TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/25 I401 2204462-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.2021
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Entscheidungsdatum

25.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I401 2204462-1/33E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch Mag. Dr. Helmut BLUM, Rechtsanwalt, Mozartstraße 11/6 4020 Linz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 25.07.2018, Zahl: IFA XXXX + VZ XXXX zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria zuerkannt.

II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

III. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III. bis VIII. ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Voranzustellen ist, dass der seinerzeit durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, diese als Mitglied der ARGE Rechtsberatung - Diakonie Volkshilfe, vertretene Beschwerdeführer gegen den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom 25.07.2018 betreffend die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten keine Beschwerde erhoben hat. Dieser Spruchpunkt erwuchs daher in Rechtskraft.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 31.05.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der versuchten schweren Körperverletzung nach § 15 StGB und §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 2 StGB sowie der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB verurteilt und gemäß § 21 Abs. 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Mit Bescheid vom 25.07.2018 wies das Bundesamt den vom Beschwerdeführer, ein der Volksgruppe der Edo angehörender Staatsangehöriger von Nigeria, am 06.05.2016 gestellten Antrag auf internationalen Schutz (auch) hinsichtlich der Zuerkennung des Staus des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkt II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.), gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.), erkannte einer Beschwerde gegen die abweisende Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.) und erließ gegen ihn ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VIII.). Im angefochtenen Bescheid wurde unter anderem festgestellt, dass der Beschwerdeführer an paranoider Schizophrenie mit paranoiden Wahnvorstellungen leide.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 21.08.2018. Begründend wurde ausgeführt, dass der an einer paranoiden Schizophrenie im Sinne einer geistigen und psychischen Abnormität leidende Beschwerdeführer einer psychopharmakologischen Therapie sowie der Vorgabe von klaren Strukturen und Anweisungen bedürfe. Bis zu einer allfälligen Gesundung sei zu befürchten, dass der Beschwerdeführer unter dem Einfluss einer geistigen und seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde. Eine Rückkehr nach Nigeria würde gegenwärtig für ihn bedeuten, dass er mittellos, beschäftigungslos sowie ohne Unterkunft wäre. Es stünde ihm auch kein soziales oder familiäres Netzwerk zu seiner Unterstützung zur Verfügung. Mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit könne auf Grund seiner Erkrankung in Verbindung mit den realen Gegebenheiten in Nigeria davon ausgegangen werden, dass ihm der Zugang zu den Medikamenten und Therapiemöglichkeiten nicht gelingen werde. Bei einer Rückkehr nach Nigeria geriete er in eine ausweglose, seine Rechte nach Art. 3 EMRK verletzende Lage, insbesondere dann, wenn er im nicht zurechnungsfähigen Zustand Straftaten verüben würde.

Im Übrigen tätigte der Beschwerdeführer Ausführungen zur Unzulässigkeit der Rückehrentscheidung und zu dem erlassenen Einreiseverbot.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers, der sich seit Anfang März 2016 in Österreich aufhält, steht nicht fest. Er ist Staatsangehöriger von Nigeria und stammt aus dem Bundesstaat Edo. Er ist ledig, hat keine Kinder und ist christlichen Glaubens. Er ging von 1992 bis 2008 in die Schule und eine Universität, ohne das Studium abzuschließen. Bis zu seiner Ausreise im Winter 2014 lebte er in Benin City und arbeitete dort als Friseur und Verkäufer bei einer Firma für elektronische Geräte. In der Folge hielt er sich für ca. ein Jahr in Libyen auf.

Aufgrund des mehrjährigen Aufenthaltes in der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher hat er keine ausgeprägten sozialen Kontakte in Österreich, wie es auch keine Hinweise für eine Integration des Beschwerdeführers gibt.

Er verfügt über einfache Deutschkenntnisse. Er ging in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach. Er verfügt zum gegebenen Zeitpunkt über ein geringes Vermögen.

1.2. Zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer leidet an einer paranoiden Schizophrenie. Er wurde in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er unter dem Einfluss dieser Erkrankung eine Straftat beging.

Die auf dem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 31.05.2016 basierende Einweisung des Beschwerdeführers in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher erfolgte, weil er an einer paranoiden Schizophrenie leidet. Seine psychische Störung ist sehr schwer und die Ursache für die gegenständlichen Tathandlungen, mit ihr geht eine hochgradige potentielle Gefährlichkeit einher und kann auch zu Tathandlungen gegen Leib und Leben Dritter führen. Er hat am 02.03.2016 in Salzburg unter dem Einfluss eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, den zur Assistenzleistung bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Inneren herangezogenen Soldaten des österreichischen Bundesheeres M M, mithin einen Beamten, durch Versetzen von Faustschlagen und Schlägen mit der flachen Hand in das Gesicht während und wegen der Vollziehung seiner Aufgaben am Körper zu verletzen versucht und diesen durch die wiederholte Äußerung „I kill you, you are dead" gefährlich mit dem Tod bedroht, um diesen in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Beim Betroffenen besteht der hochgradige Verdacht auf das Vorliegen einer paranoiden Schizophrenie und das Vorliegen von Störungen durch Halluzinogene. Am 02.03.2016 ist es zum Auftreten von Symptomen einer paranoiden Schizophrenie, einhergehend mit paranoiden Wahnvorstellungen gekommen. Der Betroffene hat die Überzeugung gehabt, dass ein Mitasylwerber ein „Hexenjunge“ ist, wobei er dessen Stimme in seinem Kopf gehört und aus diesem Grund diesem auf den Kopf geschlagen hat. In weiterer Folge ist es zu Personenverkennungen und Aggressionszuständen gekommen, sodass eindeutig vom Vorliegen eines psychosewertigen Zustandsbildes zur Tatzeit zu sprechen ist. Der Betroffene ist im Tatzeitpunkt aufgrund von Symptomen einer paranoiden Schizophrenie, einhergehend mit paranoiden Wahnvorstellungen, welche einer geistigen bzw. psychischen Abnormität höheren Grades entspricht, nicht in der Lage gewesen, das Unrecht seiner Tat einzusehen und/oder nach dieser Einsicht gemäß zu handeln. Der Betroffene ist zur Tatzeit aufgrund einer Störung der Realitätskontrolle, einhergehend mit Beziehungs- und Beeinträchtigungsideen, weder diskretions- noch dispositionsfähig gewesen. Der beim Betroffenen vorliegende krankheitstypische Handlungsstil resultiert aus paranoiden Wahnvorstellungen und den damit einhergehenden Personenverkennungen, wodurch eine hochgradige Gefährlichkeit gegeben ist. Paranoide Wahnvorstellungen können zum Handlungsstil der sogenannten wahnhaften Wehrlosigkeit führen, sodass nach dem subjektiven Erleben das Gefühl von der Umgebung beeinträchtigt und existenziell bedroht zu sein, entsteht. Um sich gegen diese subjektive Beeinträchtigung und Bedrohung zu wehren, zeigen sich sehr häufig Tathandlungen, mit denen dann eine hochgradige potenzielle Gefährlichkeit naheliegend ist. Eine gewisse Inadäquatheit der Stimmung, einhergehend mit plötzlichen Wutausbrüchen bzw. Aggressionsimpulsdurchbrüchen, ist für eine paranoide Schizophrenie nicht untypisch, wobei auch damit eine hochgradige potentielle Gefährlichkeit einhergeht und diese auch zu Tathandlungen gegen Leib und Leben Dritter führen können.

Eine nähere Eingrenzung des Relevanzbereichs der Gefährlichkeit kann nicht vorgenommen werden. Betroffen ist das gesamte psychosoziale Umfeld, insbesondere all jener Menschen, von denen sich der Betroffene aufgrund der Störung der Realitätskontrolle beeinträchtigt oder beeinflusst erlebt. Klinisch prognostisch ungünstig ist, dass trotz einer mehrwöchigen nervenfachärztlichen Behandlung noch psychopathologische Phänomene vorliegen und keine völlige Normalisierung des psychopathologischen Zustandsbildes erreicht werden können. Klinisch prognostisch ungünstig ist das Zusammentreffen einer mit hoher Wahrscheinlichkeit anlagebedingten Neigung zum Auftreten von psychotischen Episoden mit einer Suchtproblematik. Ungünstig ist auch die fehlende Krankheitseinsicht. Eine längerfristige Beobachtung ist notwendig. Sozialprognostisch ungünstig ist, dass kein sozialer Empfangsraum und im Falle einer Entlassung kein entsprechender Aufenthaltsort vorbereitet ist. SoziaIprognostisch ungünstig ist auch der unklare (Aufenthalts-) Status. Individuell prognostisch günstig sind das relative junge Alter und die im Normbereich liegende intellektuelle Ausstattung.

Unter Berücksichtigung der klinischen Prognose, des krankheitstypischen Handlungsstils und des Relevanzbereichs der Gefährlichkeit liegt beim Betroffenen unter dem Einfluss seiner psychischen Störung eine hochgradige potentielle Gefährlichkeit nahe. Dies bedeutet, dass die Begehung von Taten, vergleichbar mit den bisherigen, naheliegend ist. Je nach äußeren Umständen kann es darüber hinaus auch zu Taten gegen Leib und Leben Dritter, sohin zu Taten mit schweren Folgen kommen. Ein signifikanter Behandlungserfolg liegt derzeit noch nicht vor. Es bedarf einer weiteren Behandlung der derzeit noch vorliegenden psychopathologischen Phänomene sowie der Klärung des sozialen Empfangsraumes, der eine konsequente und intensive medikamentös biologische, psychotherapeutische sozialpsychiatrische Nachbetreuung ermöglicht, um jemand entlassen zu können. Beim Betroffenen ist dies nicht gegeben und gefährlichkeitsprognostisch ausgesprochen ungünstig. Er bedarf einer weiteren Behandlung der derzeit noch vorliegenden psychopathologischen Phänomene sowie der Klärung des sozialen Empfangsraumes, der eine konsequente und intensive medikamentös biologische, psychotherapeutische sozialpsychiatrische Nachbetreuung ermöglicht. Die weitere Unterbringung des Beschwerdeführers in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ist gemäß § 21 Abs. 1 StGB notwendig.

Für die mit Beschluss des Landesgerichtes Steyr vom 01.07.2020 abgelehnte Entlassung des Beschwerdeführers aus der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher vom 01.07.2020 war maßgeblich, dass ein schwankender Verlauf vorliegt, sein Verhalten von misstrauisch-gedrückt bis fröhlich-distanzlos und er im Alltag bzw. in Therapien eher wortkarg ist. Krankheits- und Behandlungseinsicht sowie Einsicht in die Wirkung von THC (bzw. Cannabis) sind gegeben, Deliktseinsicht ist nur teilweise vorhanden. Vom höheren Betreuungsumfang hat er im klinischen Bereich profitiert, Konflikte mit Mitklienten sind weniger geworden und sein Zustand ist stabiler; erste unbegleitete Ausgänge sind problemlos verlaufen, weitere Erprobungen sind geplant. Da bisher nur eingeschränkte Außenerprobungen stattgefunden haben und noch kein adäquater sozialer Empfangsraum vorliegt, werde eine bedingte Entlassung zum aktuellen Zeitpunkt nicht empfohlen.

In der an das Landesgericht Steyr erstatteten Forensischen Stellungnahme der ärztlichen Leitung der Justizanstalt Asten vom 02.03.2021 wurde - unter anderem - berichtet, dass der Beschwerdeführer in sämtlichen Aktivitäten des täglichen Lebens selbstständig ist. Der Kontakt zu seinen Mitklienten ist angepasst, hält sich aber in Grenzen. Er verhält sich sowohl gegenüber seinen Mitklienten, als auch gegenüber dem Personal meist unauffällig und eher ruhig. Zur Medikamenteneinnahme kommt er meist selbstständig. Nur in Ausnahmefällen muss er daran erinnert werden. Seine Dienste erledigt er verlässlich, sauber und meist ohne Aufforderung. Der Beschwerdeführer bekommt alle 30 Tage eine Depotspritze verabreicht.

Nach wie vor erledigt er im Rahmen der Ergotherapie Reinigungsarbeiten in der Werkstatt. Diese Arbeit teilt er sich mit einer weiteren Person für die Dauer von einer Stunde. Er arbeitet hier selbstständig und eigenverantwortlich. Er kann sich auch mit seinem Mitklienten über die Aufteilung der Handlungsschritte absprechen und diese zufriedenstellend ausführen. Kritik seitens der Therapeuten kann er mittlerweile besser akzeptieren und umsetzen.

Aus psychologischer Sicht kann weiterhin von einem stabilen Zustandsbild berichtet werden. Der Beschwerdeführer ist zum psychologischen Dienst stets freundlich, Hauptthemen sind vor allem seine geplante Unterbrechung der Unterbringung. Aufgrund des positiven Verlaufs ist er in einer Nachsorgeeinrichtung in Tirol vorgestellt worden. Die mit ihm bis dato durchgeführten Außenorientierungen sind allesamt positiv und zufriedenstellend verlaufen.

Über den bisherigen Beobachtungszeitraum ist es zu keinen selbst- oder fremdgefährdenden Verhaltensweisen gekommen, im letzten Jahr ist es einmal zu einer Meldung nach einem Konflikt mit einem Mitklienten gekommen.

Als Ressourcen können erwähnt werden, dass der Beschwerdeführer sich aktiv mit seiner Zukunft auseinandersetze und nach Lösungen sucht, damit er in Österreich bleiben und leben und bedingt entlassen werden kann. Beim Finden von realistischen Zielen benötigt er etwas Unterstützung, man kann dies jedoch freundlich mit ihm besprechen. Anfang Juni 2020 hat gemeinsam mit dem sozialen Dienst und psychologischen Dienst der Erstausgang außerhalb der Justizanstalt stattgefunden, wo sich der Beschwerdeführer compliant gezeigt hat.

Im Rahmen der „Gesamteinschätzung und aktualisierte Stellungnahme betreffend Risikoprognose“ findet sich die Beurteilung, dass der Beschwerdeführer sich angepasst und paktfähig verhält sowie selbstständig und hilfsbereit ist. Bei ihm ist weitgehend eine Krankheits- und Behandlungseinsicht gegeben. Er kann Symptome seiner Erkrankung distanziert schildern und auch eine positive Wirkung der Medikamente und eine negative Wirkung von THC beschreiben. Er ist darüber aufgeklärt worden und er hat akzeptiert, dass er auch in Zukunft die Medikamente nehmen muss, um das Wiederauftreten von Symptomen zu vermeiden, und er in Zukunft auf THC verzichten muss. Er meldet sich selbstständig beim Personal, wenn es ihm schlechter geht und er eine medikamentöse Anpassung benötigt. Seine Delikteinsicht ist dahingehend gegeben, dass er zwar eine produktiv-psychotische Symptomatik bei der Tatbegehung erkennen kann, jedoch bagatellisiert er das Delikt. Nach dem positiven Verlauf der bisherigen begleiteten Ausgänge ist die Erprobung in einer geeigneten Nachsorgeeinrichtung in Form von Unterbrechungen der Unterbringung beschlossen worden. Aktuell kann aufgrund der erst startenden Erprobung eines Nachsorgesettings eine bedingte Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug nach §21 Abs 1 StGB noch nicht befürwortet werden.

Im Kurzarztbrief der ärztlichen Leitung der Justizanstalt Asten vom 23.04.2021, in dem auf die im Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.11.2020 gestellten Fragen Bezug genommen wurde, wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die angeführten (neun) Medikamente nimmt und die Beendigung der Medikamenteneinnahme eine Exazerbation der schizoaffektiven Störung auslösen wird und mit Wahnideen, Halluzinationen und Aggressivität zu rechnen ist. Solange in Nigeria die medikamentöse Behandlung mit regelmäßigen psychiatrischen Visiten durchgeführt werden können, ist mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht zu rechnen. Es besteht weder eine Gefahr einer Selbstgefährdung noch, dass er Taten gegen Leib und Leben Dritter begehen wird.

Die regelmäßige Einnahme der dem Beschwerdeführer verordneten (neun) Medikamente, zu denen (unter anderem) Depakine chrono retard Filmtabletten 500 mg, Mexalen Tabletten 500 mg, Quetialan XR Redarttabletten, Truxal Filmtabletten 15 mg und 50 mg und die Depotmedikation mit Xeplion zu zählen sind, ist notwendig.

Der Beschwerdeführer, der sich seit März 2016 im Bundesgebiet aufhält, war in der Zeit vom 09.3. bis 12.08.2016 in der XXXX -Klinik und ist seit 12.08.2016 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf Grundlage des § 21 Abs. 2 StGB in der Justizanstalt Asten, einer Einrichtung für Forensische Psychiatrie der österreichischen Justiz, im Rahmen des Maßnahmenvollzugs stationär untergebracht und wird dort behandelt. Vom 02.03. bis 28.05.2021 war er in einer Nachsorgeeinrichtung in einem Therapiezentrum.

Der Beschwerdeführer ist in seiner Erwerbsfähigkeit insoweit eingeschränkt, als ihm derzeit nur einfache Arbeiten ohne besondere Anforderungen an Konzentration und Aufmerksamkeit zuzumuten sind.

1.3. Zum Familienleben und zur Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:

Er verfügt über kein soziales und ausgeprägtes familiäres Netzwerk in Nigeria. Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben. Die Mutter des Beschwerdeführers, mit der er regelmäßigen fernmündlichen Kontakt pflegte, und deren Ehemann leben in den Niederlanden. Geschwister und Seitenverwandte des Beschwerdeführers leben im Vereinigten Königreich und in Italien. Ob Geschwister von ihm noch in Nigeria leben, konnte nicht festgestellt werden. Mit Ausnahme eines Cousins und dessen Familie leben in Österreich keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers. Mit dem Cousin hat er gelegentlich fernmündlichen Kontakt. Aufgrund seiner Erkrankung an paranoider Schizophrenie und deren schwerer Ausformung, die dazu führte, dass er beinahe während des gesamten Aufenthaltes in Österreich in einer Anstalt für geistig abnorme unzurechnungsfähige Rechtsbrecher untergebracht ist, ist der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Nigeria nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen und sich eine - zumindest grundlegende - Existenz zu sichern. Dadurch wäre es ihm nicht möglich, die notwendigen Medikamente zur Behandlung seiner Krankheit zu besorgen, so dass mit einer massiven bzw. lebensbedrohlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu rechnen wäre.

1.4. Zur medizinischen Versorgung wird in der Länderinformation der Staatendokumentation zu Nigeria (aus dem COI-CMS, generiert am 23.11.2020, Version 2) (mit Angaben der Quellen) ausgeführt:

23 Medizinische Versorgung

Insgesamt kann die Gesundheitsversorgung in Nigeria als mangelhaft bezeichnet werden. Zwischen Arm und Reich sowie zwischen Nord und Süd besteht ein erhebliches Gefälle: Auf dem Land sind die Verhältnisse schlechter als in der Stadt (GIZ 3.2020b); und im Norden des Landes ist die Gesundheitsversorgung besonders prekär (GIZ 9.2020b; vgl. ÖB 10.2019). Die medizinische Versorgung ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch (AA 7.9.2020). Die Gesundheitsdaten Nigerias gehören zu den schlechtesten in Afrika südlich der Sahara und der Welt (ÖB 10.2019). Mit 29 Todesfällen pro 1.000 Neugeborenen hat Nigeria weltweit die elfthöchste Todesrate bei Neugeborenen (GIZ 9.2020b). Die aktuelle Sterberate für Kinder unter fünf Jahren beträgt 100,2 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten (ÖB 10.2019).

Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser (AA 16.1.2020). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor, die im öffentlichen Gesundheitssektor allerdings in der Regel unter europäischem Standard liegt. Der private Sektor bietet hingegen in einigen Krankenhäusern der Maximalversorgung (z.B. in Abuja, Ibadan, Lagos) westlichen Medizinstandard. Nahezu alle, auch komplexe Erkrankungen, können hier kostenpflichtig behandelt werden (AA 16.1.2020; vgl. ÖB 10.2019). In größeren Städten ist ein Großteil der staatlichen Krankenhäuser mit Röntgengeräten ausgestattet, in ländlichen Gebieten verfügen nur einige wenige Krankenhäuser über moderne Ausstattung (ÖB 10.2019).

In den letzten Jahren hat sich die medizinische Versorgung in den Haupt- und größeren Städten allerdings sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor deutlich verbessert. So ist mittlerweile insbesondere für Privatzahler eine gute medizinische Versorgung für viele Krankheiten und Notfälle erhältlich. Es sind zunehmend Privatpraxen und -kliniken entstanden, die um zahlungskräftige Kunden konkurrieren. Die Ärzte haben oft langjährige Ausbildungen in Europa und Amerika absolviert und den medizinischen Standard angehoben. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 16.1.2020).

Stigmatisierung und Missverständnisse über psychische Gesundheit, einschließlich der falschen Wahrnehmung, dass psychische Erkrankungen von bösen Geistern oder übernatürlichen Kräften verursacht werden, veranlassen die Menschen dazu, religiöse oder traditionelle Heiler zu konsultieren; eine Rolle spielt hier auch der Mangel an qualitativ hochwertiger psychiatrischer Versorgung und die unerschwinglichen Kosten (HRW 11.11.2019). Es existiert kein mit westlichen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau. Dort werden Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht, können aber nicht adäquat behandelt werden (AA 16.1.2020). Nigeria verfügt derzeit über weniger als 150 Psychiater (AJ 2.10.2019), nach anderen Angaben sind es derzeit 130 für 200 Millionen Einwohner (Österreich 2011: 20 Psychiater/100.000 Einwohner). Bei Psychologen ist die Lage noch drastischer, hier kamen im Jahr 2014 auf 100.000 Einwohner 0,02 Psychologen (Österreich 2011: 80 Psychologen/100.000 Einwohner). Aufgrund dieser personellen Situation ist eine regelrechte psychologische/psychiatrische Versorgung für die große Mehrheit nicht möglich, neben einer basalen Medikation werden die stationären Fälle in öffentlichen Einrichtungen im Wesentlichen „aufbewahrt“. Die Auswahl an Psychopharmaka ist aufgrund der mangelnden Nachfrage sehr begrenzt (VAÖB 23.1.2019). Die WHO schätzt, dass weniger als 10 Prozent der Nigerianer jene psychiatrische Behandlung bekommen, die sie brauchen (AJ 2.10.2019; vgl. HRW 11.11.2019).

Nach anderen Angaben gibt es insgesamt für die inzwischen annähernd (VAÖB 23.1.2019) 180-200 Millionen (Punch 22.12.2017: 180 Mio; VAÖB 23.1.2019: 200 Mio) Einwohner 100 Hospitäler mit psychiatrischer Abteilung (VAÖB 23.1.2019). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker Rückkehrer an. Die Kosten für einen Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen belaufen sich auf ca. 195.000 Naira (ca. 570 Euro). Die Behandlungskosten sind jedoch je nach Schwere der Krankheit unterschiedlich. Zudem ist an diesem Krankenhaus auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 16.1.2020).

Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten jedoch als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 16.1.2020). Nur weniger als sieben Millionen (Punch 22.12.2017) der 180-200 Millionen (Punch 22.12.2017: 180 Mio; VAÖB 23.1.2019: 200 Mio) Einwohner Nigerias sind beim National Health Insurance Scheme leistungsberechtigt (Punch 22.12.2017). Eine Minderheit der erwerbstätigen Bevölkerung ist über das jeweils beschäftigende Unternehmen mittels einer Krankenversicherung abgesichert, die jedoch nicht alle Krankheitsrisiken abdeckt (VAÖB 27.3.2019).

Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 9.2020b). Selbst in staatlichen Krankenhäusern muss für Behandlungen bezahlt werden (AA 16.1.2020). Die Kosten medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden. Die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von umgerechnet 10 bis 25 Cent ein (ÖB 10.2019). Eine medizinische Grundversorgung wird über die Ambulanzen der staatlichen Krankenhäuser aufrechterhalten, jedoch ist auch dies nicht völlig kostenlos, in jedem Fall sind Kosten für Medikamente und Heil- und Hilfsmittel von den Patienten zu tragen, von wenigen Ausnahmen abgesehen (VAÖB 27.3.2019). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 16.1.2020). Gemäß Angaben einer anderen Quelle werden Tests und Medikamente an staatlichen Gesundheitseinrichtungen dann unentgeltlich abgegeben, wenn diese überhaupt verfügbar sind. Religiöse Wohltätigkeitseinrichtungen und NGOs bieten kostenfrei medizinische Versorgung (ÖB 10.2019).

In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 16.1.2020). Medikamente gegen einige weitverbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/AIDS können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben. Schutzimpfaktionen werden von internationalen Organisationen finanziert, stoßen aber auf religiös und kulturell bedingten Widerstand, überwiegend im muslimischen Norden (ÖB 10.2019).

Die Qualität der Produkte auf dem freien Markt ist jedoch zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25% aller verkauften Medikamente). Diese wirken aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt. Es gibt zudem wenig zuverlässige Kontrollen hinsichtlich der Qualität der auf dem Markt erhältlichen Produkte (AA 16.1.2020). Gegen den grassierenden Schwarzmarkt mit Medikamenten gehen staatliche Stellen kaum vor (ÖB 10.2019).

Der Glaube an die Heilkräfte der traditionellen Medizin ist nach wie vor sehr lebendig. Bei bestimmten Krankheiten werden eher traditionelle Heiler als Schulmediziner konsultiert (GIZ 9.2020b). Gerade im ländlichen Bereich werden „herbalists" und traditionelle Heiler aufgesucht (ÖB 10.2019).

In Nigeria gibt es wie in anderen Ländern relativ wenig belegte COVID-19 Infizierte. Dies kann auch damit zusammenhängen, dass vergleichsweise wenig Tests durchgeführt werden (Africa CDC 13.10.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (7.9.2020): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www. auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#c ontent_5, Zugriff 5.10.2020

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019), https://www.ecoi.net/en/file/localy2 025287/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschie berelevante_LageJn_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2019%29 %2C_16.01.2020.pdf, Zugriff 18.11.2020

-        AfricaCDC - Africa Centres for Disease Control and Prevention (13.10.2020): Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) - Latest updates on the COVID-19 crisis from Africa CDC, https://africacdc.org/covid-19/, Zugriff 13.10.2020

-        AJ - Al Jazeera (2.10.2019): Nigeria has a mental health problem, https://www.aljazeera. com/ajimpact/nigeria-mental-health-problem-191002210913630.html, Zugriff 16.4.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ec oi.net/en/file/local/2021612/NIGR_%C3%96B_Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 18.11.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020b): Nigeria, Ge-sellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 2.10.2020

-        HRW - Human Rights Watch (11.11.2019). Nigeria: People With Mental Health Conditions Chained, Abused, https://www.hrw.org/news/2019/11/11/nigeria-people-mental-health-c onditions-chained-abused, Zugriff 16.4.2020

-        Punch (22.12.2017): NHIS: Health insurance still elusive for many Nigerians, https://punc hng.com/nhis-health-insurance-still-elusive-for-many-nigerians/, Zugriff 16.4.2020

-        VAÖB - Vertrauensarzt der ÖB Abuja (23.1.2019): medizinische Stellungnahme

-        VAÖB - Vertrauensarzt der ÖB Abuja (27.3.2019): medizinische Stellungnahme

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 31.05.2016 und die vom gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Ass. Prof. Dr. E G erstellten neuropsychiatrischen (Ergänzungs-) Gutachten vom 01.04. und vom 24.05.2016, den Beschluss des Landesgerichtes Steyr vom 01.07.2020, der Stellungnahme des Ärztlichen Leiters der Justizanstalt Asten vom 02.03.2021 und dessen Kurzarztbrief vom 23.04.2021, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria. Ergänzend wurden Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) sowie der Grundversorgung (GVS) eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Soweit Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (zum Namen und Geburtsdatum) getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen er in der erhobenen Beschwerde nicht entgegentrat. Aufgrund der im Verfahren unterbliebenen Vorlage unbedenklicher nationaler Identitätsdokumente bzw. sonstiger Bescheinigungsmittel konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Es liegt sohin eine bloße Verfahrensidentität vor.

Die Feststellungen zu seiner Staats- und Volkszugehörigkeit, seinem Personenstand, seiner Schulbildung, seinem nicht abgeschlossenen Studium an einer Universität in Nigeria, seinen im Herkunftsstaat ausgeübten beruflichen Tätigkeiten und der Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit in Österreich gründen sich auf die Angaben des Beschwerdeführers bei der am 06.05.2016 erfolgten Erstbefragung sowie der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt am 21.02.2018 (in der Folge: Einvernahme) sowie den aktuellen Versicherungsdatenauszug.

Die Feststellungen zu seiner familiären Situation in Nigeria und zur Tatsache, dass seine Mutter mit ihrem Ehemann in den Niederlanden und Geschwister sowie Seitenverwandte von ihm im Vereinigten Königreich und in Italien leben, beruhen auf den bei seiner Einvernahme getätigten Aussagen. Es konnte nicht festgestellt werden, ob weitere Geschwister von ihm noch in Nigeria leben, weil der Beschwerdeführer dazu keine Angaben machte.

Die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen der versuchten schweren Körperverletzung und gefährlicher Drohung und der (weitere) Maßnahmenvollzug durch Unterbringung in einer Anstalt für unzurechnungsfähige Rechtsbrecher ergeben sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich, dem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 31.05.2016 und dem Beschluss des Landesgerichtes Steyr vom 01.07.2020.

Wie der E-Mail der Justizanstalt Asten vom 01.06.2021 entnommen werden kann, erfolgte eine Unterbrechung der Unterbringung; der Beschwerdeführer befand sich vom 02.03. bis 28.05.2021 in einem Bildungshaus in Tirol.

2.3. Zu einer vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung:

Die gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers ergibt sich insbesondere aus den (im Auftrag des Landesgerichtes Salzburg erstatteten) neuropsychiatrischen (Ergänzungs-) Gutachten des ärztlichen Sachverständigen vom 01.04. und vom 24.05.2016 sowie der Stellungnahme des Ärztlichen Leiters der Justizanstalt Asten vom 02.03. und dessen Kurzarztbrief vom 23.04.2021.

In diesem Kurzarztbrief wurde dargelegt, dass der Beschwerdeführer zur Zeit in der Lage sei, seine rechtlichen Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Die Beendigung der Medikamenteneinnahme würde eine Exazerbation der schizoaffektiven Störung auslösen; es wäre mit Wahnideen, Halluzinationen und Aggressivität zu rechnen. Solange in Nigeria die medikamentöse Behandlung mit regelmäßigen psychiatrischen Visiten durchgeführt würden, sei mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht zu rechnen und bestehe keine Gefahr einer Selbst- und Fremdgefährdung.

Auf Grund der fundierten Stellungnahmen der ärztlichen Leitung der Justizanstalt Asten ist der Schluss gerechtfertigt, dass beim Beschwerdeführer aktuell keine Gefahr einer Eigengefährdung besteht und im Moment auch eine Fremdgefährdung nicht gegeben erscheint, wenn die weitere psychiatrische bzw. umfassende therapeutische Betreuung des Beschwerdeführers aufrechterhalten wird und die Einnahme bzw. Verabreichung der (stabilisierenden) Medikamente gesichert ist. Auch die Unterbrechung der Unterbringung durch Erprobung einer Nachsorgeeinrichtung in einem Therapiezentrum für die Zeit vom 02.03. bis 28.05.2021 spricht dafür, dass derzeit von einem stabilen Zustandsbild des Beschwerdeführers ausgegangen werden kann und die Beendigung des Maßnahmenvollzuges (in naher Zukunft) erwartet werden kann.

Das Bundesamt machte von der Möglichkeit, zum Kurzarztbrief der Justizanstalt vom 23.04.2021 eine Stellungnahme abzugeben, keinen Gebrauch. In der Stellungnahme vom 23.05.2021 trat der Beschwerdeführer bzw. die rechtsfreundliche Vertretung den Ausführungen nicht entgegengetreten, sondern führte aus, dass ihm diese Behandlungsmöglichkeiten in Nigeria nicht zur Verfügung stünden und, wenn sie verfügbar wären, müssten sie privat finanziert werden. Im Fall der Abschiebung würde er schwere und irreparable Schäden erleiden.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den im Gutachten von einem gerichtlich beeideten Sachverständigen aus dem Bereich der Neuropsychiatrie sowie den in der Forensischen Stellungnahme und im Kurzarztbrief der ärztlichen Leitung der Justianstalt Asten getroffenen Feststellungen als Grundlage für die vorliegende Entscheidung an.

2.4. Zu den Behandlungsmöglichkeiten in Nigeria:

Die Feststellungen zu den Behandlungsmöglichkeiten ergeben sich aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria vom 23.11.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.1. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten:

§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:

Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1.       der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2.       dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

In seinem Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006, mwN, hält der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann.

