Entscheidungsdatum
17.06.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
I413 2212219-2/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria alias Tschad, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom 08.03.2021, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.06.2021 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 24.09.2014 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit der Verfolgung durch Boko Haram begründete. Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde, BFA) gab er wiederholt an, aus dem Tschad zu stammen, Awubo und Englisch zu sprechen und dass Boko Haram in sein Dorf gekommen wäre. Ob der Angaben des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme, die auf eine nigerianische Staatsangehörigkeit schließen ließen, wurde eine forensisch-afrikanische Befunderhebung zu den Sprach- und Landeskenntnissen in Auftrag gegeben. Das Ergebnis der 182-minütigen Tonaufzeichnung samt der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. G XXXX langte am 19.10.2018 beim BFA ein, wobei der Gutachter zum Ergebnis kam, dass der Beschwerdeführer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seine Hauptsozialisierung in Nigeria erfahren hat, was diesem auch im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 26.11.2018 zur Kenntnis gebracht wurde. Dessen ungeachtet blieb er bei seinem Vorbringen, aus dem Tschad zu stammen und ausschließlich im Tschad eine Verfolgung zu fürchten.
2. Mit Bescheid vom 05.12.2018, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.), erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.) und erließ gegen ihn ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).
3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.06.2020 zu GZ I401 2212219-1/14E wurde die gegen den Bescheid erhobene Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des befristeten Einreiseverbots auf zwei Jahre herabgesetzt wurde. Seitens des Verfassungsgerichtshofes wurde die Behandlung einer gegen dieses Erkenntnis eingebrachten Beschwerde mit Beschluss vom 22.09.2020 zu E 2723/2020-7 abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, wobei dessen Entscheidung noch anhängig ist.
4. Bei der belangten Behörde einlangend mit 01.12.2020 beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a Abs 1 Z 3 FPG. Seinen Antrag begründete er damit, dass er aus dem Tschad, nicht aus Nigeria komme.
5. Mit Bescheid des BFA vom 08.03.2021 zu Zl. XXXX wurde sein Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete vom 01.12.2020 abgewiesen.
6. Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung Beschwerde. Diese begründete er im Wesentlichen damit, dass er vor der belangten Behörde nicht niederschriftlich einvernommen worden wäre und ihm die Erlangung eines Reisedokuments aus Gründen, die er nicht zu vertreten habe, nicht möglich sei, zumal eine Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates Tschad in Österreich nicht existiere, sondern nur in Berlin. Dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, ob und wann das BFA einen Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der Botschaft seines Herkunftsstaates Tschad gestellt habe, weiters sei nicht ersichtlich, welche anderen Schritte die belangte Behörde konkret zur Erlangung eines solchen gesetzt habe. Der Beschwerdeführer verfüge über kein Reisedokument, weshalb die Ausstellung einer Karte für Geduldete für ihn wesentlich sei, da ihm bei jeglicher fremdenpolizeilichen Kontrolle umgehend die Festnahme drohe und es eines enormen Aufwandes bedürfe, jedes Mal aufs Neue seinen Sachverhalt zu schildern. Stets habe sich der Beschwerdeführer kooperativ verhalten und gleichlautende Angaben zu seiner Identität gemacht. Aus dem Bescheid ergebe sich auch, dass kein Reisedokument und kein Ersatzreisedokument vorhanden sei, weshalb dem Duldungsantrag stattzugeben wäre.
7. Mit Schriftsatz vom 31.03.2021, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 06.04.2021, legte die belangte Behörde den Verwaltungsakt samt der Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vor, welches für den 08.06.2021 eine mündliche Verhandlung anberaumte.
8. Einlangend mit 04.05.2021 wurden seitens des Beschwerdeführers Urkunden in Vorlage gebracht, einlangend mit 19.05.2021 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Zeugenbefragung im Zuge der mündlichen Verhandlung.
