TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/23 W103 2243432-1

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Veröffentlicht am 23.06.2021
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Entscheidungsdatum

23.06.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs5
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs4

Spruch


W103 2243432-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. AUTTRIT, als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.05.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 9 BFA-VG idgF, §§ 52 Abs. 5 und Abs. 9, 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5, 55 Abs. 4 FPG idgF, § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2003 mit seiner Familie in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 18.06.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Das ehemalige Bundesasylamt wies schließlich den Asylantrag des BF mit Bescheid vom 14.11.2003 gemäß § 7 AsylG 1997 ab, stellte jedoch gemäß § 8 AsylG 1997 fest, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF unzulässig sei und erteilte ihm gemäß § 15 Abs.1 iVm § 15 Abs. 3 Asylgesetz 1997 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 14.11.2004.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des ehemaligen unabhängigen Bundesasylsenats (UBAS) vom 09.03.2004, Zahl: XXXX , stattgegeben und dem BF gemäß § 7 Asylgesetz 1997 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

3. Mit Urteil des LG XXXX zu XXXX , rechtskräftig am 25.06.2016, wurde der BF gemäß § 83 Abs. 1 StGB wegen des Vergehens der Körperverletzung als Bestimmungstäter und gemäß § 107 Abs. 1 StGB wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung ebenfalls als Bestimmungstäter zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je EUR 15 (EUR 3.000) im NEF 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

4. Am 17.01.2019 wurde dem BF der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ gültig bis 17.01.2024 von der BH XXXX erteilt.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 01.02.2019, Zl. XXXX wurde dem BF der zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Z 2 Asylgesetz 2005 aberkannt, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 nicht erteilt.

6. Am 19.08.2020 wurde der BF wegen des Verdachts nach § 28a Abs. 1 SMG festgenommen und in das PAZ XXXX verbracht. Am 20.08.2020 wurde der BF in Untersuchungshaft genommen.

7. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme des BFA vom 20.08.2020 wurden dem BF die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot und die Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht. Überdies wurde eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen bezüglich seiner privaten und familiären Verhältnisse eingeräumt, wovon der BF keinen Gebrauch machte.

8. Mit Urteil des LG XXXX vom 08.02.2021, XXXX , rechtskräftig am 11.02.2021, wurde der BF wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels gemäß §§ 28a Abs. 1 5. Fall, Abs. 4 3. Fall SMG, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, Abs. 1 Z 1 2. Fall und Abs. 2 SMG, wegen des Vergehens der Nötigung gemäß §§ 15, 105 StGB, wegen des Vergehens des Gebrauchs fremder Ausweise gemäß §§ 15, 231 Abs. 1 StGB, wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung gemäß § 229 Abs. 1 StGB und wegen des Verbrechens der schweren Nötigung gemäß §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und 9 Monaten verurteilt.

9. Mit erneuter Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme des BFA vom 01.04.2021 wurden dem BF die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot und die Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht, wobei ihm dazu eine zweiwöchige Stellungnahmefrist eingeräumt wurde, wovon der BF mit Stellungnahme vom 12.04.2021, eingelangt am 19.04.2021, Gebrauch machte. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF mit seiner Familie im Jahr 2003 nach Österreich eingereist sei und sich nicht in ärztlicher Betreuung befinde. Der BF habe in der Russischen Föderation 6 Jahre die Schule besucht und verfüge über seine Eltern, XXXX und XXXX seine Schwester XXXX und sechs Brüder im Bundesgebiet. Diese würden alle in XXXX leben. Der BF habe darüber hinaus einen Onkel in Frankreich. Der BF habe keine Aufenthaltsberechtigung für einen anderen Staat und habe zuletzt als Dachdecker in XXXX gearbeitet. Er verfüge über keine weiteren sozialen Bindungen zu Österreich, könne auf Deutsch nur eingeschränkt lesen und schreiben, spreche Deutsch jedoch gut. Der BF habe in Österreich ganz normal gearbeitet und gelebt, verfüge über keine Bindungen oder Familie in seinem Herkunftsland mehr und verfüge dort auch über keine Wohnadresse. In Österreich habe er bei verschiedenen Firmen gearbeitet, in den Herkunftsstaat wolle er nicht freiwillig zurückkehren. Hinsichtlich seiner im Bundesgebiet begangenen Straftaten führte der BF aus, er habe den falschen Bekanntenkreis kennengelernt und sich verführen lassen.

10. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 05.05.2021 wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt II.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG 2005 gegen den BF ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und der Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Das Bundesamt stellte die Identität sowie die russische Staatsangehörigkeit des BF fest und führte aus, dass er im Jahr 2003 nach Österreich gekommen sei, im Besitz eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“ sei und zuletzt in einer Dachdeckerei gearbeitet habe. Der BF spreche gut Deutsch, sei verheiratet und für zwei Kinder sorgepflichtig. Er sei drogenabhängig und habe sich von 28.06.2018 bis 30.01.2019 in Suchtgifttherapie im XXXX befunden. Der BF zwei im Bundesgebiet zweimal strafgerichtlich verurteilt worden, zuletzt ua. wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten. Auch in Deutschland sei der BF bereits zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der BF lebe im gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau, sowie den beiden gemeinsamen Kindern. Im gleichen Haus würden überdies der Vater des BF, drei weitere Brüder mit Neffen und eine Schwägerin wohnen. Zwei weitere Brüder und die Mutter des BF würden in XXXX leben.

Die letzte strafgerichtliche Verurteilung des BF, begründe die Annahme, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde, weshalb die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes geboten sei. Da der BF schon bedingt durch seine Strafhaft in Deutschland, sowie seine nunmehr in Österreich zu verbüßende Haftstrafe eingeschränkten Kontakt zu seiner Familie habe, wobei er aktuell auch erst zweimal von seiner Ehefrau in Haft besucht worden sei, liege kein schützenswertes Familienleben iSd Art. 8 ERMK vor. Der BF halte sich bereits seit 18 Jahren im Bundesgebiet auf und seine gesamte Kernfamilie befinde sich in Österreich. Bis Herbst 2016 sei der BF ohne wesentliche Unterbrechungen einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgegangen und habe er einen entsprechenden Freundes- und Bekanntenkreis im Bundesgebiet. Aus diesen Gründen sei dem BF ein hohes Maß an privaten Bindungen zuzubilligen, weshalb diese Entscheidung einen Eingriff in sein Privatleben darstelle. Der BF habe jedoch die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch strafrechtswidriges Verhalten gefährdet und könne er den Kontakt zu seiner Familie, im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat, im Wege der Telekommunikation aufrechterhalten, weshalb eine Rückkehrentscheidung zulässig sei. Aus den Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat würden sich keine Gründe für die Annahme einer Unzulässigkeit der Abschiebung ergeben. Da der Verbleib des BF in Österreich eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, sei seine sofortige Ausreise im Hinblick auf die von ihm begangenen Suchtgiftdelikte erforderlich, weshalb der Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen und keine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren war.

11. Mit Stellungnahme vom 26.05.2021 führte der BF aus, dass die BBU GmbH für ihn eine Beschwerde einbringen werde und er im Jahr 2003 mit seiner Familie wegen des Krieges in seinem Heimatland, nach Österreich eingereist sei. Er sei gesund, habe in der Russischen Föderation 6 Jahre lang die Schule besucht, sei in XXXX in der Sparte Maschinenführer angelernt worden und habe einige WIFI Kurse absolviert. Die Ehefrau des BF, XXXX und seine beiden Kinder, XXXX , 13 Jahre (Anm.: tatsächlich 10 Jahre), sowie XXXX , 7 Jahre, hätten mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft und würden in XXXX leben. Seine Eltern seien russische Staatsangehörige und im Besitz eines Visums, sie würden ebenfalls in XXXX leben. Die Geschwister des BF hießen XXXX , 34 Jahre, er lebe in XXXX und sei im Besitz eines Visums, XXXX , 29 Jahre, und XXXX , 25 Jahre, hätten mittlerweile glaublich die österreichische Staatsbürgerschaft. Seine Schwester XXXX , sei russische Staatsangehörige und lebe bei den Eltern. Seine beiden mj. Geschwister, XXXX und XXXX , 16 und 13 Jahre, würden ebenfalls noch bei seinen Eltern leben. Einen Onkel habe der BF darüber hinaus in Frankreich, alle anderen Verwandten befänden sich in Österreich ( XXXX , XXXX ). Der BF habe vor seiner Haft als Dachdecker bei der Firma XXXX in XXXX gearbeitet. Glaublich sei er seit Aberkennung seines Asylstatus immer erwerbstätig gewesen. Der BF sei Eigentümer zweier Häuser in XXXX und XXXX . Er sei bei einem Boxverein in XXXX aktiv gewesen und habe während seiner Mitgliedszeit dort zwei Titel (österr. Meister und Gewichtsklasse 60kg) geholt. Durch seine Arbeit habe er immer wieder Kontakte und Freundschaften geknüpft, wobei er immer einer Arbeit nachgegangen sei. Der BF habe in Österreich eine Familie gegründet, zwei Häuser gekauft, sei Mitglied in einem Verein gewesen und wolle ein normales aufrichtiges Leben führen, sich an die Gesetze halten, sowie in Österreich seine Zukunft und die seiner Familie positiv gestalten. Er habe weder Anknüpfungspunkte in der Russischen Föderation, noch verfüge er dort über eine Adresse. Er könne nicht zurück in die Russische Föderation. Hinsichtlich seiner strafgerichtlichen Verurteilungen führte er aus, dass es ein paar Gründe gäbe sein Fehlverhalten zu erklären, nämlich seine Drogensucht und falsche Freunde. Der BF übernehme nichtsdestotrotz die Verantwortung für sein Handeln und bereue zutiefst was er getan habe.

12. Mit Schriftsatz vom 26.05.2021 wurde durch den rechtsfreundlichen Vertreter des BF fristgerecht, nach Zustellung des Bescheides am 17.05.2021 an ebendiesen Vertreter, Beschwerde im vollen Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, als auch Verletzung von Verfahrensvorschriften, gegen den im Spruch ersichtlichen Bescheid erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF Staatsangehöriger der Russischen Föderation sei und seit Juni 2003 in Österreich lebe. Er verfüge derzeit über einen „Daueraufenthalt EU“, gültig bis zum 17.01.2024 und sei in Österreich zweimal strafgerichtlich verurteilt worden, einmal zu einer Geldstrafe, sowie zuletzt zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten. Derzeit sitze der BF seine Haftstrafe in der JA XXXX ab, er habe jedoch einen Antrag auf Bewilligung des elektronisch überwachten Hausarrests gestellt und verfüge über einen Arbeitgeber, der ihn anstellen würde. In Österreich würde die gesamte Familie des BF leben, insbesondere seine Ehefrau und seine beiden Kinder. Die belangte Behörde habe dem BF lediglich eine schriftliche Stellungnahme gewährt, welche der BF auch eingebracht habe, doch übersehe das BFA, dass auch in rein fremdenrechtlichen Verfahren bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eine Verpflichtung bestehe, eine persönliche Einvernahme durchzuführen. Dies sei aus allgemeinen Verfahrensgrundsätzen abzuleiten, wobei entsprechende höchstgerichtliche Judikatur zitiert wird. Die durchgeführte Beweiswürdigung sei nicht objektiv und unparteiisch durchgeführt worden und könne die belangte Behörde aufgrund der fehlenden Einvernahme des BF keine gesetzmäßige Würdigung seines Privat- und Familienlebens durchführen. Der BF habe vorgebracht, dass er keinerlei Anknüpfungspunkte mehr in der Russischen Föderation habe, wo er nur 6 Jahre lang die Schule besucht habe und nicht in der Lage wäre, aufgrund der wirtschaftlichen Lage wegen der Corona-Pandemie, eine Lebensgrundlage für sich zu schaffen. Seine Familie könne ihn auch nicht von Österreich aus unterstützen, weil diese selbst nicht genug Geld zur Verfügung hätte und die Schulden des BF in Österreich abbezahlt werden müssten. Diesbezügliche Ermittlungen habe die belangte Behörde unterlassen. Eine Abschiebung des BF würde daher Art. 3 EMRK verletzen, weil er in eine aussichtslose Lage geraten würde.

