Entscheidungsdatum
21.06.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W192 2242908-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Ruso über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina, vertreten durch Dr. Farhad PAYA, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 16.05.2021, Zahl: 1188942005-210512192, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird gemäß §§ 66, 70 Abs. 3 FPG i.d.g.F. stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang:
1. Mit Schreiben der zuständigen Niederlassungsbehörde vom 19.04.2021 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) darüber unterrichtet, dass im Fall der Beschwerdeführerin, einer bosnischen Staatsbürgerin, die Voraussetzungen für eine Aufenthaltskarte gemäß § 54 NAG nicht mehr vorliegen würden. Diese habe am 08.03.2018 einen slowenischen Staatsbürger geheiratet und am 22.09.2020 durch ihren Vertreter ihr in Rechtskraft erwachsenes Scheidungsurteil vom 26.08.2020 übermittelt. Die Ehe habe keine drei Jahre gedauert.
In einer infolge Anberaumung einer Einvernahme vor dem Bundesamt durch ihren bevollmächtigten Vertreter am 21.04.2021 eingebrachten schriftlichen Stellungnahme wurde ausgeführt, dass die Ehe der Beschwerdeführerin mit einem Unionsbürger ausschließlich wegen des ehewidrigen Verhaltens ihres Gattens, das eine Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwarten habe lassen, geschieden worden sei und dementsprechend der Beschwerdeführerin ein Festhalten an dieser Ehe auch nicht mehr zugemutet werden konnte. Demnach sei das Aufenthaltsrecht der Genannten auf Grundlage des § 54 Abs. 2 Z 4 NAG auch nicht erloschen, sondern bestehe fort, zumal die unbescholtene Beschwerdeführerin die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 bzw. Z 2 NAG nach wie vor erfülle. Sie arbeite seit März 2020 als Küchenhilfe in einem Café mit einem monatlichen Nettoeinkommen von EUR 1.150,- und verfüge aufgrund dieser Beschäftigung über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz in Österreich. Entgegen den Ausführungen der Niederlassungsbehörde in ihrer Mitteilung vom 07.04.2021 würden die Voraussetzungen für den Fortbestand des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts weiterhin vorliegen, weshalb auch eine Beendigung des Aufenthalts der Beschwerdeführerin nicht zulässig wäre.
Anlässlich einer am 29.04.2021 im Beisein ihres bevollmächtigten Vertreters in deutscher Sprache durchgeführten Einvernahme gab die Beschwerdeführerin zusammengefasst an, sie halte sich seit Februar 2018 in Österreich auf, habe am 08.03.2018 geheiratet und am 26.03.2018 aufgrund ihrer Ehe mit einem slowenischen Staatsbürger eine Aufenthaltskarte erhalten. Seither habe sie Österreich nicht längerfristig verlassen, sondern nur um ihre Eltern in Bosnien zu besuchen. Vor ihrer Einreise nach Österreich im Jahr 2018 habe sie ebenfalls in Bosnien in ihrem Elternhaus gelebt. Die Beschwerdeführerin habe eine Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 abgelegt und arbeite seit drei Jahren als Küchenhilfe. Sie habe eine Berufsausbildung als Chemietechnikerin, habe jedoch nie in diesem Bereich gearbeitet. In Bosnien habe sie als Verkäuferin gearbeitet. Aktuell verdiene sie EUR 980,- netto und wohne alleine in einer Mietwohnung mit einer Fläche von 50 m2 mit Kosten von EUR 300,-. In Österreich lebe ihre Schwester und deren zwei Kinder. Darüber hinaus habe sie keine Bindungen zu Österreich. Sie arbeite für ihre Schwester. Sie nehme Tabletten wegen Problemen mit der Schilddrüse, ansonsten sei sie gesund. In Bosnien habe sie mit Ausnahme einer schlechten finanziellen Situation keine Probleme gehabt. Ihren Exgatten habe sie Anfang 2017 in Slowenien in einem Café kennengelernt, in der Folge hätten sie sich gemeinsam in Österreich niedergelassen. Am Anfang sei die Beziehung und Ehe sehr gut verlaufen. Nach vier bis fünf Monaten habe ihr Ehemann sich ein Motorrad gekauft und angefangen, viel Alkohol zu trinken. Er habe auch Strafen erhalten, da er ohne Führerschein unterwegs gewesen sei. Zunächst sei ihr Mann erwerbstätig gewesen, dann sei er beim AMS gewesen. Er habe dann einen Arbeitsplatz in einer anderen Stadt gefunden, sei im Februar 2019 dorthin verzogen und die Beschwerdeführerin habe den Kontakt zu ihm verloren. Nach dem Auszug aus der Mietwohnung habe ihr Gatte die Miete für die Wohnung weiter bezahlt, im März 2019 sei die Beschwerdeführerin ausgezogen. Später habe sie noch einmal einen Neuanfang mit ihm gewollt, was ihr Mann aber nicht gewollt hätte. Außerdem habe dieser nicht vom Alkohol ablassen wollen, was für sie eine Grundbedingung gewesen wäre. Sie sei in Österreich geblieben, da sie auf einen Neuanfang gehofft hätte. Anfang 2020 habe sie erkannt, dass es einen solchen nicht geben würde und habe die Scheidung beantragt. Sie wollte in Österreich ein neues Leben beginnen; sie arbeite hier, habe Deutsch gelernt und viele Leute bei Kursen kennengelernt. Es gefiele ihr hier und auch ihre Schwester lebe hier.
