TE Bvwg Beschluss 2021/6/17 I419 2231541-2

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Veröffentlicht am 17.06.2021
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Entscheidungsdatum

17.06.2021

Norm

AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
ZustG §9

Spruch


I419 2231541-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Tomas JOOS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. NIGERIA alias Uganda, vertreten durch ZEIGE Zentrum für Europäische Integration und Globalen Erfahrungsaustausch sowie durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 26.05.2021, Zl. XXXX :

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und § 31 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer beantragte 2002 unter einer Alias-Identität internationalen Schutz. Die Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid des BAA, in welchem ferner festgestellt worden war, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria zulässig ist, wies der AsylGH am 12.03.2010 betreffend den abweisenden Teil ab (A11 242.497-0/2008/7E) und stellte am 18.02.2011 die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria fest (A11 242.497-0/2008/19E).

2. Mit der bekämpften, als Bescheid bezeichneten Erledigung hat das BFA dem Wortlaut nach wider den Beschwerdeführer unter dessen wahrer Identität nigerianischer Staatsangehörigkeit eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II), ihm keinen Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß § 57 AsylG“ erteilt (Spruchpunkt I), festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III), über ihn ein auf drei Jahre befristetes Einreiseverbot verhängt (Spruchpunkt V), keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI).

3. Beschwerdehalber wird dagegen vorgebracht, der Beschwerdeführer habe als Geschäftsmann öfters Österreich und andere EU-Staatenaufzusuchen. Er sei zwar von 25.02.2020 bis 04.05.2021 im Inland gemeldet gewesen, aber bereits am 17.08.2020 nach Spanien ausgereist, wo er einen Aufenthaltstitel habe. Seit 22.05.2021 sei er wieder hier. Weder sei er mittellos, noch unwillig, nach Spanien auszureisen, wie er das bereits mehrmals freiwillig getan habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zunächst wird der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Das BFA hat dem Beschwerdeführer 2019 vorgeworfen, er halte sich unzulässig lange im Bundesgebiet auf und ihm mitgeteilt, er sei zur Ausreise verpflichtet. (AS 71 ff)

Der Beschwerdeführer hat (reagierend auf eine „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ vom 19.10.2019) zur beabsichtigten Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot am 31.10.2019 dem BFA eine Eingabe übermittelt, worin er beantragte, das Verfahren einzustellen, und eine Vollmacht angeschlossen (AS 109), mittels derer er mit Datum 23.10.2019 seinen Schwager bevollmächtigt, ihn „in allen aufenthalts-, fremden-, […] und melderechtlichen Angelegenheiten vor allen österreichischen Behörden […] zu vertreten, insbesondere […] sämtliche in diesen Angelegenheiten ergangenen Entscheidungen, […] und Verfügungen für mich entgegenzunehmen […]“ und ferner ausführt: „Diese Vollmacht gilt als Zustellvollmacht.“

Die Vollmacht enthält weiters die Erklärung „Ich nehme diese Vollmacht an:“ gefolgt von einer von der des Beschwerdeführers verschiedenen Unterschrift und einer handschriftlich vermerkten Mobiltelefonnummer.

1.2 Der Beschwerdeführer befindet sich in einem Polizei-Anhaltezentrum, wo er am 26.05.2021 eine Ausfertigung der bekämpften Erledigung persönlich ausgehändigt erhielt. (AS 489) Ein Vertreter oder Zustellbevollmächtigter ist darin nicht erwähnt. (AS 415)

1.3 Eine Zustellung des Schriftstücks an den Schwager des Beschwerdeführers wurde weder angeordnet noch durchgeführt. Es liegt kein Hinweis vor, dass dem Schwager das Schriftstück anders tatsächlich zugekommen wäre.

1.4 Der Beschwerdeführer verfügt über einen bis Oktober 2022 gültigen Reisepass des Herkunftsstaats, den dessen Botschaft in Wien 2017 ausgestellt hat, sowie über eine bis 22.02.2022 gültige Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung Spaniens. Seine Beschwerde gegen ein als Bescheid bezeichnetes, mit 24.03.2020 datiertes Schriftstück des BFA (beinhaltend u. a. eine Rückkehrentscheidung und ein vierjähriges Einreiseverbot) hat dieses Gericht zurückgewiesen, da ihm als der einzigen Verfahrenspartei nicht wirksam (und daher keiner Partei) eine Ausfertigung der genehmigten Entscheidung zugestellt worden war, weshalb kein anfechtbarer Verwaltungsakt vorlag. (09.06.2020, I419 2231541-1/4E)

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des BFA und des vorliegenden Gerichtsakts. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt, ferner die Entscheidungen des AsylGH und des BVwG in den bisherigen Beschwerdeverfahren eingesehen.