9. Am 08.06.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Verhandlung statt, in dessen Rahmen unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache und einer Dolmetscherin für die englische Sprache eine Einvernahme des Beschwerdeführers und des Zeugen T XXXX M XXXX in Anwesenheit der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers erfolgte. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zunächst wird der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria. Seine Identität steht nicht fest. Er verschleiert seit seiner Ankunft in Österreich vor rund sieben Jahren seine Identität, indem er stets behauptete, aus dem Tschad zu stammen.
Am 24.09.2014 stellte er einen Antrag auf Asyl in Österreich, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.12.2018, Zl. XXXX , sowie mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.06.2020 zu GZ I401 2212219-1/14E rechtskräftig negativ entschieden wurde. Eine Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs VfGH 22.09.2020, E 2723/2020, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, wobei dessen Entscheidung noch anhängig ist.
Seiner aus der rechtskräftigen Entscheidung erwachsenen Ausreiseverpflichtung kam der Beschwerdeführer nicht nach und ist er seitdem unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.
Am 24.09.2020 wurde der Beschwerdeführer aus der Beugehaft einer Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde in Wien vorgeführt, vor welcher er nach wie vor behauptete, aus dem Tschad zu stammen, weshalb die Ausstellung eines Heimreisezertifikates scheiterte.
Der Beschwerdeführer hat trotz Aufforderung kein nigerianisches Reisedokument vorgelegt und sich nicht aus Eigenem bei der nigerianischen Botschaft um die Ausstellung eines Reisepasses bemüht, obwohl ihm dies möglich und zumutbar gewesen wäre.
Er hat keinerlei Veranlassungen getroffen, um Dokumente zu erlangen, die seine Identität zwecks Erlangung von Heimreisezertifikaten nachweisen. Er hat auch zu keiner Zeit etwas unternommen, ein Reisedokument seines vorgeblichen Herkunftsstaates Tschad zu erhalten, um zu vermeiden, hierdurch eine negative Identifizierung durch die Auslandsvertretung des Tschad zu erhalten, welche die Ausstellung eines Heimreisezertifikats durch seinen Herkunftsstaat (Nigeria) ermöglichen würde. Durch sein Verhalten verletzte er seine Mitwirkungspflicht.
Es konnten in Zusammenschau keine außerhalb der Sphäre des Beschwerdeführers liegenden Gründe festgestellt werden, die seine Abschiebung aus dem Bundesgebiet unmöglich erscheinen ließen.
2. Beweiswürdigung:
Zumal der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt identitätsbekundenden Dokumente in Vorlage gebracht hat, steht seine Identität nicht fest.
In Zusammenhang mit seiner Staatsangehörigkeit bleibt festzuhalten, dass auch für den erkennenden Richter ohne jeglichen Zweifel feststeht, dass der Beschwerdeführer aus Nigeria stammt. Bereits im Zuge des Asylverfahrens wurde ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben, in dessen Zuge am 21.08.2017 ein Befundgespräch stattgefunden hat, welches durch eine 182-minütige Tonaufzeichnung dokumentiert wurde. Dabei kam der Sachverständige Dr. G XXXX zum Schluss, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Beschwerdeführer seine Hauptsozialisierung in Nigeria erfahren hat und eine ebensolche im Tschad mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist. Positive Hinweise einer Teilsozialisierung außerhalb Nigerias konnte der Sachverständige keine finden. Weder demonstrierte der Beschwerdeführer eine Kompetenz im Arabischen, der Verkehrssprache des Tschad, noch im Französischen, ebenfalls eine Hauptsprache. Zudem ließ der Beschwerdeführer einen eindeutig subsaharanischen Erfahrungshintergrund erkennen, nicht hingegen einen Erfahrungshintergrund des Tschad. Weder konnte er wesentliche Lagebezeichnungen zu seinem vermeintlichen Wohnort machen, noch die Stückelung der Währung korrekt benennen, zudem auch nicht die Kaufkraft der Währung grob einschätzen. Hingegen präsentierte er Sprachkompetenzen, welche eindeutig dem südnigerianischen Englisch und der nigerianischen Igbo-Sprache zuzuordnen waren, zumal die von ihm als „Avobo“ oder „Awobo“ bezeichnete Sprache im Tschad nicht existiert und es sich dabei vielmehr um die nigerianische Igbo-Sprache bzw. eine eng mit derselben verwandten Sprache handelt und seine Angaben hinsichtlich Laute und auch Silbenstruktur der Igbo-Sprache zuzuordnen waren. Auch sein gesprochenes Englisch war ob lautlicher Merkmale und der Verwendung typisch nigerianischer Dialektwörter eindeutig dem nigerianischen, speziell südnigerianischen Englisch zuzuordnen.
