschritte gesetzt hatte, zurück. Gegenteiliges brachte er nicht vor. Er behauptete auch nicht, in Italien ein Familienleben geführt zu haben.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers gründet sich auf die aktuelle Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich und das sich im erstinstanzlichen Akt befindende Strafurteil.

Die Ausreisebestätigung der International Organisation for Migration vom 07.05.2021 belegt die am 05.05.2021 erfolgte Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet nach Nigeria (AS 393).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

3.1. Verhängung eines Einreiseverbots:

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG (in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018) kann vom Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

§ 53 Abs. 3 FPG lautet auszugsweise.

„Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       …

5.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7.       … .

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall:

Dem in der erhobenen Beschwerde geltend gemachten Argument, dass gegenständlich § 53 Abs 3 Z 6 FPG nicht anwendbar sei, kommt Berechtigung zu.

Dem angefochtenen Bescheid ist nicht zu entnehmen, welcher der in § 53 Abs. 3 Z 6 FPG explizit angeführten Straftatbestände der §§ 278a bis 278f StGB im gegenständlichen Fall vom Bundesamt angenommen wurde. Nach Ansicht des Bundesamtes sei „der Sachverhalt der Ziffer 6 [des § 53 Abs. 3 FPG] mehr als eindeutig erfüllt“, weil die (acht) Geschworenen die Hauptfrage, ob der [Beschwerdeführer] als Mitglied einer aus den Mitangeklagten, dem abgesondert verurteilten […] und weiteren namentlich nicht bekannten Personen, jedenfalls aber einer aus mindestens 10 Personen bestehenden, organisierten und auf längere Zeit, nämlich auf mehrere Monate angelegten Verbindung, die auf die Begehung von Straftaten durch vorsätzliches und vorschriftswidriges Überlassen und/oder Einführen von Suchtgift, nämlich von Heroin und Kokain, in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge ausgerichtet war, begangen habe, ohne Gegenstimme mit „Ja“ beantwortet hätten.

Der Beschwerdeführer wurde nicht nach einer im § 53 Abs. 3 Z 6 FPG taxativ angeführten strafrechtlichen Bestimmungen, beispielsweise, dass er Mitglied in einer kriminellen Organisation im Sinn des § 278a StGB gewesen wäre, sondern gemäß § 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 4 Z 2 SMG wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt. Worauf sich die Annahme des Bundesamtes, es sei im gegenständlichen Fall § 53 Abs. 3 Z 6 FPG „mehr als eindeutig“ erfüllt, gründet, ist nicht nachvollziehbar (vgl. dazu auch VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0002). Das Bundesamt stützte daher das (unbefristete) Einreiseverbot zu Unrecht auf § 53 Abs. 3 Z 6 FPG.

Das Bundesamt begründete die Erlassung des unbefristeten Einreiseverbots zudem damit, dass im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 4 Z 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 5 FPG erfüllt ist, was in der erhobenen Beschwerde auch nicht bestritten wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass bei schweren Verbrechen im Zusammenhang mit Suchtmitteln weder ein langjähriger Aufenthalt in Österreich noch eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland einem Einreiseverbot entgegenstehen (VwGH 15.02.2021, Ra 2021/17/0006, mwN).

Dem Bundesamt ist beizupflichten, dass vom Aufenthalt des Beschwerdeführers angesichts der Verurteilung wegen dem Verbrechen des Suchtgifthandels eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht, was die Erlassung eines Einreiseverbotes jedenfalls rechtfertigt. Im gegenständlichen Fall ist aber zu beurteilen, ob die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes notwendig und verhältnismäßig war.