Hinsichtlich der erlassenen Rückkehrentscheidung sei noch auszuführen, dass der BF sich seit 18 Jahren in Österreich, sohin sein halbes Leben, befinde und ausgezeichnet Deutsch spreche. Sein Aufenthalt sei immer legal gewesen und habe er regelmäßig gearbeitet. Der BF könne bei seinem letzten Arbeitgeber erneut arbeiten und mache er derzeit in Haft eine Ausbildung zum Schlosser. Bis zu seiner Inhaftierung habe er mit seiner Frau und seinen Kindern im gemeinsamen Haushalt gelebt, wo er auch nach seiner Enthaftung wieder wohnen werde. Der BF bereue seine Taten, eine Drogentherapie habe bis dato nicht den notwendigen Erfolg gehabt, doch sei er zum Wohle seiner Kinder motiviert, seine Krankheit in den Griff zu bekommen. Die Rückfallquote bei Suchtkranken sei leider relativ hoch, weshalb sich der BF von seinem Freundeskreis losgesagt habe, um seine Chancen auf ein drogenfreies und straffreies Leben zu erhöhen. Der BF hoffe, dass sein Antrag auf elektronisch überwachten Hausarrest bewilligt werde, da er eine Wohnmöglichkeit und einen Arbeitgeber habe.

Die Gefährdungsprognose habe sich auf den Tag der hypothetischen Ausreise zu beziehen, wobei aktenkundig sei, dass der BF bis zum 17.05.2024 in Haft sein werde. Die Behörde habe es unterlassen sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie lange die vom BF ausgehende Gefährdung zu prognostizieren sei und finde sich keine Begründung dahingehend, warum gerade die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer nötig wäre. Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde sei eine nähere Prüfung des Sachverhaltes erforderlich, insbesondere, weil es die belangte Behörde unterlassen habe, die Auswirkungen der gegenständlichen Entscheidung auf das Privatleben des BF in erforderlichem Ausmaß zu berücksichtigen, weshalb die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung angeregt werde.

Der BF beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und insbesondere die Einvernahme seiner Ehefrau zum Beweis des schützenswerten Familienlebens mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern.

8. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte mitsamt dem bezughabenden Verwaltungsakt am 15.06.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, welcher die im Spruch ersichtlichen Personalien führt. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer reiste spätestens im Juni 2003 mit seinen Eltern und Geschwistern, in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 18.06.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des ehemaligen unabhängigen Bundesasylsenats (UBAS) vom 09.03.2004, Zahl: XXXX , wurde der Beschwerde gegen das ehemalige Bundesasylamt stattgegeben und dem BF gemäß § 7 Asylgesetz 1997 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Am 17.01.2019 wurde dem BF der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ gültig bis 17.01.2024 von der BH XXXX erteilt, weshalb ihm mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 01.02.2019 der zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Z 2 Asylgesetz 2005 aberkannt, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 nicht erteilt wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 05.05.2021 wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG 2005 gegen den BF ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt und der Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

1.2. Der Beschwerdeführer weist die folgenden strafgerichtlichen Verurteilungen im Bundesgebiet auf:

1.       LG XXXX vom 21.06.2016 RK 25.06.2016

§ 12 2. Fall StGB § 83 (1) StGB

§ 12 2. Fall StGB § 107 (1) StGB

Geldstrafe von 200 Tags zu je 15,00 EUR (3.000 EUR) im NEF 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

Zu XXXX vom 21.06.2016 RK 25.06.2016

Geldstrafe herabgesetzt auf 180 Tags zu je 15,00 EUR (2.700 EUR) im NEF 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

LG XXXX vom 03.10.2016

2.       LG XXXX vom 08.02.2021 RK 11.02.2021

§§ 28a (1) 5. Fall, 18a (4) Z 3 SMG

§§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG

§ 15 StGB § 105 (1) StGB

§ 15 StGB § 231 (1) StGB

§ 229 (1) StGB

§ 15 §§ 105 (1), 106 (1) Z 1 1. Fall StGB

Freiheitsstrafe 3 Jahre 9 Monate

Der letzten Verurteilung lag zugrunde, dass der BF vorschriftswidrig Suchtgift, in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich zumindest 349,50 Gramm Crystal Meth (beinhaltend durchschnittlich 67% Methamphetamin) und 40 Gramm Heroin (beinhaltend durchschnittlich 20,90% Heroin), an zumindest 11 bekannte sowie an unbekannte Abnehmer großteils gewinnbringend überlassen hat. Darüber hinaus hat der BF ab Mitte Juni 2019 bis zur Festnahme am 19.08.2020 vorschriftswidrig Suchtgift ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und bis zum Eigenkonsum bzw. zur Sicherstellung besessen, indem er regelmäßig – zuletzt teils bis zu 10 Gramm wöchentlich – Crystal Meth (Wirkstoff: Methamphetamin) und gelegentlich Heroin konsumierte und eine geringe Menge Crystal Meth davon bei seiner Festnahme bei sich führte. Darüber hinaus hat der BF zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen Mai 2020 und August 2020 eine seiner Abnehmerinnen durch gefährliche Drohung mit dem Tod, nämlich indem er ihr etwa 15 Minuten lang mit einem Messer an der Kehle entlangfuhr und andeutete, ihr die Kehle durchzuschneiden, zu einer Handlung, nämlich zum erhöhten Verkauf von Suchtgift für ihn, zu nötigen versucht. Des Weiteren hat der BF Anfang August 2020 eine Urkunde, über die er nicht oder nicht allein verfügen durfte, nämlich den Führerschein seines Bruders, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, indem er den Führerschein aus dessen Auto nahm und behielt. Außerdem hat der BF Anfang August 2020 einen amtlichen Ausweis, der für einen anderen ausgestellt war, nämlich den Führerschein seines Bruders, im Rechtsverkehr zu gebrauchen versucht, als wäre er für ihn ausgestellt, indem er diesen bei einer Verkehrskontrolle durch die Polizei gerade vorweisen wollte, als diese ihn jedoch wieder weiterwinkte. Im Übrigen hat der BF zu einem Zeitpunkt im Herbst 2020 in der Justizanstalt XXXX eine seiner Abnehmerinnen durch die sinngemäße und zusammengefasste Äußerung, sie solle ihn entlasten, sonst würden sie sich draußen wiedersehen, wobei er sie kurze Zeit zuvor bereits mit einem Messer bedroht hatte, also durch gefährlichen Drohung zur Änderung ihres Aussageverhaltens, zu nötigen versucht. Im Zuge der Strafbemessung wurde als erschwerend das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen, die beiden einschlägigen Vorstrafen, die Gewinnabsicht und die teilweise Tatbegehung während anhängigem Strafverfahren, als mildernd hingegen das teilweise Geständnis, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, die Suchtgiftsicherstellung sowie der Umstand, der eigenen Suchtmittelabhängigkeit berücksichtigt.

