Entscheidungsdatum
25.06.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I422 2197075-2/33E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Kamerun, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Clemens LAHNER, Burggasse 116, 1070 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.04.2021, zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin auf Dauer unzulässig ist. XXXX wird gemäß §§ 54, 55 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ auf die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
II. Die Spruchpunkte V. bis VII. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin stellte erstmalig am 28.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie mit einer Verfolgung aufgrund der Mitgliedschaft ihres Mannes bei der SCNC Partei begründete. Den Antrag wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 26.04.2018, Zl. 1049382808-140329695 ab. Die belangte Behörde erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und erklärte ihre Abschiebung nach Kamerun für zulässig. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 12.07.2018, GZ: I414 2197075-1/8E als unbegründet ab. Die Entscheidung erwuchs, nachdem der Verfassungsgerichtshof eine dagegen erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 25.10.2018, E 3130/2018-9 an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat und dieser eine dagegen erhobene außerordentliche Revision mit Beschluss vom 21.11.2018, Ra 2018/01/0480-4 zurückwies, in Rechtskraft.
2. Am 02.04.2019 stellte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte sie aus, dass ihre alten Fluchtgründe nach wie vor weiterbestünden und sie diese zur Gänze aufrechthalte. Zudem habe sie am 21.03.2019 ein Schreiben der kamerunischen Justiz erhalten, mit dem Sie darüber informiert worden sei, dass ihr eine Gefängnis- und die Todesstrafe drohe. Des Weiteren habe die Beschwerdeführerin in Österreich an Demonstrationen gegen die kamerunische Regierung teilgenommen.
3. Nach Durchführung einer niederschriftlichen Einvernahme am 09.04.2019 und am 30.04.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG zurück (Spruchpunkt I. und II.). Sie erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Kamerun zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für eine freiwillige Ausreise wurde der Beschwerdeführerin nicht gewährt (Spruchpunkt VI.). Zugleich erließ die belangte Behörde über die Beschwerdeführerin ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren (Spruchpunkt VII.).
4. Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz ihrer Rechtsvertretung vom 17.06.2019 fristgerecht Beschwerde. Begründend führte sie im Wesentlichen eine fehlende inhaltliche Auseinandersetzung der Behörde mit ihrem Gesundheitszustand an und sei ihr eine Rückkehr nach Kamerun aufgrund ihrer HIV-Erkrankung nicht möglich.
5. Mit Erkenntnis vom 24.06.2019 I422 2197075-2/4E wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab.
6. Gegen dieses Erkenntnis brachte die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Erlassung einer Rückkehrentscheidung, der Zulässigkeit der Abschiebung nach Kamerun, der nicht zuerkannten Frist für die freiwillige Rückkehr und das befristete Einreiseverbot eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof ein. Die Zurückweisung von Asyl und die Nichtgewährung von subsidiärem Schutz wegen bereits entschiedener Sache wurden nicht angefochten und erwuchsen in Rechtskraft.
7. Der Verwaltungsgerichtshof behob mit Erkenntnis vom 17.11.2021, Ra 2019/19/0308 das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes im Umfang seiner Anfechtung. Das Bundesverwaltungsgericht sei in seiner Entscheidung von einem unzutreffenden Gesundheitszustand ausgegangen. Des Weiteren habe sich das Bundesverwaltungsgericht nicht mit dem Beschwerdevorbringen, wonach Medikamente in Kamerun nicht kostenlos zur Verfügung stünden und die Beschwerdeführerin die Kosten für die Medikamente nicht aufbringen könne, auseinandergesetzt.
8. Am 22.04.2021 fand in gegenständlicher Angelegenheit eine Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Kamerun und somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Sie gehört der anglophonen Volks- und Sprachgruppe Kameruns an. Ihre Identität steht nicht fest.
Die Beschwerdeführerin leidet an einer HIV-Infektion im Stadium CDC C3, definiert durch das Myobakterium tuberculosis pulmonal. Ihre HIV-Infektion wurde im August 2015 diagnostiziert und zur Behandlung dagegen umgehend eine antivirale HIV-Therapie und eine Tuberkulosetherapie eingeleitet. Die tuberkolastische Therapie wurde 2016 abgesetzt. Die antivirale HIV-Therapie zur Behandlung der HIV-Infektion besteht nach wie vor. Der Immunstatus der Beschwerdeführerin hat sich durch die HIV-Therapie zwischenzeitig gebessert und ist der Gesamtzustand der Beschwerdeführerin zufriedenstellend. Die Beschwerdeführerin befindet sich in regelmäßiger ärztlicher Kontrolle. Dabei unterzieht sie sich rund alle drei Monate einem Blut- und Harntest. An deren Ergebnissen richtet sich die Anpassung ihrer HIV-Medikation. Zudem leidet die Beschwerdeführerin an degenerativ bedingten Bandscheibenveränderungen im Bereich der Halswirbelsäule in Form einer alten Deckplattenimpression des HWK 5, Chondrosen der Halswirbel im Bereich C2 bis C5 und degenerativen Veränderungen zwischen Densspitze und vorderem Atlasbogen. Bei der Beschwerdeführerin wurden auch ein Fundusmyom, ein Vitamin D Mangel sowie das Vorliegen psychischer Beeinträchtigungen festgestellt. Überdies lag ihr Schilddrüsenhormon THS bei einer Blutuntersuchung im Oktober 2020 außerhalb des Normbereiches. Des Weiteren besteht der Verdacht auf Gastritis. Zu Behandlung ihrer Leiden nimmt die Beschwerdeführerin nachstehende Medikamente zu sich: Eviplera (Wirkstoffkombination: Emtricitabin, Rilpivirinhydrochlorid und Tenofovirdisoproxil), Symbicort Turbohaler (Wirkstoff: Budesonid, Formoterolhemifumarat), Pantoprazol (Wirkstoff: Pantoprazol), Folsan (Wirkstoff: Folsäure) Oleovit (Wirkstoff: Vitamin D3), Desloratadin (Wirkstoff: Desloratadin), Traumasalbe (Wirkstoffen: Menthol, Kampfer, Eukalyptus, Methylsalicylat, Vaseline) Paracetamol (Wirkstoff: ), Seractil forte (Wirkstoff: Dexibuprofen) und Euthyrox (Wirkstoff: Euthyroxin). Sie nimmt zudem das Beruhigungsmittel Passedan (Wirkstoff: Extrakt aus der Passionsblume) ein. Hinsichtlich ihrer Schilddrüsenfehlfunktion nimmt die Beschwerdeführerin das Medikament Euthyrox 75 ein. Ergänzend nimmt sie hinsichtlich ihrer psychischen Beeinträchtigungen psychotherapeutische Behandlungen in Anspruch.