Die schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Bezug auf die Suchtgiftdelinquenz begründete das Bundesamt damit, dass der Beschwerdeführer einzig und allein zur Begehung von Suchtmittelverkäufen in das Bundesgebiet eingereist sei, er im Zeitraum von Jänner 2017 bis April 2019 mit Heroin und Kokain gehandelt und diese Suchtmittel gewerbsmäßig und gewinnbringend zur Finanzierung seines Unterhalts verkauft und dabei die Schädigung der Gesundheit anderer Personen billigend in Kauf genommen habe. Das stelle ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben sei. Hinzu komme, dass er mittellos sei und die österreichische Rechtsordnung in Hinblick auf das Fremdenwesen und Meldewesen durch die unangemeldet gebliebene Unterkunftnahme negiert habe. Auch in der Zukunft werde er wieder ohne Skrupel kriminelle Handlungen begehen, um sich dadurch den Unterhalt im Bundesgebiet finanzieren zu können. Eine günstige Zukunftsprognose könne auf Grund des vom Beschwerdeführer gezeigten deliktischen Fehlverhaltens, seines unsicheren Aufenthalts in Österreich sowie seiner tristen Vermögens- und Einkommensverhältnisse nicht getroffen werden. Auch die familiären und privaten Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich seien nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib rechtfertigen könnten, zumal keine Familienangehörigen und Verwandten im Bundesgebiet leben würden, keine sozialen Bindungen bestünden und private Interessen nicht festgestellt hätten werden können.

Bei der vorzunehmenden Ermessensentscheidung habe die Gesamtbeurteilung des Verhaltens, der Lebensumstände sowie der familiären und privaten Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers ergeben, dass die Erlassung des unbefristeten Einreiseverbotes gerechtfertigt und notwendig gewesen sei, um die von ihm ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Bemessung eines Einreiseverbotes nach § 53 FPG eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, bei der die Behörde nicht nur auf das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen und das deshalb prognostizierte Vorliegen der von ihm ausgehenden Gefährdung, sondern auch auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen ist (VwGH 06.04.2021, Ra 2020/21/0453, mwN).

Bei der Erstellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 3 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (VwGH vom 18.01.2021, Ra 2020/21/0306, mwN).

Ebenso ist bei der Entscheidung über die Länge des Einreiseverbotes die Dauer der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung zu prognostiziere; außerdem ist auf die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen (VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109). Für die Annahme eines Wegfalls der sich durch das bisherige Fehlverhalten manifestierten Gefährlichkeit ist in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich. Schließlich darf bei der Verhängung eines Einreiseverbots das Ausschöpfen der vorgesehenen Höchstfristen nicht regelmäßig schon dann erfolgen, wenn einer der Fälle des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 bzw. des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 FPG vorliegt (VwGH 24.05.2016, Ra 2015/21/0187, mwN).

Das dargestellte Verhalten des Beschwerdeführers ist unbestritten den Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gravierend zuwidergelaufen. Die Begehung von Strafdelikten nach dem SMG, welche der Finanzierung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers dienten, sowie aufgrund der Tatsache, dass er, seitdem er sich in Österreich aushält, zu keinem Zeitpunkt einer legalen Beschäftigung im Bundesgebiet nachging, was den Versuch einer Stabilisierung und Verankerung nahelegen könnte, und sein nicht gesicherter bzw. nunmehr unrechtmäßiger Aufenthalt in Österreich rechtfertigen die Annahme, dass vom Beschwerdeführer längerfristig eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht. Hinzu kommt, dass er zu keinem Zeitpunkt im Bundesgebiet mit einem Wohnsitz gemeldet war. Durch die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot wird dem Beschwerdeführer der Unrechtsgehalt seines Aufenthaltes in Österreich und dem gesamten Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Augen geführt. Dadurch kann auch sichergestellt werden, dass eine sofortige Wiedereinreise hintangehalten und dadurch den Zielsetzungen des Fremdenrechts genüge getan wird. Die Verhängung des Einreiseverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele war daher geboten.

Die Erlassung des unbefristeten Einreiseverbotes erweist sich jedoch als unangemessen:

Bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung ist bei der Bemessung der (Höchst-) Dauer des Einreiseverbots neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen nach § 53 Abs. 3 Z 5 FPG als bestimmte Tatsache, die rechtskräftige Verurteilung des Drittstaatsangehörigen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren zu berücksichtigen.

