Entscheidungsdatum
14.06.2021Norm
AsylG 2005 §54Spruch
W247 1246825-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch RAe XXXX gegen den Spruchpunkt IV., 2. Satz, des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, idgF., iVm §§ 54, 55 Abs. 1, 58 Abs. 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., iVm § 81 Abs. 36 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., iVm § 14a Abs. 4 Z 2 NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, idF. BGBl. I Nr. 38/2011, unter der Maßgabe stattgegeben, dass der Spruchpunkt IV., 2. Satz, zu lauten hat: „Gemäß §§ 54, 55 Abs. 1, 58 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 81 Abs. 36 NAG iVm § 14a Abs. 4 Z 2 NAG, wird XXXX eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt“.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer (BF) der am 01.03.2004 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetz nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.) Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt und dem BF eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 AsylG erteilt (Spruchpunkt IV.)
2. Mit Schriftsatz vom 17.04.2018 wurde fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt IV., 2. Absatz, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhoben. Dazu wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF durch die erfolgte Erteilung der Aufenthaltsberechtigung nach § 55 Abs. 2 AsylG, anstelle einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ nach § 55 Abs. 1 AsylG, keinen Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt habe, was „sowohl für die Republik Österreich, als auch für mich (den BF) von Nachteil ist“. Der BF habe ein Sprachzeugnis B1 erworben, konnte dieses wegen Verlustes desselben bislang im Verfahren nicht vorlegen. Der angefochtene Bescheid würde eine inhaltliche Rechtswidrigkeit verantworten, da für die Genehmigung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Abs. 1 AsylG bereits die Vorlage eines Sprachdiplomes A 2 ausreichend sei und nicht unbedingt ein Sprachdiplom der Klasse B1. Somit sei beim BF eine doppelt so gute Sprachkenntnis vorhanden, wie erforderlich, und würden durch die Vorlage des Sprachdiploms B1 die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 1 AsylG vorliegen. Durch die Nichtaufforderung gegenüber dem Rechtsvertreter zur Vorlage des Sprachdiploms B 1 sei das Verfahren mangelhaft geblieben. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) eine Beschwerdeverhandlung anberaumen, 2.) der Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Bescheid dahingehend ändern, dass dem BF gemäß § 55 Abs. 1 AsylG die Aufenthaltsberechtigung plus erteilt werde, 3.) in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und zur Durchführung eines neuerlichen Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an die Behörde 1. Instanz zurückverweisen. Mit der Beschwerde wurden folgende Unterlagen vorgelegt: I.) ein ÖSD Sprachzertifikat B1 des BF vom 09.10.2012, II.) eine Anmeldung des BF als Mietwagenlenker vom 08.02.2018, III.) eine Lohn-/ Gehaltsabrechnung des BF vom März 2018. Da die Spruchpunkte I. bis IV., erster Satz, des angefochtenen Bescheides von der gegenständlichen Beschwerde explizit nicht umfasst wurden, erwuchsen diese in Rechtskraft.
3. Die gegenständliche Beschwerde vom 20.04.2018 langte samt Verwaltungsakt am 25.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I. ausgeführte Verfahrensgang wird den Feststellungen zugrundegelegt.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Bescheids des ehemaligen Unabhängigen Bundesasylsenates vom 01.03.2004, Zl. XXXX , der Einvernahme des BF vor dem BFA am 20.02.2018, der Beschwerde vom 17.04.2018 gegen den – lediglich hinsichtlich des Spruchpunktes IV. 2. Satz - angefochtenen Aberkennungsbescheides vom 19.03.2018, sowie der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und den vom BF vorgelegten Unterlagen, der Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Fremden- und Grundversorgungsinformationssystems, dem Strafregister der Republik Österreich und dem AJ-Web, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:
1.1. Zur Person des BF:
Der BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, wurde in XXXX , Bezirk XXXX , Tschetschenien geboren und ethnischer Tschetschene. Der BF ist am 30.10.2003 illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.
Mit Bescheid des ehemaligen Unabhängigen Bundesasylsenates vom 01.03.2004, Zl. XXXX wurde dem BF gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG 1997 festgestellt, dass ihm kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Mit lediglich hinsichtlich des Spruchpunktes IV., 2. Satz angefochtenem Bescheid vom 19.03.2018 wurde dem Beschwerdeführer (BF) der am 01.03.2004 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetz nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.) Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt (Spruchpunkt IV., erster Satz) und dem BF eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 AsylG erteilt (Spruchpunkt IV., zweiter Satz).
Am 17.04.2018 wurde fristgerecht nur ausdrücklich Beschwerde gegen den Spruchpunkt IV., zweiter Satz, erhoben. Gegen die Spruchpunkte I. bis IV., erster Satz, des angefochtenen Bescheides wurde explizit keine Beschwerde erhoben und diese erwuchsen daher in Rechtskraft.
Der Beschwerdeführer wurde in Österreich straffällig, im Strafregister des Republik Österreich ist folgende Verurteilung ersichtlich:
01) LG XXXX vom 13.01.2016 RK 1804.2016
§12 3. Fall StGB § 114(1) FPG
Datum der (letzten) Tat 18.08.2015
Freiheitsstrafe 7 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Der BF ist im Bundesgebiet vom 14.09.2006 bis 30.09.2006, vom 22.05.2007 bis 31.01.2009, vom 01.07.2010 bis 22.02.2012, vom 15.05.2013 bis 16.07.2013, vom 25.04.2014 bis 15.05.2014, vom 13.06.2017 bis 22.08.2017, vom 08.02.2018 bis 24.09.2018, vom 14.01.2019 bis 27.09.2019, vom 24.10.2019 bis 31.01.2020, vom 17.04.2020 bis 30.09.2020, vom 01.10.2020 bis 01.03.2021, vom 04.03.2021 bis laufend einer angemeldeten Berufstätigkeit im Bundesgebiet nachgegangen.
Der BF hat ein Sprachzertifikat B1 im Bundesgebiet erworben und ist somit und aufgrund seiner beruflichen Tätigkeiten im Bundesgebiet davon auszugehen, dass der BF auf guten Niveau Deutsch spricht. Der BF ist im Bundesgebiet (mit Ausnahme einzelner Tage in 2013 und in 2003 durchgehend im Bundesgebiet gemeldet und war zwischen 16.10.2006 und 27.11.2006 und zwischen 10.09.2013 und 03.12.2018 im Bundesgebiet obdachlos.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichts.
2.2. Die Feststellungen zu Nationalität, Volksgruppe und Herkunft des Beschwerdeführers gründen auf dem Vorakt und den Angaben des BF vor dem BFA, sowie den in dessen Beschwerde gemachten Angaben, sowie auf den beschwerdeseitig vorgelegten Unterlagen und Dokumenten. Die Identität des BF steht fest. Die Feststellung, betreffend die strafgerichtliche Verurteilung des BF im Bundesgebiet, basiert auf einem von Amts wegen eingeholten Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich und dem im Akt einliegenden Urteil des LG XXXX vom 13.01.2016 (siehe Feststellungen). Die Feststellung über die vom BF im Bundesgebiet ausgeübte angemeldete Berufstätigkeit ergibt sich aus einem aktuell eingeholten AJ-Web-Auszug. Die Feststellungen zum bisherigen Verfahren basieren auf dem unbedenklichen Akteninhalt des Verwaltungsaktes.
Die Feststellung zu dem in Österreich vom BF erreichten Sprachniveau B1 gründet auf dem mit Beschwerdeerhebung beschwerdeseitig vorgelegten ÖSD Sprachzeugnis vom 09.10.2012.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.3. Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
3.4. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zum Spruchteil A
3.5. Zu den Spruchpunkten I. bis IV., erster Satz, des angefochtenen Bescheides:
Im Rahmen der Beschwerdeschrift vom 17.04.2018 wird ausdrücklich nur gegen Spruchpunkt IV., zweiter Satz, Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen wird vorgebracht, dass die belangte Behörde mit Spruchpunkt IV., zweiter Satz, dem BF lediglich einen Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß § 55 Abs. 2 AsylG erteilt hat und nicht etwa den Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG, obwohl der BF vermeint die Voraussetzungen hierfür durch die Vorlage eines Sprachzertifikates B1 hinreichend zu erfüllen. Die Spruchpunkte I. bis IV., erster Satz, sind von der gegenständlichen Beschwerde nicht erfasst, somit beschwerdeseitig keine Beschwer dagegen erhoben worden und sind ergo in Rechtskraft erwachsen.