Das entsprechende Gutachten wurde auch bereits vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 07.07.2020 zu GZ I401 2212219-1/14E als umfangreich unter Anführung zahlreicher Beispiele zur (dialektischen) Aussprache und damit im Ergebnis für vollständig, schlüssig, plausibel und widerspruchsfrei befunden.
Im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 08.06.2021 wurde der Beschwerdeführer zudem auch erneut hinsichtlich seines Geburtsortes befragt, welchen er trotz Nachfrage der Dolmetscherin ausschließlich mit „in der Mitte von Afrika liegend“ geographisch festzulegen vermochte (Protokoll vom 08.06.2021, S 5). Festzustellen war des Weiteren in Hinblick auf die beiden Amtssprachen des Tschad, arabisch und französisch, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, mit dem Dolmetscher in arabischer Sprache zu kommunizieren, (Protokoll vom 08.06.2021, S 3) und er auch keinerlei Französischkenntnisse vorweisen konnte (Protokoll vom 08.06.2021, S 6). Er konnte nicht einmal Kenntnisse einfachster Wortbrocken dieser Sprachen demonstrieren, wie sie sprachliche Minderheiten regelmäßig aufnehmen, wie zB die deutschsprachige Minderheit in Italien, welche bestimmte Worte aus dem Italienischen in der (deutschen) Verkehrssprache aufgenommen hat (zB „Patent“ – patente, für Führerschein). Daher ist es für den erkennenden Richter nachvollziehbar und überzeugend, wenn der Sachverständige aufgrund des gänzlichen Mangels solcher Lehnworte aus dem Arabischen und dem Französischen in der Sprache des Beschwerdeführers eine Sozialisierung des Beschwerdeführers im Tschad ausschließt. Hinzu kommt auch der vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung gewonnene persönliche Eindruck, der die Schlussfolgerungen des Sachverständigen bestätigt.
So konnte der Beschwerdeführer keinerlei Assoziationen zum Wappen des Tschad, welches unter anderem einen Löwen und einen Geißbock darstellt, nennen (Protokoll vom 08.06.2021, S 6):
RI: Nennen Sie mir die Nationalsymbole des Tschad.
BF: Ich verstehe nicht.
RI: Gibt es für den Süden des Tschad ein Symbol?
BF: Ich verstehe nicht was Sie mit Symbol meinen.
RI: Wenn Sie an einen Löwen denken im Zusammenhang mit dem Tschad, gibt es da für Sie eine Assoziation?
BF: Es gibt im Tschad keine Löwen, das meiste ist Wüste. Nach Rückübersetzung: Es gibt auch nur sehr kleine Bäume, sodass man eine unendlich weite Sicht hat. Es gibt dort auch Gras bzw. Steppe.
Des Weiteren bleibt festzuhalten, dass er hinsichtlich der im Tschad verwendeten Münzen eine falsche Währung anführte, wobei er die Bezeichnung „Cent“ anstelle von „CFA-Francs“ verwendete und auch die Stückelung nicht korrekt benennen vermochte (Protokoll vom 08.06.20201, S 7; hinsichtlich der korrekten Stückelung siehe zB https://www.geld-abheben-im-ausland.de/geld-abheben-im-tschad).
Zudem vermochte der Beschwerdeführer weder das Nationalgericht des Tschad, Daraba (vgl. zB https://www.wmn.de/lifestyle/travel/gesunde-kueche-diese-10-laender-ernaehren-sich-am-besten-id1477 oder auch https://www.cuisimonde.com/die-kuechen-afrikas/zentralafrika/die-kueche-des-tschad.html), noch die erste Zeile der ersten Strophe der Nationalhymne des Tschad wiederzugeben (Protokoll vom 08.06.2021, S 7):
RI: Wie heißt das Nationalgericht des Tschad und woraus besteht es?