Von der Beschwerdeführerin wurden Bestätigungen hinsichtlich des Besuchs von Deutschkursen und der Ablegung von Integrationsprüfungen sowie Medienberichte hinsichtlich eines durch ihren Ex-Ehemann im Dezember 2018 im alkoholisierten Zustand verursachten Verkehrsunfalls vorgelegt.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihr wurde gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.).
Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführerin sei infolge ihrer Eheschließung mit einem slowenischen Staatsbürger eine Aufenthaltskarte zur Dokumentation ihres unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt worden. Diese lebe seit 21.03.2019 nicht mehr in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ex-Ehegatten, was sie der zuständigen Niederlassungsbehörde nicht gemeldet hätte. Ob die Angaben der Beschwerdeführerin, wonach ihr Ex-Ehegatte im Februar 2019 die eheliche Wohnung verlassen und das gemeinsame Familienleben beendet hätte, zutreffen würden, habe aus näher dargelegten Erwägungen nicht festgestellt werden können. Mit Urteil vom 26.08.2020 sei die Ehe infolge einer Klage der Beschwerdeführerin geschieden worden. Seitens des BFA sei festzustellen, dass der Grund der Scheidung nicht im vermeintlichen Fehlverhalten des Ehegatten begründet gewesen wäre, sondern darin, dass es zu einer Trennung gekommen wäre und der Ehegatte kein Interesse an einer Fortführung des gemeinsamen Ehelebens gezeigt hätte. Die eheliche Lebensgemeinschaft sei zum Zeitpunkt der Scheidungsverhandlung im August 2020 bereits seit 17 Monaten aufgehoben und die Ehe unheilbar zerrüttet gewesen.
Da die Ehe der Beschwerdeführerin bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens nicht drei Jahre bestanden hätte und die Voraussetzungen des § 54 Abs. 5 Z 1 NAG nicht erfüllt wären, sei das Aufenthaltsrecht der Beschwerdeführerin nach der Scheidung nicht erhalten geblieben. Der Ehemann der Beschwerdeführerin sei laut ihren Angaben bereits im Februar 2019 aus der gemeinsamen Wohnung weggezogen, das Scheidungsverfahren sei jedoch erst am 18.05.2020 eingeleitet worden. Auch unter der Annahme, dass die Beschwerdeführerin aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen wäre, sei zu keinem anderen Ergebnis zu gelangen, da sie sich hinsichtlich ihres weiteren Aufenthaltsrechts auf eine Ehe gestützt hätte, ohne dass ein Eheleben noch existent gewesen sei. Mit der Auflösung des gemeinsamen Ehelebens sei das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht beendet worden. Gemäß der Rechtsprechung des VwGH komme eine spätere Berufung auf die Ehescheidung und die Ausnahmetatbestände des Art. 13 Abs. 2 Freizügigkeitsrichtlinie bzw. § 54 Abs. 5 NAG für eine Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts dann nicht mehr in Betracht. Aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin mit dem übermäßigen Alkoholkonsum ihres Ehemannes sowie dessen Desinteresse an ihrer Person und der Ablehnung eines gemeinsamen Ehelebens nicht einverstanden gewesen wäre, lasse sich noch kein besonderer Härtefall im Sinne des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG erkennen, zumal auch die Beschwerdeführerin auf eine Fortführung des gemeinsamen Ehelebens gehofft hätte. Der Beschwerdeführerin, welche auch nicht unter die in § 66 Abs. 1 FPG genannten Ausschlussgründe fiele, komme ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht demnach nicht mehr zu.
