Entscheidungsdatum
01.07.2021Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I411 2168283-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Libyen, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R1, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Wien vom 03.08.2017, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 wird ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von einem Jahr erteilt.
III. Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 19.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz und gab in der am darauffolgenden Tag durchgeführten Erstbefragung an, Libyen wegen Arbeitslosigkeit und Armut sowie Unterdrückung seitens der Behörden und Polizei verlassen zu haben. Er möge in Freiheit leben und hier arbeiten. Er sei grundlos von der Polizei festgenommen und ihm sei kein Grund genannt worden. In Libyen herrsche Krieg und er habe Angst um sein Leben.
2. Am 05.07.2017 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. In dieser Einvernahme erstattete er folgendes Fluchtvorbringen: „Das Problem ist 2007 passiert, damals war Al-Gaddafi noch immer an der Macht. Es gab eine Art von Militär, aber sie hatten mit dem offiziellem Militärnichts zu tun. Eine dieser Gruppierungen war genau in dem Ort in dem ich in Libyen gelebt habe. Die Gruppierung hat auf Arabisch Alforsan Alshojan (Die Helden-Reiter). Es gab einen Ort wo nur Mitglieder dieser Gruppierung hinein durften. In dem Ort konnte man Pferde reiten. Ich und sechs andere Personen wollten eines Tages dorthin, aber wir wurden von dieser Gruppierung erwischt. Sie haben uns zwei Tage festgehalten und sie haben uns geschlagen. Als sie uns freigelassen haben, waren wir sehr wütend und jeder von uns wollte Rache nehmen. Meine Eltern waren sofort dagegen, weil sie wussten, dass dies eskalieren wird, vor allem war ein Bruder damals beim Militär. Weil meine Familie wusste, dass ich keine Ruhe geben würde, haben sie mir geholfen das Land zu verlassen und ich bin dann nach Italien ausgereist. Das Militär hatte damals keine Macht, diese Gruppierungen waren vom Staat anerkannt, jeder Anführer hatte unter sich drei – vier tausend Personen die er ausgebildet hat. Die Polizei bei uns ist nicht wie hier. Man kann gegen Polizisten nichts machen. Nach dem Vorfall bin ich ausgereist.“
3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 03.08.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Libyen als unbegründet ab (Spruchpunkt I. und II.). Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Libyen zulässig ist (Spruchpunkt III.). Ferner gewährte das Bundesamt keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.) und erkannte zugleich einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.).
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die im vollen Umfang erhobene Beschwerde vom 18.08.2017.
5. Mit Schriftsatz vom 21.08.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 22.08.2017, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
6. Mit Beschluss vom 23.08.2017, GZ: I411 2168283-1/3Z, erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.
7. Für den 07.06.2021 war eine mündliche Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck anberaumt. Weder der Beschwerdeführer noch seine Rechtsvertretung sind erschienen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der oben angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Libyen und bekennt sich zur sunnitischen Richtung des islamischen Glaubens. Er gehört der Volksgruppe der Araber an. Seine Identität steht fest.
Er ist gesund und arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer stammt aus Tripolis, wo er aufgewachsen ist und 10 Jahre lang die Schule besuchte. Etwa zwei Jahre lang arbeitete er in Libyen als Fischer. Drei von seinen vier Brüdern, seine Eltern und vier Schwestern leben nach wie vor in Libyen und er steht mit ihnen ca. einmal im Monat in Kontakt. Einer von seinen vier Brüdern lebt in Österreich.
Er reiste illegal aus Libyen aus und gelangte über Italien nach Österreich. Am 21.05.2007 wurde er am Wiener Westbahnhof einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen und festgenommen. Gegenüber den österreichischen Behörden verwendete er eine Alias Identität und behauptete, XXXX zu heißen, am 16.11.1980 geboren zu sein und aus dem Sudan zu stammen.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 22.05.2007, Zl. XXXX , wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots wurde im Wesentlichen damit begründet, dass er im Bundesgebiet keiner legalen Beschäftigung nachging, ohne Meldung aufhältig war und nicht den Nachweis erbringen konnte, über genügend finanzielle Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zu verfügen.
Darüber hinaus wurde am 22.05.2007 gegen den Beschwerdeführer die Schubhaft angeordnet und eine Geldstrafe von EUR 200,-- wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet verhängt.
Aus dem Stande der Schubhaft stellte er am 30.01.2008 erstmals einen Asylantrag. Als Fluchtgrund gab er Probleme zwischen seinem Vater und der Familie seiner Mutter an. Die Familie seiner Mutter habe nicht wollen, dass sein Vater mit seiner Mutter verheiratet ist und nachdem sein Vater Probleme mit dem Bruder seiner Mutter gehabt habe, hätten sie den Sudan verlassen und seien nach Libyen geflüchtet.
Am 12.01.2009 wurde er wegen eines Verstoßes gegen das Meldegesetzt angezeigt. Er war in einer Unterkunft in Wien ohne aufrechte Meldung wohnhaft.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 06.02.2009 zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und wegen des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 1 Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten, bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.
Das Verfahren über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz wurde am 23.10.2009 eingestellt.
Seit 24.02.2016 hat der Beschwerdeführer im Bundesgebiet einen aufrecht gemeldeten Hauptwohnsitz. Er ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer erlaubten und der Pflichtversicherung unterliegenden Erwerbstätigkeit nach und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Ab und zu arbeitet er „schwarz“ auf einer Baustelle.
Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hat Libyen nicht aufgrund individueller Verfolgung Alforsan Alshojan, sondern aufgrund wirtschaftlicher Gründe verlassen. Entgegen seinem Vorbringen konnte nicht festgestellt werden, dass er in Libyen von Polizisten ohne Grund festgenommen und oder von der Gruppierung Alforsan Alshojan festgehalten und geschlagen wurde.