Die Beschwerdeführerin wurde in Kumba/Kamerun geboren. Sie wuchs in ihrem Herkunftsstaat auf und hat eine mehrjährige Schulausbildung absolviert und war in Kamerun als Friseurin und als Verkäuferin für Textilien tätig.
Die Beschwerdeführerin verfügt in Kamerun über familiäre Anbindungen in Form zweier Kinder und ihres Schwagers. Seit Anfang des Jahres 2018 hat die Beschwerdeführerin keinen Kontakt mehr zu ihren beiden Kindern und ihrem Schwager. Deren weiterer Verbleib ist der Beschwerdeführerin nicht bekannt.
Die Beschwerdeführerin reiste im Dezember 2014 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 28.12.2014 den ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2018 negativ entschieden. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.07.2018, GZ: I414 2197075-1/8E als unbegründet abgewiesen und die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft. Die Beschwerdeführerin kam ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach und verlieb unrechtmäßig im Bundesgebiet und stellte einen den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz, der in Hinblick auf den Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigen ebenfalls rechtskräftig negativ entschieden wurde.
Die Beschwerdeführerin ist seit Dezember 2014 in Österreich aufhältig und seit 21.01.2015 durchgehend mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet erfasst. Die Beschwerdeführerin verfügt im Bundesgebiet mit dem österreichischen Staatsangehörigen, Valiet Ndip N[...], über einen Lebensgefährten mit dem sie seit 2017 eine aufrechte Beziehung führt und die Verlobung eingegangen ist. Sie lebt seit 04.01.2018 zusammen mit ihrem Lebensgefährten und dessen zwei Kindern in einem gemeinsamen Haushalt. Sie war zwischenzeitig lediglich im Zeitraum von 04.07.2019 bis 14.08.2019 über eine Einrichtung der belangten Behörde in Traiskirchen melderechtlich erfasst. Die Beschwerdeführerin hat die Sprachprüfungen A1 und A2 bestanden. Vom 26.11.2019 bis zum 20.02.2020 sowie vom 08.03.2021 bis zum 27.04.2021 besuchte die Beschwerdeführerin einen Deutschkurs bei der Volkshochschule Oberösterreich im Niveau B1. Zudem war die Beschwerdeführer bei einem Deutschkurs in Niveau B1 über die Stadt Wels angemeldet. Eine Sprachprüfung für Deutsch B1 bestand die Beschwerdeführerin nicht. Sie spricht einfaches, aber gut verständliches Deutsch. Über den Österreichischen Integrations Fonds schloss die Beschwerdeführerin am 11.01.2019 eine Integrationsprüfung (Sprachkompetenz/Werte- und Orientierungswissen) in Niveau A2 positiv ab. Seit August 2015 ist sie Mitglied der Aids Hilfe Oberösterreich. Die Beschwerdeführerin weist zudem einen besonderen Bezug zu Lacina J[...] K[...] auf, den sie in dessen Lebensführung unterstützt. Zudem ist die Beschwerdeführerin Mitglied im Verein „WEAACO“ (Wels and Environs Association of African Communities) und im Verein „S.C.C.A.L.M.L“ (Southern Cameroon Solidarity and Liberation Movement Linz).
Die Beschwerdeführerin sicherte sich im Zeitraum von 02.01.2015 bis zum 16.08.2019 ihren Unterhalt im Bundesgebiet aus Leistungen der staatlichen Grundversorgung. Seit 16.08.2019 befindet sich die Beschwerdeführerin nicht mehr in der Grundversorgung. Die Beschwerdeführerin befindet sich in keinem aufrechten Beschäftigungsverhältnis und ging im österreichischen Bundesgebiet bislang keiner legalen und regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach. Sie war in den Zeiträumen vom 02.01.2015 bis 22.03.2019, vom 02.04.2019 bis zum 29.04.2019 bis zum 16.08.2019 als Asylwerberin zur Krankenversicherung angemeldet. Im Zeitraum von 30.11.2019 bis zum 30.06.2020 unterlag die Beschwerdeführerin der Selbstversicherung nach § 16 Abs. 1 ASVG. Gegenwärtig ist die Beschwerdeführerin zur Krankenversicherung bei ihrem Lebensgefährten mitversichert. Darüber hinaus wird sie finanziell vom ihrem Lebensgefährten unterstützt und bezieht bei ihm Unterkunft.
Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur Rückkehrsituation:
Es besteht auch keine reale Gefahr, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr nach Kamerun einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.
1.3. Länderfeststellungen:
COVID-19:
Derzeit sind die Grenzen Kameruns gemäß Weisung des Staatspräsidenten aufgrund der Covid-19-Pandemie bis auf Weiteres geschlossen; zudem ist ein negativer COVID19-Test, der nicht älter als drei Tage bei Einreise sein darf, erforderlich (AA 17.8.2020; vgl. FD 12.4.2021), auch für Kleinkinder (FD 12.4.2021); danach muss eine 14-tägige Selbstquarantäne zu Hause absolviert werden (BMEIA 12.4.2021). Aktuell wird das Land von einer zweiten Welle getroffen (BAMF 12.4.2021).
Kamerun hat seine Landesgrenzen geschlossen. Die Einreise per Flugzeug, Schiff oder Fahrzeug ist nur sehr eingeschränkt möglich. Ausnahmen bestehen für die Einfuhr von Versorgungsgütern (AA 12.4.2021; vgl. FD 12.4.2021). Die Einreise nach Kamerun ist derzeit nur kamerunischen Staatsangehörigen und Ausländern mit bestehendem Daueraufenthaltsrecht („Carte de Séjour“) gestattet (AA 12.4.2021; vgl. BMEIA 12.4.2021). Kamerun ist weiterhin als Risikogebiet eingestuft (AA 12.4.2021).
Da die Möglichkeiten der medizinischen Versorgung in Kamerun sehr begrenzt sind, ist es unerlässlich, die Präventivmaßnahmen genauestens zu respektieren: Versammlungsorte sollten vermieden werden (FD 12.4.2021). Am 11.4.2021 erhielt Kamerun die erste Lieferung von 200.000 Impfstoffdosen, die landesweit verteilt werden (BAMF 12.4.2021).
Frauen:
Frauen sind verfassungsrechtlich Männern gleichgestellt. Viele Gesetze benachteiligen aber Frauen nach wie vor (AA 17.8.2020; vgl. USDOS 30.3.2021) und es besteht weiterhin eine deutliche Diskrepanz zwischen bestehenden Gleichstellungsrechten (GIZ 12.2020c; vgl. AA 17.8.2020). Beispiele sind die alleinige Verfügungsgewalt des Ehemanns über das eheliche Vermögen sowie dessen Recht, der Ehefrau eine Berufstätigkeit zu untersagen, die Zulässigkeit der körperlichen Züchtigung der Ehefrau. Die verbreitete Zwangsheirat ist zwar nach dem kodifizierten Strafrecht strafbar, aber in vielen Gegenden wird das staatliche Zivil- und Strafrecht faktisch durch traditionelles Recht ersetzt. Die aus der Anwendung des traditionellen Rechts folgenden Handlungen unterliegen keiner staatlichen Kontrolle (AA 17.8.2020).
Auch in familiären Angelegenheiten gilt der Mann als Chef, was durch traditionelles und modernes Familien- und Eherecht bestätigt wird. Auf dem Social Institutions and Gender [Abk. SIGI] Index der OECD (Familienrecht, körperliche Unversehrtheit, bürgerliche Freiheiten, Bevorzugung von Söhnen und Eigentumsrechte). Der SIGI Wert für Kamerun betrug 52%, das Land kam damit in die niedrigste Einstufungskategorie. Der UNDP "Gender Inequality Index (GII)" gibt Auskunft über reproduktive Gesundheit (Müttersterblichkeit, Geburtenraten Minderjähriger), Empowerment (Parlamentssitze, Zugang zu höheren Bildungsabschlüssen) und wirtschaftliche Aktivität (Arbeitsmarktdaten). Hier rutscht Kamerun seit Jahren langsam aber stetig ab (GIZ 12.2020c; vgl. OECD 2019).
Das kodifizierte Recht ist teilweise diskriminierend und menschenunwürdig. Nach kamerunischem Strafrecht gibt es zum Beispiel keine Vergewaltigung in der Ehe. Vergewaltigungen werden auch nur selten zur Anzeige gebracht und von den Behörden nachlässig verfolgt (AA 17.8.2020; vgl. USDOS 30.3.2021), obwohl sie mit einer Haftstrafe von fünf bis zehn Jahren belegt sind (USDOS 30.3.2021). Bei der im Parlament diskutierten Reform des Familienrechts sollen viele dieser diskriminierenden Bestimmungen aufgehoben werden. Die Beratungen über das neue Gesetz ziehen sich jedoch weiter in die Länge, weil darauf basierend neue Fragen, die u. a. die Anerkennung einer doppelten Staatsangehörigkeit aufgrund von Abstammung, aufgeworfen werden. Auch in der Sitzungsperiode im Juni 2020 konnte noch kein Ergebnis erreicht werden (AA 17.8.2020).
In politischen Entscheidungspositionen sind Frauen unterrepräsentiert (GIZ 12.2020c). Nur wenigen Frauen gelingt es, das öffentliche Leben aktiv mitzugestalten. Im Zuge der Parlamentswahlen 2013 erhöhte sich der Anteil von Frauen in der Nationalversammlung deutlich auf 33 %, da alle Kandidatenlisten mindestens zwei Frauen aufweisen mussten (AA 17.8.2020; vgl. FH 4.2.2020). In vielen Fällen handelt es sich dabei um von Männern aus ihrer Umgebung „gesponserte“ Kandidatinnen. In der Regierung sind Frauen wenig präsent. Die Gründe dafür liegen in der sozialen Abhängigkeit, der Erziehung sowie darin, dass höhere Schulbildung Mädchen in geringerem Maße zugänglich war und zum Teil immer noch ist. Die genannten Missstände werden gesellschaftlich akzeptiert; den meisten Frauen sind ihre Rechte nicht bekannt (AA 17.8.2020). Im Jahr 2018 waren jedoch nur 30% der registrierten Wähler Frauen (FH 4.3.2020).
Das kamerunische Zivilrecht erlaubt jedem Mann über 35 Jahren, bis zu vier Ehefrauen zu heiraten (Polygamie). Die Menschenrechtslage von Frauen variiert ebenso wie ihre gesellschaftlichen und beruflichen Möglichkeiten je nach Wohnort und ist grundsätzlich in ländlichen Gebieten schlechter als in den Städten. Die vor allem in den ländlichen Gebieten praktizierte Rechtsprechung durch traditionelle Autoritäten benachteiligt systematisch Frauen und Kinder. Darüber hinaus variiert die Rolle der Frau auch von Ethnie zu Ethnie. Der Norden Kameruns gilt hinsichtlich der Frauenrechte als besonders rückständig: Zahlreiche junge Mädchen (zwischen 10 und 15 Jahren), meist aus ärmeren Verhältnissen, werden zwangsverheiratet und besuchen nur selten die Schule. Danach sind sie für Haushalt und Kinder zuständig, sodass ihre weiterführende Schulbildung erschwert wird. Dadurch bleibt der Anteil der Analphabetinnen hoch. Die sozialen Unterschiede und der regional unterschiedlich große Einfluss des Gewohnheitsrechts in Familienangelegenheiten sind weitere wesentliche Faktoren, die zu erheblichen Ungleichheiten in der gesellschaftlichen Wahrnehmung und Behandlung von Frauen führen (AA 17.8.2020).
Die Verstümmlung weiblicher Genitalien (FGM) ist in Artikel 277-1 des neuen Strafgesetzes (2016) verboten (AA 17.8.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). FGM bleibt weiterhin ein Problem, die Prävalenz ist aber gering (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 17.8.2020) und wird in einigen wenigen Regionen Kameruns praktiziert: im äußersten Norden (AA 17.8.2020; vgl. USDOS 30.3.2021) und den ländlichen Gebieten entlang der Grenze zu Nigeria (AA 17.8.2020); im Osten sowie im Südwesten bei den Ethnien der Choa und Ejagham (USDOS 30.3.2021). Im landesweiten Durchschnitt sind etwa 1,4% der Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 Jahren beschnitten (GIZ 12.2020c; vgl. AA 17.8.2020), wobei diese Praxis deutlich an Regionen bzw. Ethnien, weniger an Religion, gekoppelt ist: so gibt es bei einigen Volksgruppen gesicherte Prävalenzen von 13% (GIZ 12.2020c). Verlässliche Statistiken gibt es nicht. Immigrantinnen aus dem Tschad, Nigeria, Sudan und Mali führen Beschneidungen weiblicher Genitalien auch in einigen Fällen in den großen Städten Douala und Yaoundé durch. Im äußersten Norden werden Mädchen normalerweise vor Erreichen des 10. Lebensjahres, jedoch nicht nach dem 13. Lebensjahr beschnitten. Im Südwesten wird die Beschneidung weiblicher Genitalien von mehreren Ethnien (Boki, Otu Ejagham, Bayangi) praktiziert, zum Teil an erwachsenen Frauen nach Geburt des ersten Kindes (AA 17.8.2020).
Weit verbreitet (rund 12%) ist ebenfalls die Verstümmelung der Brüste: dabei reiben die Mütter adoleszenter Mädchen heiße Steine über die Brüste ihrer Töchter, um ihr Wachstum aufzuhalten und sie damit vor zu frühen sexuellen Erfahrungen zu schützen („Brustbügeln“). Dadurch entstehen Verwachsungen, die lebenslang zu starken Schmerzen und Traumata führen können (AA 17.8.2020).
Grundversorgung und Wirtschaft:
Hinsichtlich des Selbstversorgungsgrads mit Lebensmitteln liegt Kamerun weit unterhalb seiner Möglichkeiten. Die bäuerliche Landwirtschaft wird vernachlässigt (GIZ 12.2020b). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist grundsätzlich durch eigene landwirtschaftliche Produktion und Lebensmittelimporte gesichert. Allerdings besteht ein Verteilungsproblem, das insbesondere in den drei nördlichen Provinzen zu Lebensmittelengpässen führt. Nach dem im September 2018 von UNICEF herausgegebenen Humanitarian Situation Report waren über 3,26 Mio. Kameruner, davon 1,81 Mio. Kinder, auf humanitäre Hilfe angewiesen. Besonders prekär ist der Zugang zu sanitären Anlagen. 60 % der Bevölkerung haben Zugang zu sauberem Trinkwasser, lediglich 39 % Zugang zu einfachsten sanitären Anlagen (AA 17.8.2020).
Wer in soziale Not gerät, kann in Kamerun nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen; vielmehr werden Notlagen in der Regel von funktionierenden sozialen Netzen (Großfamilie) aufgefangen. Eine längere Abwesenheit gefährdet diese sozialen Netze. In ganz Kamerun gibt es karitative Einrichtungen, insbesondere Missionsstationen, die in besonderen Notlagen helfen (AA 17.8.2020).
Die Caisse Nationale de la Prévoyance Sociale (CNPS) finanziert ihre Leistungen wie Rentenzahlung, Verletztengeld, Invalidenrente aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen. Die Mehrheit der Kameruner hat zu dieser öffentlichen Sozialversicherung keinen Zugang, weil viele entweder ohne Arbeitsvertrag, auf selbstständiger Basis und im informellen Sektor arbeiten oder arbeitslos sind (GIZ 12.2020c; vgl. USSSA 9.2019). Zudem herrscht allgemein großes Misstrauen, ob man, trotz regelmäßiger Beitragszahlung, wirklich im Alter oder in einer Notlage von einer Leistung profitieren wird. Arbeitslosen- und Krankenversicherungsleistungen sowie Krankengeld werden von der CNPS nicht übernommen. Staatsbeamte dagegen sind über ihren Arbeitgeber versichert. Für sie existiert sogar eine staatliche Krankenversicherung; allerdings gibt es auch hier Probleme, sobald Gelder ausgezahlt werden sollen (GIZ 12.2020c).
Das BIP (Bruttoinlandsprodukt) liegt bei circa 1.657 US-Dollar pro Kopf (WKO 2.2021). 20% der Kameruner müssen mit weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag auskommen. Bei den Armutsindikatoren wie die landesspezifische durchschnittlichen Schuljahre (12,7), die Lebenserwartung (58,9) oder die Müttersterblichkeit (596 Sterbefälle auf 100.000 Geburten) bestehen große regionale Unterschiede. Bei der aktuellen (2019) statistischen Fortschreibung der Human Development Indizes und Indikatoren erreicht Kamerun beim Gender Inequality Index Rang 141 von 160, beim HDI-Ranking 150 von 189 (GIZ 12.2020b).
Zwar ist Kamerun nicht so stark vom Erdöl abhängig wie andere afrikanische Ölexporteure, trotzdem wirkt sich der Ölpreiseinbruch auch auf die Wirtschaft Kameruns aus. Aufgrund der Außenfinanzierung staatlicher Infrastrukturgroßprojekte steigt die Außenverschuldung stark an (GIZ 12.2020b) und beträgt Stand 2021 45% des BIP (WKO 2.2021). Die Wirtschaftstrends in Kamerun wurden, vor der COVID-19-Pandemie, als mäßig gut eingeschätzt. Beklagt wird das investitionsfeindliche Geschäftsklima (GIZ 12.2020b).
Trotz der, im Vergleich zu anderen zentralafrikanischen Ländern, hohen Infektionsrate betreffend COVID-19 in Kamerun, werden vorerst keine massiven wirtschaftlichen Einbrüche erwartet. Man rechnet mit einem um 3 % verminderten Wirtschaftswachstum, damit blieben die Konjunkturdaten noch im positiven Bereich von 1-2 % (GIZ 12.2020b).
Der Primärsektor (ca. 23% v. GDP) wird aktuell vor allem von der Subsistenzlandwirtschaft und weniger von den traditionellen Export-"cash crops" stimuliert. Die Verwendung ertragreicherer Sorten und der Ausbau der Infrastruktur und, als Folge davon, ein stärkerer Binnenhandel, auch in die Nachbarländer, trugen zu diesem Wachstumserfolg bei (GIZ 12.2020b).
Im industriellen Sektor (ca. 28% des BIP) schnitten vor allem lebensmittelverarbeitende Betriebe und der Baubereich aufgrund von staatlich geförderten Infrastrukturmaßnahmen gut ab, ebenso die Rohstoffindustrie. Allerdings stellt die Energieknappheit weiterhin die größte Bremse der Wirtschaftsentwicklung dar. Zwar ist Kamerun nicht so stark vom Erdöl abhängig wie andere afrikanische Ölexporteure, trotzdem wirkt sich der Ölpreiseinbruch auch auf die kamerunische Wirtschaft aus (GIZ 12.2020b).
Im Dienstleistungsbereich (ca. 50% des BIP) boomten Telekommunikationsbranche, Transportwesen und Finanzdienstleistungen (GIZ 12.2020b).
Der informelle Sektor Kameruns erwirtschaftet mehr als der formelle. Besonders im urbanen Bereich hält sich ein Großteil der Bevölkerung (Schätzungen sprechen von weit über 50%) mit Aktivitäten im informellen Sektor über Wasser. Besonders für Frauen und junge Leute bieten sich hier Chancen, einen Lebensunterhalt zu verdienen. 75% der Bevölkerung legen ihr Geld in informellen Sparvereinen (Tontines) an, die auch ein System sozialer Absicherung darstellen (GIZ 12.2020b).
Medizinische Versorgung:
Die medizinische Versorgung ist in Yaoundé und Douala im Vergleich zum Landesinneren besser, entspricht jedoch bei weitem nicht dem europäischen Standard. In den Krankenhäusern kommt es immer wieder zu Engpässen bei der Versorgung mit Medikamenten, Verbands- und anderem medizinischen Verbrauchsmaterialien, die generell vom Patienten selbst beschafft werden müssen. Bei Aufnahme in ein Krankenhaus wird ausnahmslos Barzahlung im Voraus verlangt (AA 16.4.2021). In den Städten gibt es Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können. Die Behandlung chronischer Krankheiten, insbesondere in den Bereichen Innere Medizin und Psychiatrie, wird in den öffentlichen Krankenhäusern der größeren Städte vorgenommen. Für HIV-Infizierte gibt es seit 1997 ein von ausländischen Gebern (WHO/Weltbank, Frankreich, Deutschland) unterstütztes kostenloses staatliches Programm der Heilfürsorge (AA 17.8.2020).
