Entscheidungsdatum
30.06.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
I407 1427541-5/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. NIGERIA, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R1, 1090 Wien gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion XXXX vom 02.03.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der aus dem Edo State, Nigeria, stammende Beschwerdeführer stellte am 29.05.2012 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 08.06.2012 diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria ab (Spruchpunkt II.) und verfügte die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Nigeria (Spruchpunkt III.). Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Beschwerde wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.09.2015, I409 1427541-1/15Z, als unbegründet abgewiesen und der Bescheid betreffend die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria behoben und die Angelegenheit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 75 Abs. 20 AsylG zurückverwiesen.
2. Mit Bescheid vom 05.11.2015 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG, erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt I.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen festgelegt (Spruchpunkt II). Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.07.2018, I404 1427541-2/10E, als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.
3. Am 17.01.2019 stellte der Beschwerdeführer einen (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz, da sich die politische Lage in seinem Land geändert habe. Im Zuge seiner Einvernahme am 13.02.2019 verkündete das des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG. Dies wurde mit rechtskräftigem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.02.2019, I421 1427541-3/3E, für rechtmäßig erklärt.
4. Mit Bescheid vom 05.09.2019 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers vom 17.01.2019 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurück (Spruchpunkt I. und II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.), gewährte ihm gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.) sowie erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG gegen ihn ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.). Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.10.2019, I401 1427541-4 als unbegründet abgewiesen und die Revision für unzulässig erklärt.
5. Am 08.09.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag gem. § 55 Abs 1 AsylG.
6. Mit Verbesserungsauftrag vom 02.10.2020 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert ein gültiges Reisedokument in Original und Kopie, eine Geburtsurkunde und ein amtliches Lichtbild vorzulegen sowie seinen Antrag in deutscher Sprache ausführlich schriftlich zu begründen.
7. Mit Schriftsatz vom 02.11.2020 legte der Beschwerdeführer eine gesetzliche Alterserklärung der nigerianischen Botschaft vom 25.08.2015, eine Geburtsbescheinigung vom 18.11.2019 sowie diverse Unterlage zum Nachweis seiner Integration vor und stellte hinsichtlich der Vorlage des Reisepasses einen Mangelheilungsantrag und führte aus er habe keine Möglichkeit sich einen Reisepass zu besorgen, da er in seinem Heimatstaat keine Kontakte mehr habe. Eine schriftliche Antragsbegründung wurde ebenfalls nicht vorgelegt.
8. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 02.03.2021 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen.
9. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 30.03.2021 Beschwerde und brachte vor, dass die Entscheidung inhaltlich falsch und rechtswidrig sei, da seiner Integration nicht genug Beachtung zugekommen sei und insbesondere seine integrativen Fortschritte nicht inhaltlich geprüft worden seien. Der Beschwerdeführer beherrsch die deutsche Sprache auf ausreichendem Niveau, habe konkrete Zukunftspläne und habe sich dem Leben in Österreich angepasst. In seinem Heimatland würde er vor dem nichts stehen.
10. Am 26.05.2021 wurde der Beschwerdeführer nach Nigeria abgeschoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird zum maßgeblichen Sachverhalt erhoben und ergänzend festgestellt:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der ledige und kinderlose Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b AsylG. Er ging in Nigeria elf Jahre zur Schule und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer befindet sich in einem arbeitsfähigen Alter und leidet an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Der Beschwerdeführer lebte seit mindestens 29.05.2012 in Österreich. Seit dem in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.07.2018, Zl. I404 1427541-2/10E ist sein Aufenthalt nicht mehr rechtmäßig. Er verfügt in Österreich über keinen Aufenthaltstitel gemäß den Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes.
Bis zu seiner Ausreise im Jahr 2012 lebte er zusammen mit seiner Mutter und Schwester in der Stadt Jattu, die im südlichen Bundesstaat Edo gelegen ist. Ob weiterhin Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Verwandten in Nigeria, insbesondere zu seiner Mutter besteht kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden.
Aus dem Antragsvorbringen des Beschwerdeführers gemäß § 55 AsylG geht im Vergleich zur rezenten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung ein im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gem. Art 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervor.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Er ging bis zu seiner Abschiebung in Österreich weiterhin keiner der Pflichtversicherung unterliegenden Erwerbstätigkeit nach. Seit dem Jahr 2017 war er ehrenamtlich als Helfer in einem Pensionisten-Wohnheim in Wien tätig. Neu vorgelegt wurde seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.10.2019, I401 1427541-4 lediglich, dass er begonnen hat ehrenamtlich beim Sozialmarkt des Samariterbundes im Haus Erdberg zu arbeiten. Dort wurde er seit 03.08.2018 betreut.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben und zwar durch die Einsichtnahme in die Akten der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid, den Beschwerdeschriftsatz sowie die Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister und der Grundversorgung wurden ergänzend eingeholt.
Der Beschwerdeführer bestreitet den vom BFA festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von ihm vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung anschließt.
Das BFA hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung wesentlichen Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde ausgeführten Erwägungen in Frage zu stellen.
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes und dem Inhalt des Behördenaktes
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, seinem Alter, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppenzugehörigkeit und seinem Religionsbekenntnis ergeben sich aus dem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren zum Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers, sowie den diesbezüglich gleichbleibenden und glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht in den Vorverfahren. Seine Identität steht mangels der Vorlage entsprechender identitätsbezeugenden Dokumente nicht zweifelsfrei fest.