3.6. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt IV., zweiter Satz. des angefochtenen Bescheides:
3.6.1. Der mit „Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK“ betitelte § 55 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2017, lautet:
„(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.“
3.6.2. Der Absatz 36 des mit „Übergangsbestimmungen“ betitelten § 81 Niederlassungs-, und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2020 lautet:
„(36) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG gilt als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.“
3.6.3. Der Absatz 4 des mit „Modul 1 der Integrationsvereinbarung“ betitelten § 14a Niederlassungs-, und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, idF. vor BGBl. I Nr. 68/2017, lautete auszugsweise:
„Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
[…] 2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt, […]“.
3.6.4. Die Absätze 2 und 3 des mit „Integrationsvereinbarung“ betitelten § 14 Niederlassungs-, und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, idF. vor BGBl. I Nr. 68/2017, lauten:
„(2) Die Integrationsvereinbarung besteht aus zwei aufeinander aufbauenden Modulen:
1. das Modul 1 dient dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung;
2. das Modul 2 dient dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zu selbständigen Sprachverwendung;
(3) Die näheren Bestimmungen zu den Inhalten der Module 1 und 2 der Integrationsvereinbarung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.“
3.6.5. Die aufgrund der Ermächtigung in § 14 Abs. 3 NAG und in § 14a Abs. 6 NAG erlassene Integrationsvereinbarungs-Verordnung, IV-V, BGBl. II Nr. 449/2005 bestimmt in ihren §§7 und 9 samt Überschriften Folgendes:
„Deutsch-Integrationskurs (Modul 1)
§ 7. (1) Ziel des Deutsch-Integrationskurses (Modul 1 der Integrationsvereinbarung) ist die Erreichung des A2-Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, wie im Rahmencurriculum für Deutsch-Integrationskurse (Anlage A) beschrieben.
(2) Den Abschluss des Deutsch-Integrationskurses bildet eine Abschlussprüfung, zumindest auf dem A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, durch den ÖIF.“
„Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse
§ 9. (1) Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne des § 14a Abs. 4 Z 2 und § 14b Abs. 2 Z 2 NAG gelten allgemein anerkannte Sprachdiplome oder Kurszeugnisse, insbesondere von folgenden Einrichtungen:
1.Österreichisches Sprachdiplom Deutsch;
2.Goethe-Institut e.V.;
3.Telc GmbH.
(2) Jede Einrichtung hat in dem von ihr auszustellenden Sprachdiplom oder Kurszeugnis gemäß Abs. 1 schriftlich zu bestätigen, dass der betreffende Fremde über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest
1.auf A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder
2.auf B1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen
verfügt.
(3) Fehlt eine Bestätigung nach Abs. 2, gilt der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse auf der entsprechenden Niveaustufe als nicht erbracht.
(4) Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß §§ 14a Abs. 4 Z 2 oder 14b Abs. 2 Z 1 gelten Zeugnisse des ÖIF nach erfolgreichem Abschluss einer Prüfung auf A2-Niveau oder B1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Das Zeugnis hat dem Muster der Anlage B zu entsprechen.“
3.6.6. Hieraus ergibt sich für gegenständlichen Fall Folgendes:
3.6.6.1. Die belangte Behörde hat mit Spruchpunkt IV., 2. Satz, des angefochtenen Bescheides vom 19.03.2018 dem BF einen Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß § 55 Abs. 2 AsylG erteilt. Im Rahmen der Beschwerdeschrift hat der BF im Wesentlichen angemerkt, dass er mit einem Sprachzeugnis auf dem Niveau B1 die Voraussetzungen für Erteilung eines Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG erfüllen wurde.