BF: Reis. Alle essen Reis, weil wir das auch anbauen. Außerdem essen wir Bohnen.
RI: Wissen Sie was für ein Gericht Daraba ist?
BF: Ist das ein Essen oder was? Nach Rückübersetzung: Ich weiß nicht, was Sie mit Daraba meinen. Soll das Essen oder Trinken sein? Es gibt nämlich verschiedenste Namen, deshalb weiß ich es nicht. Die Araber bereiten z.B. ihren Kaffee auf eine bestimme Art und Weise zu. Das mag ich aber nicht, ich bin ja kein Araber. Sie sitzen dann zusammen und verwenden traditionelles Geschirr. Das ist nichts für mich.
RI: Können Sie die erste Zeile der ersten Strophe der Nationalhymne des Tschad wiedergeben?
BF: Nein, ich war ja nicht in der Schule. Nach Rückübersetzung: In der Schule lernt man so etwas.
Obgleich nicht verkannt wird, dass der Beschwerdeführer (mittlerweile) zwar die korrekte Stückelung der Banknoten (anders noch gegenüber dem Sachverständigen) sowie auch die Farben der Fahne des Tschad wiederzugeben vermochte (Protokoll vom 08.06.2021, S 6 f), haben sich ob der obigen Ausführungen beim erkennenden Richter aufgrund des vom Beschwerdeführer persönlich gewonnenen Eindrucks weder am Gutachten des Sachverständigen Dr. G XXXX noch an der Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.07.2020 zu GZ I401 2212219-1/14E Zweifel in Zusammenhang mit der Herkunft des Beschwerdeführers ergeben. Es war daher die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer zweifellos aus Nigeria stammt und auch Staatsangehöriger dieses Landes ist.
In Anbetracht des Umstandes, dass im Zuge des damaligen Gutachtens insgesamt 182 Minuten Tonmaterial gegeben waren und der Gutachter umfangreiche und konkrete Ausführungen zur Sprachfärbung und zum Erfahrungshintergrund des Beschwerdeführers getroffen hat, vermag dessen Argument, wonach er „diesen Mann weder gekannt noch verstanden habe“ (Protokoll vom 08.06.2021, S 7) keine Relevanz entfalten und ist diese Behauptung desselben vielmehr als Schutzbehauptung anzusehen. Auch die Ausführungen seiner Rechtsvertretung, wonach der Beschwerdeführer als „einfacher Landarbeiter in einem sehr eingeschränktem Sprachumfeld aufgewachsen sei, der zu keinem Zeitpunkt eine Schul- oder Berufsausbildung abgeschlossen habe“ (Protokoll vom 08.06.2021, S 7), vermögen vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer, welcher keine der beiden Amtssprachen auch nur ansatzweise spricht oder versteht und zudem nahezu keinerlei Angaben zu seinem Heimatland machen konnte, in dem er nach eigenen Angaben aufgewachsen sei, dort sozialisiert worden sei und etwa 26 Jahre gelebt habe, ebenfalls nicht zu überzeugen.
Vielmehr steht ob des eindeutigen Sprachgutachtens vom 18.10.2018 in einer Zusammenschau mit den Angaben des Beschwerdeführers vor dem erkennenden Richter und dem daraus gewonnenen persönlichen Eindruck unter Mitberücksichtigung der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.07.2020 zu GZ I401 2212219-1/14E eindeutig fest, dass der Beschwerdeführer aus Nigeria stammt und er somit bis zuletzt seine Identität unter Angabe eines falschen Herkunftsstaates verschleierte.
Die Feststellungen zum bereits rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren ergeben sich aus dem Verwaltungsakt der belangten Behörde, zudem aus den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts zum Verfahren I401 2212219-1 und I413 2212219-2, auf welche im Zuge der mündlichen Verhandlung verwiesen und welche mit dem Beschwerdeführer erörtert wurden (Protokoll vom 08.06.2021, S 4). Darüber hinaus weist auch der Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister zur Person des Beschwerdeführers entsprechende Eintragungen auf.
Aufgrund des rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens gestaltet sich der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet als unrechtmäßig. Hinsichtlich des Nichtnachkommens seiner Ausreiseverpflichtung führte der Beschwerdeführer dazu befragt auch selbst aus, Österreich nach Erhalt der negativen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nach dem 07.07.2020 nie verlassen zu haben (Protokoll vom 08.06.2021).
In Zusammenhang mit der Vorführung des Beschwerdeführers aus der Beugehaft vor eine Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde samt seiner Behauptung vor dieser, aus dem Tschad zu stammen, liegt dem Verwaltungsakt ein entsprechender Bericht bei (AS 11 bzw. AS 17). Vor diesem Hintergrund vermag auch nicht verwundern, dass die Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates nicht vorgenommen hat und selbige erst bei einer negativen Identifizierung durch die Botschaft des Tschad zusicherte, hat doch der Beschwerdeführer vor dieser behauptet, kein nigerianischer Staatsangehöriger zu sein, wodurch er die (sofortige) Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die nigerianische Botschaft verhindert hat.
Eine Bemühung um die Ausstellung eines nigerianischen Reisepasses war damit nicht gegeben, wobei es des Weiteren auch zu berücksichtigen gilt, dass der Termin vor der Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde überhaupt erst durch eine Vorführung des Beschwerdeführers aus der Beugehaft ermöglicht wurde. Gleichzeitig hat sich der Beschwerdeführer – ungeachtet des Umstandes, dass dies ob seiner nigerianischen Staatsangehörigkeit ohnedies ohne Erfolg gekrönt gewesen wäre – nie um ein Reisedokument des Tschad bemüht, welches seine wahre Staatszugehörigkeit offengelegt hätte. Der Beschwerdeführer lässt hinsichtlich des Erhalts eines Reisedokumentes des Tschad keinerlei ernsthafte Bemühungen erkennen. Nach insgesamt viermaliger Nachfrage durch den erkennenden Richter führte der Beschwerdeführer schließlich unsubstantiiert und oberflächlich aus, er habe einmal einem Mann erklärt, dass er Kontakt zu Personen aus dem Tschad suche, welcher ihn in der Folge an jemanden verwiesen habe, den der Beschwerdeführer aber nicht habe finden können. Ein ernsthaftes Bemühungen zum Erhalt eines Reisedokumentes ist darin jedenfalls nicht zu erblicken. Insbesondere ist dabei bemerkenswert, dass sich der Beschwerdeführer nicht einmal sicher war, wo er diese Person hätte finden können (Protokoll vom 08.06.2021, S 8), was jedenfalls gegen eine ernsthafte Suche seinerseits nach dieser vermeintlichen Person spricht. Diese Aussagen sind dahingehend zu würdigen, dass der Beschwerdeführer nie einen ersthaften Versuch unternommen hatte, ein Reisedokument des Tschad zu erhalten. Der erkennende Richter erhielt auch den persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer, dass er vor dem Hintergrund der Reaktion der nigerianischen Delegation auch keinen Versuch zu unternehmen gedenkt, sich ein Reisedokument des Tschad zu erhalten, um eine Ablehnung der Auslandsvertretung des Tschad in Bezug auf die Ausstellung eines Reisepasses an ihn zu vermeiden, um gerade zu verhindern, dass Nigeria ein Heimreisezertifikat nach Vorliegen einer negativen Identifizierung des Beschwerdeführers durch die Auslandsvertretung des Tschad ausstellen könnte.
Aus den oben dargelegten Erwägungen war daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer seine Mitwirkungspflicht verletzt hat.
3. Rechtliche Beurteilung:
A) Zur Abweisung der Beschwerde
3.1. Rechtslage
Gemäß § 46 Abs 2 FPG hat ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat – vorbehaltlich des Abs 2a – bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.