Im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat Libyen wird der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt sein.
1.3. Zur (auszugsweise wiedergegebenen) Lage in Libyen (mit Angabe der Quellen), soweit sie für den vorliegenden Beschwerdefall von Relevanz sind:
3. Sicherheitslage
Libyen ist seit der Revolution vom 17.2.2011 von einem Bürgerkrieg betroffen und hat einen beispiellosen Prozess des gewaltsamen Staatszerfalls erlebt (BS 2020). Die Lage ist in weiten Teilen des Landes sehr unübersichtlich und unsicher (AA 31.3.2020).
Ab April 2019 kam es im Großraum Tripolis und einigen weiteren Städten im Nordwesten Libyens vermehrt zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Kräften der international anerkannten Regierung des Nationalen Einvernehmens und Einheiten der sogenannten Libyschen Nationalen Armee. Auch in anderen Landesteilen kommt es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen (AA 31.3.2020; vgl. MEAÉ 11.5.2020), insbesondere im Zentrum und im Süden des Landes (MEAÉ 11.5.2020). Mit türkischer Unterstützung konnte die GNA im Juni 2020 die LNA aus dem Großraum Tripolis vertreiben und die Kontrolle der LNA über Sirte und das Zentrum des Landes bedrohen (Garda 23.8.2020).
Im Bürgerkrieg zwischen Milizkoalitionen, die lose mit zwei großen konkurrierenden Regierungspolen verbunden sind (Garda 3.9.2020) wird mit wenig Rücksicht auf die Zivilbevölkerung operiert. Verschiedene bewaffnete Gruppen beschießen willkürlich Wohngebiete und üben auch kriminelle Aktivitäten aus, darunter Erpressung und andere Formen der Ausbeutung der Zivilbevölkerung (FH 4.3.2020; vgl. AA 31.3.2020).
Sporadische Zusammenstöße zwischen bewaffneten Gruppen können zu Kämpfen mit schweren Waffen führen, auch in städtischen Gebieten (MEAÉ 11.5.2020). Nichtstaatliche bewaffnete Gruppen, kriminelle Banden und terroristische Organisationen verüben gezielte Tötungen und Bombenanschläge sowohl gegen Regierungsbeamte als auch gegen Zivilisten (USDOS 11.3.2020; vgl. BS 2020). Es gibt viele Berichte über Opfer unter der Zivilbevölkerung als Folge der anhaltenden Feindseligkeiten. Durch Beschuss, Feuergefechte, Luftangriffe und nicht explodierte Sprengkörper kamen im Laufe des Jahres 2019 mehr als tausend Menschen, darunter auch Zivilisten, ums Leben (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020).
Karte: Gebiete unter Kontrolle der Einheitsregierung, unterstützt durch die Türkei (grün); unter Kontrolle der Libyschen Nationalarmee unter Khalifa Haftar, unterstützt durch Russland (blau); und unter Kontrolle durch südliche Stämme (gelb); jeweils Stand August 2020. Die roten Kreise geben die Zahl der Todesopfer bei Kämpfen im Zeitraum 1.1. bis 5.8.2020 an. Quellen: US Energy Information Administration, libya.liveuamap.com, Acled (MD 9.2020).
General Haftar und die Libysche Nationalarmee (LNA) haben sich in den Süden ausgedehnt, angeblich zum Schutz der Ölfelder, was zu einer Eskalation der Gewalt im bisher relativ ruhigen Fezzan geführt hat. Als Reaktion darauf haben die Tebu- und Tuareg-Stämme ein Bündnis unter der Einheitsregierung (GNA) geschlossen, um den Vormarsch der LNA zu stoppen (BS 2020). Vorübergehende Allianzen zwischen Regierungselementen, nichtstaatlichen Akteuren und ehemaligen oder aktiven Offizieren der Streitkräfte, die sich an extralegalen Kampagnen beteiligten, machen es schwierig, die Rolle der Regierung bei Angriffen bewaffneter Gruppen zu ermitteln (USDOS 11.3.2020).
Der Islamische Staat (IS) wurde bis Ende 2016 erheblich geschwächt, ist jedoch weiterhin in Libyen aktiv. Er operiert insbesondere aus „sicheren Häfen“ im unkontrollierten Süden des Landes (BS 2020; vgl. Garda 3.9.2020). Der IS bekannte sich im Laufe des Jahres 2019 zu verschiedenen Angriffen auf zivile und militärische Gebiete (USDOS 11.3.2020). In einigen Fällen operieren ausländische Söldner mit Unterstützung ihrer Heimatregierungen. Beispielsweise soll die Wagner-Gruppe Berichten zufolge bei der Offensive der LNA auf Tripolis Kommando- und Kontrollunterstützung geleistet haben, wobei es bei Scharfschützenbeschuss durch Wagner-Personal zu mehreren Opfern kam (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (31.3.2020): Libyen: Reisewarnung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/libyensicherheit/219624, Zugriff 22.9.2020
- BBC News (8.6.2020): Libya country profile, https://www.bbc.com/news/world-africa-13754897, Zugriff 24.9.2020
- BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020: Libya, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_LBY.pdf, Zugriff 23.9.2020
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Libya, https://www.ecoi.net/en/document/2030888.html, Zugriff 24.9.2020
- Garda World (23.8.2020): Libya Country Report – Overview, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/libya, Zugriff 24.9.2020
- Garda World (3.9.2020): Libya Country Report – War Risks, Terrorism, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/libya, Zugriff 24.9.2020
- MD - Monde Diplomatique, le / Céline Marin (9.2020): Libya divided, https://mondediplo.com/maps/libya-divided, Zugriff 24.9.2020
- MEAÉ - Ministère de l’Europe et des Affaires Étrangères [Außenministerium der Republik Frankreich] (11.5.2020): Conseils par pays - Libye, http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/libye/, Zugriff 23.9.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/LIBYA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.9.2020
4. Rechtsschutz / Justizwesen
Die Verfassungserklärung sieht ein unabhängiges Justizwesen vor und legt fest, dass jede Person das Recht hat, sich an das Justizsystem zu wenden. Die Verfassungserklärung sieht die Unschuldsvermutung und das Recht auf einen Rechtsbeistand vor, der dem Beschuldigten auf öffentliche Kosten zur Verfügung gestellt wird. Diese Standards werden weder von der Einheitsregierung (GNA) noch von nichtstaatlichen Akteuren erfüllt (USDOS 11.3.2020).