Der BF wurde am 19.08.2020 festgenommen und wurde er am 20.08.2020 in Untersuchungshaft genommen, wo er sich bis zu seiner Verurteilung befand. Derzeit befindet sich der BF in der JA XXXX in Strafhaft, wobei das voraussichtliche Strafende der 17.05.2024 ist.

Der BF wurde auch in Deutschland vom Landgericht XXXX im Februar 2018 wegen der „bewaffneten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, im Zuge derer er bereits das Haftübel verspürte.

Der BF ist drogenabhängig und befand sich von 28.06.2018 bis 30.01.2019 bereits in Therapie im „ XXXX “.

Ein weiterer Aufenthalt des BF im Bundesgebiet stellt eine erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen an der Verhinderung von Straftaten gegen die Rechtsgüter Leib und Leben sowie fremdes Vermögen dar, zumal auf Grundlage seines bisher gesetzten Verhaltens die Gefahr einer neuerlichen Straffälligkeit, insbesondere im Bereich der Suchtgiftkriminalität, zu prognostizieren ist.

Der BF ist seit 12.08.2013 verheiratet und hat zwei mj. Kinder, XXXX geb. am XXXX , und XXXX , geb. am XXXX , für die er sorgepflichtig ist. Die Ehefrau und die beiden Töchter des BF verfügen über die österreichische Staatsbürgerschaft. Bis zu seiner Festnahme lebte er im gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern. Überdies verfügt der BF über seine Eltern, fünf Brüder und eine Schwester im Bundesgebiet, wobei zwei Brüder des BF ebenfalls im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft sind. Ein Bruder des BF lebt in XXXX , die übrigen Familienangehörigen wohnen im selben Haus, in einer anderen Wohnung, wie der BF mit seiner Ehefrau und seinen Töchtern vor seiner Festnahme. Der BF ist im Bundesgebiet bis November 2016 ohne wesentliche Unterbrechungen einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, wobei er ab Herbst 2012 im Bereich der Schwerarbeit/Nachtarbeit tätig war. Von November 2016 bis April 2019 ging der BF keiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach. Zuletzt hat er von 08.04.2019 bis 19.12.2019 und von 09.03.2020 bis zu seiner Festnahme am 19.08.2020 in einer Dachdeckerei gearbeitet. Der BF hat sich während seines 18-jährigen Aufenthalts im Bundesgebiet sehr gute Deutschkenntnisse angeeignet. Der BF verfügt über zwei Eigentumshäuser in XXXX und XXXX im Wert von EUR 200.000 und 100.000, wobei er noch etwa EUR 123.000 an Kreditschulden und privaten Schulden hat. Der BF hat einen Freundeskreis im Bundesgebiet.

Der BF hat in der Russischen Föderation 6 Jahre lang die Schule besucht und dort keine familiären Anknüpfungspunkte mehr. Er spricht Tschetschenisch.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er leidet an keinen lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Krankheiten.

Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Der Beschwerdeführer liefe dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Hinsichtlich der aktuellen Lage in der Russischen Föderation wird auf die durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ins Verfahren eingeführten und von Seiten des Beschwerdeführers nicht bestrittenen Länderfeststellungen verwiesen, denen sich das Bundesverwaltungsgericht vollinhaltlich anschließt.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde und die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Feststellungen zur aktuellen, im Hinblick auf das gegenständliche Verfahren relevanten Situation in der Russischen Föderation. Diese Feststellungen beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen und bilden dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, sodass vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles und auch unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen kein Anlass besteht, an der Richtigkeit der von der belangten Behörde getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Der Beschwerdeführer ist dem Inhalt dieser Länderberichte nicht substantiiert entgegengetreten. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Aufgrund der erfolgten Identitätsfeststellung des BF im dem im vorliegenden Akt einliegenden Strafurteil, steht die Identität des BF fest.

Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich in Zusammenschau mit dem eingeholten, dem BF bekannten Urteil des LG XXXX vom 08.02.2021. Aus diesem Urteil sowie dem Verwaltungsakt ergibt sich überdies die Verurteilung des BF in Deutschland.

Die Feststellungen zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers in Österreich, fehlenden bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat, seiner Ausbildung, der absolvierten Drogentherapie sowie zu seinem Gesundheitszustand resultieren vorwiegend aus den Ausführungen der gegenständlichen Beschwerde und den Angaben des BF in der Stellungnahme vom 26.05.2021. Dass er bis zu seiner Festnahme mit seiner Ehefrau und seinen Kindern im gemeinsamen Haushalt gewohnt hat, ergibt sich aus aktuell eingeholten ZMR-Auszügen, woraus darüber hinaus deren österreichische Staatsbürgerschaft ersichtlich ist. Die Feststellungen zu den beruflichen Tätigkeiten des BF ergeben sich neben seinen eigenen Angaben, aus einem AJ-Web Auszug.