Hinsichtlich seines Gesundheitszustandes ist auszuführen, dass dieser unverändert geblieben ist. Der Beschwerdeführer leidet seit mehreren Jahren an Bluthochdruck. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine schwere gesundheitliche Beeinträchtigung.
Dass er über keinen Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz verfügt, ist der aktuellen IZR-Abfrage vom 09.06.2021 zu entnehmen.
Die Feststellung zum Wohnort des Beschwerdeführers vor seiner Ausreise ergeben sich aus dessen gleichbleibenden Aussagen in den bisherigen Verfahren. Hinsichtlich der Frage, ob er weiterhin Kontakt zu seiner Familie hält, musste eine Negativfeststellung getroffen werden, da der Beschwerdeführer bisher stets aussagte, zu seiner Mutter weiterhin telefonischen Kontakt zu halten. Im Zuge seines Antrages auf Mangelheilung führte er jedoch aus, eben keine Kontakte mehr in Nigeria zu haben.
Die Feststellungen zur Integration des Beschwerdeführers, insbesondere seiner ehrenamtlichen Tätigkeiten, ergeben sich aus den im Zuge des Antrages vorgelegten Urkunden. Dass der Beschwerdeführer keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, ergibt sich aus der Aktenlage in Zusammenschau mit dem am 09.06.2021 abgefragten Sozialversicherungsauszug.
Dass es hier zu keiner wesentlichen Änderung seit der letzten Rückkehrentscheidung vom 17.10.2019 kam, ergibt sich in Zusammenschau mit dem entsprechenden Erkenntnis und Einsichtnahme in den betreffenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes. Mit Ausnahme der beiden Schreiben des Samariterbundes vom 08.09.2020 (Sozialbericht und Bestätigung über die ehrenamtliche Tätigkeit) sind sämtliche vom Beschwerdeführer im Zuge des gegenständlichen Antrages vorgelegten Urkunden zur Bestätigung der Integration mit einem vor dem 17.10.2019 liegenden Datum datiert und wurden großteils bereits in einem der Vorverfahren vorgelegt (vgl. AS 14-27 und Teil II AS 263-281). Hinsichtlich der Sprachkenntnisse wurden lediglich die bereits im Akt befindliche Kursbestätigungen aus dem Jahr 2012 und 2014 auf Niveau A1 vorgelegt. Entsprechende Prüfungen wurden vom Beschwerdeführer nicht abgelegt.
Die Feststellung zur strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers fußt auf einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
§ 58 Abs. 10 AsylG bestimmt:
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß §9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. […]
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1803 BlgNR 24. GP 50) legen zur Bestimmung des § 58 Abs 10 AsylG Folgendes dar:
„Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass – im Rahmen einer Neubewertung – wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird.“
§ 10 Abs. 3 AsylG lautet:
„(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."
§ 52 Abs. 3 FPG lautet:
„(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.“
Die zur Vorgängerregelung des § 58 Abs. 10 AsylG (also zu § 44b Abs. 1 NAG) ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auf die Auslegung des § 58 Abs. 10 AsylG zu übertragen (dazu VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101). Nach dieser Rechtsprechung liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten würde. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweisen auf VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; 05.05.2015, Ra 2014/22/0115).
Da der Zurückweisungsgrund gemäß § 58 Abs. 10 AsylG (vormals § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet ist, können die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, auch für die Frage herangezogen werden, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG vorliegt. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides (bezogen auf § 58 Abs. 10 AsylG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. VwGH 09.09.2013, 2013/22/0161; 09.09.2013, 2013/22/0215, mwN).
Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde zusammengefasst vor die Entscheidung des BFA sei inhaltlich falsch und rechtswidrig und es lägen die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel gem. § 55 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 entgegen der Beurteilung der belangten Behörde vor. Der Beschwerdeführer weise eine intensive soziale, sprachliche und familiäre Integration in Österreich auf. Er sei seit 9 Jahren im Bundesgebiet aufhältig und spreche Deutsch auf ausreichendem Niveau.
Wie oben ausgeführt stellt dies keine wesentliche Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes gegenüber dem Sachverhalt, der dem Erkenntnis vom 17.10.2019 zugrunde gelegt worden war, dar. Einzig die Aufnahme einer weiteren ehrenamtlichen Tätigkeit stellt eine Änderung zur bisherigen Sachlage dar.
Diese ist im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung jedoch nicht maßgeblich. So hat der Verwaltungsgerichtshof bereits angesprochen, dass weder ein Zeitablauf von ca. 2 Jahren zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und dem Zurückweisungsbeschluss der Behörde noch verbesserte Deutschkenntnisse und Arbeitsplatzzusagen eine maßgebliche Sachverhaltsänderung im Sinne des § 44b NAG idF vor 2012/I/087 darstellen.
Ansonsten hat der Beschwerdeführer sein bisheriges Leben in Österreich während der folgenden Monate einfach fortgesetzt, obwohl er zur Ausreise verpflichtet war. Vor diesem Hintergrund kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung zurückweist, dass "keine maßgebliche Sachverhaltsänderung“ stattgefunden hat. Die geltend gemachten Umstände weisen von vornherein keine solche Bedeutung auf, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten würden.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK aufrechte Rückkehrentscheidung Ausreiseverpflichtung Bindungswirkung entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung entschiedene Sache erhebliche Unterschiedlichkeit geänderte Verhältnisse Identität der Sache Integration Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata unzulässiger Antrag wesentliche Änderung ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I407.1427541.5.00Im RIS seit
14.09.2021Zuletzt aktualisiert am
14.09.2021