Das dargelegte Fehlverhalten des Beschwerdeführers ist - wie ausgeführt - unbestritten den Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zuwidergelaufen. Der Beschwerdeführer wurde als junger Erwachsener wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 4 Z 2 SMG, bei dessen Begehung in Anwendung des § 19 Abs. 1 JGG eine Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren zu verhängen ist, zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit dieser Haftstrafe schöpfte das Landesgericht Klagenfurt als Jugendgeschworenengericht die mögliche, bis zu 15 Jahre reichende Strafobergrenze nach dem SMG in Verbindung mit dem JGG etwas mehr als ein Viertel aus. Das vom Bundesamt unbefristet ausgesprochene Einreiseverbot steht in keiner Relation zu der vom Strafgericht als tat- und schuldangemessen verhängten Freiheitsstrafe.

Die Erlassung des Einreiseverbotes in der Höchstdauer, im konkretem Fall unbefristet, erweist sich in Hinblick auf das System der abgestuften Gefährdungsprognosen, das dem FPG inhärent ist (VwGH 22.11.2012, Zl. 2012/23/0030), als nicht angemessen, zumal bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots kein Spielraum im Fall der Begehung einer größeren Anzahl von Delikten oder noch schwerer zu gewichtenden Straftaten mit höherem Unrechtsgehgalt mehr verbliebe.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um die erste Verurteilung im Bundesgebiet und sah das Strafgericht bei der Strafbemessung sein bisheriges tadelloses Vorleben und sein Teilgeständnis sowie insbesondere sein Alter unter 21 Jahren als mildernd, hingegen keine Gründe als erschwerend an. Mangels eines schützenswerten Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich auf der einen Seite und der einmaligen Verurteilung in der Dauer von vier Jahren auf der anderen Seite erscheint im gegenständlichen Fall eine Befristung des Einreiseverbotes in der Dauer von zehn Jahren als angemessen.

Eine weitere Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbots kommt im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers, des fehlenden Unrechtsbewusstseins, der der Sicherung seines Lebensunterhaltes dienenden Straftaten nach dem SMG und des Umstandes, dass die Suchtmitteldelikte den Zweck haben, die Bevölkerung vor den Gefahren eines (weiteren) Drogenmissbrauchs zu schützen, nicht in Betracht.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides war daher mit der Maßgabe stattzugeben, als die Dauer des Einreisverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG auf zehn Jahre herabzusetzen war.

3.2. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und (Nicht-) Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise:

Der Beschwerdeführer erhob - wie oben ausgeführt - gegen die vom Bundesamt mit Spruchpunkt III. des Bescheides vom 14.04.2021 erlassene Rückkehrentscheidung keine Beschwerde und ist daher dieser Spruchpunkt unbekämpft in Rechtskraft erwachsen. Nur auf eine Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung bezog sich der in Spruchpunkt VI. dieses Bescheides vorgenommene Ausspruch über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Die Anfechtung dieses Spruchpunktes mit der Beschwerde ging daher von vornherein ins Leere.

Gleiches gilt für die in Spruchpunkt V. ausgesprochene Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise, die gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine zwingende Folge der gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG vorgenommenen Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer am 05.05.2021 freiwillig aus dem Bundesgebiet nach Nigeria ausgereist ist.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. und VI. des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der maßgebende Sachverhalt wurde vom Bundesamt abschließend ermittelt. Die wesentlichen Feststellungen, insbesondere zu der vom Beschwerdeführer in Österreich begangenen Straftat, blieben unbestritten. Unter diesen Umständen hätte selbst ein positiver persönlicher Eindruck zu keinem anderen Ergebnis geführt. Somit lag kein klärungsbedürftiger Sachverhalt vor (vgl. VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/002).

Zudem liegt ein Verfahren nach § 18 BFA-VG vor, welches das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet innert sieben Tagen zu entscheiden, es sei denn es lägen Gründe vor, die aufschiebende Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG zuzuerkennen. Dies war im gegenständlichen Fall - wie oben dargelegt - aber nicht gegeben.

Im vorliegenden Fall konnte daher, in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es zur Frage der Verhängung und der Dauer eines Einreiseverbotes in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz an einer Rechtsprechung, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284 und 10.07.2019, Ra 2019/19/0186).

Schlagworte

Angemessenheit aufschiebende Wirkung - Entfall Einreiseverbot Einreiseverbot rechtmäßig Ersatzentscheidung freiwillige Ausreise Frist Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Gefährdungsprognose Haft Haftstrafe Interessenabwägung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Verbrechen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I401.2243040.1.00

Im RIS seit

14.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten