TE Vfgh Erkenntnis 1995/3/9 G188/94

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Veröffentlicht am 09.03.1995
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82 Gesundheitsrecht
82/06 Krankenanstalten, Kurorte

Norm

F-VG 1948 §2
KAG §56
VfGG §62 Abs1 erster Satz

Leitsatz

Abweisung eines Antrags der Wiener Landesregierung auf Aufhebung der eine Verordnungsermächtigung an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung enthaltenden Bestimmung des KAG betreffend Kostenersätze für den "klinischen Mehraufwand" angesichts der im Erkenntnis KII-1/94 festgestellten Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung und Vollziehung dieser finanzausgleichsrechtlichen Bestimmungen

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Die Wiener Landesregierung stellt aufgrund ihres Beschlusses vom 24. Juni 1994 den auf Art140 B-VG gestützten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge §56 des Krankenanstaltengesetzes (KAG), BGBl. 1/1957 i.d.g.F., als verfassungswidrig aufheben.

b) Die angefochtene Bestimmung und der vorangehende - mit ihr zusammenhängende - §55 KAG beziehen sich auf den Ersatz des sogenannten "Klinischen Mehraufwandes" durch den Bund an den Träger der Krankenanstalt.

Diese Vorschriften lauten (§55 i.d.F. der KAG-Novelle BGBl. 281/1974; §56 i.d.F. der KAG-Novelle BGBl. 282/1988):

"§55. Der Bund ersetzt:

1.

die Mehrkosten, die sich bei der Errichtung, Ausgestaltung und Erweiterung der zugleich dem Unterricht an medizinischen Fakultäten oder an Bundes-Hebammenlehranstalten dienenden öffentlichen Krankenanstalten aus den Bedürfnissen des Unterrichtes ergeben;

2.

die Mehrkosten, die sich beim Betriebe der unter Z. 1 genannten Krankenanstalten aus den Bedürfnissen des Unterrichtes ergeben;

3.

die Pflegegebühren der allgemeinen Gebührenklasse für zu Unterrichtszwecken im Sinne des §43 herangezogene Personen.

§56. Die näheren Vorschriften über die im §55 vorgesehenen Kostenersätze des Bundes werden bei Universitätskliniken vom Bundesminister für Wissenschaft und Forschung* im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen nach Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierungen (...) durch Verordnung bestimmt."

*(nunmehr: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst - vgl. BGBl. 1105/1994)

c) Die Wiener Landesregierung begründet ihren Antrag im wesentlichen damit, daß die Regelung, wie die Höhe des "Klinischen Mehraufwandes" zu ermitteln ist, zum Kompetenztatbestand "Heil- und Pflegeanstalten" in Art12 Abs1 Z1 B-VG gehöre. Daher obliege in diesen Angelegenheiten dem Bund bloß die Grundsatzgesetzgebung; eine Vollzugszuständigkeit des Bundes sei ausgeschlossen. Damit dürfe der Bund auf diesem Gebiet auch keine Verordnungen erlassen; §56 KAG ermächtige aber dazu.

2.a) Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie begehrt, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, daß §56 KAG nicht als verfassungswidrig aufzuheben ist.

Die angefochtene Vorschrift sei kompetenzrechtlich dem Hochschulwesen zuzuordnen und daher nach Art14 Abs1 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache.

b) Der Verfassungsgerichtshof gab auch den Ämtern der anderen Landesregierungen Gelegenheit zur Stellungnahme. Hievon machten die (Ämter der) Landesregierungen von Niederösterreich, Salzburger, Steiermark und Tirol Gebrauch. Sie traten (im Ergebnis) der von der Wiener Landesregierung vertretenen Meinung bei.

II. Über den Antrag wurde erwogen:

1. Die Wiener Landesregierung beantragte zwar bloß die Aufhebung des "§56 des Krankenanstaltengesetzes, BGBl. Nr. 1/1957 i.d.g.F.". Da im vorliegenden Fall aber - anders als in jenem, der dem Beschluß vom 2. März 1995, G279/94, zugrundeliegt - gerade noch mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar ist, welche Fassung des Gesetzes im Antrag gemeint wird, ist dem für Anträge nach Art140 B-VG geltenden strengen Formerfordernis des §62 Abs1 erster Satz VerfGG Genüge getan.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat in dem (in einem Kompetenzfeststellungsverfahren nach Art138 Abs2 B-VG ergangenen) Erkenntnis vom heutigen Tag, KII-1/94, die Rechtslage in folgendem Rechtssatz festgestellt:

"In die Zuständigkeit des Bundes fällt es gemäß §2 Finanz-Verfassungsgesetz 1948, zu regeln, wie die Höhe des vom Bund den Ländern und Gemeinden zu ersetzenden 'Klinischen Mehraufwandes' zu ermitteln ist.

Der 'Klinische Mehraufwand' besteht aus jenen Mehrkosten, die sich bei der Errichtung, Ausgestaltung und Erweiterung sowie beim Betrieb von öffentlichen Krankenanstalten daraus ergeben, daß die Krankenanstalten zugleich der Lehre und Forschung an Medizinischen Fakultäten dienen."

Aus dieser Kompetenzlage ergibt sich, daß die von der antragstellenden Landesregierung eingenommene Ausgangsposition, eine Regelung, die die Ermittlung der Höhe des "klinischen Mehraufwandes" zum Gegenstand hat, sei nach Art12 Abs1 Z1 B-VG nur der Grundsatzgesetzgebung nach Bundessache, unrichtig ist. Vielmehr handelt es sich - wie im zitierten Erkenntnis dargetan wird - bei den §§55 f. KAG um finanzausgleichsrechtliche Bestimmungen, die zu erlassen und zu vollziehen dem §2 F-VG 1948 zufolge Bundessache ist.

Die auf der erwähnten - verfehlten - Prämisse aufbauenden verfassungsrechtlichen Bedenken - nur mit diesen hatte sich der Verfassungsgerichtshof zu befassen - treffen also nicht zu.

Der Antrag war daher abzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Formerfordernisse, Krankenanstalten, klinischer Mehraufwand, Kompetenz Bund - Länder Krankenanstalten, Finanzverfassung, Finanzausgleich

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G188.1994

Dokumentnummer

JFT_10049691_94G00188_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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