TE Bvwg Beschluss 2021/6/14 I403 2243304-1

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Veröffentlicht am 14.06.2021
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Entscheidungsdatum

14.06.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


I403 2243304-1/3E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.06.2021, Zl. XXXX erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, hat das Bundesverwaltungsgericht durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin den Beschluss gefasst:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig. Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein algerischer Staatsbürger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 29.01.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er in der Erstbefragung am gleichen Tag folgendermaßen begründete: „Mein Vater schuldet in meinem Heimatland verschiedenen Personen Geld. Nachdem diese Personen nicht zu ihrem Geld kamen, verfolgten sie vorerst meinen Bruder und mich. Sie drohten mich mit dem Umbringen. Das sind alle meine Fluchtgründe. Weitere habe ich keine.“ In der Folge war der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthaltes. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der belangten Behörde, vom 06.02.2020 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 3, 8 AsylG rechtskräftig abgewiesen, gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Der Bescheid erwuchs mit 06.03.2020 in Rechtskraft.

2. Am 17.02.2021 wurde der Beschwerdeführer von Beamten der LPD XXXX wegen des Verdachts des Suchtgifthandels zur Anzeige gebracht und festgenommen. Am 27.04.2021 wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen, eine Verurteilung erfolgte nicht. Am gleichen Tag erfolgte die Festnahme aufgrund eines bestehenden Festnahmeauftrages der belangten Behörde. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28.04.2021 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

3. Am 18.05.2021 stellte der Beschwerdeführer im Stande der Schubhaft seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag durch die LPD Wien erklärte der Beschwerdeführer: „Meine Fluchtgründe sind immer noch dieselben wie bei meiner ersten Befragung. Ich stelle abermals einen Antrag auf Schutz, weil ich einfach Schutz haben möchte. Ich habe Angst um mein Leben“.

4. Am 10.06.2021 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde einvernommen. Hierbei gab er an, im Jänner 2020 nach Österreich gekommen zu sein; als er einmal nach Wien gefahren sei, habe man ihn nicht mehr nach Traiskirchen zurückgelassen, weswegen er dann in die Schweiz und nach Frankreich gefahren sei. Dort habe er keinen Asylantrag gestellt. An seinen Fluchtgründen habe sich gegenüber dem Vorverfahren nichts geändert. Er sei gesund, in Algerien würden noch seine Eltern und Geschwister leben; ein Bruder lebe in Frankreich.

5. In der Folge wurde mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA vom 10.06.2021 der faktische Abschiebeschutz des Beschwerdeführers gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 62 Abs. 2 AVG aufgehoben.

6. Der mündlich verkündete Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde der zuständigen Gerichtsabteilung I403 des Bundesverwaltungsgerichts am 14.06.2021 samt dem Verwaltungsakt vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BFA hat dem Bundesverwaltungsgericht im Falle einer Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes die Verwaltungsakten unverzüglich zur Überprüfung zu übermitteln. Die Vorlage des Aktes durch das Bundesamt gilt gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 bereits als Beschwerde. Die Pflicht zur Überprüfung des verwaltungsbehördlichen Bescheides wird mit dem Einlangen der Verwaltungsakten, die das BFA zu übermitteln hat, ausgelöst (vgl. die VfSlg 19215/2010 zugrundeliegende Gesetzessystematik).

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Der volljährige Beschwerdeführer ist algerischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht nicht fest.

Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 29.01.2020 wurde mit Bescheid des BFA vom 06.02.2020 abgewiesen und es wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen; diese Entscheidung erwuchs mit 06.03.2020 in Rechtskraft.

In seinem gegenständlichen Asylverfahren macht der Beschwerdeführer keine neuen Fluchtgründe geltend.

Der Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig.

Weder im Hinblick auf seine Person noch auf die allgemeine Lage in Algerien oder im Hinblick auf die anzuwendenden rechtlichen Bestimmungen ist seit Rechtskraft der Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz eine maßgebliche Änderung eingetreten.

Der Fremde hält sich seit Jänner 2020 – nicht durchgehend - in Österreich auf; eine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung liegt nicht vor. Auch führt er kein Familienleben in Österreich.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Identität des Beschwerdeführers ist mangels Vorlage eines Reisepasses oder eines anderen Identitätsdokuments nicht feststellbar.

Die Angaben zu dem bereits abgeschlossenen Asylverfahren des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Verwaltungsakt; den ersten Antrag begründete der Beschwerdeführer damit, dass sein Vater verschiedenen Personen Geld schulde; diese würden nun den Beschwerdeführer und seinen Bruder mit dem Tod bedrohen. Im gegenständlichen Asylverfahren gab der Beschwerdeführer an, dass sich an seinen Fluchtgründen nichts geändert habe. Es wurden daher keine neuen Fluchtgründe geltend gemacht.

Die Feststellung zu seiner Gesundheit und Erwerbsfähigkeit ergibt sich aus seinen Aussagen gegenüber der belangten Behörde, wonach er gesund sei und zuletzt (ohne entsprechende Bewilligung) als Fleischer gearbeitet habe.

Eine maßgebliche Änderung der Lage in Marokko seit Rechtskraft des Bescheides vom 06.03.2020 wurde ebenfalls nicht behauptet und würde eine solche auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechen. Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet nach Marokko entgegenstünden. Nicht zuletzt gilt Marokko gemäß § 1 Z 9 der Herkunftsstaaten-Verordnung (BGBl. II Nr. 145/2019) als sicherer Herkunftsstaat.

Auch eine wie auch immer geartete soziale, berufliche oder integrative Verfestigung des Beschwerdeführers in Österreich wurde weder behauptet noch nachgewiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

Die in Rede stehende Norm des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 sieht vor, dass das BFA den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden, der einen Folgeantrag gestellt hat und bei dem - wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 nicht erfüllt sind, aberkennen kann, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind: Erstens muss gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG bestehen; zweitens muss die Prognose zu treffen sein, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und drittens darf die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 ("Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG"):

Gemäß § 12a Abs. 6 AsylG 2005 bleiben Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG achtzehn Monate ab der Ausreise eines Fremden aufrecht.

In den Erläuterungen zum Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (Bundesgesetzblatt I Nr. 87/2012) wurde zur Einführung des § 12a Abs. 6 AsylG 2005 erklärt: „§ 12a Abs. 6 entspricht dem geltenden § 10 Abs. 6 AsylG 2005. Im vorgeschlagenen Abs. 6 soll – wie bisher – klargestellt werden, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und die Ausweisung gemäß § 66 FPG 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht bleiben. Für die Rückkehrentscheidung kann jedoch ein über die 18 Monate hinausgehender Zeitraum vorgesehen sein, wenn nämlich gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG ein längerer Zeitraum festgesetzt wird. Die aufrechte aufenthaltsbeendende Maßnahme ist Voraussetzung für den Entfall und die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes bei Folgeanträgen.“

Zur Vorgängerregelung des § 10 Abs. 6 AsylG 2005 wurde wiederum in den Erläuterungen zum Fremdenrechtspaket 2005 (BGBl. I Nr. 100/2005) festgehalten: „Mit dem neu geschaffenen Abs. 6 soll künftig ein zeitliches Element für asylrechtliche Ausweisungen festgelegt werden. Durch die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet wird eine asylrechtliche Ausweisung nicht mehr sofort konsumiert. Damit wird der zielstaatsbezogenen Ausweisung gemäß § 10 mehr Nachdruck verliehen und eine aus systematischen Gründen sachlich gerechtfertigte Abgrenzung zur fremdenpolizeilichen Ausweisung vorgenommen, welche lediglich den Auftrag enthält, das Bundesgebiet zu verlassen und sich auf keinen bestimmten Staat bezieht. Die Ausweisung soll demnach 18 Monate ab Ausreise aufrecht bleiben und erst dann als konsumiert gelten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ausreise freiwillig oder im Rahmen einer Abschiebung erfolgt ist. Weiters ist unbeachtlich, ob der Fremde nur einmal oder mehrmals ausgereist und wieder nach Österreich zurückgekehrt ist. Auch ein zwischenzeitlicher Aufenthalt im Herkunftsstaat schadet nicht. Selbstverständlich bleiben Ausweisungen weiterhin ohne Befristung gültig, wenn der Fremde seit Erlassung der Ausweisungsentscheidung das Bundesgebiet nicht verlassen hat. Entsprechend der bisher geltenden Praxis ist unter den Voraussetzungen des § 10 auch in den Fällen des Abs. 6 jede neue Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz mit einer Ausweisungsentscheidung zu verbinden, unabhängig davon, ob die Ausweisung zwischenzeitlich konsumiert ist. Die Frist des Abs. 6 beginnt nach jeder Ausweisungsentscheidung neu zu laufen. Die neue Regelung des Abs. 6 gilt naturgemäß auch für Ausweisungen, die zum Zeitpunkt des InKraft-Tretens dieser Bestimmung schon erlassen waren, auch wenn der Fremde zwischenzeitlich ausgereist ist. Vergleiche in diesem Zusammenhang auch die Änderungen in § 11 Abs. 1 Z 3 NAG und § 73 Abs. 1 FPG.“

Gegenständlich wurde gegen den Beschwerdeführer zuletzt mit Bescheid des BFA vom 06.02.2020, rechtskräftig mit 06.032020, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen.

