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25 Strafprozeß, StrafvollzugNorm
B-VG Art138 Abs1 litaLeitsatz
Zurückweisung des Antrags auf Entscheidung eines negativenKompetenzkonfliktes zwischen einem Unabhängigen Verwaltungssenat undder Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien betreffendÜberprüfung einer - im Rahmen eines Strafverfahrens durchrichterlichen Befehl angeordneten - Hausdurchsuchung undBeschlagnahme; kein Vorliegen eines negativen Kompetenzkonfliktes;keine Ablehnung der Entscheidung durch die Ratskammer aus dem Grundeder Unzuständigkeit sondern Wertung des Beschlusses alsSachentscheidungSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die Antragstellerin ist Miteigentümerin einer Liegenschaft in G. Am 12. April 2002 wurde im Rahmen des beim Landesgericht für Strafsachen Wien gegen R.P. - einen Sohn der Antragstellerin, der an gleicher Adresse nebengemeldet war - geführten (mittlerweile eingestellten) Strafverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft Wien von der zuständigen Untersuchungsrichterin zum Zwecke der Auffindung und Beschlagnahme von Gegenständen, deren Besitz oder Besichtigung für das gegenständliche Strafverfahren von Bedeutung sein könnten, ein Hausdurchsuchungsbefehl erlassen, der sich auf die Wohnung und die sonstigen zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten erstreckte. Am 16. April 2002 wurden sämtliche im Haus befindliche Räumlichkeiten durchsucht und diverse Gegenstände von Beamten des Gendarmeriepostens
G. beschlagnahmt.
2. Die Antragstellerin erhob daraufhin Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark (im Folgenden: UVS), in der im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass die einschreitenden Beamten ihre Ermächtigung bei der Durchführung des richterlichen Hausdurchsuchungsbefehls überschritten hätten, da in rechtswidriger Weise auch Räumlichkeiten der Antragstellerin durchsucht und ihr gehörende Gegenstände beschlagnahmt worden seien; zudem seien keine Gerichtszeugen beigezogen und der Hausdurchsuchungsbefehl nicht zugestellt worden.
3. Der UVS wies die Beschwerde mit Bescheid vom 4. Juli 2005 zurück und führte im Wesentlichen aus, dass ein Akt des Gerichts vorliege, welcher der Überprüfung durch den UVS entzogen sei.
4. Am 2. September 2006 erhob die Antragstellerin Beschwerden an die Ratskammer des Landesgerichts für Strafsachen Wien, die am 22. September 2006 den Beschluss fasste, dass den Beschwerden keine Berechtigung zukomme.
5. Mit dem - als "Beschwerde" bezeichneten - auf Art138 Abs1 lita B-VG gestützten Antrag begehrt die Einschreiterin die Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes zwischen dem UVS und der Ratskammer des Landesgerichts für Strafsachen Wien.
II. Der Antrag ist nicht zulässig.
1. Die Antragstellerin, die nach eigenen Angaben Miteigentümerin einer Liegenschaft in G. ist, auf die sich der Hausdurchsuchungsbefehl vom 12. April 2002 erstreckte, vertritt die Auffassung, dass sie in ihren (verfassungsgesetzlich gewährleisteten) Rechten verletzt worden sei, da - entgegen dem Wortlaut des Hausdurchsuchungsbefehls - "sämtliche ... Räumlichkeiten ohne Unterschied" durchsucht worden seien. Die wegen Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt erhobene Beschwerde wurde jedoch vom UVS zurückgewiesen; auch die sodann bei der Ratskammer des Landesgerichts für Strafsachen Wien erhobenen Beschwerden führten nach Auffassung der Antragstellerin bloß dazu, "dass diese sich zur Feststellung der gerügten Rechtsverletzungen ebenfalls für unzuständig erklärt(e)".
Zusammenfassend kommt die Antragstellerin in ihrem an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Antrag zu folgendem Schluss:
"Demnach haben in derselben Sache (Rüge einerseits der Durchsuchung auch der Räume der Bf, anderseits der Unterlassung der Zustellung des HD-Befehls an sie) sowohl die Verwaltungsbehörde als auch das Gericht ihre Zuständigkeit verneint. Es liegt daher ein negativer Kompetenzkonflikt vor.