Die geschiedene und kinderlose Beschwerdeführerin sei im Bundesgebiet als Küchenhilfe beschäftigt und selbsterhaltungsfähig. Diese lebe alleine in einer Mietwohnung und führe mit ihrer in Österreich lebenden Schwester und deren Familie kein schützenswertes Familienleben. Es sei nicht ersichtlich, dass dieser eine Wiedereingliederung in Bosnien und Herzegowina nicht möglich sein würde. Gesamtbetrachtend seien die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen höher zu bewerten als die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet.
3. Dagegen richtet sich die durch den bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin am 25.05.2021 eingebrachte Beschwerde, in welcher begründend ausgeführt wurde, die Behörde habe unrichtig und im Widerspruch zum Scheidungsurteil des Bezirksgerichts vom 26.08.2020 festgestellt, dass der Grund für die Scheidung nicht in einem vermeintlichen Fehlverhalten des Ehegatten bestanden hätte. Der vom Bezirksgericht festgestellte missbräuchliche Alkoholkonsum des Ehegatten sowie dessen fortgesetzte Interessenlosigkeit gegenüber der Beschwerdeführerin seien als Verletzung der Pflicht zur anständigen Begegnung zu werten, weshalb der Beschwerdeführerin ein weiteres Zusammenleben mit ihrem Gatten nicht mehr zumutbar gewesen sei. Zudem weise die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides insofern einen Widerspruch auf, als einerseits darauf verwiesen worden sei, dass ein Auszug des Ehegatten aus der gemeinsamen Ehewohnung vor der Beschwerdeführerin nicht hätte festgestellt werden können, andererseits jedoch festgestellt worden sei, dass die Trennung dem Umstand geschuldet gewesen wäre, dass der Ehegatte nicht mehr zur Beschwerdeführerin hätte zurückkehren wollen. Ungeachtet dessen, dass die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens nicht drei Jahre gedauert hätte, sei das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht der Beschwerdeführerin nicht erloschen, da gegenständlich der in § 54 Abs. 5 Z 4 NAG normierte Tatbestand erfüllt wäre, wonach das Aufenthaltsrecht trotz Scheidung erhalten bleibe, wenn es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich sei, insbesondere, weil dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe nicht zugemutet werden könne. Der OGH habe in seiner Judikatur klargestellt, dass sowohl übermäßiger Alkoholkonsum als auch das Negieren des Partners, der Abbruch der Kommunikation und fortgesetzte Interessenlosigkeit zu den schweren Eheverfehlungen zählen würden. Die Behörde habe die Rechtslage auch insofern verkannt, als sie das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht an die Auflösung des gemeinsamen Ehelebens und nicht den Zeitpunkt der Ehescheidung geknüpft hätte. Entgegen der Ansicht der Behörde habe für die Beschwerdeführerin keine Verpflichtung bestanden, die Aufhebung der Lebensgemeinschaft der Niederlassungsbehörde zu melden, sondern sie sei der in § 54 Abs. 6 NAG normierten Meldeverpflichtung durch Information über die erfolgte Ehescheidung ausreichend nachgekommen. Dem Umstand des „Wegzugs des Unionsbürgers“ vom gemeinsamen Wohnsitz vor Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens komme für die Aufrechterhaltung des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts keine Relevanz zu, sondern es sei vielmehr maßgeblich, ob sich der Unionsbürger zum Zeitpunkt der Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten habe, was gegenständlich der Fall gewesen sei. Der Aufenthalt des Ex-Ehegatten zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides sei demgegenüber nicht von Relevanz. Die Beschwerdeführerin erfülle auch nach ihrer Scheidung noch die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 und 2 NAG, zumal sie mit Ausnahme einer einwöchigen Phase der Arbeitslosigkeit während ihres Aufenthalts durchgehend beschäftigt gewesen sei, aus dieser Beschäftigung ein durchschnittliches Nettoeinkommen in Höhe von EUR 1.140,- beziehe und über umfassenden Krankenversicherungsschutz verfüge. Selbst für den Fall, dass man entgegen diesen Ausführungen vom Verlust des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgehen sollte, hätte die Behörde bei der nach § 9 BFA-VG vorzunehmenden Interessensabwägung von der Unzulässigkeit der gegen die Beschwerdeführerin verhängten aufenthaltsbeendenden Maßnahme ausgehen müssen. Die Beschwerdeführerin sei während ihres Aufenthaltes durchgehend an ortsüblichen Unterkünften gemeldet gewesen, sie beherrsche die deutsche Sprache nahezu perfekt, habe sich einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich aufgebaut und habe hier durch ihre Schwester, ihren Schwager, ihre Nichte und ihren Neffen familiäre Anknüpfungspunkte. Aufgrund ihrer Unbescholtenheit ginge von ihrem Aufenthalt keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus. Der Verweis auf die Möglichkeit der Erlangung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz vom Ausland aus erscheine gegenständlich wenig erfolgversprechend. Durch die von der Behörde ausgesprochene Ausweisung werde der Beschwerdeführerin – im Unterschied zur für Drittstaatsangehörige, die nicht Familienangehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern wären, geltenden Rechtslage nach § 27 Abs. 1 NAG – die Möglichkeit entzogen, ihren Aufenthalt vom Inland aus nach dem allfälligen Verlust des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts zu legalisieren.