3.6.6.2. Soweit der BF der belangten Behörde auf Seite 3 der Beschwerdeschrift dbzgl. eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens zur Last legt, da diese gegenüber seinem „Rechtsfreund“ nicht zur Vorlage des vom BF im Verfahren erwähnten Sprachdiploms aufgefordert habe, so vermag der BF hiermit nicht zu überzeugen. Im Rahmen seiner BFA-Einvernahme am 20.03.2018 hat der BF – u.a. befragt nach von ihm besuchten Kursen in Österreich – zwar auf den Besuch eines Deutschkurses auf dem Niveau B1 hingewiesen, jedoch kein Sprachzertifikat in Vorlage gebracht. Der BF wurde nachweislich auf Seite 2 des BFA-Protokolls von der belangten Behörde aufgefordert, einen Nachweis binnen zwei Wochen dem Bundesamt zu übermitteln. Dieser Aufforderung ist der BF schlicht nicht nachgekommen. Im Rahmen der Beschwerdeschrift führte der BF auf Seite 2 aus, dass es ihm aufgrund des Verlustes des Sprachzertifikates nicht möglich gewesen sei, dass Sprachzertifikat früher beizubringen. Die Beschwerdeseite übermittelte das Sprachzertifikat B1 des BF schließlich im Anhang zur Beschwerdeschrift.
3.6.6.3. Wenn nun die Beschwerdeseite der belangten Behörde einen Verfahrensmangel unterstellt, so ist dieser entgegen zu halten, dass es grundsätzlich dem BF obliegt - im Rahmen seiner gesetzlich begründeten Mitwirkungspflicht - seine in Österreich gesetzten Integrationsschritte, wie in casu den Erwerb von Sprachkenntnissen, nicht nur zu behaupten, sondern durch die Vorlage entsprechender Unterlagen und Dokumente aus eigenem zu untermauern. Der vom BF in der Beschwerdeschrift eingeräumte zwischenzeitig Verlust seines Sprachzertifikats ist dem Verantwortungsbereich des BF zuzurechnen und nicht von der belangten Behörde zu verantworten, welche den BF nachweislich zur Vorlage eines Nachweises zum behaupteten B1-Kurs des BF im Rahmen der BFA-Einvernahme am 20.02.2018 aufgefordert hat. Einen entsprechend beschwerdeseitig behaupteten Mangel im erstbehördlichen Verfahren vermag vom erkennenden Gericht somit nicht festgestellt zu werden.
3.6.6.4. Gemäß der Übergangsbestimmung des Art. 81 Abs. 36 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG - in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I 68/2017, d.h. vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl I 68/2017, erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren. Mit dem BGBl I 68/2017 (Titel: Bundesgesetz, mit dem ein Integrationsgesetz und ein Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz erlassen, sowie das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wurden) wurde das Integrationsgesetz erstmalig erlassen, welches für die §§ 1 bis 6 und 17 bis 28 leg. cit. mit 9.6.2017 und für die §§ 7 bis 16 leg. cit. am 01.10.2017 in Kraft trat. Der § 7 der Integrationsvereinbarungs-Verordnung, IV-V, verlangt zumindest die Erreichung des A2-Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.
3.6.6.5. Der BF1 verfügt über ein Deutsch-Zertifikat B1 des ÖSD, ausgestellt am 09.10.2012 - und damit vor dem 01.10.2017-, weshalb er die Voraussetzung für das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a Abs. 4 Z 2 NAG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017, vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 9 IntG, BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat. Gemäß der zitierten Übergangsbestimmung ist die mangelnde Absolvierung eines Wertekurses gemäß § 11 Abs. 2 IntG als Nachweis, dass der Beschwerdeführer mit den Werten der Republik Österreich in Kenntnis und verbunden ist, nicht maßgeblich für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005, soweit der BF die Voraussetzungen des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG, idF. vor dem BGBl. I Nr. 68/2017, vor dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens erfüllt hat. Der Beschwerdeführer erfüllt somit gemäß § 81 Abs. 36 NAG, idgF, iVm § 14a Abs. 4 Z 2 NAG, idF. BGBl. I Nr. 38/2011, die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005.
3.6.7 Es war dem Beschwerdeführer somit gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen und somit spruchgemäß zu entscheiden
3.7. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Der maßgebliche Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als hinreichend geklärt anzusehen (vgl. § 27 VwGVG), wobei eine mündliche Erörterung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
3.8. B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat knüpft an die zitierte Rechtsprechung zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides an.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung plus Deutschkenntnisse Integration VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W247.1246825.2.00Im RIS seit
14.09.2021Zuletzt aktualisiert am
14.09.2021