Eine der beiden Behörden hat ihre Zuständigkeit zu Unrecht verneint, denn es kann, zumal bei grundrechtskonformer Auslegung (Art13 EMRK), der österreichischen Rechts- und Verfassungsordnung nicht unterstellt werden, für die Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit einerseits der Durchsuchung bestimmter Räumlichkeiten im Zuge einer richterlich angeordneten HD, anderseits der Unterlassung der Zustellung eines HD-Befehls keine zuständige Behörde und damit keine (effektive) Beschwerdemöglichkeit statuiert zu haben (vgl. etwa VfGH 12.12.2002, G151/02).
Denn: sollten beide Entscheidungen rechtmäßig sein, wo kann die A dann etwa die von keiner Seite (auch von den Polizeibehörden nicht) bestrittene Unterlassung der Zustellung des HD-Befehls rügen?"
2. Gemäß Art138 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden. Nach dieser Verfassungsnorm iVm §46 Abs1 VfGG setzt ein negativer (verneinender) Kompetenzkonflikt jedenfalls voraus, dass jede der angerufenen Behörden eine Entscheidung in derselben Sache aus dem Grunde der Unzuständigkeit abgelehnt hat - die Ablehnung aber in einem Fall zu Unrecht erfolgt ist.
3.1. Es trifft zu, dass der UVS dadurch, dass er die von der nunmehrigen Antragstellerin erhobene Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zurückgewiesen hat, seine Zuständigkeit verneint hat.
Der UVS führte dazu insbesondere aus, dass sich sowohl die Hausdurchsuchung als auch die Beschlagnahme von Gegenständen im Rahmen des richterlichen Hausdurchsuchungsbefehls bewegt hätten und kein "excessus mandati" vorgelegen sei, weshalb ein Akt des Gerichts vorliege, welcher der Überprüfung durch den UVS entzogen sei (vgl. dazu etwa VwGH 16.2.2000, 96/01/0233).
Die Behandlung der gegen den Bescheid des UVS vom 4. Juli 2005 erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2006 abgelehnt.
3.2. Anders als die Antragstellerin meint, ist hingegen der Beschluss der Ratskammer des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Sachentscheidung zu werten, in dem festgestellt wird, dass den Beschwerden der nunmehrigen Antragstellerin keine Berechtigung zukommt.
Vorauszuschicken ist, dass gemäß §113 Abs1 Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl. 631 in der Fassung BGBl. 526/1993, alle, die sich während der Vorerhebungen, der Voruntersuchung oder in dem der Einbringung der Anklageschrift nachfolgenden Verfahren durch eine Verfügung oder Verzögerung des Untersuchungsrichters beschwert erachten, das Recht haben, darüber, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, eine Entscheidung der Ratskammer zu verlangen und ihr Begehren entweder schriftlich oder mündlich beim Untersuchungsrichter oder unmittelbar bei der Ratskammer anzubringen.
Eine solche Entscheidung der Ratskammer wurde von der Antragstellerin begehrt.
Die Ratskammer des Landesgerichts für Strafsachen Wien hat in der Begründung ihres Beschlusses insbesondere dargelegt, weshalb die Voraussetzungen der Hausdurchsuchung gemäß §139 Abs1 StPO hinsichtlich des in Rede stehenden Gebäudes vorgelegen seien; eine Beschwerde über die Umstände bzw. Art und Weise der Durchführung einer Hausdurchsuchung könne jedoch nicht Gegenstand einer Beschwerde iSd §113 StPO sein.
Die Ratskammer des Landesgerichts für Strafsachen Wien hat dazu u.a. Folgendes ausgeführt:
"Die gegenständliche Beschwerde ... richtet sich nun gegen die Durchsuchung der in G. befindlichen Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin am 16.4.2002, gegen die Unterlassung der Zustellung des Hausdurchsuchungsbefehles an die Beschwerdeführerin innerhalb von 24 Stunden nach der Amtshandlung sowie gegen die Beschlagnahme zahlreicher im Eigentum der Beschwerdeführerin stehender Gegenstände. ...
Voraussetzung einer Hausdurchsuchung ist gemäß §139 Abs1 StPO der bereits vor ihrer Durchführung bestehende, sich gegen eine namentlich bekannte Person oder gegen einen unbekannten Täter richtende konkrete Verdacht einer bestimmten strafbaren Handlung; Zweck einer Hausdurchsuchung ist die Auffindung bis dahin nicht verfügbarer (oder unbekannter) Beweismittel, deren Besitz oder Besichtigung im Hinblick auf diesen konkreten Verdacht für die darauf bezughabende Untersuchung von Bedeutung sein können. Ausgehend von der damaligen Verdachtslage (...) war die Erlassung eines Hausdurchsuchungsbefehles auch hinsichtlich der Adresse in G. rechtmäßig und ebenso hat sich die Sicherstellung von - wie im Hausdurchsuchungsbefehl ON ... detailliert angeführt - Gegenständen wie Computer, Datenträger, kinderpornographisches Material u.a., zu dem der Bestimmung des §139 Abs1 StPO bezeichneten Zweck als notwendig erwiesen. Da somit der am 12.4.2004 [richtig: 2002] im hiergerichtlichen Verfahren erlassene Hausdurchsuchungsbefehl der zum damaligen Zeitpunkt gegebenen Sach- und Rechtslage entsprach, war der diesbezüglich ungegründeten Beschwerde gegen die Durchführung der Hausdurchsuchung am 16.4.2002 der Erfolg zu versagen, zumal die Ratskammer lediglich über die rechtmäßige Anordnung und Erlassung eines Hausdurchsuchungsbefehles entscheidet, nicht jedoch über die Art und Weise der Durchführung derselben. Eine Beschwerde über die Umstände bzw. Art und Weise einer Hausdurchsuchung kann jedenfalls nicht Gegenstand einer Beschwerde im Sinne des §113 StPO sein.
Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Bestimmung des §140 Abs3, 2. Satz StPO moniert, ist ihr entgegen zu halten, dass in dem von ihr mit der gegenständlichen Beschwerde bekämpften, an die zuständige Sicherheitsbehörde gerichteten Hausdurchsuchungsbefehl dessen sofortige oder längstens binnen 24 Stunden zu erfolgende Zustellung angeordnet worden war. Demnach liegt auch diesbezüglich einer der zuständigen Richterin - welche den Hausdurchsuchungsbefehl noch am selben Tag, nämlich am 12. April 2002 den zuständigen Sicherheitsbehörden per Fax übermittelte - anzulastende Gesetzesverletzung nicht vor.
Da der Zweck einer Hausdurchsuchung die Auffindung bis dahin nicht verfügbarer oder unbekannter, auf die bestimmte strafbare Handlung bezughabender Beweismittel ist, bedarf es - sobald eine Hausdurchsuchung in gesetzlicher Weise angeordnet wurde - keines zusätzlichen richterlichen Beschlagnahmebefehls, weshalb auch der gegenständlichen Beschwerde gegen die Beschlagnahme zahlreicher im Eigentum der Beschwerdeführerin stehender Gegenstände der Erfolg zu versagen war. ..."
4. Diese begründenden Ausführungen machen deutlich, dass die Ratskammer des Landesgerichts für Strafsachen Wien eine Entscheidung nicht aus dem Grunde der Unzuständigkeit abgelehnt hat.
Dem Verfassungsgerichtshof ist es aber verwehrt, - über die ihm gemäß Art138 Abs1 lita B-VG eingeräumte Zuständigkeit zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden hinaus - die inhaltliche Rechtmäßigkeit eines Aktes der Gerichtsbarkeit zu überprüfen.
5. Da ein negativer Kompetenzkonflikt sohin nicht vorliegt, war der Antrag zurückzuweisen.
6. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Strafrecht, Strafprozeßrecht, Hausrecht, Hausdurchsuchung,richterlicher Befehl, Ausübung unmittelbarer Befehls- undZwangsgewalt, Unabhängiger Verwaltungssenat, VfGH /Kompetenzkonflikt, VfGH / ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:KI2.2006Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009