TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/14 I410 1255684-2

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Veröffentlicht am 14.06.2021
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Entscheidungsdatum

14.06.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs2 Z3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §52
FPG §53
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


I410 1255684-2/5Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Eva Lechner, LL.M. als Einzelrichterin in der Beschwerdesache des XXXX alias XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch die „Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH“, Leopold-Moses-Gasse 4 in 1020 Wien, über Spruchpunkt V (Spruchpunkt über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.05.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt V (Spruchpunkt über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) stattgegeben und dieser ersatzlos behoben. Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 10.03.2021 in Untersuchungs- bzw. Straf- bzw. Schubhaft.

Mit Schreiben vom 15.03.2021 („Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“) teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass eine Beweisaufnahme stattgefunden habe. Es sei gegen ihn die Untersuchungshaft verhängt worden, da er dringend verdächtig sei, das Vergehen des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs sowie das Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden begangen zu haben. Für den Fall seiner rechtskräftigen Verurteilung sei geplant, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot zu erlassen und werde erwogen, ihn in Schubhaft zu nehmen, um die Abschiebung seiner Peron zu sichern. Die belangte Behörde räumte ihm die Möglichkeit ein, innerhalb von zehn Tagen eine schriftliche Stellungnahme dazu abzugeben. Gleichzeit wurde der Beschwerdeführer ersucht, Fragen betreffend seine persönlichen Verhältnisse zu beantworten. Die Frage betreffend die familiären Verhältnisse lautete: „Geben Sie Namen, Anschrift, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsberechtigung (bei Angehörigen, die nicht Österreicher sind) der in Österreich lebenden Familienangehörigen (Gatte, Eltern, Kinder, etc.) an.“ Schließlich enthielt das Schreiben unter anderem folgenden Hinweis: „Sollten Sie zur beabsichtigten Vorgehensweise der Behörde nicht Stellung nehmen, wird das Verfahren ohne nochmalige Anhörung, aufgrund der Aktenlage fortgeführt werden. […] Der Bescheid wird auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme erlassen werden, soweit nicht Ihre Stellungnahme anderes erfordert.“

Mit (handschriftlicher) Stellungnahme vom 22.03.2021 teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde mit, dass er im März 2021 als Tourist nach Österreich gereist sei, um einen Freund zu besuchen. Er habe eine Frau und Kinder sowie eine Aufenthaltsberechtigung für Spanien. Seinen Asylantrag ziehe er wenn möglich zurück.

Ohne Einvernahme bzw. nochmalige Anhörung erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid vom 10.05.2021, mit dem dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß „§ 57 AsylG“ nicht erteilt (Spruchpunkt I) und gemäß „§ 10 Absatz 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ eine Rückkehrentscheidung gemäß „§ 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ gegen ihn erlassen (Spruchpunkt II) wurde. Weiters wurde gemäß „§ 52 Absatz 9 FPG“ festgestellt, dass seine Abschiebung „gemäß § 46 FPG“ nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III) und dass gemäß „§55 Absatz 4 FPG“ eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt wird (Spruchpunkt IV). Darüber hinaus wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß „§ 18 Absatz 2 Ziffer 1, 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V). Schließlich wurde gemäß „§ 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ gegen den Beschwerdeführer ein befristetes Einreiseverbot auf die Dauer von fünf Jahren erlassen (Spruchpunkt VI).

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 11.05.2021 zugestellt. Mit E-Mail vom 31.05.2021 erhob er gegen die Spruchpunkte II bis VI dieses Bescheides Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, die belangte Behörde habe es unterlassen, das Familienleben des Beschwerdeführers in Spanien bei Erlassung der aufenthaltsbeenden Maßnahmen gebührend zu berücksichtigen. Seine Frau und seine vier Kinder lebten in Spanien, wobei das jüngste Kind sechs Monate alt sei und die anderen Kinder die Schule besuchten. Die Ehefrau lebe im Moment von geringen staatlichen Leistungen in der Höhe von ca. 380,- EURO im Monat. Da das jüngste Kind erst sechs Monate alt sei und Betreuung benötige, könne sie nicht selbst arbeiten. Der Beschwerdeführer habe in der Corona-Pandemie seine Arbeit verloren, könne jetzt aber wieder seine Arbeit als Lagerarbeiter antreten. Ohne seine finanzielle Unterstützung bestehe die Gefahr, dass seine Frau die Wohnung verliere und mit den Kindern obdachlos werde. Daher wolle er so schnell wie möglich wieder zurück nach Madrid, um dort seine Arbeit wieder antreten und mit dem Einkommen die Existenz seiner Familie sichern zu können. Er würde wieder in die Wohnung an einer genannten Adresse in Madrid zurückkehren. Die Kinder – mit Ausnahme des sechsmonatigen Babys – gingen in Spanien in die Schule, seien dort integriert und verwurzelt. Eine Übersiedlung nach Nigeria sei ihnen daher nicht zuzumuten. Durch die Erlassung des (schengenweiten) Einreiseverbotes sei ihm ein persönlicher Kontakt zu seiner Frau und seinen vier Kindern für die Dauer von fünf Jahren nicht möglich. Daher müssten auch die Auswirkungen der Entscheidung auf das Wohl der Kinder des Beschwerdeführers geprüft werden.