5. In einer gemeinsam mit der Beschwerdevorlage erstatteten Stellungnahme vom 25.05.2021 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zusammengefasst aus, dass die Erlassung einer Ausweisung unter Berücksichtigung näher angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfolgt sei. Es sei nicht Absicht des Bundesamtes gewesen, das Scheidungsurteil in Frage zu stellen, doch es stehe dieses nicht im zeitlich unmittelbaren Zusammenhang mit der Auslösung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Aus den Angaben der Beschwerdeführerin in der Einvernahme vom 29.04.2021 sei ersichtlich, dass nicht diese die Trennung gewollt hätte, sondern sie auf eine Fortsetzung der Beziehung gehofft hätte, wodurch die Aussage ihres bevollmächtigten Vertreters, wonach ihr ein Festhalten an der Ehe nicht zumutbar gewesen wäre, in Zweifel zu ziehen sei. Das Bundesamt habe aufgrund des gegebenen Sachverhaltes nicht erkennen können, dass hier bereits die hohe Schwelle erreicht worden wäre, die nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für den Fortbestand des Aufenthaltsrechts nach § 54 Abs. 5 Z 4 NAG geboten wäre.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist eine volljährige Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina, welche die im Spruch ersichtlichen Personalien führt. Ihre Identität steht fest.
Die unbescholtene Beschwerdeführerin war von 07.02.2018 bis 21.02.2018 mit einem Nebenwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Seit 21.02.2018 ist sie durchgehend mit einem Hauptwohnsitz gemeldet und hielt sich in diesem Zeitraum lediglich für kurzfristige Besuche in ihrem Herkunftsland auf.
Am 08.03.2018 schloss sie vor einem österreichischen Standesamt die Ehe mit einem damals in Österreich niedergelassen gewesenen slowenischen Staatsbürger. Am 13.04.2018 wurde ihr von der zuständigen Niederlassungsbehörde eine Aufenthaltskarte als Angehörige eines EWR-Bürgers mit Gültigkeit bis 13.04.2023 ausgestellt.
Ab dem 22.03.2019 lag laut Zentralem Melderegister kein gemeinsamer Wohnsitz der Beschwerdeführerin und ihres Ex-Ehemannes im Bundesgebiet vor.
Laut Angaben der Beschwerdeführerin hat diese nach der Auflösung der Lebensgemeinschaft im Frühjahr 2019 versucht, auf eine Fortsetzung der Beziehung hinzuwirken, was ihr Ex-Ehemann jedoch nicht wollte. Als sie Anfang 2020 erkannt hätte, dass es keinen Neuanfang geben würde, hat sie am 18.05.2020 eine Scheidungsklage eingebracht.
Mit Urteil eines österreichischen Bezirksgerichts vom 26.08.2020 wurde die Ehe in Stattgebung der von der Beschwerdeführerin am 18.05.2020 eingebrachten Klage nach Durchführung einer Verhandlung in Abwesenheit des Ehemannes aus dem Alleinverschulden des Ehemannes mit der Wirkung geschieden, dass sie mit Rechtskraft des Urteils als aufgelöst gilt. Festgestellt wurde, dass der Ehemann übermäßig viel Alkohol getrunken und kein Interesse an der Beschwerdeführerin bzw. am Eheleben gezeigt hätte; er habe diese beschimpft und von ihr Geld verlangt, um seinen Alkoholkonsum zu finanzieren. Durch das Verhalten des Ehemannes sei die Ehe unheilbar tief zerrüttet.
Die Ehe blieb kinderlos.
Der Ex-Ehegatte der Beschwerdeführerin ging zuletzt im Zeitraum 13.01.2021 bis 10.03.2021 einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach und war bis 18.03.2021 mit einem Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Seither liegen keine behördliche Meldung, keine Erwerbstätigkeit und kein Inlandsaufenthalt des Genannten mehr vor.
Die Beschwerdeführerin hat Deutschkurse im Bundesgebiet besucht und im November 2018 eine Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 sowie im April 2019 eine ÖIF-Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 bestanden.
Die Beschwerdeführerin ist seit 08.04.2020 durchgehend als Arbeiterin im Bundesgebiet beschäftigt. Zuvor war sie von 27.04.2018 bis 31.03.2020 als Arbeiterin im Bundesgebiet beschäftigt und bezieht ein monatliches Einkommen von etwa EUR 980,- (14xjährlich). Von 01.04.2020 bis 07.04.2020 bezog diese Arbeitslosengeld.
Im Bundesgebiet leben eine Schwester der Beschwerdeführerin, welche zugleich ihre Arbeitgeberin ist, sowie deren Schwager, eine Nichte und ein Neffe. Zu ihren Angehörigen besteht ein regelmäßiger Kontakt, wie er zwischen Verwandten dieser Art üblich ist, jedoch kein besonderes Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis.
Die Beschwerdeführerin wohnt im Bundesgebiet alleine in einer Mietwohnung mit einer Fläche von 50m2 und kommt für die Mietkosten in Höhe von EUR 300,- sowie ihre sonstigen Lebenserhaltungskosten durch ihre Erwerbstätigkeit selbständig auf.
Die Beschwerdeführerin nimmt Tabletten wegen Problemen mit der Schilddrüse ein, darüber hinaus ist sie gesund. Im Herkunftsstaat leben noch die Eltern der Beschwerdeführerin, mit welchen diese im Vorfeld ihrer Einreise ins Bundesgebiet im gemeinsamen Haushalt gelebt hat.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens, insbesondere aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Urkunden, und der Gerichtsakten. Es liegen keine entscheidungswesentlichen Widersprüche vor.
Die Feststellungen zu Identität und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin beruhen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen die Beschwerde nicht entgegentritt sowie den im Akt einliegenden Kopien ihres bosnischen Reisepasses und ihrer österreichischen Aufenthaltskarte.
Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich ergibt sich aus ihren durchgehenden Wohnsitzmeldungen laut dem Zentralen Melderegister (ZMR). Die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus dem Strafregister. Die Ausstellung einer Aufenthaltskarte ist im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) dokumentiert.
Die Feststellungen über die Ehe der Beschwerdeführerin mit einem slowenischen Staatsbürger sowie über die Auflösung des Ehelebens und die erfolgte Scheidung beruhen auf der im Verwaltungsakt einliegenden Kopie des rechtskräftigen Scheidungsurteils vom 26.08.2020 sowie den Angaben der Beschwerdeführerin. Die Beendigung des gemeinsamen Wohnsitzes ergibt sich aus den Eintragungen im Zentralen Melderegister, wobei es letztlich unerheblich bleibt, ob (wie es laut ZMR der Fall gewesen ist) die Beschwerdeführerin oder ihr Ex-Ehemann (wie es laut Angaben der Beschwerdeführerin der Fall gewesen ist) zuerst aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen war. Unstrittig ist, dass seit 22.03.2019 kein gemeinsamer Wohnsitz mehr behördlich gemeldet war und daher spätestens ab diesem Datum auch kein gemeinsamer Haushalt vorlag und die Lebensgemeinschaft aufgelöst war.
Die Feststellungen zu den Angaben der Beschwerdeführerin über ihre anschließenden Bemühungen hinsichtlich einer Wiederaufnahme des Ehelebens mit ihrem nunmehrigen Ex-Ehemann bis Anfang des Jahres 2020 und dem Unwillen ihres Ex-Ehemannes zur Weiterführung der Beziehung folgen ihrem Vorbringen anlässlich der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 29.04.2021.
Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des Ex-Ehegatten und dessen behördlichen Meldungen im Bundesgebiet ergeben sich aus zu seiner Person erfolgten Abfragen im Zentralen Melderegister und im Zentralen Fremdenregister sowie einem Sozialversicherungsdatenauszug.
Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen der Beschwerdeführerin ergeben sich aus den vorgelegten Zeugnissen über die von ihr absolvierten Integrationsprüfungen in Zusammenschau mit dem Umstand, dass sie die Einvernahme vor dem Bundesamt in deutscher Sprache durchführen konnte. Die Zeiten der Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin und des Bezugs von Arbeitslosengeld ergeben sich aus einem aktuellen Versicherungsdatenauszug. Die Feststellungen zu ihren verwandtschaftlichen und sozialen Bindungen im Bundesgebiet sowie zu ihren Wohnverhältnissen ergeben sich aus ihren nachvollziehbaren Angaben. Ihre Selbsterhaltungsfähigkeit resultiert aus ihrer laufenden Erwerbstätigkeit.