Gemäß § 46a Abs 1 Z 3 FPG ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet zu dulden, solange deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint, es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.
Gemäß Abs 3 leg cit liegen vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) jedenfalls vor, wenn er
1. seine Identität verschleiert,
2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder
3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.
Gemäß Abs 4 leg cit hat das Bundesamt bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs 1 von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen.
3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Nach dem Gesetzestext des § 46a FPG ist Voraussetzung für die Ausstellung einer "Karte für Geduldete", dass der Aufenthalt des Fremden im Sinne von Abs 1 Z 3 dieser Bestimmung geduldet ist, wenn dessen Abschiebung aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenen Gründen unmöglich war, was es nun zu prüfen gilt. Vom Fremden zu vertretende Gründe liegen gemäß § 46a Abs 3 FPG jedenfalls vor, wenn er seine Identität verschleiert, einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.
Das Gesetz setzt es als Regelfall voraus, dass der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig, also aus eigenem Antrieb und ohne begleitende Zwangsmaßnahme seitens des Bundesamtes bzw. – in dessen Auftrag – der Landespolizeidirektion (§ 5 BVA-VG), nachkommt. Dies folgt aus § 46 Abs 1 FPG, wonach eine Abschiebung nur unter den darin genannten (alternativen) Voraussetzungen in Betracht kommt, sowie aus den Bestimmungen über die Ausreisefrist (§§ 55, 56) und den Durchsetzungsaufschub (§§ 70 Abs 3 und 4, 71). Liegen nun im Einzelfall bestimmte faktische Ausreisehindernisse vor, wie sie insbesondere im Fehlen eines für die Ausreise erforderlichen Reisedokumentes bestehen können, so ist es auch Teil einer freiwilligen Erfüllung der Ausreiseverpflichtung, sich aus Eigenem um die Beseitigung dieser Ausreisehindernisse zu kümmern, im Falle eines nicht (mehr) vorhandenen Reisedokumentes also z.B. dessen Neuausstellung bei der zuständigen ausländischen (Vertretungs-) Behörde zu beantragen. Dies ergibt sich aus § 46 Abs 2 FPG, wonach ein zur Ausreise verpflichteter Fremder grundsätzlich angehalten ist, das im Fehlen eines Reisedokumentes regelmäßig gelegene Ausreisehindernis im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst zu beseitigen.
Während im Zuge der vorangegangenen Novellierung des Fremdenpolizeigesetzes mit dem FrÄG 2015 (BGBl I Nr. 70/2015) in § 46 FPG lediglich festgelegt wurde, dass ein Fremder an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang mitzuwirken hat, so ist dieser nach der aktuellen Rechtslage nunmehr verpflichtet, sich aus Eigenem und proaktiv um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu bemühen. Im Übrigen konnte mangelnde Eigeninitiative schon bisher ein Anhaltspunkt für die Annahme sein, dass der Fremde das Erlangen von Identitäts- bzw. Heimreisedokumenten selbst verhindert habe (VwGH 07.03.2019, Ra 2018/21/0153 mit Hinweis auf VwGH 31.8.2017, Ro 2016/21/0019).