Im gesamten Verfahren haben sich keine Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Abschiebung in seinem Herkunftsstaat einen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit erleiden würde oder aufgrund seiner persönlichen Umstände nicht in der Lage wäre, die notdürftigsten Existenzmittel aus eigenem zu bestreiten. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen gesunden, volljährigen 36-jährigen Mann ohne besonderen Schutzbedarf. Dem BF wäre es möglich, im Herkunftsstaat als junger, gesunder Mann, welchem eine uneingeschränkte Teilnahme am Erwerbsleben möglich ist, grundsätzlich unabhängig von familiärer Unterstützung zu leben. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen, welche ihn in seiner Fähigkeit, am Erwerbsleben teilzunehmen, einschränken oder ihn im Falle einer Rückkehr potentiell in eine existenzbedrohende Notlage bringen würden.

Sofern in der Beschwerde vorgebracht wird der BF habe im Herkunftsstaat keine familiären Anknüpfungspunkte mehr und dort lediglich 6 Jahre lang die Schule besucht, weshalb es für ihn schwer sein werde in der Russischen Föderation, die wirtschaftlich von der Corona-Krise getroffen sei, eine Lebensgrundlage zu erwirtschaften und könne ihn auch seine Familie aufgrund finanzieller Angespanntheit sowie der Schulden des BF in Österreich, die sie abbezahlen müssten, nicht unterstützen, ist grundsätzlich entgegenzuhalten, dass der BF zumindest Tschetschenisch spricht, 18 Jahre im Herkunftsstaat gelebt und dort 6 Jahre lang die Schule besucht hat, weshalb er mit den dortigen Gegebenheiten vertraut ist. Außerdem ist er jung und gesund, weshalb nicht erkannt werden kann, weshalb der BF nicht in der Lage sein sollte am Erwerbsleben in der Russischen Föderation teilzunehmen. Im Übrigen ist der BF im Besitz zweier Eigentumshäuser in Österreich (insgesamt im Wert von EUR 300.000), wobei er vom Erlös eines allfälligen Verkaufs bis zur Annahme einer Arbeitsstelle seinen Lebensunterhalt finanzieren könnte. Diesfalls wäre auch eine Unterstützung durch seine Familie möglich und wäre diese nicht durch seine Schulden belastet. Warum es dem BF, welcher (aufgrund des Aufwachsens in einem tschetschenischen Familienverband) mit den Gegebenheiten und der gebräuchlichen Sprache in seinem Herkunftsstaat ausreichend vertraut ist, nicht möglich sein sollte, nach einer Rückkehr eigenständig für seinen Lebensunterhalt aufzukommen, ist für das erkennende Gericht nicht ersichtlich. Im Übrigen hat der BF bis zu seinem 18. Lebensjahr in Tschetschenien gelebt, weshalb er dort Sozialisierung erfahren und bereits prägende Jahre seiner Jugend verbracht hat.

Der BF hat in Österreich umfangreiche Berufserfahrung gesammelt, welche er sich am tschetschenischen bzw. russischen Arbeitsmarkt ebenso wie seine guten Deutschkenntnisse zu Nutzen machen wird können. Zudem stünde es ihm offen, als russischer Staatsbürger auf Leistungen des dortigen Sozialsystems zurückzugreifen und zur Erleichterung einer Niederlassung im Herkunftsstaat Rückkehrhilfe gemäß § 52a BFA-BG in Anspruch zu nehmen.

Insgesamt ist auch unter Berücksichtigung der bereits langen Ortsabwesenheit des BF kein konkretes Risiko zu erkennen, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht in der Lage sein würde, sein Existenzminimum zu sichern. Aus den Länderberichten ergibt sich kein Hinweis, dass die wirtschaftliche Lage in Tschetschenien derart prekär ist, als dass alle Bewohner der Teilrepublik von existenzgefährdenden Lebensbedingungen betroffen wären. Da der Beschwerdeführer demnach keine besondere Vulnerabilität aufweist, ist ihm eine Niederlassung in der Herkunftsregion seiner Familie, Tschetschenien, ebenso wie die Ansiedelung in einem anderen Teil der Russischen Föderation, möglich und zumutbar.

Zugrundelegung der medial ausführlich kolportierten Entwicklungen auch im Herkunftsland bislang keine derartige Entwicklung erkannt werden, die im Hinblick auf eine Gefährdung nach Art. 3 EMRK eine entscheidungsrelevante Lageänderung erkennen lässt (zu den aktuellen Zahlen vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1112838/umfrage/erkrankungs-und-todesfaelle-aufgrund-des-coronavirus-in-russland/). Unabhängig davon liegen sowohl im Hinblick auf sein Alter als auch seinen Gesundheitszustand keine Anhaltspunkte vor, wonach der Beschwerdeführer bei einer allfälligen COVID-19 Infektion zu einer Hoch-Risikogruppe zählen würde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung (§§ 57 und 55 AsylG sowie § 52 FPG) wird Folgendes erwogen:

3.2.1. Gemäß § 52 Abs. 5 FPG idgF hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ verfügt, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG die Annahme rechtfertigen würde, dass der weitere Aufenthalt des BF eine gegenwärtige, hinreichende schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle.

§ 53 lautet:

(1)      Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(2)      …

(3)      in Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

[…]

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger der Russischen Föderation Drittstaatsangehöriger und war zuvor rechtmäßig als Asylberechtigter im Bundesgebiet aufhältig. Nunmehr ist er im Besitz eines „Daueraufenthaltes EU“. Der BF wurde zuletzt zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt, § 53 Abs. 3 Z 5 FPG ist sohin erfüllt, wobei in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 FrPolG 2005 das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert ist, was die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinn der Z 5 bis 8 vor, wie vom BF der Fall, von unbefristeter Dauer ermöglicht. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung liegen daher vor.

3.2.2. Die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung steht unter dem Vorbehalt des § 9 Abs. 1 BFA-VG, wonach dann, wenn (insbesondere) durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, deren Erlassung (nur) zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Dazu judiziert der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist (siehe zum Ganzen etwa VwGH 25.1.2018, Ra 2017/21/0218, Rn. 20, mwN).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979).

