Entscheidungsdatum
21.06.2021Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
I404 2217268-3/4E
BESCHLUSS
In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 15.06.2021, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, hat das Bundesverwaltungsgericht durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Einzelrichterin beschlossen:
A)
Die gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist nicht rechtswidrig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte erstmals nach unrechtmäßiger Einreise am 25.04.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er mit einer Verfolgung durch die Boko Haram begründete.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.02.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen. Des Weiteren wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei und dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.06.2016, Zl. I408 2104897-1/10E, rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.
4. Am 01.09.2016 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete, welcher mit Bescheid vom 12.05.2017 abgewiesen wurde.
5. Am 05.12.2016 wurde der Beschwerdeführer von einer Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde als Staatsangehöriger Nigerias identifiziert. Es wurde seitens der Delegation zugesichert, dem Beschwerdeführer werde verbindlich ein Heimreisezertifikat ausgestellt, sofern diesem kein Aufenthaltstitel bzw. eine Duldung erteilt werde. Am 02.02.2018 wurde der Beschwerdeführer erneut vor eine Delegation der nigerianischen Botschaft geladen, die ihn als Staatsangehörigen Nigerias identifizierte. In weiterer Folge wurde jedoch kein Heimreisezertifikat ausgestellt, da der Beschwerdeführer erklärte, einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel stellen zu wollen. Die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 12.05.2017 gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.03.2018, Zl. I406 2104897-2/6E, als unbegründet abgewiesen.
6. Am 12.03.2018 stellte der Beschwerdeführer dann einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK.
7. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 26.02.2019, Zl. XXXX , wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Zugleich wurde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.08.2019, Zl. I409 2217268-1/5E, wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 26.02.2019 behoben.
8. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10.05.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 12.03.2018 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.). Des Weiteren wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.). Zudem wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Für die freiwillige Ausreise wurde keine Frist gewährt (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Dieser Bescheid erwuchs mit 19.06.2019 unangefochten in Rechtskraft.
9. Am 04.08.2020 brachte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK beim Bundesamt ein, der mit Bescheid des Bundesamtes vom 03.02.2021 zurückgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.04.2021, I405 2217268-2/2E, rechtskräftig abgewiesen.
10. Am 26.04.2021 versuchte der Beschwerdeführer mit einem fremden Reisepass auf dem Luftweg nach Frankreich auszureisen. Er wurde auf Grund eines vom Bundesamt erlassenen Festnahmeauftrages von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen und einvernommen.
11. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 27.04.2021 wurde über den Beschwerdeführer Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
12. Am 29.04.2021 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stand der Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag gab er dazu an, dass er noch immer der Biafra angehöre und sein Leben deshalb in Nigeria in Gefahr sei. An seiner Lage habe sich nichts geändert, er wolle nur nicht zurück in seine Heimat. Auf die Frage, seit wann ihm die Änderung der Situation bzw. seiner Fluchtgründe bekannt sei, gab der Beschwerdeführer an, dass es keine Änderungen gebe. Die aufgenommene Niederschrift wurde dem Beschwerdeführer in einer ihm verständlichen Sprache rückübersetzt.
13. Am 07.05.2021 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und seine Anhaltung in Schubhaft.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 14.05.2021 eine mündliche Verhandlung durch und gab der Beschwerdeführer dabei an, er könne nicht nach Nigeria zurückkehren, da er kein Nigerianer sei, sondern ein Angehöriger der IPOB und für ein freies Biafra kämpfe. Als er um einen Aufenthaltstitel angesucht habe, habe er dem Ansuchen Berichte und ein Bild, das ihn mit der Fahne von Biafra zeige, vorgelegt. Was mit den Angaben im Rahmen der Erstbefragung „Es hat sich an meiner Lage nichts geändert“ gemeint sei, wisse er nicht. Er habe das so nicht gesagt, das müsse ein Fehler sein. Auf den Vorhalt, dass er im Rahmen der Erstbefragung auf die Frage „Seit wann sind Ihnen die Änderungen/Fluchtgründe bekannt“ geantwortet habe „Es gibt keine Änderungen“, gab der Beschwerdeführer an, dass es sich um einen Fehler handeln müsse, er habe das sicher nicht gesagt. Er kämpfe schon seit 2017 für ein freies Biafra, er sei auch aktives Mitglied dieser Bewegung. Auf die Frage, warum er den Asylantrag erst nach der Anordnung der Schubhaft gestellt habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er die ganze Zeit um die Ausstellung eines humanitären Visums gekämpft habe. Er habe nicht gewusst, dass er das Recht habe, um Asyl anzusuchen. Er habe nicht um Asyl angesucht, weil er in Schubhaft sei, sondern weil er nun wisse, dass er einen weiteren Asylantrag stellen könne. Im Verfahren bezüglich der Aufenthaltstitel sei er anwaltlich vertreten gewesen, seine Anwältin habe ihm nicht gesagt, dass er um Asyl ansuchen könne. Er sei mit der Idee des humanitären Aufenthaltstitels zu seiner Anwältin gegangen.
14. Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.05.2021, W250 2242272-1/21E, wurde die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung bis 29.04.2021 (Spruchpunkt I.) und die Beschwerde gegen die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 29.04.2021 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt II.). Es wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen (Spruchpunkt III.), der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wurde ebenfalls abgewiesen (Spruchpunkt IV.) und der Beschwerdeführer zum Ersatz von Aufwendungen in Höhe von € 426,20 verpflichtet (Spruchpunkt V.). Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht unter anderem aus, dass der Beschwerdeführer keine tatsächliche Verfolgung in seinem Herkunftsstaat befürchtet, sondern den Asylantrag in ausschließlicher Verzögerungsabsicht gestellt hat.
15. Am 15.06.2021 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde zum Folgeantrag vom 29.04.2021 niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zum Vorhalt, in der Erstbefragung angegeben zu haben, dass sich nicht geändert habe, zunächst an, dass er das nie gesagt habe. Zusammengefasst führte der Beschwerdeführer weiter aus, dass sein neuer Grund sei, dass er aus Biafra komme und auch ein Mitglied der Gruppe Indigenous People of Biafra sei. Die nigerianische Regierung würde IPOB Mitglieder töten. Der Beschwerdeführer sei seit 2017 ein sehr überzeugter Anhänger der Biafra Bewegung und eines der Executivmitglieder in XXXX . Er habe in Österreich über zehn Mal an Demonstrationen teilgenommen und sei dabei von nigerianischen Beamten beobachtet und fotografiert worden. Die Demonstrationen seien einige Male in XXXX und in XXXX und einige Male auch in XXXX gewesen. Er habe im Jahr 2017 vor der nigerianischen Botschaft in XXXX und im Oktober 2020 vor dem XXXX demonstriert, weitere konkrete Orte könne er nicht nennen, da er nur in XXXX gelebt habe und daher nicht die genauen Ortsbezeichnungen kennen würde.
16. Im Anschluss wurde gegenüber dem Beschwerdeführer mit mündlich verkündetem Bescheid der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Dies wurde damit begründet, dass der nunmehrige Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich zurückzuweisen sei, da der Beschwerdeführer in der Erstbefragung angegeben habe, dass sich an seiner Lage nichts geändert habe und die Angaben in der Einvernahme zur Mitgliedschaft bei Biafra nur oberflächlich gehalten wären. Auch die allgemeine Lage im Herkunftsland, seine persönlichen Verhältnisse und sein körperlicher Zustand, habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Eine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben könne nicht angenommen werden.
17. Am 17.06.2021 wurde der Akt der Gerichtsabteilung I404 zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
1.1. Der volljährige Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht nicht fest.
Seit 27.04.2021 wird der Beschwerdeführer in Schubhaft angehalten und wurde diese Entscheidung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.05.2021, W250 2242272-1/21E, bestätigt.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich.
1.2. Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 25.04.2014 wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 25.02.2015 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.06.2016, Zl. I408 2104897-1/10E, rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Als Fluchtgrund machte der Beschwerdeführer geltend, dass er in XXXX gelebt habe und Boko Haram seinen Vater umgebracht habe.
Der Beschwerdeführer verließ das Bundesgebiet seither nicht.
1.3. Während der Anhaltung in Schubhaft stellte der Beschwerdeführer am 29.04.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu gab er an, dass er noch immer der Biafra angehöre und sein Leben deshalb in Gefahr sei. Es habe sich an seiner Lage nichts geändert, er möchte nur nicht in seine Heimat zurück. Das Vorbringen, nunmehr auf Grund der Mitgliedschaft zu Biafra verfolgt zu werden, weist keinen glaubhaften Kern auf und wurde in ausschließlicher Verzögerungsabsicht erstattet. Der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers wird voraussichtlich zurückzuweisen sein.
1.4. Im Hinblick auf die allgemeine Lage in Nigeria ist seit dem rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.06.2016, mit welchem der Asylantrag abgewiesen wurde, keine maßgebliche Änderung eingetreten. Auch aus der aktuellen Covid-Pandemie ergibt sich keine besondere Gefährdung für den jungen und gesunden Beschwerdeführer.
1.5. Mit (rechtskräftigen) Bescheid der belangten Behörde vom 10.05.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 12.03.2018 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.). Des Weiteren wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.). Zudem wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).
1.6. Es besteht ein seit 30.07.2020 aufrechtes Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Person und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zur Anhaltung in Schubhaft und zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Schubhaft vom 14.05.2021 ergeben sich aus Einsicht in den Gerichtsakt zu W250 2242272-1.
Dass der Beschwerdeführer gesund ist, gab er zuletzt in der niederschriftlichen Einvernahme am 15.06.2021 ausdrücklich an, weshalb in Zusammenschau mit seinem erwerbsfähigen Alter die entsprechenden Feststellungen zu treffen waren.
Der Beschwerdeführer hat zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Schubhaftverfahren am 14.05.2021 angegeben, über keine Familienangehörigen in Österreich zu verfügen.
2.2. Die Feststellungen zum Verfahren betreffend den ersten Asylantrag wurden dem diesbezüglich Gerichtsakt entnommen. Dass der Beschwerdeführer das Bundesgebiet seither nicht verlassen hat, ist aus dem eingeholten Auszug aus dem Melderegister ersichtlich.
2.3. Die Angaben des Beschwerdeführers zum nunmehrigen Asylantrag und dem erstatteten Vorbringen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere der Niederschrift vom 15.06.2021 sowie auch der Einsichtnahme in das jüngste Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend den Beschwerdeführer vom 14.05.2021, W250 2242272-1/21E.
Wie die belangte Behörde kommt auch das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, nun aufgrund seiner Mitgliedschaft bei Biafra verfolgt zu werden, keinen glaubhaften Kern aufweist.
Dies ergibt sich zunächst aus dem Erstbefragungsprotokoll vom 29.04.2021, wenn er nach Vorhalt seines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens auf die Frage, weshalb er nunmehr einen neuerlichen Asylantrag stelle, wie folgt ausführt: „Ich gehöre noch immer der Biafra an und mein Leben ist deshalb in Nigeria in Gefahr. Es hat sich an meiner Lage nichts geändert. Ich möchte nur nicht zurück in meine Heimat.“ Insoweit der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme am 15.06.2021 angibt, dass er dies „so nie gesagt“ habe, handelt es sich dabei offensichtlich um eine reine Schutzbehauptung, zumal ihm das Protokoll der Erstbefragung rückübersetzt und von ihm gegengezeichnet wurde.
Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer seinen nunmehrigen Fluchtgrund erstmals vier Jahre nach dessen Entstehen und aus dem Stand der Schubhaft geltend gemacht hat, unterstreicht die völlige Unglaubhaftigkeit des Vorbringens. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer am 12.03.2018 und am 04.08.2020 Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gestellt hat, und zuletzt auch rechtsfreundlich vertreten war.
Auch ist der belangten Behörde insofern beizupflichten, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Folgeantrag vage und unsubstantiiert ist. So konnte er etwa nur zwei der angeblich stattgefundenen zehn Demonstrationen konkreten Örtlichkeiten zuordnen.
Es kann daher der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass der Asylantrag vom 29.04.2021 rechtsmissbräuchlich gestellt wurde, um die Effektuierung der Asylentscheidung zu verzögern bzw. zu verhindern, zumal dieser Umstand auch bereits vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 14.05.2021, W250 2242272-1/21E, festgestellt wurde.
Da sich der maßgebliche Sachverhalt mangels glaubhaften Kerns des neuen Vorbringens somit nicht entscheidungswesentlich geändert hat, war die Feststellung zu treffen, dass der gegenständliche Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen sein wird (vgl. VwGH 18.09.2019, Ra 2019/18/0338).
2.4. Die Feststellung, dass hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat gegenüber den im zuletzt rechtskräftig negativ abgeschlossenen Verfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten sind, ergeben sich aus einem Vergleich der in den vorherigen Verfahren beigezogenen Länderberichte mit dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden und im aktuellen Bescheid vollständig zitierten Länderberichtsmaterial.
2.5. Dass für den Beschwerdeführer seit 30.07.2020 ein aufrechtes Heimreisezertifikat besteht, ist dem eingeholten Auszug aus dem Fremdenregister zu entnehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:
§12a Abs. 1 und Abs. 2 AsylG 2005 idgF:
(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1.gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,
3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und
4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
§ 22 Abs. 10 AsylG 2005 idgF lautet:
Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.
(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.
3.1.2. Das Verfahren über den ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 25.04.2014 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.06.2016 zu GZ I408 2104897-1/10E rechtskräftig abgeschlossen. Beim Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 29.04.2021 handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25.02.2015, bestätigt vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 21.06.2016, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 abgewiesen. Es liegt somit kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vor.
Aufrechte Rückkehrentscheidung
Das Vorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung ist notwendiges Tatbestandselement des § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005. Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt.
Zuletzt wurde gegen den Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Bescheid vom 10.05.2019 eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer ist dieser nicht nachgekommen, weshalb gegenständlich nach wie vor eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt.
Res iudicata
Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 („wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist“) verweist der VwGH in seiner Entscheidung vom 19.12.2017, Ra 2017/18/0451, auf die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) und führt aus, dass „eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags“ zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für „klar missbräuchliche Anträge“ beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat.
Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern.
Der Folgeantrag des Beschwerdeführers vom 29.04.2021 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist.
In Bezug auf wiederholte Asylanträge muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen.
Der Beschwerdeführer hat im gegenständlich zweiten Rechtsgang anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt erklärt, dass er seit 2017 Mitglied der Biafra und deshalb in Nigeria in Gefahr sei. Diesem Vorbringen fehlt - wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung dargelegt - der glaubwürdige Kern.
Auch die Situation in Nigeria hat sich seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes am 21.ß6.2016 nicht entscheidungswesentlich geändert. Es gab diesbezüglich auch kein Vorbringen des Beschwerdeführers und ist insbesondere auch durch die aktuelle Covid-19 Pandemie keine besondere Gefährdung des jungen und gesunden Beschwerdeführers erkennbar.
Es ist daher davon auszugehen, dass sein neuerlicher Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.
Verletzungen der EMRK
Im ihrer Entscheidung hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde. In der Begründung des Bescheides des Bundesamtes wird ausgeführt, die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung über den vorherigen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert sei und sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert habe.
Auch im nunmehr zweiten Asylverfahren vor dem Bundesamt sind bis dato keine Risiken für den Beschwerdeführer im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden. Es sind auch keine wesentlichen in der Person des Beschwerdeführers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Auch seitens des Beschwerdeführers wurde kein entsprechendes konkretes Vorbringen hiezu getätigt.
Zudem ist grundsätzlich festzuhalten, dass (auch) im Verfahren zur allfälligen Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Ermittlungsverfahren durchzuführen ist (vgl. § 18 AsylG 2005), wobei auch der Grundsatz der notwendigen Einräumung von rechtlichem Gehör (§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist. Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt; es wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör eingeräumt, er wurde einvernommen.
3.2.3. Im Lichte des § 22 BFA - VG war es nicht notwendig, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
3.2.4. Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorgelegen sind, ist der dazu mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 15.06.2021 rechtmäßig erfolgt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar sind und keiner Auslegung bedürfen, geht das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Identität der Sache Privat- und Familienleben real risk reale GefahrEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I404.2217268.3.00Im RIS seit
14.09.2021Zuletzt aktualisiert am
14.09.2021