2.2 Zum Beschwerdeführer und zum weiteren Sachverhalt:

Die Feststellungen zur Stellungnahme im Zuge des eingeräumten Parteiengehörs und zur Vollmacht ergaben sich aus dem vorgelegten Akt und dem vorangegangenen Beschluss dieses Gerichts von 2020. Aus dem ZMR und dem Entwurf eines Mandatsbescheids (AS 395), der das Polizeianhaltezentrum als Zustellort anführt, ergab sich, dass der Beschwerdeführer dort inhaftiert ist. Die Feststellung zur Zustellung dort ergab sich daraus, dass sich der Beschwerdeführer, der die Übernahme mit seiner Unterschrift bestätigte, laut ZMR bereits seit zwei Tagen dort befand.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

3.1 In § 9 Abs. 1 ZustG ist vorgesehen, dass Parteien und Beteiligte gegenüber der Behörde andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften „zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen können (Zustellungsvollmacht)“, soweit nicht in den Verfahrensvorschriften anderes bestimmt ist (was fallbezogen nicht zutrifft).

Wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist, dann hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Eine andere gesetzliche Anordnung liegt nicht vor. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Da es für das „tatsächliche Zukommen“ nötig ist, dass das Schriftstück im Original vom Vertreter tatsächlich (körperlich) in Empfang genommen wird (VwGH 2013/01/0173, 16.07.2014 mwN), reicht es also nicht bereits, wenn (was nicht festgestellt wurde) der Schwager vom Inhalt Kenntnis bekommen hätte, weil die bloße Kenntnis vom Vorhandensein und vom Inhalt eines Dokuments – auch durch Empfangnahme einer Ablichtung oder eigenständige Anfertigung einer Kopie – nicht genügt. (VwGH 09.12.2019, Ra 2019/02/0224 mwN, 17.10.2019, Ra 2018/08/0004 mwN)

Eine wirksame Zustellung des angefochtenen Schriftstücks „Bescheid“ fand folglich mangels Bezeichnung des Zustellbevollmächtigten als (formellen) Empfänger nicht statt, zumal auch für die Heilung des Zustellmangels kein Hinweis vorliegt.

3.2 Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist ein schriftlicher Bescheid erst mit der Zustellung an eine Partei als erlassen anzusehen; nur ein erlassener Bescheid kann Rechtswirkungen erzeugen. Wurde der erstbehördliche Bescheid nicht rechtswirksam erlassen, so hat dies den Mangel der Zuständigkeit der Rechtsmittelbehörde zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge. Die Zuständigkeit reicht in derartigen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (vgl. zur Berufungsbehörde VwGH 22.12.2009, 2007/08/0329 mwN)

Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, ist daher ein Rechtsmittel einer Partei, der ein Bescheid nicht zugestellt wurde, (nur) dann zulässig, wenn der Bescheid anderen Parteien des Verfahrens zugestellt wurde (16.09.2009, 2006/05/0080). Wurde dagegen der einzigen Verfahrenspartei nicht wirksam (und daher keiner Partei) eine Ausfertigung der genehmigten Entscheidung zugestellt, dann liegt kein anfechtbarer Verwaltungsakt vor. (Vgl. VwGH 24.05.1996, 94/17/0320)

3.3 Das Schriftstück wurde nicht wirksam zugestellt, was bedeutet, dass kein Bescheid erlassen wurde. Da dem Verwaltungsgericht im gegebenen Zusammenhang (einer Bescheidbeschwerde) eine Zuständigkeit nur zukommt, wenn ein Bescheid vorliegt, war die vorliegende Beschwerde demnach zurückzuweisen.

3.4 Nach § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Ein Antragsrecht, das auf die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gerichtet wäre, ist nicht vorgesehen. Der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erweist sich damit als unzulässig, weshalb er (auch) mit Beschluss zurückzuweisen wäre. Mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Hauptsache wird aber ein dort gestellter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohnehin gegenstandslos. (VwGH 19.11.2019, Ra 2019/09/0117 mwN)

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu Zustellmängeln und zu deren Heilung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich anzusehen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass die Beschwerde zurückzuweisen ist, konnte eine mündliche Verhandlung demgemäß unterbleiben.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz aufschiebende Wirkung Bescheidcharakter Bescheiderlassung Bescheidqualität Empfänger Fehlbezeichnung Heilung Kenntnis Nichtbescheid rechtswirksame Zustellung Rückkehrentscheidung tatsächliches Zukommen Unzulässigkeit der Beschwerde Unzuständigkeit BVwG Vollmacht Zurückweisung Zustellbevollmächtigter Zustellmangel Zustellung Zustellverfügung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I419.2231541.2.00

Im RIS seit

14.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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