Anhaltspunkte für schwerwiegende Erkrankungen oder gesundheitliche Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin sind nicht zutage getreten. Die Feststellungen über ihre Bindungen im Heimatland ergeben sich aus ihren nachvollziehbaren Ausführungen im Verfahren vor dem Bundesamt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
3.1. Die Beschwerdeführerin ist als Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina grundsätzlich Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Durch ihre Ehe mit einem EWR-Bürger, der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, erlangte sie den Status einer begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG.
3.1.1. Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 NAG genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft gemäß § 54 Abs. 5 NAG erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 und 2 NAG erfüllen und die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 1); die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 2); ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird (Z 3); es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann (Z 4) oder ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang – solange er für nötig erachtet wird – ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf ( Z 5).
§ 55 NAG lautet:
„(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs 3 und 54 Abs 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.
(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ quotenfrei zu erteilen.
(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird.“
Bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, welches eine Aufenthaltskarte dokumentieren soll, ist nicht automatisch auch der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet beendet. Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig. Es soll ihm möglich sein, trotz des Wegfalls der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre (VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005; siehe auch Abermann et al, Kommentar NAG 2016, § 55 Rz 7 ff).
Kommt die Niederlassungsbehörde – wie hier – bei der Prüfung des Fortbestands der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs. 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte (Befassung des BFA und Information des Betroffenen) zu setzen.
Die Frage des Bestehens des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts und der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung hat dann das BFA zu beurteilen (vgl VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378). Diese Frage ist anhand des § 66 FPG zu prüfen, ohne dass es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger
iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ankommt. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ setzt voraus, dass eine Aufenthaltsbeendigung im Verfahren vor dem BFA unterbleibt.
3.1.2. Der Beschwerdeführerin wurde zuletzt auf Grund ihrer am 08.03.2018 geschlossenen Ehe mit einem freizügigkeitsberechtigten slowenischen Staatsangehörigen gemäß § 54 Abs. 1 NAG eine Aufenthaltskarte mit Gültigkeit bis 13.04.2023 ausgestellt. Die Beschwerdeführerin ist aufgrund ihrer zum Entscheidungszeitpunkt ausgeübten unselbständigen Erwerbstätigkeit Arbeitnehmerin iSd § 51 Abs. 1 Z 1 erster Fall NAG. Ein Daueraufenthaltsrecht im Sinne des § 53a NAG hat diese nicht erworben. Infolge der mit Urteil eines österreichischen Bezirksgerichts vom 26.08.2020 erfolgten Scheidung der Ehe kommt der Beschwerdeführerin ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht mehr zu, zumal keiner der Ausnahmetatbestände des § 54 Abs. 5 NAG vorliegt:
Unstrittig ist, dass die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens mit Klage der Beschwerdeführerin vom 18.05.2020 keine drei Jahre bestanden hat und die Ehe kinderlos blieb, sodass die Tatbestände des § 54 Abs. 5 Z 1, 2, 3 und 5 NAG jedenfalls nicht verwirklicht wurden. Sofern sich die Beschwerdeführerin unter Verweis auf den im Scheidungsurteil vom 26.08.2020, mit welchem die Ehe aus Alleinverschulden ihres Ehegatten geschieden wurde, festgestellten Sachverhalt auf das Vorliegen eines besonderen Härtefalls im Sinne des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG berief, so ist auch dieser Tatbestand nicht erfüllt worden.
Nach dem mit § 54 Abs. 5 Z 4 NAG umgesetzten Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. C der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) soll der Verlust des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts (nur) dann nicht eintreten, wenn „es aufgrund besonders schwieriger Umstände erforderlich ist, wie etwa bei Opfern von Gewalt im häuslichen Bereich während der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft“. Daran anknüpfend hielt der Verwaltungsgerichtshof in Rn. 14 des Erkenntnisses VwGH 15.03.2018, Ro 2018/21/0002, fest, es jedenfalls keinem Zweifel unterliegen, dass der - mit den Worten des Bundesverwaltungsgerichts (im dort angefochtenen Erkenntnis) - „typische Fall einer Ehescheidung, bei dem ein Eheteil einen anderen Partner findet“, keine „besonders schwierigen Umstände“ darstellt, aufgrund derer die Aufrechterhaltung des bisherigen Aufenthaltsrechts des Drittstaatsangehörigen „erforderlich“ gewesen wäre. Auch im Beschluss VwGH 20.08.2020, Ra 2020/21/0292 bis 0294, Rn. 13, wurde dem Vorbringen, die geschiedene Ehefrau des Drittstaatangehörigen „habe einen Freund gehabt, woran die Ehe gescheitert sei“, unter Bezugnahme auf das Erkenntnis Ro 2018/21/0002 erwidert, ein besonderer Härtefall werde mit dem bloßen Hinweis auf ein - sei es auch ausschließliches - Verschulden des anderen Ehepartners an der Scheidung nicht dargelegt (vgl. zum Ganzen auch VwGH 06.04.2021, Ra 2021/21/0094).