Gegenständlich war daher zu beurteilen, ob im Fall der Rückführung des Beschwerdeführers nach Nigeria Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würden bzw. eine reale Gefahr einer solchen Verletzung bestünde oder die Rückführung für den Beschwerdeführer als Zivilperson mit einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).

In Bezug auf psychische Erkrankungen hielt der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 24.04.2018, in der Rs C-353/16, MP, fest, dass Art. 4 und Art. 19 Abs. 2 GRC der Außerlandesbringung entgegenstünden, wenn diese dazu führe, dass sich die psychischen Störungen, an denen der Drittstaatsangehörige im damaligen Ausgangsfall litt, erheblich und unumkehrbar verschlimmern. Dies gelte in besonderem Maße, wenn die Verschlimmerung sogar sein Überleben gefährden würde. In solchen Ausnahmefällen würde die Außerlandesbringung eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen in ein Land, in dem keine angemessenen Behandlungsmöglichkeiten vorhanden sind, gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Art 3 EMRK könnte daher einer Rückkehr entgegenstehen.

Im gegenständlich Fall liegen konkrete Anhaltspunkte dahingehend vor, dass mit der Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat eine schwerwiegende Verschlechterung seines Gesundheitszustandes verbunden und seine Existenz massiv gefährdet wäre. Der Beschwerdeführer befindet sich während seines ca. fünfjährigen Aufenthaltes in Österreich fast die ganze Zeit im Maßnahmenvollzug. Laut den ärztlichen Stellungnahmen der Justizanstalt Asten würde die Beendigung der Einnahme der verordneten Medikamente durch den Beschwerdeführer eine Exazerbation der schizoaffektiven Störung auslösen und es wäre mit Wahnideen, Halluzinationen und Aggressivität zu rechnen. Nur für den Fall, dass in Nigeria die medikamentöse Behandlung mit regelmäßigen psychiatrischen Visiten durchgeführt werden könnten, wäre nicht mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu rechnen und bestünde weder eine Gefahr einer Selbstgefährdung noch einer Fremdgefährdung. Das bedeutet, dass eine weitere Versorgung mit Medikamenten und engmaschige psychiatrische Betreuung des Beschwerdeführers bis zur anhaltenden Stabilisierung unabdingbar ist. Die Behandlung und die Medikation, die der Beschwerdeführer seit längerer Zeit erfährt, bieten Gewähr dafür, dass eine mit seiner Erkrankung verbundene Selbst- und Fremdgefährdung (in Österreich) in der Zukunft ausgeschlossen werden kann. Im Fall seiner Abschiebung nach Nigeria wäre aber aufgrund der dort eingeschränkten medizinischen bzw. therapeutischen Versorgungsmöglichkeiten wahrscheinlich mit einer deutlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes und Zunahme der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers zu rechnen.

Selbst bei Fortführung der medikamentösen Therapie in Nigeria erscheint die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit aufgrund der ärztlichen Stellungnahmen stark erschwert. Eine (psychologische) Betreuung und Unterstützung ist - zumindest zu Beginn der Aufnahme einer Tätigkeit - dringend geboten. Hinzu kommt, dass keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers mehr in Nigeria leben bzw. nicht festgestellt werden konnte, ob Geschwister von ihm in seinem Herkunftsstaat noch leben. Jedenfalls leben seine Mutter und ihr Ehemann bzw. der Stiefvater des Beschwerdeführers in den Niederlanden sowie Geschwister und Seitenverwandte von ihm im Vereinigten Königreich sowie in Italien. Das Führen einer eigenständigen Existenz in Nigeria würde dadurch, dass er etwas mehr als fünf Jahre im Maßnahmenvollzug verbracht hat, erschwert. Auf Grund der vorliegenden Erkrankung ist daher von einer starken Einschränkung der Leistungsfähigkeit bzw. Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen.

Doch selbst wenn es dem Beschwerdeführer möglich wäre, eine einfache Hilfstätigkeit zu finden, ist unklar, wie er damit eine regelmäßige Versorgung mit Medikamenten oder allenfalls eine ambulante oder stationäre Behandlung sicherstellen kann. Auch wenn die Medikamentenpreise in Nigeria nicht hoch sind, ist der Zugang beschränkt und bedeuten selbst Preise, die nach österreichischem Standard nieder sind, für einen nur eingeschränkt leistungsfähigen Mann ohne (familiäres) Netzwerk ein zu beachtendes Hindernis. Zur Behandlungsmöglichkeit paranoider Schizophrenie in Nigeria ist festzuhalten, dass verschiedene Medikamente erhältlich sind, dass die Kosten dafür aber vom Beschwerdeführer selbst zu tragen sind.