Das Justizsystem ist im Wesentlichen zusammengebrochen; die Gerichte sind in weiten Teilen des Landes nicht mehr funktionsfähig. In einigen Fällen haben informelle Streitbeilegungsmechanismen die Lücke gefüllt (FH 4.3.2020; vgl. BS 2020). Richter, Anwälte und Staatsanwälte sehen sich häufigen Bedrohungen und Angriffen ausgesetzt (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020, AI 18.2.2020, BS 2020). Seit der Revolution von 2011 wird das Recht der Bürger auf einen fairen Prozess und ein ordnungsgemäßes Verfahren durch die anhaltende Einmischung bewaffneter Gruppen und die Unfähigkeit, Zugang zu Anwälten und Gerichtsdokumenten zu erhalten, infrage gestellt (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).
Milizen und halboffizielle Sicherheitskräfte führen regelmäßig ungestraft willkürliche Verhaftungen, Inhaftierungen und Einschüchterungen durch (FH 4.3.2020; vgl. BS 2020).Tausende Gefangene haben keinen Zugang zu Anwälten und Informationen über die gegen sie erhobenen Anklagen (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020, AI 18.2.2020). Die insgesamt mangelnde Sicherheitslage behindert die Rechtsstaatlichkeit weiter. Zivil- und Militärgerichte arbeiteten, je nach örtlicher Sicherheitslage, sporadisch; insbesondere in den von anhaltenden Feindseligkeiten betroffenen Gebieten und im Süden des Landes (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019; Libya, https://www.ecoi.net/en/document/2025836.html, Zugriff 24.9.2020
- BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020: Libya, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_LBY.pdf, Zugriff 23.9.2020
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Libya, https://www.ecoi.net/en/document/2030888.html, Zugriff 24.9.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/LIBYA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.9.2020
5. Sicherheitsbehörden
Milizen, bewaffnete Gruppen und Sicherheitskräfte, die der von den Vereinten Nationen unterstützten Einheitsregierung (Govermnent of National Accord – GNA) unter Führung von Premierminister Fayez al-Sarraj mit Sitz in Tripolis bzw. der selbsternannten Libyschen Nationalarmee (LNA) unter Führung von General Khalifa Haftar, die der Übergangsregierung im Osten Libyens angeschlossen sind, operieren weiterhin außerhalb der Rechtsstaatlichkeit (AI 18.2.2020).
Die GNA hat nur eine begrenzte effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte, die aus einer Mischung aus semi-regulären Einheiten, nichtstaatlichen bewaffneten Stammesgruppen und zivilen Freiwilligen bestehen. Die nationale Polizei, die dem Innenministerium untersteht, ist offiziell für die innere Sicherheit zuständig. Für die Außenverteidigung sind hauptsächlich die dem Verteidigungsministerium unterstellten Streitkräfte zuständig, aber sie unterstützen auch die Kräfte des Innenministeriums in Fragen der inneren Sicherheit. Zivile Behörden haben nur eine nominelle Kontrolle über die Polizei und den Sicherheitsapparat und die Polizeiarbeit fällt im Allgemeinen in den Zuständigkeitsbereich verschiedener informeller bewaffneter Gruppen, die Gehälter von der Regierung erhalten und die Strafverfolgung ohne formelle Ausbildung oder Aufsicht und mit unterschiedlichem Grad von Rechenschaftspflicht ausüben (USDOS 11.3.2020).
Im Laufe des Jahres 2019 verschärften sich die Konflikte zwischen bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen, die mit der GNA verbündet sind, und anderen nichtstaatlichen Akteuren. Die LNA übt in wechselndem Umfang Kontrolle über den größten Teil des libyschen Territoriums aus. Informelle nichtstaatliche bewaffnete Gruppen füllen das Sicherheitsvakuum im ganzen Land. Einige dieser Gruppen schlossen sich im Westen des Landes der GNA an, um Zugang zu staatlichen Ressourcen zu erhalten (USDOS 11.3.2020).
Milizen, bewaffnete Gruppen und Sicherheitskräfte begehen schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, einschließlich Kriegsverbrechen (AI 18.2.2020). Die Fähigkeit und Bereitschaft der Regierung, Missbräuche zu untersuchen oder strafrechtlich zu verfolgen, ist stark eingeschränkt (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019; Libya, https://www.ecoi.net/en/document/2025836.html, Zugriff 24.9.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/LIBYA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.9.2020
6. Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassungserklärung und nach-revolutionäre Gesetzgebung verbietet Folter (USDOS 11.3.2020). Folter und andere Misshandlungen sind in Gefängnissen, Haftanstalten und inoffiziellen Haftanstalten jedoch weit verbreitet (AI 18.2.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Bewaffnete Gruppen, von denen sich einige der Einheitsregierung (GNA) oder der Übergangsregierung angeschlossen haben, führen außergerichtliche Hinrichtungen, Entführungen, Folter und erzwungenes Verschwindenlassen durch (HRW 14.1.2020). Es gibt Berichte über grausame und erniedrigende Behandlung in staatlichen und extralegalen Haftanstalten, darunter Schläge, Verabreichung von Elektroschocks, Verbrennungen und Vergewaltigungen (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 18.2.2020).
Quellen:
- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019; Libya, https://www.ecoi.net/en/document/2025836.html, Zugriff 24.9.2020
- HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Libya, https://www.ecoi.net/en/document/2022716.html, Zugriff 23.9.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/LIBYA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.9.2020
9. Allgemeine Menschenrechtslage
Libyen wird seit einem bewaffneten Volksaufstand im Jahr 2011, bei dem der langjährige Diktator Mu'ammar al-Qaddafi abgesetzt wurde, von internen Spaltungen und zeitweiligen Bürgerkriegen heimgesucht. Internationale Bemühungen, rivalisierende Verwaltungen in einer Einheitsregierung zusammenzuführen, sind gescheitert, und die Einmischung regionaler Mächte hat die jüngsten Kämpfe verschärft. Die Verbreitung von Waffen und autonomen Milizen, blühende kriminelle Netzwerke und die Präsenz extremistischer Gruppen haben allesamt zur mangelnden physischen Sicherheit im Lande beigetragen (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Die anhaltende Gewalt hat Hunderttausende von Menschen vertrieben und die Menschenrechtslage hat sich stetig verschlechtert (FH 4.3.2020; vgl. BS 2020). Milizen, bewaffnete Gruppen und Sicherheitskräfte begehen schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, darunter auch Kriegsverbrechen (AI 18.2.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).
Nach 2011 erlebte Libyen ein Wiederaufleben zivilgesellschaftlicher Aktivitäten, die 42 Jahre lang unterdrückt wurden. Zivilgesellschaftliche Organisationen sind weiterhin präsent und konzentrieren sich in erster Linie auf humanitäre Hilfe. Ihre Zahl ist seit 2014 zurückgegangen. Aufgrund gezielter Angriffe auf Aktivisten der Zivilgesellschaft sind jedoch viele von ihnen geflohen und operieren aus dem Ausland (BS 2020).
Milizen, bewaffnete Gruppen und Sicherheitskräfte unterdrücken die Meinungsfreiheit, indem sie Politiker, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und andere Aktivisten schikanieren, entführen und angreifen. Die libyschen Behörden schützen Frauen nicht vor geschlechtsspezifischer Gewalt durch Milizen und bewaffnete Gruppen (AI 18.2.2020; vgl. FH 4.3.2020, USDOS 11.3.2020). Gemäß Strafgesetzbuch wird die sexuelle Betätigung zwischen Angehörigen des gleichen Geschlechts mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Sexuelle Minderheiten sind mit schwerer Diskriminierung und Belästigung konfrontiert und wurden von militanten Gruppen ins Visier genommen (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020, USDOS 11.3.2020).
Ausländische Staatsangehörige, die auf dem Weg nach Europa als Asylsuchende und Migranten durch Libyen reisen, sind Erpressung, Folter, Entführung und sexueller Gewalt durch kriminelle Banden ausgesetzt, die in Schmuggel und Menschenhandel verwickelt sind (BS 2020; vgl. AI 18.2.2020, USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019; Libya, https://www.ecoi.net/en/document/2025836.html, Zugriff 24.9.2020
- BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020: Libya, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_LBY.pdf, Zugriff 23.9.2020
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Libya, https://www.ecoi.net/en/document/2030888.html, Zugriff 24.9.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/LIBYA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.9.2020
13. Grundversorgung
Libyen hat die größten bestätigten Erdölreserven Afrikas (48 Mio. Barrel). Libyen ist unter den nordafrikanischen Staaten aber auch mit Abstand am meisten vom Ölexport abhängig, denn 62 % der staatlichen Einnahmen (lt. Budget 2015), 60 % des Bruttoinlandsprodukts (Stand 2014) und ca. 72% der Exportumsätze werden mit Erdöl und Erdgas erwirtschaftet (2014 waren es noch knapp 95%) (WKO 15.6.2020).
Positive Trendwenden in Libyen sind weiterhin nur Teil der bekannt volatilen Gesamtsituation. Ende 2017 - Anfang 2018 konnte man von einer gewissen Stabilität sprechen (WKO 15.6.2020). Der Rückfall Libyens in den Bürgerkrieg im April 2019 hat die wirtschaftlichen Aktivitäten eingeschränkt und die Schwierigkeiten, denen die Bevölkerung ausgesetzt ist, noch verschärft. Die anhaltende politische Unsicherheit macht eine wirtschaftliche Stabilisierung, geschweige denn eine Erholung, unwahrscheinlich. Das Wachstum bleibt inmitten einer Deflation gedämpft, das Haushaltsdefizit bleibt hoch, obwohl die unterdrückten Importe zu Leistungsbilanzüberschüssen beitragen und den Druck auf die Währungsreserven mindern (WB 1.5.2020; vgl. WKO 15.6.2020).
Libyens Wirtschaft ist durch die angespannte politische Situation stark unter Druck gekommen. Aufgrund vorherrschender Kampfhandlungen etc. wird Rohöl seit 2014 sehr mangelhaft gefördert und exportiert. Dies verursachte in den Jahren 2014-2017 direkte und indirekte Verluste von USD 160 Mrd. Insgesamt sanken die Exporte seit 2012 (USD 62 Mrd.) um fast 90% auf USD 6,8 Mrd. 2016. 2017 und 2018 kam es zwar zu einem Exportzuwachs, Exporte von USD 18,8 u. 29,8 Mrd. sind jedoch für Libyen nicht ausreichend. 2019 fielen die Exporte auf USD 25,7 Mrd. und die Prognose für 2020 ist mit USD 8,4 Mrd. horrend. Zum Schutz der Devisenreserven lässt die Zentralbank kaum einen Devisenhandel zu (WKO 15.6.2020). Trotz dieses unsicheren Umfelds ist es Libyen gelungen, durchschnittlich eine Million Barrel Öl pro Tag zu fördern (WB 1.5.2020).
Im Jänner 2020 begann eine Blockade von Produktion und Export von Öl durch das Oberkommando der Libyschen Nationalarmee (LNA) unter General Khalifa Haftar, wodurch Libyen um Einnahmen in Milliardenhöhe gebracht wurde. Das Ende dieser Blockade wurde am 18.9.2020 verkündet. Die Aufhebung geschehe im Schatten der schlechten wirtschaftlichen Lebensverhältnisse, unter denen die Libyer litten (NZZ 21.9.2020).
Die libysche Bevölkerung leidet unter einer schweren humanitären Krise. Dazu gehören Armut, Unsicherheit, Vertreibung, Mangel an Nahrungsmitteln und Bargeld sowie häufige Stromausfälle (WFP 30.3.2020; vgl. BS 2020). Die Versorgung mit Lebensmitteln, die bereits eine Herausforderung darstellt, wird durch die Verbreitung von COVID-19 weiter gefährdet. In den meisten Städten gibt es einen Mangel an Grundnahrungsmitteln in Verbindung mit einem Anstieg der Preise (WHO 13.5.2020; vgl. BS 2020). Der wirtschaftliche Niedergang Libyens betrifft die gesamte Bevölkerung; jedoch sind Gruppen, die bereits vor dem Konflikt benachteiligt waren, wie Jugendliche und Frauen, am stärksten betroffen (BS 2020).
Soziale Sicherheitsnetze fehlen fast vollständig. Die Existenz von zwei parallelen Regierungen hat zu einem politischen Vakuum und in Folge zum Zusammenbruch der öffentlichen Verwaltung und der Erbringung staatlicher Leistungen geführt. Diese Aufgaben werden punktuell von Milizen und Gemeindeführern übernommen. Die einzigen verfügbaren sozialen Sicherheitsnetze sind Familie, Gemeinschaft und Stamm (BS 2020).
Etwa 897.000 Menschen (bei ca. 6,7 Millionen Einwohnern) benötigen humanitäre Hilfe, davon 317.000 Nahrungsmittelhilfe. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) übernimmt u.A. regelmäßige und dringende Verteilung von Nahrungsmitteln im ganzen Land sowie Food-for-Training zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit und zur Weiterqualifikation von Jugendlichen und Frauen (WFP 30.3.2020).
Quellen:
- BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020: Libya, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_LBY.pdf, Zugriff 23.9.2020
- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (21.9.2020): EU verhängt Sanktionen wegen Verstössen gegen Libyen-Embargo – die neusten Entwicklungen im libyschen Bürgerkrieg, https://www.nzz.ch/international/libyen-konflikt-die-neusten-entwicklungen-und-hintergruende-ld.1477595, Zugriff 23.9.2020
- WB - The World Bank (1.5.2020): The World Bank in Libya – Overview, https://www.worldbank.org/en/country/libya/overview, Zugriff 23.9.2020
- WFP - Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (30.3.2020): Libya, https://www.wfp.org/countries/libya, Zugriff 23.9.2020
- WHO - Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (13.5.2020): Joint statement on Libya: OCHA, UNICEF, IOM, UNHCR, WFP, WHO, UNFPA, Zugriff 23.9.2020
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich, AußenwirtschaftsCenter Kairo (15.6.2020): Die libysche Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-libysche-wirtschaft.html, Zugriff 23.9.2020
14. Medizinische Versorgung
Das libysche Gesundheitssystem steht am Rande des Zusammenbruchs. Aufgrund der anhaltenden Gewalt im ganzen Land sind 75% der Gesundheitseinrichtungen geschlossen oder nur teilweise funktionstüchtig (BS 2020; vgl. MEAÉ 11.5.2020). Die medizinische Versorgung ist insbesondere außerhalb der Hauptstadt vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch (AA 31.3.2020). Es herrscht darüber hinaus erheblicher Personalmangel im medizinischen Bereich (MEAÉ 11.5.2020; vgl. AA 31.3.2020).
Es kommt immer wieder zu Angriffen auf und Beschuss von Spitälern, Ambulanzen und Gesundheitspersonal, bei denen auch zivile Todesopfer zu beklagen sind (BS 2020; vgl. AI 22.10.2019, AnAg 20.4.2020, AJ 14.5.2020, NH 10.6.2020).
Die Weltgesundheitsorganisation berichtet, dass mehr als 71% der Menschen mit chronischen Krankheiten unter Medikamentenmangel leiden (BS 2020). MedCOI kann zu Libyen keine verlässlichen Informationen zur Verfügbarkeit von Behandlungen und Medikamenten zur Verfügung stellen (MedCOI 10.8.2020a, b).
Standardmäßige medizinische Beratung in einer Privatklinik kostet ca. 20 Euro, ein Arztbesuch ca. 23-35 Euro. Preis pro Tag im Krankenhaus: 100-150 Euro exklusive Behandlungen und Medikamenten (MSZ o.D.).
Die epidemiologische Entwicklung der COVID-19-Pandemie ist im Vergleich zu Europa um etwa sechs Monate verzögert (MAE 7.8.2020). Im August 2020 stieg die Zahl der bestätigten Infektionen um das Vierfache und lag am 31.8.2020 bei 14.624 bestätigten Infektionen und 242 Todesfällen. In einigen Großstädten, darunter Tripolis und Sebha, kommt es zu einer unkontrollierten Übertragung (UNOCHA 15.9.2020). Es gibt einen anhaltenden und akuten Mangel an Kapazitäten bei Tests und der Kontaktverfolgung sowie an adäquaten Gesundheitseinrichtungen (UNOCHA 15.9.2020; vgl. MAE 7.8.2020). Ebenso sind, trotz Bemühungen der lokalen Behörden, die Möglichkeiten der Isolierung von Infektions- und Verdachtsfällen begrenzt (MAE 7.8.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (31.3.2020): Libyen: Reisewarnung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/libyensicherheit/219624, Zugriff 22.9.2020
- AI - Amnesty International (22.10.2019): Libya‘s Relentless Militia War - Civilians Harmed in the Battle for Tripoli, April - August 2019, https://www.amnesty.org/download/Documents/MDE1912012019ENGLISH.PDF, Zugriff 22.9.2020
- AJ - Al Jazeera (14.5.2020): Libya: Tripoli hospital attacked by 'Haftar's missiles', https://www.aljazeera.com/news/2020/05/libya-tripoli-hospital-attacked-haftar-missiles-200514110305740.html, Zugriff 22.9.2020
- AnAg - Anadolu Agency (20.4.2020): UN: 23 health facilities shelled in Libya in year, https://www.aa.com.tr/en/africa/un-23-health-facilities-shelled-in-libya-in-year/1810990, Zugriff 22.9.2020
- BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020: Libya, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_LBY.pdf, Zugriff 23.9.2020
- MAE - Ministerio degli Affari Esteri e della Cooperazione Internazionale [Außenministerium der Republik Italien] (7.8.2020): Viaggiare Sicuri Informatevi – Libia, http://www.viaggiaresicuri.it/country/LBY, Zugriff 23.9.2020
- MEAÉ - Ministère de l’Europe et des Affaires Étrangères [Außenministerium der Republik Frankreich] (11.5.2020): Conseils par pays - Libye, http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/libye/, Zugriff 23.9.2020
- MedCOI / International SOS (10.8.2020a): BMA 13821, Zugriff 22.9.2020
- MedCOI / International SOS (10.8.2020b): BMA 13867, Zugriff 22.9.2020
- MSZ – Ministerstwo Spraw Zagranicznych [Außenministerium der Republik Polen] (o.D.): Informacje dla podró?uj?cych – Libia, https://www.gov.pl/web/dyplomacja/libia, Zugriff 23.9.2020
- NH - The New Humanitarian (10.6.2020): Libyan doctors battle on two dangerous fronts: COVID-19 and war, https://www.thenewhumanitarian.org/news-feature/2020/06/10/Libya-war-coronavirus-hospital-doctors, Zugriff 22.9.2020
- UNOCHA - United Nations Organization for the Coordination of Humanitarian Affairs (15.9.2020): Libya Situation Report, https://reports.unocha.org/en/country/libya, Zugriff 22.9.2020
15. Rückkehr
Das Rückkehrpotenzial ist in sicheren Gebieten minimal, da die allgemeine Sicherheitslage keine Lagebeurteilung und internationale Unterstützung zulässt. Für die meisten Binnenvertriebenen - einschließlich der Menschen, die seit Ausbruch der Krise im Jahr 2011 vertrieben wurden - gibt es angesichts der herrschenden Spannungen zwischen den Gemeinschaften keine unmittelbare Aussicht auf eine Rückkehr (IOM o.D.).
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie sind Linienflüge nach Libyen mit Stand Ende September 2020 ausgesetzt (IATA 23.9.2020 / 7.7.2020). Bei der Einreise muss ein PCR-Test gemacht werden. Personen mit Symptomen werden ins nächstgelegen Isolationszentrum verbracht. Auch Personen, die negativ getestet wurden, müssen zehn Tage Heimquarantäne einhalten (LO 16.9.2020).
Quellen:
- IATA - International Air Transport Association (23.9.2020) COVID-19 Travel Regulations Map* (powered by Timatic) - 23 September 2020 05:30:10 UTC – Libyia [Information veröffentlicht 7.7.2020], https://www.iatatravelcentre.com/world.php, Zugriff 23.9.2020
- IOM - International Organization for Migration (o.D.): IOM Libya Brief, https://www.iom.int/countries/libya, Zugriff 22.9.2020
- LO - The Libya Observer (16.9.2020): Covid-19 advisory committee insists on testing and quarantine restrictions for returnees, https://www.libyaobserver.ly/health/covid-19-advisory-committee-insists-testing-and-quarantine-restrictions-returnees, Zugriff 23.9.2020
1.4. Zur aktuell vorliegenden Covid-19 Pandemie:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei etwa 80% der Betroffenen leicht bzw. symptomlos und bei ca. 20% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Sehr schwere oder tödliche Krankheitsverläufe treten am häufigsten bei Risikogruppen auf, zum Beispiel bei älteren Personen und Personen mit medizinischen Problemen oder Vorerkrankungen wie Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).
Die COVID-19-Risikogruppe-Verordnung listet die medizinischen Gründe (Indikationen) für die Zugehörigkeit einer Person zur COVID-19-Risikogruppe. Auf Grundlage dieser Indikationen darf eine Ärztin/ein Arzt ein COVID-19-Risiko-Attest ausstellen.
Die medizinischen Hauptindikationen sind:
-fortgeschrittene chronische Lungenkrankheiten, welche eine dauerhafte, tägliche, duale Medikation benötigen
-chronische Herzerkrankungen mit Endorganschaden, die dauerhaft therapiebedürftig sind, wie ischämische Herzerkrankungen sowie Herzinsuffizienzen
-aktive Krebserkrankungen mit einer jeweils innerhalb der letzten sechs Monate erfolgten onkologischen Pharmakotherapie (Chemotherapie, Biologika) und/oder einer erfolgten Strahlentherapie sowie metastasierende Krebserkrankungen auch ohne laufende Therapie
-Erkrankungen, die mit einer Immunsuppression behandelt werden müssen
-fortgeschrittene chronische Nierenerkrankungen
-chronische Lebererkrankungen mit Organumbau und dekompensierter Leberzirrhose ab Childs-Stadium B
-ausgeprägte Adipositas ab dem Adipositas Grad III mit einem BMI >= 40
-Diabetes mellitus
-arterielle Hypertonie mit bestehenden Endorganschäden, insbesondere chronische Herz- oder Niereninsuffizienz, oder nicht kontrollierbarer Blutdruckeinstellung.
Diese medizinischen Hauptindikationen werden in der Verordnung weiter unterteilt und genau beschrieben (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen/FAQ--Risikogruppen.html).
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Libyen mit Stand 25.09.2020.
Ergänzend wurden Auszüge aus dem zentralen Melderegister, dem Strafregister, dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung und der Sozialversicherungsdatenbank eingeholt.
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit, seiner Reiseroute nach Österreich, seiner Staatsangehörigkeit sowie seinem Bildungs- und Berufswerdegang gründen sich auf die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde in der niederschriftlichen Einvernahme am 05.07.2017.
Anhaltspunkte dafür, dass sich sein Gesundheitszustand seit der niederschriftlichen Einvernahme wesentlich verändert hat und er nicht gesund oder arbeitsfähig wäre, liegen nicht vor.
Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund des vorgelegten libyschen Reisepasses und der Bestätigung des libyschen Konsulats in Wien vom 17.09.2014 fest (AS 11, 13).
Die Feststellungen zur fremdenrechtlichen Kontrolle im Jahr 2007, zu seiner verwendeten Alias Identität, zur Schubhaft, Geldstrafe und zum verhängten Aufenthaltsverbot ergeben sich aus der Anzeige vom 21.05.2007, der niederschriftlichen Einvernahme am 22.05.2007 und den Bescheiden sowie dem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 22.05.2007, Zl. XXXX .
Auf den Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom 16.06.2021, den Aktenvermerk der Bundespolizeidirektion Wien vom 31.01.2008 und die niederschriftliche Einvernahme am 12.03.2008 gehen die Feststellung zum ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zurück.
Die Feststellung zur Anzeigeerstattung wegen des Verstoßes gegen das Meldegesetz basiert auf dem Schreiben der Bundespolizeidirektion Wien vom 12.01.2009.
Die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Strafurteil des Landesgerichts XXXX vom 06.02.2009 zu XXXX .
Die Feststellung zum aufrecht gemeldeten Hauptwohnsitz ergibt sich aus dem eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister vom 16.06.2021.
Die Feststellungen, dass er keiner legalen Erwerbstätigkeit nachging und Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergeben sich aus dem abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom 16.06.2021.
Mangels Vorlage von Unterlagen und Mitwirkung am Verfahren konnte ein hinreichender Grad an Integration nicht festgestellt werden. Im Verfahren haben sich auch keine Hinweise für eine integrative Verfestigung ergeben. Der Beschwerdeführer ging bislang keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach, bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und konnte keine ausreichenden Deutschkenntnisse nachweisen.
2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer brachte im Verfahren zusammengefasst als Fluchtgrund vor, dass er von Polizisten ohne Grund festgenommen und 2007 von der Gruppierung Alforsan Alshojan (Die Helden-Reiter zwei Tage lang festgehalten und geschlagen worden sei (Protokoll vom 05.07.2017, S. 3).
Wie das Bundesamt bereits im angefochtenen Bescheid zutreffend ausführte, gelang es dem Beschwerdeführer nicht, eine Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Der behauptete Vorfall mit der Gruppierung liegt über 10 Jahre zurück, weshalb sich keine aktuelle Gefahr einer Verfolgung in Libyen erschließt. Seine Angaben in der Erstbefragung über die Festnahme durch Polizisten blieben überdies äußerst vage und in der niederschriftlichen Einvernahme erwähnte er die Festnahme ohne Grund nicht.
Darüber hinaus ist die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nicht gegeben und einige Umstände lassen sein Fluchtvorbringen im gegenständlichen Verfahren nicht glaubhaft erscheinen.
Hervorzuheben ist, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seines Verfahrens über seinen ersten Asylantrag bei der Bekanntgabe der persönlichen Daten unrichtige Angaben machte und sich insbesondere durch die Angabe, aus dem Sudan zu stammen, einen Vorteil in seinem Asylverfahren herbeizuführen beabsichtigte (vgl. dazu Protokoll vom 12.03.2008). Stellt aber ein Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz unter Verwendung einer falschen Identität, bedeutet das, dass er damit nicht die Verfolgung seiner eigenen, sondern einer anderen Person behauptet. Folglich leidet darunter die gesamte Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers, da in der Regel ein Asylwerber, der bewusst einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz stellt, sich veranlasst sehen wird, die belangte Behörde durch die Angabe einer anderen Identität in einen Irrtum zu führen. Infolgedessen kann den vorgebrachten Fluchtgründen insgesamt keine Glaubwürdigkeit beigemessen werden. Das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers steht "unter dem Verdacht" der Täuschungsabsicht, wenn er verschiedene Staatsangehörigkeiten, Namen verwendete und unterschiedliche Angaben zu seinem Alter machte.
Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Wunsch Dienliche vorzubringen und zumindest die Kernfluchtgeschichte möglichst umfassend und gleichbleibend schildert, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt ist.
Der Beschwerdeführer führte Probleme zwischen seinem Vater und der Familie seiner Mutter als Grund für die Ausreise aus Libyen an, als er im Verfahren zu seinem Antrag vom 30.01.2008 über seine Fluchtgründe befragt wurde (Protokoll vom 12.03.2008). Eine willkürliche Verhaftung durch Polizisten, die Gruppierung Alforsan Alshojan oder eine Unterdrückung seitens der Behörden nannte er mit keinem Wort, vielmehr sagte er in der Einvernahme am 12.03.2008 aus, in Libyen keine Probleme mit Behörden oder deren Organe gehabt zu haben. Da der Beschwerdeführer das gegenständliche Fluchtvorbringen nicht bereits im Rahmen des Verfahrens über seinen ersten Asylantrag vorbrachte, erscheint es auch vor diesem Hintergrund nicht glaubhaft.
Des Weiteren sagte der Beschwerdeführer in der Einvernahme am 22.05.2007 vor den Organen der öffentlichen Sicherheit aus, im Jahr 2006 Libyen verlassen zu haben und am 01.01.2007 von Italien kommend nach Österreich eingereist zu sein (Niederschrift der Bundespolizeidirektion Wien vom 22.05.2007). Abgesehen von den Widersprüchlichkeiten in seinen Angaben über den genauen Ausreisezeitpunkt (vgl. dazu z.B seine Aussage in der Einvernahme am 05.07.2017, wonach er am 25.04.2007 Libyen verlassen habe), wäre der Beschwerdeführer, sollte er tatsächlich im Jahr 2006 ausgereist sein, vor dem von ihm gennannten Problem mit der Gruppierung im Jahr 2007 ausgereist.
Da der Beschwerdeführer sich zudem laut seinen Angaben in der Einvernahme am 12.03.2008 Ende 2006 entschied, Libyen zu verlassen und somit der Entschluss zur Ausreise vor dem behaupteten Problem mit der Gruppierung im Jahr 2007 getroffen wurde, ist nicht glaubhaft, dass der behauptete Vorfall stattfand oder Fluchtmotiv war.
Mit seinen Aussagen, Zweck seiner Einreise sei die Arbeitsaufnahme gewesen (Niederschrift der Bundespolizeidirektion Wien vom 22.05.2007) und er möge hier in Freiheit leben und arbeiten (Protokoll vom 20.02.2016) brachte der Beschwerdeführer hingegen deutlich zum Ausdruck, aus wirtschaftlichen Gründen ausgereist zu sein. Auch vor diesem Hintergrund ist sein Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft zu qualifizieren.
Bei einer Gesamtbetrachtung war daher festzustellen, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine Verfolgung drohen wird.
2.4. Zur Lage in Libyen und zur Covid 19 Pandemie:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Libyen vom 25.09.2020 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.
Die Feststellungen zur Covid 19 Pandemie ergeben sich aus den zitierten Quellen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl:
3.1.1. Rechtslage
Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, konnte der Beschwerdeführer mit den in seinem Asylantrag geltend gemachten Fluchtgründen keine wohlbegründete Furcht vor einer asylrechtlichen Verfolgung und keine aktuelle Verfolgungsgefahr in Libyen glaubhaft machen.
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Gewährung von subsidiärem Schutz:
3.2.1. Rechtslage
Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).
Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).
3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gegeben sind. Den in das Verfahren eingeführte Länderinformationen und der laufenden aktuellen Medienberichterstattung ist zu entnehmen, dass die Sicherheitslage in Libyen zum Entscheidungszeitpunkt volatil und unstabil ist. Eine lebensbedrohende Lage für den Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr kann nicht ausgeschlossen werden.
Die Lage in Libyen stellt sie nach wie vor als gefährlich und unvorhersehbar dar. Kämpfe - auch zwischen lokalen Milizgruppen - können überall ohne Vorwarnung ausbrechen, und bleibt die terroristische Bedrohung sowohl innerhalb der Hauptstadt Tripolis als auch im Rest des Landes real. Das Justizsystem ist im Wesentlichen zusammengebrochen und die Gerichte sind in weiten Teilen des Landes nicht mehr funktionsfähig. Milizen, bewaffnete Gruppen und Sicherheitskräfte operieren weiterhin außerhalb der Rechtsstaatlichkeit. Folter und andere Formen der Misshandlung sind vor allem in Haftanstalten weit verbreitet.
Angesichts der allgemeinen Lage im Land kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung des Fremden nach Libyen für ihn eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Weiters empfiehlt auch die UNHCR in ihrer Position zu Rückführungen nach Libyen vom September 2018 bis auf weiteres davon abzusehen, Flüchtlinge nach Libyen rückzuführen (https://www.ecoi.net/en/file/local/1442373/1930_1536140516_5b8d02314.pdf, Zugriff am 15.06.2021).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben entsprechende Empfehlungen internationaler Organisationen Indizwirkung (vgl. ua VwGH vom 29.9.2005, 2003/20/0228; 20.4.2006, 2005/01/0556 bis 0560; 26.5.2009, 2006/01/0462, mit Verweis auf VwGH 19.3.2009, 2006/01/0930).
Eine Rückverbringung des Beschwerdeführers nach Libyen steht nach dem Gesagten im Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG. Dem Beschwerdeführer war daher nach den genannten Bestimmungen der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libyen zuzuerkennen.
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt für ein Jahr.
Da dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, waren die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung von Fluchtgründen oder zur (Nicht-)Gewährung subsidiären Schutzes, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung begründete Furcht vor Verfolgung ersatzlose Teilbehebung Fluchtgründe Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Kassation mündliche Verhandlung real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung behoben Spruchpunktbehebung subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I411.2168283.1.00Im RIS seit
14.09.2021Zuletzt aktualisiert am
14.09.2021