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 8.3.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).

Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31. 10. 2002, 2002/18/0190).

Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen ((vgl. grundlegend etwa VfGH 29.9.2007, B328/07, VfSlg 18223; sowie aus der jüngeren Rechtsprechung VwGH 7.9.2016, Ra 2016/19/0168; VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074, VwGH 18.3.2016, Ra 2015/01/0255; VwGH 15.3.2016, Ra 2016/19/0031; ebenso Ra 2016/19/0032 Ra 2016/19/0034 Ra 2016/19/0033 unter Hinweis auf Stammrechtssatz VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0265 sowie VwGH 28.4.2014, Ra 2014/18/0146-0149 und 22.7.2011, 2009/22/0183; siehe auch Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 9 BFA-VG, K15 bis K30.; Ecker/Ziegelbecker, Die Rückkehrentscheidung in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Jahrbuch Asyl- und Fremdenrecht 2017, 151 bis 215).

Im Rahmen der so gebotenen Interessenabwägung kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter dem Gesichtspunkt der Bindungen zum Heimatstaat (§ 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG) auch der Frage Bedeutung zukommen, ob sich der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage schaffen kann (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101; siehe darauf bezugnehmend etwa auch VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119, 21.12.2017, Ra 2017/21/0135). Ferner judiziert der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass eine in Österreich vorgenommene medizinische Behandlung im Einzelfall zu einer maßgeblichen Verstärkung der persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet führen kann. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob diese medizinische Behandlung auch außerhalb Österreichs erfolgen bzw. fortgesetzt werden kann (vgl. dazu etwa VwGH 23.3.2017, Ra 2017/21/0004, Rn. 12, mwN; 22.8.2019, Ra 2019/21/0026-8).

Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei sind Beginn, Dauer und Rechtsmäßigkeit des Aufenthalts, wobei bezüglich der Dauer vom EGMR keine fixen zeitlichen Vorgaben gemacht werden, zu berücksichtigen; das Ausmaß der Integration im Aufenthaltsstaat, die sich in intensiven Bindungen zu Dritten, in der Selbsterhaltungsfähigkeit, Schul- und Berufsausbildung, in der Teilnahme am sozialen Leben und der tatsächlichen beruflichen Beschäftigung; Bindung zum Heimatstaat; die strafrechtliche Unbescholtenheit bzw. bei strafrechtlichen Verurteilungen auch die Schwere der Delikte und die Perspektive einer Besserung/Resozialisierung des Betroffenen bzw. die durch die Aufenthaltsbeendigung erzielbare Abwehr neuerlicher Tatbegehungen; Verstöße gegen das Einwanderungsrecht.

3.2.2.1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging im Rahmen der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon aus, dass im vorliegenden Fall die schützenwerten familiären und privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet zurücktreten müssen und fällt die gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts in Übereinstimmung mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das die Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen hat, zu Lasten des Beschwerdeführers aus und stellt die Rückkehrentscheidung jedenfalls keinen unzulässigen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK dar.

Im vorliegenden Fall stellte der damals 18-jährige Beschwerdeführer im Jahr 2003 infolge illegaler Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei ihm mit Bescheid des UBAS vom 09.03.2004, Zl. XXXX zweitinstanzlich der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde. Seit diesem Zeitpunkt hielt sich der Beschwerdeführer durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Seit 17.01.2019 verfügt der BF über den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ und wurde ihm in der Folge sein Asylstatus mit Bescheid des BFA vom 01.02.2019, Zl. XXXX aberkannt.

3.2.2.2. Im Bundesgebiet befinden sich die gemeinsam mit dem BF eingereisten bzw. im Bundesgebiet nachgeborenen Angehörigen (seine Eltern, fünf Brüder und eine Schwester) sowie seine Ehefrau und seine beiden mj. Töchter. Der BF befindet sich derzeit seit seiner Festnahme am 19.08.2020 in Haft und besteht aus diesem Grund derzeit kein gemeinsamer Haushalt mit seinen Familienangehörigen. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann geschützt, wenn es kein Zusammenleben gibt, weshalb ein schützenswertes Familienleben des BF mit seinen beiden mj. (10 und 7 Jahre alten) Töchtern und seiner Ehefrau iSd Art. 8 EMRK besteht. Mit seinen übrigen Familienangehörigen besteht kein gemeinsamer Haushalt und ist kein über die normalen Maße hinausgehendes Verhältnis zwischen Eltern und volljährigen Kindern bzw. zwischen Geschwistern hervorgekommen, weshalb zwischen diesen und dem BF kein schützenswertes Familienleben iSd Art. 8 ERMK vorliegt. Durch die über den BF verhängte Untersuchungshaft und die nunmehr zu verbüßende Strafhaft war und ist dessen Kontakt mit seiner gesamten Familie seit 19.08.2020 überdies lediglich sehr eingeschränkt möglich.

Aufgrund des vorliegenden schützenswerten Familienlebens des BF mit seiner Ehefrau und seinen Kindern, war dem Beweisantrag seine Ehefrau dazu einzuvernehmen, nicht zu folgen, zumal daraus keine neuen entscheidungswesentlichen Tatsachen zu erwarten waren.