Seit den 90er Jahren befindet sich das staatliche Gesundheitssystem Kameruns in der Umstrukturierung. Ziele sind Dezentralisierung, Qualitätskontrolle und die Einbindung der Bevölkerung in Verwaltung und Finanzierung von Gesundheitseinrichtungen. Allerdings lassen die Ergebnisse der staatlichen Gesundheitspolitik weiterhin zu wünschen übrig. Es herrscht Ärztemangel und die wenigen verfügbaren Ärzte lassen sich vorwiegend in den städtischen Zentren nieder. Auch unzulängliche Infrastruktur und knappe Arzneimittel sind Missstände, welche die medizinische Versorgungslage Kameruns kennzeichnen. Verschärft wird die Situation durch die Abwanderung von Gesundheitspersonal ins Ausland (GIZ 12.2020c).
Nur wenige Kameruner sind krankenversichert, nichtsdestotrotz gibt es Bewegung auf dem Gebiet der Krankenversicherung; es existieren die unterschiedlichsten Modelle (GIZ 12.2020c; vgl. AA 17.8.2020). Für bestimmte Berufsgruppen (z. B. Militär) gibt es staatliche oder halbstaatliche Versorgungseinrichtungen mit geringem Kostenbeitrag. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung ist möglich. Generell übernimmt die Familie medizinische Behandlungskosten (AA 17.8.2020).
Gesundheitsindikatoren wie Lebenserwartung, Kindersterblichkeit oder Müttersterblichkeit liegen leicht unterhalb des afrikanischen Durchschnitts, auffällig sind aber die starken regionalen Unterschiede, in denen sich das Süd-Nord- bzw. das Stadt-Land-Gefälle widerspiegelt. HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose zählen zu den wichtigsten Krankheiten. Insbesondere HIV-Kranke sind nach wie vor Opfer von gesellschaftlicher Stigmatisierung und Diskriminierung. Seit einem großen Cholera-Ausbruch im Mai 2010 scheint sich die Cholera in Kamerun erst einmal festgesetzt zu haben. Hauptursache dieser Krankheit ist Wassermangel, insbesondere der Mangel an sauberem Wasser, und dieser betrifft sowohl Nord- wie Südkamerun, ländliche Gegenden ebenso wie die Städte (GIZ 10.2020c). Die Behandlung chronischer Krankheiten, insbesondere in den Bereichen Innere Medizin und Psychiatrie, wird in den öffentlichen Krankenhäusern der größeren Städte vorgenommen (AA 17.8.2020)
Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt überwiegend aus Frankreich, Indien und Nigeria; grundsätzlich wird hierdurch ein weites Spektrum abgedeckt. Die gezielte Einfuhr von Medikamenten ist insofern problematisch, da Medikamente ohne französischen und englischen Beipackzettel nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen (AA 17.8.2020).
Die COVID-19-Pandemie stellt das Gesundheitswesen derzeit vor neue Herausforderungen. Offizielle Zahlen spiegeln nicht die Realität wieder. Die Dunkelziffer der Erkrankungen ist enorm hoch. Maßnahmen, die durch die Regierung zur Eindämmung der Pandemie verkündet wurden, werden durch die Exekutive nicht umgesetzt. Es muss befürchtet werden, dass die Kosten für die Pandemiebekämpfung zu Lasten der Bekämpfung anderer Krankheiten und insbesondere der Vorsorge (Impfungen) geht (AA 17.8.2020).
Medizinische Versorgung und Medikamente bei HIV/Aids in Kamerun:
Die Wirkstoffkombination Tenofovir/Emtricitabine/Rilpivirin (Eviplera) ist nicht verfügbar. Alle anderen Wirkstoffe sind verfügbar. Alternativ zu Tenofovir/Emtricitabine/Rilpivirin wird von MedCOI Truvada mit der Wirkstoffkombination Tenofovir/Emtricitabine angeführt. Truvada und andere Kombinationen mit Emtricitabine sind im Kumba District Hostpital verfügbar (AVA 14716).
Ferner sind laut AVA 14716 stationäre und ambulante Behandlungen, inkl. Nachsorge bei einem HIV Spezialisten im General Hospital in Yaoundé verfügbar. Weiters stehen auch Laboruntersuchungen wie z.B. zur Bestimmung der Viruslast, oder auch die Ermittlung der CD4-Zahl sind im Centre Pasteur du Cameroun in Yaoundé zur Verfügung. Zur Verfügung steht auch ein Resistenztest auf antiretrovirale Wirkstoffe im Chantal Biya Research Center in Yaoundé.
Zur Behandlung der Tuberkulose wird gemäß MedCOI angegeben, dass im Jamot Hopital in Yaoundé, stationäre und ambulante Behandlungen, inkl. Nachsorge durch einen Pulmologen zur Verfügung stehen. Ferne sind auch unterschiedliche Laboruntersuchungen bei Tuberkulose in Youndé verfügbar (AVA 14716).
EXCIPIAL U Hydrolotio oder ein ähnliches Produkt, zur Behandlung der Seborrhoischen Dermatitis, ist nicht verfügbar (AVA 14716).
Grundsätzlich ist HIV / Aids in Buea wie auch in Bamenda in Kamerun behandelbar.
In Buea wird HIV / Aids mit antiretroviralen Wirkstoffen behandelt. Es stehen folgende antiretrovirale Wirkstoffkombinationen zu Verfügung:
(a) Acriptega (Dolutegravir 50/lamivudine 300/Tenofovir Disoproxil Fumarate 300)
(b) Lopinavir 100 / Ritonanavir 25
(c) Lopinavir 200, 80
(d) Atazanavir 200
(e) Tenofovir 300/300
In Bamenda führt der VA folgende verfügbaren antiretroviralen Wirkstoffe zur Behandlung von HIV /Aids an: TDF (Tenofovir) / 3TC (Lamivudin) / DTG (Dolutegravir).
HIV bzw. Aids wird in Buea in den gängigen medizinischen Einrichtungen behandelt: in öffentlichen Krankenhäusern, Sub-Divisionskrankenhäusern und Gesundheitszentren im ganzen Land.
In Bamenda wurde die Behandlung von HIV / Aids dezentralisiert und ist in allen öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, sowie in einigen privaten Krankenhäusern verfügbar. Diagnose, Behandlung und Nachsorge sind in den meisten Fällen kostenlos, da die Regierung seit Jänner 2021 verstärkt Anstrengungen unternimmt, um die Gebühren für Patienten vollständig abzuschaffen.