Im konkreten Fall ist zudem zu berücksichtigen, dass die Stigmatisierung und Missverständnisse über psychische Gesundheit, einschließlich der falschen Wahrnehmung, dass psychische Erkrankungen von bösen Geistern oder übernatürlichen Kräften verursacht werden, die Menschen dazu veranlassen, religiöse oder traditionelle Heiler zu konsultieren; eine Rolle spielt hier auch der Mangel an qualitativ hochwertiger psychiatrischer Versorgung und die unerschwinglichen Kosten. Es existieren allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau. Dort werden Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht, können aber nicht adäquat behandelt werden. Nigeria verfügt derzeit über weniger als 150 Psychiater, nach anderen Angaben sind es derzeit 130 für 200 Millionen Einwohner (Österreich 2011: 20 Psychiater/100.000 Einwohner). Bei Psychologen ist die Lage noch drastischer, hier kamen im Jahr 2014 auf 100.000 Einwohner 0,02 Psychologen (Österreich 2011: 80 Psychologen/100.000 Einwohner). Bei Psychologen ist die Lage noch drastischer, hier kamen im Jahr 2014 auf 100.000 Einwohner 0,02 Psychologen (Österreich 2011: 80 Psychologen/100.000 Einwohner). Aufgrund dieser personellen Situation ist eine regelrechte psychologische/psychiatrische Versorgung für die große Mehrheit nicht möglich, neben einer basalen Medikation werden die stationären Fälle in öffentlichen Einrichtungen im Wesentlichen „aufbewahrt“. Die Auswahl an Psychopharmaka ist aufgrund der mangelnden Nachfrage sehr begrenzt. Die WHO schätzt, dass weniger als 10 Prozent der Nigerianer jene psychiatrische Behandlung bekommen, die sie brauchen (vgl. das Länderinformationsblatt: „Medizinische Versorgung“).

Gegenständlich bestehen, wie den Stellungnahmen der ärztlichen Leitung des Justizanstalt Asten entnommen werden kann, konkrete Anhaltspunkte, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer zu einer (deutlichen) Verschlechterung seines Gesundheitszustandes führen und die Zunahme der Gefährlichkeit gegenüber sich selbst und anderen Personen erwartet werden kann.

Es ist daher davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer aufgrund der besonderen Schwere seiner Erkrankung nicht möglich ist, sich eine eigene Existenz aufzubauen und die Versorgung mit Medikamenten zu sichern. Bei einer Rückkehr nach Nigeria wird er in eine aussichtslose, die Existenz bedrohende Notlage geraten.

Da eine dauerhaft angelegte und intensive fachärztlich-psychiatrische Behandlung des Beschwerdeführers, der sich in Österreich fast durchgehend im Maßnahmenvollzug befindet, in Nigeria nicht möglich erscheint, würde dies für ihn bedeuten, dass er im Fall einer Rückkehr nach Nigeria einer Gefährdung im Sinn des Art. 3 EMRK ausgesetzt sein würde, weshalb ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer auch in seiner Erwerbsfähigkeit stark eingeschränkt ist.

Im konkreten Fall ist eine besondere Schutzwürdigkeit des Beschwerdeführers gegeben. Es muss aktuell davon ausgegangen werden, dass eine Rückkehr nach Nigeria ihn aufgrund seiner gesundheitlichen Situation in eine aussichtlose Lage versetzen würde, so dass eine Rückführung einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK darstellen würde.

Weiters bedarf es der Beurteilung, ob Ausschlussgründe im Sinne des § 9 AsylG 2005 vorliegen.

§ 9 Abs. 1 und 2 AsylG lauten:

(1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1.       die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2.       er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3.       er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1.       einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2.       der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3.       der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 31.05.2016 in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er eine Tat begangen hat, die ihm - wäre er zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen - als Vergehen der versuchten schweren Körperverletzung nach § 15 StGB und §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 2 StGB sowie der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zuzurechnen gewesen wäre. Die ihm zur Last gelegte Tat bezog sich somit nicht auf ein Verbrechen. Dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, kann nicht angenommen werden, zumal er mit Ausnahme der unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangenen Taten keine weiteren, mit Strafe bedrohte Handlungen (mit schweren Folgen) beging. Die aktuellen Stellungnahmen der Ärztlichen Leitung der Justizanstalt Asten bescheinigen, dass auf Grund der Behandlung und Medikation beim Beschwerdeführer aus medizinischer Sicht eine nachhaltige psychische Stabilisierung eingetreten ist. Es kann daher von einer eher günstigen Gefährlichkeitsprognose ausgegangen und eine Gefährdung der Allgemeinheit zum gegebenen Zeitpunkt als gemindert angesehen werden. Ein Ausschlussgrund liegt daher nicht vor.

Dem Beschwerdeführer ist daher der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Nigeria zuzuerkennen und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 zu erteilen.

3.2. Zur Aufhebung der Rückkehrentscheidung und der darauf aufbauenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

Da im gegenständlichen Fall dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung nicht (mehr) vor.

Daher waren die vom Bundesamt in Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides angeordnete Rückkehrentscheidung ebenso wie die darauf aufbauenden Spruchpunkte über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), die Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria (Spruchpunkt V.), die Nichtgewährung einer Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.), die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VII.) und die Erlassung eines Einreiseverbotes auf die Dauer von sieben Jahren (Spruchpunkt VIII.) aufzuheben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Zur Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung:

Im gegenständlichen Verfahren war in erster Linie zu beurteilen, ob vom Beschwerdeführer eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit ausgeht. Von einer Befragung des Beschwerdeführers war abzusehen, vielmehr konnte sich das Bundesverwaltungsgericht bei dieser Frage insbesondere auf die Stellungnahmen der ärztlichen Leitung der Justizanstalt Asten stützen. Die entsprechenden Unterlagen wurden dem Bundesamt und dem Beschwerdeführer zum Parteiengehör übermittelt. Von dieser Möglichkeit machte nur der Beschwerdeführer, nicht hingegen das Bundesamt Gebrauch. Die in der Beschwerde geltend gemachten Beschwerdegründe wurden gegenständlich umfassend berücksichtigt. Von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. VwGH 22.10.2020, Ro 2020/20/0001), noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung befristete Aufenthaltsberechtigung Einreiseverbot aufgehoben Ersatzentscheidung ersatzlose Teilbehebung Kassation real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung behoben Spruchpunktbehebung subsidiärer Schutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I401.2204462.1.00

Im RIS seit

14.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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