Zwar hatte er im Anschluss das Bundesgebiet verlassen, doch ist die in § 12a Abs. 6 AsylG 2005 normierte Dauer von 18 Monaten zum Entscheidungszeitpunkt gegenständlich nicht abgelaufen, sodass gegen ihn eine nach wie vor durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt. Dies wurde im Verfahren auch nicht bestritten. Zudem müsste er das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten verlassen, damit die Frist zu laufen beginnt (VwGH 12.03.2021, Ra 2020/19/0052). Es liegt daher eine aufrechte Rückkehrentscheidung vor.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist"):

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 („wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist“) muss nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das vom Gesetz angestrebte Ziel beachtet werden, den faktischen Abschiebeschutz nur für klar missbräuchliche Anträge beseitigen zu wollen. Ausgehend davon muss schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegen, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005 (VwGH 26.03.2020, Ra 2019/14/0079). Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern (vgl. zum Ganzen VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451, 0452; 12.12.2018, Ra 2018/19/0010).

Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Verfahrensrichtlinie - etwa auch eine mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen (vgl. zuletzt VwGH 26.03.2020, Ra 2019/14/0079 mwH).

Der zweite Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 18.05.2021 wird voraussichtlich zurückzuweisen zu sein, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlich Verfahren ausdrücklich erklärt, die bereits im Vorverfahren vorgebrachten Fluchtgründe aufrechterhalten zu wollen und keine neuen Fluchtgründe geltend zu machen. Auch im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand oder seine persönlichen Verhältnisse wurden keine Umstände dargetan, welche eine neuerliche, umfassende Refoulementprüfung notwendig erscheinen ließen. Auch die Situation in Algerien hat sich seit dem Vorverfahren nicht entscheidungswesentlich geändert. Es liegt somit kein gegenüber dem Vorfahren maßgeblich geänderter Sachverhalt vor.

Es ist daher davon auszugehen, dass auch der zweite Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes handelt es sich gegenständlich auch um einen klar missbräuchlichen Antrag: Der Beschwerdeführer war während seines ersten Asylverfahrens untergetaucht und hatte das Bundesgebiet verlassen. Er zeigte daher kein Interesse daran, seine Fluchtgründe näher darzulegen und am Verfahren mitzuwirken. Dass er in der Schweiz und in Frankreich keinen Antrag auf internationalen Schutz stellte, verstärkt den Eindruck, dass er keines solchen Schutzes bedarf. Der Beschwerdeführer stellte auch nicht unmittelbar nach seiner Rückkehr ins Bundesgebiet und auch nicht während seiner Untersuchungshaft einen Folgeantrag, sondern erst, als er in Schubhaft genommen worden war. Daraus ergibt sich die missbräuchliche Absicht, durch das Stellen eines Folgeantrages der bereits im Vorverfahren für zulässig befundenen Abschiebung zu entgehen bzw. diese jedenfalls hinauszuzögern.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 ("EMRK-Verletzung"):

In seinem ersten Asylverfahren hatte das BFA bereits ausgesprochen, dass der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde (§ 50 FPG).

Auch in dem gegenständlichen Asylverfahren sind keine Risiken für den Beschwerdeführer im Sinne des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden.

Es sind auch keine wesentlichen in der Person des Beschwerdeführers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Eine lebensbedrohliche Situation ergibt sich durch eine Abschiebung nicht. Nicht zuletzt gilt Marokko gemäß § 1 Z 9 der Herkunftsstaaten-Verordnung (BGBl. II Nr. 145/2019) als sicherer Herkunftsstaat.

In Bezug auf die Covid-19-Pandemie ist darauf hinzuweisen, dass in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits klargestellt wurde, dass für sich nicht entscheidungswesentlich ist, wenn sich für einen Asylwerber infolge der seitens der Behörden zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus und von Erkrankungen an Covid-19 gesetzten Maßnahmen die Wiedereingliederung im Heimatland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellte, weil es darauf bei der Frage, ob im Fall seiner Rückführung eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu gewärtigen ist, nicht ankommt, solange diese Maßnahmen nicht dazu führen, dass die Sicherung der existenziellen Grundbedürfnisse als nicht mehr gegeben anzunehmen wäre (VwGH, 15.02.2021, Ra 2020/01/0351).

Ebenso gibt es keine Hinweise darauf, dass sich das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich entscheidungswesentlich geändert hätte. Er hat keine Verwandten in Österreich und lebt auch in keiner Lebensgemeinschaft. Zudem ist er weder am Arbeitsmarkt integriert noch verfügt er über einen ordentlichen Wohnsitz.

Im Lichte des § 22 BFA-VG und des eindeutigen Sachverhaltes hatte keine mündliche Verhandlung stattzufinden.

Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtswidrig ist. Damit hatte das Gericht wie im Spruch zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar sind und keiner Auslegung bedürfen, geht das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Identität der Sache Privat- und Familienleben real risk reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I403.2243304.1.00

Im RIS seit

14.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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