Zugunsten des BF ist zu werten, dass er sich seit seiner Asylantragstellung im Juni 2003, genau 18 Jahre und sohin sehr lange Zeit, durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, in Österreich umfangreiche, bis Ende 2016 ohne wesentliche Unterbrechungen, Arbeitserfahrung, auch im Bereich der Schwerarbeit/Nachtarbeit und zuletzt von April 2019 bis 19.12.2019 sowie von 09.03.2020 bis zu seiner Verhaftung, gesammelt hat, gut Deutsch spricht, sich im Bundesgebiet eine Lebensgrundlage geschaffen, eine Familie gegründet und sich einen Freundeskreis aufgebaut hat. Der BF musste sich sohin bei Setzung seiner Integrationsschritte auch nicht seines unsicheren Aufenthalts bewusst sein, da er sich seit dem Jahr 2004 rechtmäßig, als Asylwerber und zuletzt mit einem „Daueraufenthalt EU“ in Österreich aufhielt. Vor dem Hintergrund seines langjährigen Aufenthalts sind seine Deutschkenntnisse jedoch noch nicht als außergewöhnlich zu qualifizieren. Zudem ist insbesondere das Familienleben des BF mit seiner Ehegattin und seinen zwei minderjährigen Kindern zu berücksichtigen, zumal bei der Beurteilung der Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung auch auf die wechselseitigen Beziehungen eines Elternteils und seines Kindes sowie auf die im Entscheidungszeitpunkt konkret absehbaren zukünftigen Entwicklungen Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH vom 24.09.2019, Ra 2019/20/0420).

Zweifellos haben sowohl die Ehefrau des BF als auch deren Kinder ein berechtigtes Interesse an der Fortführung des Familienlebens – jedenfalls nach der Haftentlassung des BFA – , zumal bis zur Verhaftung des BF ein gemeinsamer Haushalt bestanden hat und insbesondere den minderjährigen Kindern des BF (7 und 10 Jahre alt) ermöglicht werden soll, die Beziehung zu ihrem Vater zu sichern. Das Familienleben des BF mit seiner Ehefrau und seinen Kindern ist jedoch aufgrund seiner Haft seit 19.08.2020 sehr stark eingeschränkt und wird bis zu seiner (voraussichtlichen) Haftentlassung am 17.05.2024 keine maßgebliche Änderung erfahren. Infolge seiner mehrjährigen zu verbüßenden Haftstrafe, lebt der BF weder mit seiner Ehefrau, noch mit seinen Kindern im gemeinsamen Haushalt. Im Übrigen obliegt es seit der Inhaftierung des BF seiner Ehefrau allein für die Kindererziehung und den Lebensunterhalt der gemeinsamen Kinder zu sorgen. Die Ehefrau des BF und die gemeinsamen Kinder sind österreichische Staatsbürger, weshalb sie den BF im Herkunftsstaat besuchen oder Treffen in Drittstaaten arrangiert werden könnten. Inzwischen ist es dem BF und seiner Ehefrau sowie den gemeinsamen Kindern, im Wege moderner Kommunikationsmittel (zB Skype, E-Mail, etc.), Kontakt zu halten. Das gilt darüber hinaus ebenfalls für die übrigen im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen des BF.

Zu den Lasten des BF wirkt sich jedoch aus, dass er von November 2016 April 2019 keiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgegangen ist und in diesem Zeitraum (insgesamt ca. 12 Monate) regelmäßig Zuwendungen des AMS bezogen hat. Für den BF liegt aktuell aufgrund seiner Inhaftierung keine Selbsterhaltungsfähigkeit vor. Besonders stark ins Gewicht zu seinen Lasten fallen jedoch seine beiden rechtskräftigen, strafgerichtlichen Verurteilungen im Bundesgebiet am 21.06.2016 und am 08.02.2021 wegen des Vergehens der Körperverletzung, des Vergehens der gefährlichen Drohung, des Verbrechens des Suchtgifthandels, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften, des Verbrechens der schweren Nötigung, des Vergehens der Urkundenunterdrückung, des Vergehens des Gebrauchs fremder Ausweise und des Vergehens der Nötigung. Insbesondere hervorzuheben ist dabei die Betreibung von Suchtgifthandel über einen Zeitraum von zumindest einem Jahr und zwei Monaten sowie der erneuten Begehung des Vergehens der Nötigung in Justizhaft im Herbst 2020, indem der BF einer Abnehmerin in Haft drohte, sie solle zu seinen Gunsten aussagen, widrigenfalls sie sich draußen wiedersehen würden. Beeindruckend ist, dass auch das bereits spürbare Haftübel den BF nicht davon abhalten konnte, eine erneute strafbare Handlung zu begehen. Bereits im Februar 2018 wurde der BF in Deutschland wegen „bewaffneten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei ihn auch dies, trotz Verspürens des Haftübels, nicht davon abhielt, in Österreich neuerlich straffällig zu werden.

Dem Strafurteil vom 08.02.2021 ist zu entnehmen, dass der BF vorschriftswidrig Suchtgift, in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich Crystal Meth und Heroin, in näher genannten Mengen, an zumindest 11 bekannte sowie an unbekannte Abnehmer großteils gewinnbringend überlassen hat. Darüber hinaus hat der BF ab Mitte Juni 2019 bis zur Festnahme am 19.08.2020 vorschriftswidrig Suchtgift ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und bis zum Eigenkonsum bzw. zur Sicherstellung besessen, indem er regelmäßig Crystal Meth und gelegentlich Heroin konsumierte und eine geringe Menge Crystal Meth davon bei seiner Festnahme bei sich führte. Darüber hinaus hat der BF zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen Mai 2020 und August 2020 eine seiner Abnehmerinnen durch gefährliche Drohung mit dem Tod, nämlich indem er ihr etwa 15 Minuten lang mit einem Messer an der Kehle entlangfuhr und andeutete, ihr die Kehle durchzuschneiden, zu einer Handlung, nämlich zum erhöhten Verkauf von Suchtgift für ihn, zu nötigen versucht. Des Weiteren hat der BF Anfang August 2020 eine Urkunde, über die er nicht oder nicht allein verfügen durfte, nämlich den Führerschein seines Bruders, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, indem er den Führerschein aus dessen Auto nahm und behielt. Außerdem hat der BF Anfang August 2020 einen amtlichen Ausweis, der für einen anderen ausgestellt war, nämlich den Führerschein seines Bruders, im Rechtsverkehr zu gebrauchen versucht, als wäre er für ihn ausgestellt, indem er diesen bei einer Verkehrskontrolle durch die Polizei gerade vorweisen wollte, als diese ihn jedoch wieder weiterwinkte. Im Übrigen hat der BF zu einem Zeitpunkt im Herbst 2020 in der Justizanstalt XXXX eine seiner Abnehmerinnen durch die sinngemäße und zusammengefasste Äußerung, sie solle ihn entlasten, sonst würden sie sich draußen wiedersehen, wobei er sie kurze Zeit zuvor bereits mit einem Messer bedroht hatte, also durch gefährlichen Drohung zur Änderung ihres Aussageverhaltens zu nötigen versucht.