Im vorliegenden Fall wurde die Ehe aus Alleinverschulden des freizügigkeitsberechtigten Ehegatten aufgelöst, wobei im Scheidungsurteil vom 26.08.2020 festgestellt wurde, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin übermäßig viel Alkohol getrunken und kein Interesse an der Beschwerdeführerin bzw. am Eheleben gezeigt hätte; er habe diese beschimpft und von ihr Geld verlangt, um seinen Alkoholkonsum zu finanzieren. Durch das Verhalten des Ehemannes sei die Ehe unheilbar tief zerrüttet worden. Der Beschwerde ist beizupflichten, dass das im gerichtlichen Verfahren festgestellte Verhalten des Ehegatten laut Rechtsprechung des OGH (vgl. etwa OGH 22.10.2009, 3 Ob 215/09b) als schwere Eheverfehlung im Sinn des § 49 EheG zu qualifizieren ist.
Dass jedoch fallgegenständlich – trotz des dargestellten Fehlverhaltens des Ex-Ehegatten – ein besonderer Härtefall im Sinne des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG nicht vorliegt, ergibt sich, wie bereits vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid im Ergebnis zutreffend dargelegt, daraus, dass die Beschwerdeführerin laut ihren Angaben trotz der angeführten Umstände versuchte, nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Frühjahr 2019 auf eine Fortführung der Beziehung bzw. einen Neuanfang mit ihrem Ehemann hinzuwirken, was darauf schließen lässt, dass aus Sicht der Beschwerdeführerin kein Verhalten ihres Ehegatten vorlag, aufgrund dessen ihr wegen der Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe nicht zugemutet werden konnte. Dass ein unter § 54 Abs. 5 Z 4 NAG zu subsumierender Sachverhalt nicht vorliegt, wird auch dadurch bekräftigt, dass die Scheidung seitens der Beschwerdeführerin letztlich deshalb eingeleitet wurde, da sie erkannte, dass ihr Ehemann kein Interesse an der Fortsetzung des Ehelebens besaß. Den diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid wurde in der Beschwerde inhaltlich nicht entgegengetreten. Ein Sachverhalt, welcher sich damit vergleichen lässt, dass einem Drittstaatsangehörigen ein Festhalten an der Ehe nicht zumutbar ist, da er etwa Opfer häuslicher Gewalt wurde, ist demnach im gegenständlichen Fall nicht zu erkennen.
Die Beschwerdeführerin meldete die Scheidung der Ehe nach Rechtskraft des Scheidungsurteils am 22.09.2020 gemäß § 54 Abs. 6 NAG an die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständige Behörde.
Der Frage, ob die eheliche Lebensgemeinschaft durch den Wegzug des Ehegatten der Beschwerdeführerin aus der gemeinsamen Ehewohnung in Februar 2019 oder aber durch den Wegzug der Beschwerdeführerin selbst in eine andere Unterkunft Ende März 2019 erfolgte, kommt in diesem Zusammenhang keine maßgebliche Bedeutung zu, sodass eine abschließende diesbezügliche Feststellung unterbleiben konnte. Anzumerken ist jedoch, dass die Auflösung des gemeinsamen Haushaltes bzw. der „Wegzug“ des Ehegatten aus der gemeinsamen Ehewohnung an eine andere Adresse im Bundesgebiet (noch) nicht zum Verlust des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts der Beschwerdeführerin führte, zumal das im angefochtenen Bescheid zitierte Urteil des EuGH vom30.06.2016, NA, C-115/15, die Auflösung der Lebensgemeinschaft durch Verzug des freizügigkeitsberechtigten Ehepartners ins Ausland behandelte.
Da die Ehe demnach bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens weniger als drei Jahre bestand, kinderlos blieb und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Härtefall iSd § 54 Abs. 5 Z 4 NAG vorliegt, sind die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht infolge der Ehescheidung unter Berücksichtigung von § 54 Abs. 1 und 5 NAG weggefallen.
Soweit in der Beschwerde die Meinung vertreten wurde, dass auch Drittstaatsangehörigen, die wegen der Scheidung von einem EWR-Bürger ihr Aufenthaltsrecht verloren hätten, ebenso wie Drittstaatsangehhörigen, die (unter anderem) mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet gewesen seien, zur Verhinderung einer sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung nach § 27 NAG ein vergleichbares Niederlassungsrecht zustehe, so hat der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 25.01.2018, Ra 2017/21/0247, unter Rn. 10 diesbezüglich klargestellt, dass sich der Anwendungsbereich des § 27 NAG auf die Fälle der in Abs. 1 dieser Bestimmung taxativ aufgezählten Aufenthaltstitel beschränkt und dass (in Bezug auf das hier verfahrensgegenständliche, aus dem Unionsrecht abgeleitete Aufenthaltsrecht) nur die für (ehemalige) Angehörige eines EWR-Bürgers geltende Sondernorm des § 54 Abs. 5 NAG zur Anwendung kommen könne (s. VwGH 18.02.2021, Ra 2020/21/0495).
Gemäß § 66 Abs. 1 FPG können begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Wenn sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben, ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Gemäß § 66 Abs. 2 FPG sind bei einer Ausweisung insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter des Betroffenen, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist gemäß § 66 Abs. 3 FPG zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.
Gemäß § 9 BFA-VG ist ua eine Ausweisung gemäß § 66 FPG, die in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingreift, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im
Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß
§ 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:
Die Beschwerdeführerin lebte bis Februar 2018 in ihrem Elternhaus in Bosnien, ging dort einer Beschäftigung als Verkäuferin nach und hat durch ihre Eltern unverändert familiäre Bindungen im Herkunftsland.
Die geschiedene und kinderlose Beschwerdeführerin hält sich seit Februar 2018 (annähernd) durchgehend in Österreich auf, ist unbescholten und es sind ihr auch sonst keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung anzulasten. Im Bundesgebiet leben eine Schwester, der Schwager sowie eine Nichte und ein Neffe der Beschwerdeführerin, zu welchen sie im regelmäßigen Kontakt steht. Zudem ist sie im Betrieb ihrer Schwester als Arbeiterin beschäftigt. Im Rahmen des Privatlebens und des Integrationsgrads der Beschwerdeführerin ist neben ihren fortgeschrittenen Deutschkenntnissen insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, dass sie aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit seit April 2018 selbsterhaltungsfähig und sozialversichert gewesen ist. Die Beschwerdeführerin bewohnt eine Mietwohnung mit einer Fläche von 50m2, sohin eine ortsübliche Unterkunft, ist im Rahmen ist Beschäftigungsverhältnisses sozialversichert und durch ihre Erwerbstätigkeit zur eigenständigen Bestreitung ihres Lebensunterhaltes in der Lage. Sie hat einen Bekanntenkreis im Bundesgebiet.
Es ist nicht zu erkennen, dass ein weiterer Aufenthalt der unbescholtenen Beschwerdeführerin im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.
Die Beschwerdeführerin ist legal nach Österreich eingereist, hat sich hier rechtmäßig aufgehalten und die Zeit ihres Aufenthaltes in Österreich gerade auch im Hinblick auf die nicht sehr lange Dauer zur sprachlichen, sozialen und beruflichen Integration in beachtlicher Ausprägung genutzt. Berücksichtigt wird in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass die Ehe der Beschwerdeführerin zwar nicht für die in § 54 Abs. 5 Z 1 NAG genannte Dauer von drei Jahren, aber immerhin über zwei Jahre bestanden hat und diese aus Alleinverschulden des früheren Ehegatten geschieden wurde. Nach einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG überwiegen die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet jene an ihrer Ausweisung. Deren Ausspruch bedeutete daher eine Verletzung der Rechte der Beschwerdeführerin nach Art. 8 EMRK.
Die Ausweisung erfolgte daher nicht zu Recht. Dies bedingt auch die Gegenstandslosigkeit des der Beschwerdeführerin gewährten Durchsetzungsaufschubs. In Stattgebung der Beschwerde war der angefochtene Bescheid daher ersatzlos aufzuheben.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, und sich zudem aus der Aktenlage ergibt, dass der angefochtene Bescheid zu beheben war, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG sowie 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
3.2. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Ausweisung Ausweisung aufgehoben Ausweisung nicht rechtmäßig Behebung der Entscheidung Durchsetzungsaufschub ersatzlose Behebung familiäre Interessen Interessenabwägung private Interessen Privatleben ScheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W192.2242908.1.00Im RIS seit
14.09.2021Zuletzt aktualisiert am
14.09.2021