Medizinische Einrichtungen, die sich auf die Behandlung von HIV bzw. Aids spezialisiert haben (z.B. HIV-Zentren, medizinische Zentren mit Schwerpunkt HIV, Aids, etc.) gibt es in Buea nicht. Die Behandlung von HIV bzw. Aids, wird üblicherweise in den unterschiedlichen staatlichen Krankenhäusern und Gesundheitszentren im ganzen Land angeboten und die meisten staatlichen Krankenhäuser in Kamerun bieten eine Behandlung bei HIV bzw. Aids an.
In Bamenda gibt es auch keine spezialisierten Zentren für die Behandlung von HIV / Aids Patienten. Die Mehrheit der staatlichen Krankenhäuser und einige private Krankenhäuser verfügen jedoch über HIV / AIDS-Behandlungseinheiten.
In Buea sind die o.a. Medikamente, bzw. Wirkstoffe, Truvada, Tivicay 50mg, Oleovit D3, Desloratadin 5 mg, Seractil forte 400, in dieser Wirkstoffkombination nicht verfügbar. Laut VA sind folgende Wirkstoffe für HIV / Aids Patienten in Buea verfügbar:
(a) Acriptega (Dolutegravir 50 / lamivudine 300 /Tenofovir Disoproxil Fumarate 300)
(b) Lopinavir 100 / Ritonanavir 25
(c) Lopinavir 200, 80
(d) Atazanavir 200
(e) Tenofovir 300/300
Gemäß den Erhebungen der VA sind in Bamenda, alle o.a. Medikamente, bzw. Wirkstoffe verfügbar. Die Medikamente werden Personen, die mit HIV / AIDS leben, in den verschiedenen Behandlungseinheiten kostenlos zur Verfügung gestellt.
Bezüglich der Kosten für die Medikamente, bzw. Wirkstoffe, gibt der VA an, dass in Buea wie auch in Bamenda, keine Kosten zu erwarten sind, da die Medikamente/Wirkstoffe durch staatliche Zuschüsse, dem Patienten kostenlos zur Verfügung stehen.
Weiters wird berichtet, dass es ein National AIDS Control Committee gibt, welches die verschiedenen nationalen und internationalen Akteure in der Bereitstellung von HIV / Aids-Pflegediensten leitet.
In Bamenda hingegen kommt es aufgrund der anhaltenden anglophonen Krise zu Störung bei der Bereitstellung von Diensten in bestimmten Gesundheitsdistrikten der Regionen Nordwest und Südwest.
Die Behandlungstherapie einer tuberkulostatischen Therapie steht laut VA in Buea und auch in Bamenda zur Verfügung.
Weiters ist den Berichten zu entnehmen, dass staatliche Hilfsprogramme der WHO/Weltbank, Frankreich und Deutschland auch 2020, nach wie vor verfügbar waren bzw. dass keine Informationen gefunden werden konnten, die darauf hinweisen, dass es zwischen der anglophonen und der frankophonen Region zu unterschiedlicher Behandlung von Menschen mit HIV/AIDS kommt.
Alle Behandlungen sind verfügbar. Alle aktuellen Medikamente sind verfügbar, mit Ausnahme der kombinierten Rezeptur des HIV-Medikamentes Eviplera®, mit den drei Wirkstoffen: Rilpivirin, Emtricitabin und Tenofovir Disoproxil. Die ersten beiden Wirkstoffe sind nicht als Einzelpräparate erhältlich, Emtricitabin ist allerdings als Kombinationspräparat mit Tenofovir Disoproxil (Truvada) erhältlich. Das vierte HIV-Medikament, Dolutegravir, ist verfügbar.
Rückkehr:
Es sind keine Fälle bekannt, in denen kamerunische Staatsangehörige nach ihrer Rückkehr festgenommen oder misshandelt worden sind. Die Regierung geht zwar verstärkt strafrechtlich gegen Oppositionelle in den anglophonen Regionen vor. Es sind bislang jedoch keine Fälle bekannt geworden, dass eine politische Betätigung im Ausland zu einer Strafverfolgung in Kamerun geführt hätte. Eine staatliche Verfolgung allein wegen der Stellung eines Asylantrags erfolgt nicht (AA 17.8.2020).
Das Programm Rückkehrende Fachkräfte (PRF) von CIM (Centrum für Internationale Migration und Entwicklung, zur GIZ gehörend) unterstützt Rückkehrer logistisch und materiell (von der Arbeitsplatzausstattung bis hin zu komplementären Gehaltszahlungen) (AA 17.8.2020; vgl. GIZ o.D.). Daneben werden Rückkehrerinnen und Rückkehrer durch gemeinsame Projekte der EU-IOM unterstützt (u. a. Selbsthilfegruppen) (AA 17.8.2020; vgl. IOM o.D.)
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden am 18.3.2021 alle Land-, See- und Luftgrenzen bis auf weiteres geschlossen. Inzwischen wurde vielen Fluggesellschaften eine eingeschränkte Erlaubnis zur Wiederaufnahme von Flügen erteilt, doch offiziell sind die Grenzen nach wie vor geschlossen (USEMB 9.4.2021). Staatsbürger Kameruns dürfen einreisen (IATA 16.4.2021). Bei Vorlage eines negativen Testergebnisses nicht älter als drei Tage vor Ankunft ist keine Quarantäne verpflichtend (USEMB 9.4.2021; vgl. IATA 16.4.2021). Fluggäste mit einem positiven COVID-19-Testergebnis werden je nach Symptomen nach Hause oder in eine staatliche Einrichtung auf eigene Kosten in Quarantäne verbracht (USEMB 9.4.2021).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde, insbesondere unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Einvernahme vom 30.04.2019, des angefochtenen Bescheides vom 29.05.2019 und dem Beschwerdeschriftsatz vom 17.06.2019 sowie den schriftlichen Eingaben vom 14.04.2021, 15.04.2021, 05.05.2021 und 08.06.2021 sowie den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 22.04.2021. Einsicht genommen wurde zudem in den unter das zu GZ: I414 2197075-1 geführte Vorverfahren. Berücksichtigung findet auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Kamerun und eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 19.05.2021 betreffend „KAMERUN Medikamente und Unterstützung bei HIV/Aids“. Ferner wurde in das Zentrale Melderegister (ZMR), Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), das Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich Einsicht (GVS), einem Auszug des Dachverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger sowie in das Strafregister der Republik Österreich Einsicht genommen.