Der BF wurde mit Strafurteil des LG XXXX vom 08.02.2021 zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Vor jenem Hintergrund bleibt festzuhalten, dass Suchtgifthandel ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0249 mwN). Die über so lange Zeit erfolgte Betreibung von Suchtgifthandel bringt lediglich den Unwillen des BF zur Befolgung der österreichischen Gesetze zum Ausdruck und seine Missachtung der körperlichen Integrität, nämlich der Gesundheit Dritter, sowie dem Vermögen anderer.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden zwar regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen und es kann grundsätzlich nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, eine Aufenthaltsbeendigung ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen werden (vgl. etwa VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0340, mwN).

Dennoch wird ein langjähriger Aufenthalt, wie beim BF, jedenfalls durch massives strafrechtliches Fehlverhalten relativiert (VwGH vom 18.10.2018 Ra 2017/19/0109) und ist eine Rückkehrentscheidung jedenfalls bei mehrfacher Straffälligkeit trotz eines mehr als 10- jährigen Aufenthaltes zulässig (VwGH 27.08.2018, Ra 2018/18/0351).

Nach Ansicht des Gerichts, fällt die gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung zu Lasten des BF aus und würde die Rückkehrentscheidung jedenfalls keinen unzulässigen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK darstellen:

Dem bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber. Ihm steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

Im Fall des Beschwerdeführers, der im Rahmen seiner 18-jährigen Aufenthaltsdauer zweifellos nicht unerhebliche Integrationsschritte in Österreich gesetzt hat, kommt hinzu, dass er zwei rechtskräftige, strafgerichtliche Verurteilungen im Bundesgebiet, sowie eine in Deutschland aufzuweisen hat, insbesondere im Bereich der Suchtgiftkriminalität, sowie der Delikte gegen Leib und Leben, die gegen das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit sowie das Vermögen gerichtet sind. Diese spiegeln die Gleichgültigkeit des BF gegenüber der Gesundheit, und damit der körperlichen Unversehrtheit anderer wider.

Es ist unbestritten, dass aufenthaltsbeendigende Maßnahmen auch unter dem Aspekt der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen zu sehen sind. Der bisherige Aufenthalt des Beschwerdeführers beeinträchtigte gewichtige Grundinteressen der Gesellschaft – vor allem das Interesse an Ordnung sowie Sicherheit, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und dem Vermögen Dritter.

Vor diesem Hintergrund gefährdet ein weiterer Aufenthalt des BF im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit, zumal in Anbetracht der Begehung des Verbrechens des Suchtgifthandels über einen Zeitraum von über einem Jahr und seiner erheblichen Gewaltbereitschaft, insbesondere durch Bedrohung einer Abnehmerin mit einem Messer, sowie durch erneute gefährliche Drohung gegen diese in Haft, jedenfalls von erheblicher krimineller Energie begangener Taten gesprochen werden muss.

Aufgrund des gravierend strafrechtswidrigen Verhaltens des Beschwerdeführers müssen in einer umfangreichen Gesamtabwägung, dessen Interessen an einer Aufrechterhaltung des persönlichen Kontakts zu seinen in Österreich lebenden Angehörigen, gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung zurücktreten. Der Beschwerdeführer hat durch die mehrfache Begehung schwerwiegender vorsätzlicher Straftaten eine Trennung von seinen Angehörigen bereits ob der damit verbundenen mehrjährigen Strafdrohungen bewusst in Kauf genommen und es musste ihm überdies bewusst sein, die Begehung von strafbaren Handlungen auch seine Aufenthaltsbeendigung zur Folge haben kann. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Schutzwürdigkeit der Beziehung zu seinen im Bundesgebiet lebenden Bezugspersonen als maßgeblich gemindert. Nicht verkannt wird, dass der BF verheiratet ist und über zwei mj. Kinder (7 und 10 Jahre alt) im Bundesgebiet verfügt, die allesamt im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft sind. Aus diesem Grund kann ein gemeinsamer Umzug mit dem BF in seinen Herkunftsstaat nicht erwartet werden und ist ein solcher nicht zumutbar. Diesen wäre es jedoch möglich den BF in seinem Herkunftsstaat zu besuchen bzw. allfällige Treffen in Drittstaaten zu organisieren. Eine Trennung von Familienangehörigen, mit denen ein gemeinsames Familienleben im Herkunftsland, wie im vorliegenden Fall, nicht zumutbar ist, im Ergebnis dann gerechtfertigt, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie etwa bei Straffälligkeit des Fremden (VwGH vom 19.06.2020, Ra 2019/19/0475), was beim BF, wie in einer oben dargelegten umfassenden Gesamtabwägung, jedenfalls gerechtfertigt ist. Im Übrigen ist zu bezweifeln inwieweit der BF seinen Kindern aufgrund seiner erheblicher Straftaten ein Vorbild sein und seiner Vaterrolle gerecht werden kann.

Dem Beschwerdeführer steht es offen, den Kontakt zu seinen in Österreich lebenden Angehörigen, zu seinen Eltern und Geschwister sowie seiner Ehefrau und seinen Kindern auch nach einer Rückkehr in die Russische Föderation telefonisch oder über das Internet aufrechtzuerhalten und allfällige Treffen in Drittstaaten zu organisieren. Die ausgesprochene Rückkehrentscheidung ist demnach nicht dazu geeignet, einen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens des Beschwerdeführers darzustellen.

Es liegen keine Anhaltspunkte vor, wonach der BF selbst nach 18 Jahren im Bundesgebiet seinen Bezug zum Herkunftsland komplett verloren hätte. Schließlich ist er in der Russischen Föderation bis zu seinem 18. Lebensjahr aufgewachsen, wurde bis

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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