Aus den Erläuterungen zum Initiativantrag 2285/A vom 20.09.2017 (25. GP) zum FrÄG 2017 (BGBl I Nr. 145/2017) ergibt sich bezüglich § 46 Abs 2 FPG Folgendes:
„Unabhängig davon, ob mit Erlassung der Rückkehrentscheidung eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde oder nicht, haben ausreisepflichtige Fremde überdies an der Erlangung der für die Ausreise erforderlichen Dokumente mitzuwirken. Dabei soll sowohl die bereits nach geltender Rechtslage vorgesehene Mitwirkung an Maßnahmen des Bundesamts umfasst sein, die zwecks Erlangung von für die Abschiebung erforderlichen Bewilligungen gesetzt werden, als auch – gemäß der neuen Bestimmung des § 46 Abs 2 FPG – Handlungen des Fremden selbst, die zur Vorbereitung für eine eigenständige Ausreise zu treffen sind, wie insbesondere die eigenständige Beantragung eines allenfalls erforderlichen Reisedokumentes und die insoweit notwendige Erstattung von Angaben gegenüber der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat)… Unbeschadet der Befugnis des Bundesamtes soll nämlich künftig auch der Fremde selbst explizit der Verpflichtung unterliegen, sich ein für die Ausreise erforderliches Reisedokument bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem zu beschaffen und bei dieser Behörde sämtliche für diesen Zweck erforderlichen Handlungen zu setzen, wobei hier insbesondere die Beantragung des Reisedokuments, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten umfasst sein sollen […]“
Die Pflicht des Fremden nach § 46 Abs 2 FPG umfasst damit unter anderem die Antragstellung auf Ausstellung eines Reisedokumentes bei der dafür zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat) sowie die Erstattung sämtlicher dazu erforderlicher Angaben, insbesondere die wahrheitsgemäße Angabe der Identität und die Bekanntgabe allfälliger sonstiger erkennungsdienstlicher Daten. Satz 2 dieser Bestimmung sieht vor, dass der Fremde die Erfüllung seiner Pflichten dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen hat. Die eigenständige Beschaffung eines Reisedokumentes und die Erstattung der dazu erforderlichen Angaben gemäß Abs 2 erfolgt im Zusammenwirken zwischen dem Fremden und der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat), also ohne direkte Einbeziehung des Bundesamtes. Das Bundesamt hat daher ein Interesse daran, über die diesbezüglichen Maßnahmen des Fremden und deren Erfolg unterrichtet zu sein, zumal die Nichterfüllung der Verpflichtung gemäß Abs 2 nicht nur zur Verhängung von Zwangsstrafen nach dem VVG, einschließlich der Beugehaft, führen kann, sondern auch für die Prüfung der Zulässigkeit einer (späteren) Anordnung der Schubhaft zu berücksichtigen ist (insoweit ist auf die Erläuterungen zu § 76 Abs 3 Z 1a zu verweisen).
Fallgegenständlich verschleierte der Beschwerdeführer bis zum heutigen Tag seine Identität bzw Staatsangehörigkeit und versuchte damit, einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu entgehen. Dies stellt einerseits eine Erfüllung des Tatbestandes des § 46a Abs 3 Z 1 FPG dar, andererseits hat er im Sinne des § 46a Abs 3 Z 3 FPG aber auch die Erlangung eines Ersatzreisedokumentes vereitelt bzw nicht entsprechend daran mitgewirkt, indem er vor der Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde – wider besseren Wissens – ausführte, kein nigerianischer Staatsangehöriger zu sein, sondern aus dem Tschad zu stammen. Ihm ist somit eine schuldhafte Verletzung seiner Ausreiseverpflichtung zur Last zu legen.
Der Beschwerdeführer hat damit die Gründe, warum seine Abschiebung bislang nicht erfolgt ist, ausschließlich selbst zu vertreten. Sein Aufenthalt ist somit nicht iSd § 46a Abs 1 Z 3 FPG zu dulden und es ist ihm auch keine Karte für Geduldete gemäß Abs 4 leg. cit. auszustellen. Die Beschwerde war aus diesem Grunde als unbegründet abzuweisen.
Abschließend bleibt noch festzuhalten, dass ein unter § 46a Abs 1 Z 1, Z 2 oder Z 4 FPG zu subsumierender Sachverhalt weder seitens des Beschwerdeführers vorgebracht wurde, noch sich ein solcher aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergibt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die vorliegende, einen Einzelfall betreffende Entscheidung basiert auf der nicht als uneinheitlich zu bezeichnenden, vorgenannten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und weicht nicht von ihr ab. Eine Rechtsfrage von Bedeutung ist nicht hervorgekommen.
Schlagworte
Abschiebung Ausreiseverpflichtung Duldung Identität Karte für Geduldete Mitwirkungspflicht mündliche Verhandlung Reisedokument Verschleierung Verschulden VorlagepflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I413.2212219.2.00Im RIS seit
13.09.2021Zuletzt aktualisiert am
13.09.2021