2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin, insbesondere ihrer Volljährigkeit und Staatsangehörigkeit basieren auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor der belangten Behörde sowie aus dem rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren sowie ihren diesbezüglich glaubhaften Ausführungen im gegenständlichen Verfahren. In Ermangelung der Vorlage eines identitätsbezeugenden Dokumentes steht die Identität der Beschwerdeführerin nicht fest.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin ergibt sich einerseits aus ihren Angaben im ersten Asylverfahren und andererseits aus den Angaben der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren. Dies zuletzt in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde vom 30.04.2019 und den im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Bestätigungen und Unterlagen und den glaubhaften Darlegungen in der mündlichen Verhandlung. Die Feststellungen rund um Ihre HIV-Infektion lassen sich den Befundberichten des Kepler Universitätsklinikums Linz vom 30.03.2017 sowie 23.07.2018 und dem zuletzt vorab der mündlichen Verhandlung vorgelegten aktuellen Befundbericht des Kepler Universitätsklinikums Linz vom 23.03.2021 sowie ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung entnehmen. Die Feststellungen zu den degenerativ bedingten Bandscheibenveränderungen im Bereich der Halswirbelsäule lassen sich, wie auch die Feststellungen zum Vitamin D Mangel und zum Vorliegen eines Fundusmyoms, ebenfalls aus dem aktuellen Befundbericht des Kepler Universitätsklinikums Linz vom 23.03.2021 ableiten. Aus der Zusammenschau des aktuellen Befundbericht des Kepler Universitätsklinikums Linz vom 23.03.2021 mit einem vorgelegten klinisch-psychologischen Befundbericht vom 28.04.2021 ergibt sich die Feststellung hinsichtlich ihrer psychischen Beeinträchtigung. Das Abweichen des Schilddrüsenhormon THS im Oktober ist durch einen vorgelegten Endbefund vom 23.10.2020 belegt und wurde in ihrer Stellungnahme vom 08.06.2021 auf das Bestehen einer Schilddrüsenfehlfunktion hingewiesen. Vorgelegt wurde im Zuge einer Eingabe vom 08.06.2021 vorgelegten Überweisung vom 04.05.2021 an einen Internisten zur fachärztlichen Abklärung epigastrischer Schmerzen und des daraus resultierenden Verdachtes des Bestehens von Gastritis. Die der Beschwerdeführerin verschriebenen Medikamente lassen sich dem aktuellen Befundbericht des Kepler Universitätsklinikums Linz vom 23.03.2021 entnehmen und legte sie im Zuge der mündlichen Verhandlung die Packungen eines Symbicort Turbohaler und von Passedan Tropfen vor. Dass die Beschwerdeführer hinsichtlich ihrer psychischen Beeinträchtigungen psychotherapeutische Therapien in Anspruch nimmt, ist durch die Terminbestätigung eines Welser Psychotherapeuten vom 06.05.2021 und dem Befundbericht einer Wiener Psychotherapeutin vom 28.04.2021 bestätigt.
Die Feststellung zur Herkunft der Beschwerdeführerin, ihrer mehrjährigen Schulbildung und ihre berufliche Tätigkeit als Friseurin und Textilverkäuferin basieren auf dem vorliegenden Verwaltungsakt und den Angaben der Beschwerdeführerin im Rahmen ihres ersten Asylverfahrens.
Die Feststellung zu ihrer Familiensituation in Kamerun ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin im Vorverfahren und den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung.
Die Feststellungen zur Einreise in das Bundesgebiet, dem rechtkräftig negativ entschiedenen ersten Asylverfahren und dem Folgeverfahren ergeben sich unzweifelhaft aus dem Verwaltungsakt und den dort einliegenden Bescheiden der belangten Behörde sowie aus den vorliegenden Gerichtsakten zu GZ: I414 2197075-1 und GZ: I422 2197075-2.
Die Feststellungen zu ihrem seit Dezember 2014 andauernden Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet und ihrer melderechtlichen Erfassung basieren auf den diesbezüglichen Angaben der Beschwerdeführerin in den bisherigen Verfahren sowie auf der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Die Feststellung zu ihrer Lebensgemeinschaft mit Valiet Ndip N[...] basiert auf den Ausführungen der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren, der zeugenschaftlichen Einvernahme des Valiet Ndip N[...] und der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Die Feststellungen zu ihrer sprachlichen Integration ergeben sich aus den im Vorverfahren und den im gegenständlichen Verfahren vorgelegten Dokumenten und Ausführungen. Im Zuge der mündlichen Verhandlung vermochte sich das erkennende Gericht einen persönlichen Eindruck von den Sprachkenntnissen der Beschwerdeführerin machen. Die Feststellungen zu ihrer Integration in sprachlicher und sozialer Hinsicht sowie zu ihren ehrenamtlichen Tätigkeiten leiten sich ebenfalls aus den vorgelegten Unterlagen und den Ausführungen der Beschwerdeführerin im Vorverfahren und dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren ab.
Die Feststellungen über die Inanspruchnahme von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung basieren auf einem aktuellen Grundversorgungsauszug. Zuletzt bestätigte die Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung, dass sie im Bundesgebiet keiner Beschäftigung nachgeht, was sich mit einem aktuellen Auszug des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger deckt. Aus diesem ergeben sich auch die Feststellungen hinsichtlich ihrer Anmeldungen zur Krankenversicherung und die aktuelle Mitversicherung bei ihrem Lebensgefährten. Zuletzt bestätigten die Beschwerdeführerin und ihr Lebensgefährte bei der mündlichen Verhandlung übereinstimmend, dass der Lebensgefährte für die Beschwerdeführerin aufkommen und sie finanzielle unterstützt.
Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.
2.3 Zur Rückkehrsituation:
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr nach Kamerun keiner realen Gefahr, einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird, ergibt sich aus folgender Überlegung heraus: Im Rahmen des Vorverfahrens wurde bereits rechtskräftig darüber entschieden, dass die Beschwerdeführerin mangels Glaubhaftigkeit ihres Fluchtvorbringens in Kamerun keine staatliche Verfolgung zu befürchten hat. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich des Weiteren um eine volljährige und arbeitsfähige Frau, die über eine mehrjährige Schulbildung verfügt und in ihrem Herkunftsstaat als Friseurin und Textilverkäuferin gearbeitet hat und dort über familiäre Anbindungen verfügt. Eine Grundlegende medizinische Versorgung ist in Kamerun gewährleistet. Auf Grundlage der Länderberichte und einer Anfrage der Staatendokumentation ergibt sich zudem die allgemein zugängliche und kostenlose Behandlungsmöglichkeit von HIV-Infektionen mit antiviralen HIV-Therapien.
2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Kamerun samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Im Hinblick auf die HIV-Infektion der Beschwerdeführerin wurde ergänzend eine Anfragebeantwortung bei der Staatendokumentation über die Verfügbarkeit der von ihr eingenommenen Medikamente und die generelle medizinische Versorgungsmöglichkeit von HIV-Patienten in Kamerun eingeholt.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Die Beschwerdeführerin trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland in den Stellungnahmen vom 05.05.2021 und vom 08.06.2021 nicht entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zur Stattgabe der Beschwerde:
3.1. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Rechtslage:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Im gegenständlichen Fall wurde der erste Asylantrag der Beschwerdeführerin unbegründet abgewiesen und erwuchs die Entscheidung in Rechtskraft. Der verfahrensgegenständliche Folgeantrag der Beschwerdeführerin wurde in Folge wegen bereits entschiedener Sache zurückgewiesen, weshalb sich die belangte Behörde zu Recht auf die Bestimmungen des § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt hat (vgl. VwGH 31.03.2020, Ra 2019/14/0209).