Die Beschwerde samt Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht am 10.06.2021 ein, wobei eine Vorabübermittlung von Beschwerde und bekämpften Bescheid per Email am 07.06.2021 erfolgte. In einer Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht führt die belangte Behörde unter anderem aus, dass das Einreiseverbot nicht in das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Familienleben in Spanien eingreife, da er über einen gültigen Aufenthaltstitel verfüge und er daher trotz schengenweitem Einreiseverbot jederzeit nach Spanien einreisen könne. Unter Verweis auf Art. 25 Abs. 2 SDÜ sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.11.2002, 2002/18/0058, geht die belangte Behörde davon aus, dass das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers aufgrund seines spanischen Aufenthaltstitels nicht vom Einreiseverbot umfasst sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides

A)       1. Feststellungen

1.1. Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger und stammt aus XXXX , einem Ort im Süden Nigerias. Er stellte am 09.02.2003 unter Angabe einer falschen Identität einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 09.12.2003 wies das Bundesasylamt diesen Antrag ab, erklärte die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria für zulässig und wies ihn aus dem Bundesgebiet aus. Dagegen legte der Beschwerdeführer Berufung ein. Der Unabhängige Bundesasylsenat stellte das Asylverfahren zunächst am 03.12.2007 ein, da der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers nicht bekannt war. Nach Bekanntgabe einer Adresse setzte der Unabhängige Bundesasylsenat das Asylverfahren am 13.03.2008 fort, bevor er es am 18.06.2008 abermals einstellte. Am XXXX 2007 heiratete der Beschwerdeführer die österreichische Staatsangehörige I.K. Mit Bescheid vom 03.07.2008 erließ die Bundespolizeidirektion XXXX gegen den Beschwerdeführer ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot wegen Mittellosigkeit. Von 03.07.2008 bis 13.07.2008 befand sich der Beschwerdeführer in Schubhaft. Am 13.07.2008 wurde er nach Spanien abgeschoben. Mit Bescheid vom 18.02.2009 bestätigte der Unabhängige Verwaltungssenat XXXX die Rechtsmäßigkeit der Festnahme und Anhaltung in Schubhaft vom 03.07.2018 bis 13.07.2008. Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31.08.2009, XXXX , wurde der Berufung gegen das Aufenthaltsverbot im Wege eines Devolutionsantrages Folge gegeben und das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot aufgehoben. Jedenfalls am 27.11.2018, zwischen 08.10.2019 und 06.12.2019 und am 09.03.2021 hielt sich der Beschwerdeführer abermals im Bundesgebiet auf. Zwischen 08.10.2019 und 06.12.2019 beging er mehrere gerichtlich strafbare Handlungen. Am 09.03.2021 wurde der Beschwerdeführer aufgrund einer Festnahmeanordnung des Landesgerichts XXXX wegen Straftaten gegen das Eigentum festgenommen, am nächsten Tag in die Justizanstalt XXXX eingeliefert und anschließend in Untersuchungshaft genommen.

1.2. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich straffällig. Er wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 30.03.2021 (rechtskräftig mit 07.04.2021) zur Zahl XXXX , wegen des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs. 1 und 2 erster Fall StGB sowie des Vergehens der Urkundenfälschung nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten (davon wurden acht Monate unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen), rechtskräftig verurteilt. Dieser Verurteilung liegt zu Grunde, dass der Beschwerdeführer gewerbsmäßig sowie mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, durch Eingabe von Daten das Ergebnis einer automationsunterstützten Datenverarbeitung beeinflusste, indem er bei diversen Online-Shops in mehreren Angriffen unter Eingabe fremder Namen bzw. Adressen zahlungspflichtig diverse Waren in einem EUR 5.000,- nicht übersteigenden Gesamtwert bestellte, wobei er die Bestellungen nicht bezahlte und dadurch Nachgenannte am Vermögen schädigte, nämlich durch die Bestellung (A.) am 08.10.2019 bei der P. GmbH von einem Parfum Chanel Bleu de Chanel im Wert von EUR 138, -- auf den Namen K.S.; (B.) am 19.11.2019 bei der N. GmbH von einem Parfum Paco Rabanne im Wert von EUR 82,74, -- auf den Namen S.S; (C.) am 05.12.2019 bei der P. GmbH von einem Parfum Chanel Bleu de Chanel im Wert von EUR 138, -- auf den Namen G.S.; (D.) am 05.12.2019 bei der N. GmbH von einem Parfum Paco Rabanne 1 Million im Wert von EUR 82,74, -- auf den Namen G.S.; (E.) am 05.12.2019 bei der N. GmbH von einem Parfum Boss Bottled sowie einem Duschgel Hugo Bosd botteld im Gesamtwert von EUR 59,39, -auf den Namen G.S.. Des Weiteren gebrauchte er am 10.10.2019, am 21.11.2019 und am 06.12.20219 eine falsche inländische öffentliche Urkunde, nämlich eine totalgefälschte Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG lautend auf D.B., Nr. XXX, im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, indem er diese bei der Abholung der aufgrund der unter eben beschriebenen Tathandlungen gelieferten Pakete in einer Filiale einer Drogeriekette in Wien zum Nachweis seiner Identität vorzeigte. Das Strafgericht wertete als erschwerend das Zusammentreffen von mehreren Vergehen und die Tatwiederholung. Mildernd wertet er das Geständnis sowie den bisherigen ordentlichen Lebenswandel.

1.3. Aufgrund dieser Verurteilung war der Beschwerdeführer bis zum 09.06.2021 in Strafhaft in der Justizanstalt XXXX bzw. der Justizanstalt XXXX . Nachdem er 3 Monate von den 4 verhängten Monaten Freiheitsstrafe verbüßte, wurde der Rest von 1 Monat Freiheitsstrafe mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 28.04.2021, XXXX , bedingt nachgesehen. Seit dem Ende der Strafhaft befindet sich der Beschwerdeführer in Schubhaft.

1.4. In Österreich leben keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers. Er weist keine maßgebliche Integration in sprachlicher oder wirtschaftlicher Hinsicht im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines spanischen Dokumentes mit der Bezeichnung „RÉGIMEN COMUNITARIO“, gültig bis 07.11.2022, ausgestellt in Madrid. Im Jahr 2007 hat der Beschwerdeführer die österreichischen Staatsangehörige I.K. geheiratet.

Der Beschwerdeführer hat gegenüber der belangten Behörde im Rahmen des schriftlichen Parteiengehörs angegeben, eine Ehefrau und Kinder in Spanien zu haben. Dies stellte die belangte Behörde im bekämpften Bescheid fest. Weitere Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Spanien bzw. zu den Lebensumständen seiner Familie wurden im angefochtenen Bescheid nicht getroffen; Ermittlungen dazu hat die belangten Behörde nicht angestellt. Sie hat den Beschwerdeführer dazu auch nicht einvernommen.

Für den Beschwerdeführer besteht im Fall einer Rückkehr nach Nigeria keine Gefahr aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Eine solche mit der Rückkehr in den Herkunftsstaat verbundene Gefahr wird auch nicht im Hinblick auf eine etwaige ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit als Zivilperson im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts festgestellt. Er wird im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch keiner wie immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

2. Beweiswürdigung:

Der angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt.

Die Feststellungen betreffend die früheren Aufenthalte des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie zu seinem Asylverfahren, dem Aufenthaltsverbot und seiner Abschiebung nach Spanien ergeben sich aus dem Akteninhalt sowie entsprechenden Feststellungen im bekämpften Bescheid, denen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Zu seinem Privatleben in Österreich hat der Beschwerdeführer die Feststellungen des Bescheides in der Beschwerde nicht bestritten. Dass er im Jahr 2007 eine österreichische Staatsangehörige geheiratet hat, folgt aus dem Akteninhalt.

Dass der Beschwerdeführer Familie in Spanien – und zwar eine Ehefrau und Kinder – hat, entspricht seinen Angaben im Rahme des schriftlichen Parteiengehörs gegenüber der belangten Behörde. Dieses Vorbringen stellte die belangte Behörde – ohne Weiteres – fest. Weder hat sie den Beschwerdeführer dazu näher befragt noch dazu aufgefordert diesbezügliche Nachweise vorzulegen. Weitere Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Spanien hat die belangten Behörde im Bescheid nicht getroffen, wiewohl sie davon ausgeht, dass er dort seinen Lebensmittelpunkt hat. Weder aus dem Bescheid noch sonst aus dem Verwaltungsakt geht hervor, wieviele Kinder der Beschwerdeführer in Spanien hat, in welchem Alter diese sind und wie die konkreten Lebensverhältnisse der Familie des Beschwerdeführers in Spanien sind. Auch wurde nicht festgestellt, ob es sich dabei um die Frau handelt, die der Beschwerdeführer im Jahr 2007 heiratete oder um eine andere Frau.

Entsprechend den Angaben des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde festgesellt, dass dieser in Besitz eines spanischen Aufenthaltstitels ist. Die von der Behörde festgestellt Gültigkeit bis zum 07.11.2022 lässt sich einer im Verwaltungsakt einliegenden Kopie der Vorderseite eines spanischen Dokumentes entnehmen. Weitere Feststellungen bzw. Ermittlungen etwa über die Art bzw. den Zweck des spanischen Aufenthaltstitels hat die belangte Behörde nicht getroffen; sie scheint allerdings davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer über das am spanischen Dokument vermerkte Gültigkeitsdatum hinaus zum Aufenthalt in Spanien berechtigt sei.

Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verfehlungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus den im vorgelegten Verwaltungsakt befindlichen Urteil und wurden entsprechend auch im angefochtenen Bescheid getroffen. Dies blieb in der Beschwerde unwidersprochen.

Die vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft folgt aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Beschluss des Landesgerichtes XXXX .

Die Feststellungen hinsichtlich des Nichtbestehens einer Gefahr einer Verfolgung oder sonstigen Bedrohung für Leib und Leben im Herkunftsstaat im Fall einer Rückkehr beruhen auf den dazu getroffenen, nachvollziehbar und umfassend begründeten Feststellungen im bekämpften Bescheid. Sie blieben in der Beschwerde unwidersprochen.

A) 3. Rechtliche Beurteilung

A) 3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

§ 18 Abs. 2 Z 1 und 3 sowie Abs. 5 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 146/2020, lauten:

„Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (1) …

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2…

3. Fluchtgefahr besteht.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.“

A) 3.2. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheides):

1. Mit Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wurde einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 und 3 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt, weil „die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist“ und „Fluchtgefahr besteht“.

2. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht „der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde“.

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass schon bei der Erlassung von Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot wegen ihrer grundsätzlich „schengenweiten“ Geltung darauf Bedacht zu nehmen ist, ob damit in maßgebliche private und familiäre Interessen, die sonst im „Schengenraum“ bestehen, eingegriffen wird. Dies gilt – eigendenk der sich aus Art. 25 SDÜ ergebenden Implikationen – auch in Konstellationen in denen der Fremde gegen den sich die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen richten über einen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates verfügt (vgl. VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0172; 22.01.2021, Ra 2020/21/0349).

Dem Vorbringen in der Beschwerde, es komme durch die gegen den Beschwerdeführer verhängten Maßnahmen zu einer dauernden und unverhältnismäßigen Trennung von seinen in Spanien lebenden Familienangehörigen für einen Zeitraum vom fünf Jahren sowie zu gravierenden unmittelbaren Auswirkungen für seine Frau und seine Kinder in Spanien (konkret: Obdachlosigkeit), kommt bei Berücksichtigung der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Gegenüber der belangten Behörde hat der damals unvertretene Beschwerdeführer schriftlich angegeben, eine Frau und Kinder in Spanien zu haben. Weitere Ermittlungsschritte – etwa eine Einvernahme des Beschwerdeführers – betreffend seine näheren familiären und privaten Verhältnisse in Spanien hat die belangte Behörde nicht durchgeführt. Von einem geklärten Sachverhalt kann daher nicht ausgegangen werden kann.

Im Lichte des Vorbringens in der Beschwerde ist im Fall einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria, auch vor dem Hintergrund, dass die Rückkehrentscheidung im vorliegenden Fall mit einem fünfjährigen Einreiseverbot verbunden wurde, eine mögliche Verletzung in Rechten von Art. 8 EMRK zu erkennen. Dieses Vorbingen bedarf daher jedenfalls einer näheren Prüfung im Rahmen einer – in der Beschwerde ausdrücklich beantragten – mündlichen Verhandlung. Dabei wird der Beschwerdeführer sein Vorbringen mit geeigneten Nachweisen zu untermauen haben.

3. Aus dem Gesagten war der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

4. Eine mündliche Verhandlung entfiel, weil über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres Verfahren und unverzüglich zu entscheiden ist (VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung aufschiebende Wirkung Einreiseverbot Privat- und Familienleben real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I410.1255684.2.00

Im RIS seit

13.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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