Zu prüfen ist daher im vorliegenden Fall, ob die von der belangten Behörde verfügte Rückkehrentscheidung mit Art. 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR sowie des VfGH und VwGH jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere einer Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Im Zuge dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0362; 05.10.2020, Ra 2020/19/0330; 15.02.2021, Ra 2020/21/0301).
Im gegenständlichen Fall führt die Beschwerdeführerin seit 2017 eine Beziehung zu einem österreichischen Staatsangehörigen. In die Bewertung der Schutzwürdigkeit dieser Beziehung fließt zunächst die Dauer der Beziehung von rund vier Jahren ein und der Umstand, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Lebensgefährten die Verlobung eingegangen ist. Ebenso die Tatsache, dass seit Jänner 2018 ein gemeinsamer Haushalt begründet wurde. Aus der Beziehung resultieren keine Kinder, allerdings kümmert sich die Beschwerdeführerin um die Kinder ihres Lebensgefährten aus dessen früheren Beziehung. Eine Relativierung erfährt die Schutzwürdigkeit der Beziehung dahingehend, dass sich sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihr Lebensgefährte zum Zeitpunkt der Beziehung bewusst sein mussten, dass der weitere Verbleib der Beschwerdeführerin im Bundesgebietes unsicher war und nicht gesichert erschien und der erste Antrag auf internationalen Schutz am 26.04.2018 durch die belangte Behörde negativ entschieden wurde und in weiterer Folge auch nach Bestreitung des Rechtsweges in Rechtskraft erwuchs. Dem trägt auch die ständige Rechtsprechung Rechnung, wonach bei der Gewichtung der für den Fremden sprechenden Umstände im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend einbezogen werden darf, dass er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.02.2020, Ra 2019/14/0545). Allerdings lässt das erkennende Gericht auch nicht unberücksichtigt, dass ein während eines unsicheren Aufenthaltsstatus entstandenes Familienleben vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz hat, dass diesem überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre (vgl. VwGH 18.03.2021, Ra 2020/21/0535).
In weiterer Folge bleibt zu prüfen, inwieweit ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers erfolgt. Unter „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva u.a. gg Lettland, EuGRZ 2006, 554).
Die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG stellt nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. VwGH 16.02.2021, Ra 2019/19/0212).
Liegt eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des VwGH regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (vgl. VwGH 10.04.2019, Ra 2019/18/0049). Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH 16.02.2021, Ra 2019/19/0212). Allerdings nimmt das persönliche Interesse des Fremden an einem Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu (vgl. VwGH 05.10.2020, Ra 2020/19/0330). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet – unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände – ein großes Gewicht verleihen und ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen (vgl. VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0132; 30.04.2021, Ra 2020/21/0357).
Im gegenständlichenFall umfasst der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet eine Zeitspanne von rund sechseinhalb Jahren.
Für die Schutzwürdigkeit des Privatlebens spielt zwar die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, allerdings ist die bloße Aufenthaltsdauer für sich gesehen nicht allein maßgeblich. Es ist vor allem anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 05.10.2020, Ra 2020/19/0330).
Im Hinblick auf seine Aufenthaltsdauer von rund sechseinhalb Jahren lässt das Bundesverwaltungsgericht nicht unberücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin um eine Integration bemüht ist. Die Beschwerdeführerin besuchte während ihres Aufenthaltes mehrfach Sprachkurse und bestand die Sprachprüfungen A1 und A2. Auch gegenwärtig ist die Beschwerdeführerin um eine sprachliche Weiterbildung bemüht und besucht derzeit einen Deutschkurs im Niveau B1. Sie spricht einfaches, aber gut verständliches Deutsch. Des Weiteren schloss die Beschwerdeführerin im Jänner 2019 eine Integrationsprüfung (Sprachkompetenz/Werte- und Orientierungswissen) über den Österreichischen Integrations Fonds im Niveau A2 positiv ab. Auch in sozialer Hinsicht liegt ein Engagement der Beschwerdeführerin vor. Sie betätigt sich aufgrund der eigenen Erkrankung seit August 2015 ehrenamtlich bei der Aids Hilfe Oberösterreich und ist dort seit diesem Zeitpunkt Mitglied des Vereins. Zudem bringt sich die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet auch bei zwei afrikanischen Vereinen ein. Die Beschwerdeführerin weist des Weiteren einen besonderen Bezug zu einem körperlich beeinträchtigten Mann auf und unterstützt diesen regelmäßig in dessen Lebensführung. Es bleibt im Rahmen der Interessensabwägung auch zu berücksichtigen, dass sie im Bundeslang bislang keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Dem steht allerdings gegenüber, dass die Beschwerdeführerin seit August 2019 keine Leistungen mehr aus der staatlichen Grundversorgung mehr bezieht und sie sich zwischenzeitig für ein halbes Jahr selbst nach § 16 Abs. 1 ASVG versicherte und nunmehr über ihren Lebensgefährten mitversichert ist.
Demgegenüber hat die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat, in dem sie aufgewachsen ist und den überwiegenden Teil ihres bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen. Von einer vollkommenen Entwurzelung kann somit nicht ausgegangen werden.
Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. VwGH 17.03.2021, Ra 2021/14/0052). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt – insbesondere aufgrund der HIV-Infektion der Beschwerdeführerin und der damit verbundenen Erkrankungen – vor. Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat nicht dieselbe medizinische Behandlung erhält wie in Österreich, vermag aufgrund der allgemein zugänglichen und kostenlosen Behandlungsmöglichkeit von HIV in Kamerun für sich gesehen nicht die Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung bewirken. Allerdings bildet die Fortführung ihrer gegenwärtigen antiviralen Therapie einen weiteren Punkt ihres privaten Interesses am Verbleib im Bundesgebiet.
Hinsichtlich ihrer strafrechtlichen Unbescholtenheit ist auszuführen, dass dies nach Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen darstellt, da der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, dass es von Fremden, welche sich im Bundesgebiet aufhalten als selbstverständlich anzunehmen ist, dass sie die geltenden Rechtsvorschriften einhalten (vgl. VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).
Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber. Dieses beinhaltet das öffentliche Interesse an einem geordneten Asyl- und Fremdenwesen und dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034; 05.11.2019, Ro 2019/01/0008).
Anhand der vorangegangenen Ausführungen und der diesbezüglichen Judikatur kann nach Vornahme einer gewichtigen Abwägung im Einzelfall davon ausgegangen werden, dass die privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung einen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt und war die Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig zu erklären.
3.1.3. Zum Aufenthaltstitel:
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG