TE Bvwg Beschluss 2021/7/2 W174 2201000-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.07.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.07.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W174 2201000-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Viktoria MUGLI-MASCHEK, als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2021, Zl. 1101420700-210701289 beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist nicht rechtmäßig. Der mündlich verkündete des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2021, Zl. 1101420700-210701289 wird aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger brachte am 09.01.2016 einen ersten Antrag auf die Gewährung von internationalem Schutz ein, der in weiterer Folge im gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingeleiteten Beschwerdeverfahren mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.10.2020, GZ. W107 2201000-1/18E abgewiesen wurde.

Der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde oder Bundesamt) vom 05.06.2018, Zl. 1101420700-160040401, womit der Erstantrag vom 09.01.2016 gemäß § 3 Abs. 1 (Spruchpunkt I.) und § 8 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.) nicht erteilt und gemäß § 10 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG nach Afghanistan erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters die Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 52 Abs. 9 iVm 46 FPG festgestellt (Spruchpunkt V.) sowie dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eine Frist von 14 Tagen zur freiwilligen Ausreise nach Afghanistan gewährt (Spruchpunkt VI.) wurde, fand damit seine Bestätigung. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21.01.2012, Ra 2020/18/0448-12 zurückgewiesen und die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im ersten Verfahren des Beschwerdeführers auf die Gewährung von internationalem Schutz rechtskräftig.

Feststellend (vgl. 1.1.), beweiswürdigend (vgl. 2.2.) und in der rechtlichen Würdigung (vgl. 3.ff) führte das Bundesverwaltungsgericht in obgenannten Erkenntnis zum Fluchtvorbringen und der Versagung der Zuerkennung des Status eines Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer im Wesentlichen aus:

„1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinem Fluchtvorbringen:

[…]

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat jemals einer konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohung oder Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung ausgesetzt gewesen wäre oder ihm im Falle seiner Rückkehr eine solche droht.

[…]

2.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

[…]

Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, eine Verfolgung seiner Person aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung (oder aus anderen Gründen) glaubhaft zu machen.

Dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, er sei aufgrund seiner beruflichen Nähe zu den Amerikanern von den Taliban verfolgt und mit dem Tod bedroht worden, kann nicht gefolgt werden, […]

Zunächst erscheint bereits die behauptete Vorgehensweise der Taliban unglaubwürdig: Der Beschwerdeführer gab an, erstmals im September 2010 von Verfolgern von hinten beschossen worden, von Taliban oder Dieben, genau habe er dies nicht gewusst. Da er aber einige Stunden später telefonisch bedroht worden und ihm gesagt worden sei, dass er das nächste Mal nicht mehr entkommen würde, sei er ab diesem Zeitpunkt dann sicher gewesen, dass es sich bei den Verfolgern um Taliban gehandelt habe. Nicht nachvollziehbar ist, weshalb die Taliban den Beschwerdeführer nach dieser Drohung bis zum zweiten behaupteten Vorfall im April 2015 – also mehr als vier Jahre lang - ungestört seine Tätigkeit haben fortführen lassen. Selbst wenn, wie der Beschwerdeführer in Folge ergänzend angab - die Drohungen seien schon ab dem Jahr 2012 vermehrt erfolgt - nur zwei Jahre seit dem ersten Vorfall vergangen sind.

Auch die Detailausführungen zu den an ihn gestellten Fragen sind mit Widersprüchlichkeiten und Unstimmigkeiten behaftet. Zunächst gab er an, erstmals im `Dezember` 2010 verfolgt, in einen Hinterhalt gelockt und von den Taliban beschossen worden zu sein, später im Rahmen der mündlichen Verhandlung korrigierte er, dass dies schon im `September` 2010 passiert sei, mit der lapidaren Begründung `sich immer zwischen September und Dezember und zwischen Dienstag und Donnerstag zu irren` (VP.S.5). […]

Auch den Wortlaut des Telefonats mit den Taliban konnte der Beschwerdeführer nicht wiedergeben. Wenn der Beschwerdeführer im Rahmen der Stellungnahme vom 30.09.2020 vorbringt, telefonisch seine feindschaftliche Haltung den Taliban gegenüber deutlich zum Ausdruck gebracht zu haben, ist es nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer den Inhalt des Gesprächs lapidar in nur einem Satz zusammenfassen konnte und rechtfertigend angab, `wenn Sie den Tod vor Augen haben und Angst haben, dann können Sie sich nicht an jedes Wort erinnern` (VP.S.12).

Auch die Ausführungen des Beschwerdeführers auf die Frage, wann konkret er das erste Mal bedroht worden sei, waren inkonsistent. Der Beschwerdeführer gibt dazu zunächst an, dass es auch `sein kann, dass die Bedrohungen schon früher (als 2010) begonnen haben` (VP.S.11), obwohl er den Zeitpunkt von Dezember 2010 auf September 2010 im Rahmen derselben mündlichen Verhandlung zuvor selbst korrigiert hatte.

Dem erkennenden Gericht erschließt sich auch nicht, inwiefern sich die Situation des Beschwerdeführers im Vergleich zu seiner Situation im Jahr 2010 (nach der ersten Bedrohung) geändert hat. Da es ihm möglich war, nach dem ersten Vorfall weitere vier (bzw. jedenfalls zwei) Jahre unbehelligt mit seiner Kernfamilie im Heimatdorf zu leben, ist sogar bei Wahrunterstellung offensichtlich nicht von einer persönlichen Verfolgung des Beschwerdeführers durch die Taliban auszugehen. Die beiden Vorfälle fanden gemäß den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in Qarabagh statt. Somit war der Beschwerdeführer trotz erfolgter Bedrohung an den selben Ort noch einmal zurückgekehrt, was völlig unglaubwürdig erscheint angesichts der Behauptung, er habe den Landweg nicht mehr benützen wollen, weil er um sein Leben fürchtete und er deswegen sogar den Job verlor hatte. Außerdem war dem Beschwerdeführer auch nach der zweiten Bedrohung 2015 offensichtlich problemlos möglich, nach Kabul bzw. weiter nach Mazar-e-sharif zu reisen, um dort seinen Reisepass bzw. ein Visum abzuholen. Der Beschwerdeführer führte zwar im Rahmen der mündlichen Verhandlung aus, er habe zwischen den beiden persönlichen Bedrohungen 2010 und 2015 `versucht seine Kontakte so weit wie möglich zu beschränken, niemanden zu erzählen wo er an einem Tag war und wann er zurückkommen würde` und habe versucht `nur in der Nacht hinauszugehen…`, allerdings ist nicht nachvollziehbar, wie der Beschwerdeführer dies im Hinblick auf seine Erwerbstätigkeit bewerkstelligen konnte, zumal er selbst angab, in vielen Gebieten Afghanistans beruflich unterwegs gewesen zu sein, etwa in Kabul, Kandahar, Farah, Herat, Kunduz oder Baghlan und er ab 2012 als selbständiger Bauarchitekt mit eigener Firma für kleiner Projekte tätig war. Darüber hinaus steht diese behauptete Verhaltensweise in direktem Widerspruch zu den im Jahr 2012 im Internet als allgemein zugänglicher Plattform veröffentlichten Fotos des Beschwerdeführers, die ihn mit `Amerikanern` und vor allem mit einer hochrangigen Generalmajorin der UA-Armee zeigten, wo der Beschwerdeführer doch um sein Leben fürchtete und sich deshalb versteckt halten musste. Als lapidare Erklärung zu dieser Unstimmigkeit befragt, gab der Beschwerdeführer lediglich an, dass diese Veröffentlichungen insofern keine Rolle spielen würden, da `die Taliban ohnehin alles über ihn wüssten` (VP.S.12).

In diesem Zusammenhang ist auch völlig unplausibel, dass der Beschwerdeführer freiwillig von Kabul nach Mazar e-Sharif reiste, um ein Visum zu beantragen, obwohl er in Kabul bereits den Pass beantragte. Es erscheint nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer - der angibt, sich aus Angst vor den Taliban versteckt halten zu müssen, weil er von diesen verfolgt würde - nur `weil es in Kabul schwierig gewesen wäre und mehr Zeit in Anspruch genommen hätte (VP.S.11)` eine mehrstündige Autofahrt nach Mazar e-Sharif vornimmt und sich damit freiwillig der Gefahr durch die Taliban aussetzt. Das Vorbringen des Beschwerdeführers impliziert schließlich, dass es den Taliban bereits früher möglich war seine Reiseroute, sein Fahrzeug und seine Telefonnummer auszuforschen. Zudem gibt er selbst an, dass die Taliban `ihre Spione überall haben und alles über einen herausfinden können` (VP.S.12). Von einer Person, die tatsächlich eine Verfolgung durch die Taliban aufgrund ihrer Tätigkeit zu befürchten hat, wäre vielmehr zu erwarten, dass sie sich aus dem Aktionsradius dieser Gruppierung fernhält.

[…] Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach es den Taliban eben nicht möglich sei, in das Heimatdorf des Beschwerdeführers zu kommen, weil im Heimatdorf `die Hazara leben und die Taliban einem bestimmten Stamm angehören` (BFA-Akt, AS. 138), überzeugt nicht und ist entsprechend den glaubwürdigen gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen auch als nicht plausibel zu werten (wörtlich auszugsweise): `die Sicherheitslage in der Provinz Ghazni ist sehr prekär und im Gegensatz zur Behauptung des Beschwerdeführers, dass in Malestan die Hazara von den Taliban nicht angegriffen werden können, ist Malestan ein Teil dieser unsicheren Provinz Ghaznis und es flüchten junge Menschen, besonders aus Malestan, aus Angst vor den Taliban.` Den Schilderungen des Beschwerdeführers fehlt es an jeglicher Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit.

Ebenso verhält es sich mit den behaupteten Drohanrufen: Der Beschwerdeführer gab zunächst an, dass nur seine Frau Drohanrufe erhalten habe. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung führte er dann auf die Frage seines eigenen Rechtsvertreters, ob neben ihm auch andere Familienmitglieder Drohanrufe erhalten hätten, aus, dass nur er persönlich derartige Anrufe bekommen habe. Auf Vorhalt dieses Widerspruchs bejahte er dann wieder seine frühere Aussage.

[…]

Dem Einwand des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom 30.09.2020, ihm drohe als ehemaligen Mitarbeiter aufgrund von Blutrache auch in Großstädten wie Kabul oder Mazar-e Sharif Verfolgung, sind die obigen Ausführungen entgegenzuhalten. Zudem lebt entsprechend den eigenen Angaben des Beschwerdeführers die gesamte Familie sowie die Ehefrau und drei Kinder nach wie vor völlig unbehelligt im Heimatdorf in Afghanistan und es geht allen gut.

Das erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung erstattete Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer im Jahr 2000 für insgesamt 20 Tage von den Taliban in der Stadt Kandahar in einem Gefängnis festgehalten worden sei, ist gänzlich unglaubwürdig: Der Beschwerdeführer erwähnte dieses Ereignis weder im Rahmen der Erstbefragung noch im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA und ist als dem Neuerungsverbot entgegenstehend zu werten.

Außerdem ergaben sich im Zuge der Ausführungen des Beschwerdeführers weitere Widersprüche zu den behaupteten Bedrohungen, zumal er im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA die Frage, ob gegen seine Person jemals Übergriffe stattgefunden hätten, verneinte und in der der mündlichen Verhandlung bestritt, so etwas jemals gefragt worden zu sein. Dem steht jedenfalls die wortwörtlich rückübersetzt und ohne Einwände vom Beschwerdeführer unterfertigte Niederschrift entgegen.

[…] kommt das erkennende Gericht zu dem Schluss, dass das vom Beschwerdeführer behauptete fluchtauslösenden Ereignis nicht plausibel und nicht glaubwürdig ist. […] Andere Anhaltspunkte für eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers haben sich im Verfahren ebenfalls nicht ergeben und wurden auch nicht behauptet.

[…]

Dass dem Beschwerdeführer – wie in der Beschwerde vom 06.07.2018 dargetan - bei einer Rückkehr in sein Heimatland aufgrund seiner Einstellungen und Verhaltensweisen, die von regierungsfeindlichen Gruppen sowie konservativen Teilen der afghanischen Gesellschaft als `westlich` wahrgenommen werden würden, als Rückkehrer aus dem Westen eine Verfolgung drohen könnte, konnte ebenfalls nicht plausibel dargelegt werden. […]

Nicht behauptet wurde, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat jemals einer Verfolgung aus anderen Gründen, insbesondere seiner Rasse, Religion oder Nationalität, ausgesetzt gewesen wäre oder ihm im Falle seiner Rückkehr eine solche droht; auch haben sich hierfür im Verfahren keine Anzeichen ergeben. Vielmehr gab der Beschwerdeführer selbst vor dem BFA an, niemals aufgrund seiner Stellung als Hazara oder aufgrund seiner politischen Gesinnung Probleme in Afghanistan gehabt zu haben. Auch unter Zugrundelegung der aktuellen Länderinformationen ist eine Verfolgung der Person des Beschwerdeführers aus Gründen seiner Rasse, Religion oder Nationalität nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

[…]

3.2.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist.

Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen wurde vom Beschwerdeführer nicht ausreichend dargelegt. Es ist dem Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen nicht gelungen, eine wohlbegründete, aktuelle und damit asylrelevante Verfolgungsgefahr innerhalb des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm Art. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK entsprechend glaubhaft zu machen. Mangels Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens war auch nicht auf die mit diesem Kernvorbringen im Zusammenhang stehenden Beschwerdegründe, insbesondere die behauptete Verfolgung des Beschwerdeführers durch die Taliban aufgrund einer ihm (unterstellten) politischen Gesinnung, einzugehen.

Zu der in der Beschwerde allgemein dargelegten aber betreffend den Beschwerdeführer nicht näher ausgeführten allfälligen `Verwestlichung` ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer eine derartige Lebenseinstellung seiner Person, die zu einer Gefährdung in seinem Herkunftsstaat führen könnte, nicht plausibel dargelegt hat.

[…]

Darüber hinaus ist auch eine von individuellen Aspekten unabhängige "Gruppenverfolgung" - wie die vorgebrachte Zugehörigkeit zur Volksgruppe der schiitischen Hazara - für Rückkehrer aus Europa vor dem Hintergrund der oben angeführten Länderfeststellungen und Berichte für das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennbar.

[…]

Es bestehen keine ausreichenden Hinweise dafür, dass sich aus der allgemeinen Situation allein etwas für den Beschwerdeführer gewinnen ließe, zumal keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen, dass der Beschwerdeführer schon allein auf Grund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu fürchten habe.

Aus diesen Gründen ist somit das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der schiitischen Hazara in Afghanistan schließlich zu verneinen.

Darüber hinaus ist auch eine von individuellen Aspekten unabhängige `Gruppenverfolgung` für Rückkehrer aus Europa vor dem Hintergrund der oben angeführten Länderfeststellungen für das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennbar.

Andere Anhaltspunkte, die eine mögliche, individuelle, Verfolgung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat für wahrscheinlich erscheinen lassen, sind im gesamten Verfahren ebenfalls nicht hervorgekommen.

[…]

3.2.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

[…]

Wie bereits oben ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre. Zu prüfen bleibt somit, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur EMRK verletzt würde.

[…]

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht gegeben sind:

Es konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte.

Selbst wenn im Herkunftsstaat die Todesstrafe als gesetzliche Strafsanktion für besonders schwere Straftaten vorgesehen ist, so hat sich auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens kein reales Risiko ergeben, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat einer dem 6. ZP zur EMRK bzw. dem 13. ZP zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen werden würde. Aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt.

[…]

Die belangte Behörde bejahte aufgrund der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit den ins Verfahren vor der belangten Behörde eingebrachten Länderberichten das Vorliegen einer innerstaatlichen Flucht- bzw. Schutzalternative in der Provinz Kabul. Dies erfolgte zu Recht:

[…]

Auch unabhängig vom individuellen Vorbringen des Beschwerdeführers sind keine außergewöhnlichen, exzeptionellen Umstände hervorgekommen, die ihm im Fall seiner Rückkehr nach Kabul drohen könnten und die ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 AsylG darstellen könnten, wie etwa eine dramatische Versorgungslage (z.B. Hungersnöte), eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v. United Kingdom und Henao v. The Netherlands, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 133699/03).

[…]

Vor dem Hintergrund der individuellen Situation des Beschwerdeführers ist diesem die Rückkehr aus nachstehenden Gründen auch zumutbar:

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen, an keiner lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Mann im erwerbsfähigen Alter, bei dem die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Er ist im Verband einer afghanischen Familie aufgewachsen und hat seine Sozialisierung somit innerhalb des afghanischen Kulturkreises erfahren, weshalb er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftslandes vertraut ist. Er spricht eine der Landessprachen (Dari) muttersprachlich, zudem beherrscht er Englisch und Persisch in Wort und Schrift. Der Beschwerdeführer besuchte in Afghanistan zwölf Jahre lang eine Schule und studierte anschließend an der Universität in Kabul. Er verfügt über einen Universitätsabschluss, ist ausgebildet im Baubereich und verfügt über eine zehnjährige Berufserfahrung zunächst im unselbständigen (Bau)Bereich u.a. als Projektleiter bei mehreren großen Unternehmen in der Baubranche sowie als Selbständiger in diesem Bereich samt Gewerbeschein. Auch sammelte der Beschwerdeführer während seines Aufenthalts im österreichischen Bundesgebiet Berufserfahrungen im Zuge zahlreicher gemeinnütziger und ehrenamtlicher Tätigkeiten im Projekt – und Gemeindebereich, auf die er auch in Afghanistan zurückgreifen wird können. Vor dem persönlichen Hintergrund des Beschwerdeführers ist daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er in Kabul, wo er mehrere Jahre an der Universität studierte und lebte, bzw. in Herat oder Mazar-e Sharif, im Stande sein wird, selbstständig für ein ausreichendes Auskommen bzw. Lebensunterhalt zu sorgen. Er stammt zudem aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird.

Wie festgestellt, ist zwar die wirtschaftliche Situation in Kabul, insbesondere den Arbeitsmarkt und Wohnungsmarkt betreffend sowie auch die Versorgungslage mit lebensnotwendigen Gütern als angespannt zu bezeichnen, jedoch kann den vorliegenden Länderberichten kein grundlegender Mangel betreffend die Versorgung mit diesen Gütern entnommen werden. Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner Ausbildung und seinen bisherigen Arbeitserfahrungen in der Lage, sich durch Gelegenheitsjobs seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Er kann in der ersten Zeit auf Unterstützung für Rückkehrer oder durch seine Familie, die etwa mehrere Grundstücke besitzt und deren finanzielle Lage der Beschwerdeführer bereits vor dem BFA als „insgesamt gut“ beschrieb, zurückgreifen. Zudem gab der Beschwerdeführer selbst mehrmals an, dass ein Onkel mütterlicherseits in Kabul lebe, sodass er auch über familiäre Anknüpfungspunkte vor Ort verfügt. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer als gebildeter Mann mittleren Alters, der über mehrjährige Berufserfahrung sowie familiäre Anknüpfungspunkte vor Ort verfügt, trotz anfänglicher Schwierigkeiten, nicht in der Lage sein sollte sich in Kabul, wo er sich bereits während seines Studiums mehrere Jahre aufgehalten hat, eine Existenzgrundlage aufzubauen.

Es gibt daher keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Kabul einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre.

Im Übrigen wird der Beschwerdeführer - vor dem Hintergrund der o.a. höchstgerichtlichen Judikatur sowie unter Berücksichtigung der Länderberichte, der vom Beschwerdeführer dargelegten persönlichen Lebensumstände und der von UNHCR in seinen Richtlinien vom 30.08.2018 sowie der von EASO in seiner Country Guidance-Note aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer `internen Flucht,- Neuansiedlungs- oder Schutzalternative` für Afghanistan - aus folgenden Gründen in zumutbarer Weise auch auf die Städte Herat und Mazar-e Sharif als innerstaatliche Fluchtalternative verwiesen, sodass selbst dann, wenn man der rechtlichen Einschätzung des UNHCR - die aus Sicht der erkennenden Richterin jedoch im Widerspruch zu dessen weiteren Ausführungen steht - folgt, wonach Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht komme, der Beschwerdeführer noch immer auf diese unter der Kontrolle der Regierung stehenden und leicht erreichbaren Städte verwiesen werden kann. Dort ist die Sicherheitslage nach den Länderfeststellungen nicht derartig, dass bei einer Rückkehr dorthin gegen Art. 2, 3 EMRK verstoßen werden würde, wovon offensichtlich auch der UNCHR ausgeht, da er andernfalls auch für diese Städte eine Empfehlung wie für Kabul ausgesprochen hätte. Hinsichtlich der Zumutbarkeit geht, wie dargestellt, der UNHCR auch in seinen neuen Richtlinien davon aus, dass einem jungen gesunden Mann eine Rückkehr in eine urbane oder semi-urbane Umgebung zumutbar ist. Warum das beim Beschwerdeführer nicht der Fall sein sollte, wurde von ihm nicht dargetan.

Zur Sicherheitslage in Mazar-e Sharif, das in der Provinz Balkh liegt, ist den Länderfeststellungen zu entnehmen, dass es sich bei der Provinz Balkh um eine der stabilsten und sichersten Provinzen Afghanistans handelt. Balkh ist - in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer - die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Obwohl es auch dort zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte kommt, gehört die Provinz gesamthaft betrachtet, auch im Lichte der in den Länderberichten verzeichneten Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle dennoch zu den eher sicheren Provinzen Afghanistans. Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, hat auch der Verwaltungsgerichtshof bestätigt, dass in der Region Mazar-e-Sharif kein bewaffneter Konflikt iSd Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie besteht und daher als interne Fluchtalternative grundsätzlich in Betracht kommt. Die angefochtene Entscheidung basierte zwar auf dem Länderinformationsblatt vom 02.03.2017, jedoch ist festzuhalten, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Auch die Provinz Herat zählt den Länderberichten nach zu den relativ friedlichen und entwickelten Provinzen Afghanistans.

Die lokale Sicherheitslage in Mazar-e Sharif und Herat stellt zum Entscheidungszeitpunkt demnach kein Hindernis einer Rückkehr dar.

Sowohl Herat als auch Mazar-e Sharif sind prinzipiell von Kabul aus erreichbar, dieser Weg ist auch hinreichend sicher. Zudem verfügen beide Provinzen über internationale Flughäfen und sind daher auch über den Luftweg via Kabul zu erreichen, was vor allem die sichere Erreichbarkeit der Städte für den Fall der Unpassierbarkeit der Straßen während der Wintermonate gewährleistet.

Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung in Afghanistanhäufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der durchschnittlichen afghanischen Bevölkerung in Mazar-e Sharif und Herat dennoch zumindest grundlegend gesichert. Zu den Provinzen Balkh und Herat ist im Speziellen festzuhalten, dass Balkh als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten bekannt ist und es sich auch bei Herat um eine vergleichsweise entwickelte Provinz Afghanistans handelt. In der Provinz Balkh existiert zudem ein Flüchtlingscamp, das auch den eigenen Staatsangehörigen Schutz bietet. Die wirtschaftliche Situation in Afghanistan insgesamt und insbesondere in Ma-zar-e Sharif sowie Herat erreicht jedenfalls nicht das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK, das für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen fordert (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095). Der aktuellen Quellenlage ist auch nicht zu entnehmen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung (mit Nahrungsmittel und Trinkwasser) in Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt generell nicht mehr gewährleistet oder das Gesundheitsversorgungssystem zusammengebrochen wäre.

Ausgehend von den zu den Provinzen Herat und Balkh getroffenen Feststellungen liegt trotz einiger Missstände und Risiken keine menschenrechtswidrig prekäre Allgemein- und Sicherheitslage vor; es gibt keine Gründe für die Annahme eines realen Risikos einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention und auch nicht für die Annahme einer ernsthaften Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit des Beschwerdeführers im Falle seiner bloßen Anwesenheit in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif.

Zudem gehört der Beschwerdeführer keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls in Herat und Mazar-e Sharif für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.

Für den Fall mangelnder familiärer oder sozialer Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Herat oder Mazar-e Sharif ist zunächst auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zu verwiesen, wonach einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist und die Möglichkeit hat, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zugemutet werden könne, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren wurde, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat (vgl. VfGH 12.12.2017, E2068/2017).

[…]

Unter Berücksichtigung der dargelegten allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers und der aufgezeigten persönlichen Umstände des Einzelfalls des Beschwerdeführers erscheint es insgesamt möglich, dass der Beschwerdeführer sowohl in Herat als auch in Mazar-e Sharif Fuß fasst und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen kann, wie es auch andere Landsleute führen.

Auch eine drohende Verletzung seiner Rechte unter dem Gesichtspunkt ökonomischer Überlegungen, etwa in dem Sinn, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer Zurückführung nach Herat oder Mazar-e Sharif in eine ausweglose Situation geriete, kann vor dem Hintergrund des Beschwerdesachverhalts nicht bejaht werden.

Der Beschwerdeführer hat auch nicht mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos dargelegt, dass gerade ihm im Falle einer Rückführungsmaßnahme eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095). An dieser Einschätzung ändern auch die in der Beschwerde bzw. Stellungnahme zitierten Berichte und Judikate nichts.

Zusammengefasst beherrscht der Beschwerdeführer eine Landessprache Afghanistans und verfügt über Schulbildung und Berufserfahrung. Auch wenn er anfangs möglicherweise mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert ist, besteht daher nicht die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK (vgl. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0590; 23.01.2019, Ra 2018/19/0704; 30.05.2018, Ra 2018/18/0268; 29.05.2018, Ra 2018/20/0122; 07.05.2018, Ra 2018/20/0186; 07.03.2018, Ra 2018/18/0103; 06.03.2018, Ra 2017/18/0413; 18.10.2017, Ra 2017/19/0157; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118; 19.06.2017, Ra 2017/19/0095 jeweils mwN, sowie VfGH 12.12.2017, E 2068/2017).

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Erkrankungen (Bauchschmerzen bzw. Vorlage einer Überweisung an die chirurgische Ambulanz wegen Nabelbruchs) ist der Vollständigkeit halber auf die ständige Rechtsprechung des EGMR hinzuweisen, wonach im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Lediglich bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ("very exceptional circumstances") kann die Abschiebung eines schwerkranken Fremden, dem wegen Fehlens von notwendiger Behandlung oder mangelnden Zugangs zur notwendigen Behandlung eine ernsthafte, rasche und nicht rückgängig zu machende Verschlechterung seines Gesundheitszustandes drohen würde, die Schwelle des Art. 3 EMRK überschreiten (vgl. EGMR 13.12.2016, 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 189 ff). Eine akut lebensbedrohende Krankheit des Beschwerdeführers liegt im konkreten Fall jedenfalls nicht vor. Auch wurde weder behauptet noch dargelegt, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat verschlechtern würde. Wie den getroffenen Länderfeststellungen zu entnehmen ist, sind Behandlungsmöglichkeiten auch im Herkunftsstaat grundsätzlich verfügbar und zugänglich. Dass eine Behandlung im Herkunftsstaat unter Umständen nicht den gleichen Standard wie in Österreich aufweist oder allenfalls kostenintensiver ist, ist nicht relevant (vgl. EGMR 13.12.2016, 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 189 ff).“

2. Mit Schreiben vom 26.11.2020 teilte die Abteilung für Heimreisezertifikat des Bundesamtes dem Beschwerdeführer mit, dass mit Verfahrensabschluss alle Voraussetzungen für die Ausstellung eines EU-Laissez-Passer und damit für seine Überstellung in den Herkunftsstaat vorliegen.

3. Ab Dezember 2020 bis März 2021 tauchte der Beschwerdeführer unter und stellte am 22.03.2021 einen Asylantrag gegenüber den Behörden in Liechtenstein.

Nachdem mit Schriftsatz vom 24.03.2021 dem Wiederaufnahmeersuchen von Dublin Unit Liechtenstein von Seiten Österreichs entsprochen und gemäß Art. 18.1.d Verordnung (EG) Nr. 604/2013 des Rates der Rückübernahme und der Durchführung einer Prüfung des Asylantrages zugestimmt worden war, wurde der Beschwerdeführer am 27.05.2021 per Flug von Liechtenstein nach Österreich gemäß Dublin-III-VO überstellt.

4. Im Zuge der Rückübernahme am 27.05.2021 stellte der Beschwerdeführer seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass er seine alten Fluchtgründe aufrecht halte. Ergänzend gab er an, dass im März 2015 eine Moschee und der Koran in der Nähe seines Hauses in Brand gesetzt worden seien und er daher der Brandstiftung bezichtigt worden sei. Außerdem sei er ohne religiöses Bekenntnis. Diese Gründe seien ihm seit März 2015 bekannt und im Falle der Rückkehr hätte er Angst getötet zu werden. Konkrete Hinweise auf eine unmenschliche Behandlung oder Strafe bzw. Todesstrafe lägen jedoch nicht vor.

5. Mit Schreiben und E-Mail-Mitteilung vom 10.06.2021 wurde dem Beschwerdeführer und der BBU, Bundesagentur für Betreuung- und Unterstützungsleistungen, Betreuungsein-richtung Ossiach die Ladung zur Einvernahme des Beschwerdeführers für den 14.06.2021 übermittelt.

6. Am 14.06.2021 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt im Beisein eines Dolmetschers und niederschriftlich festgehalten einvernommen und gab zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, die von ihm im ersten Verfahren genannten Gründe seien unverändert, aber es gebe Gründe, die er heute nenne, welche eng mit jenen zusammenhängen würden, die er bereits damals genannt habe. Seit der Beschwerdeführer in Afghanistan studiert habe sei er kein echter Moslem mehr, habe nicht mehr an den Islam geglaubt und ihn auch nicht praktiziert. Er habe in Afghanistan immer seine Meinung über Religionen geäußert, habe Religionen und auch den Islam respektiert, jedoch Probleme mit dem Aberglauben im Islam gehabt. Mit der Zeit sei das so dargestellt worden, dass er gegen den Islam und für das Christentum propagiere. Weil er von 2006 bis 2015 für die USA gearbeitet habe, sei verbreitet worden, dass er jetzt Christ sei und mithilfe der Amerikaner versuchen würde, für das Christentum zu Missionierung. Er habe mehrmals mit dem Mullah darüber gesprochen, insbesondere über den Aberglauben und sich darüber beschwert, dass aus der, in unmittelbarer Nähe seines Hauses gelegenen Moschee regelmäßig störendes lautes Weinen, Schreien und Trauerzeremonien zu hören seien. Da seinem Ersuchen dies zu ändern nicht entsprochen worden sei, sei er am 8. Tag des Monats Mohara im Jahre 1393 (2014) auf seinen Dachboden gegangen und habe das Lautsprecherkabel abgerissen. Man habe ihm dabei beobachtet und dies sei als Beleidigung der Religion betrachtet worden. Auch der Mullah habe davon erfahren und aufgebrachte junge Moslems hätten sein Haus gestürmt, ihn auf die Straße gebracht und dort heftig geschlagen. Dies habe sich ca. 6 Monate vor seiner Ausreise zugetragen.

Am 05.01.1394 (25.3.2015) sei die Moschee des Dorfes verbrannt. Weil zwischen seinem Haus und der Moschee lediglich 8m Abstand bestanden habe, habe der Beschwerdeführer geholfen den Hausmeister der Moschee zu retten und mit anderen gemeinsam den Brand gelöscht. Er habe dann bemerkt, dass man ihn verdächtigte, den Brand gelegt zu haben und seine Mutter habe ihm mitgeteilt, dass der Mullah den Beschwerdeführer für den Brand für verantwortlich halte und habe ihn daher aufgefordert zu fliehen. Der Beschwerdeführer sei mit dem Auto nach Kabul gefahren und auf der Rückfahrt, habe er in Qarabaq, wo es einen Kontrollposten der Taliban gegeben habe, ein stehen gebliebenes Auto gesehen, dem er sich vorsichtshalber langsam genähert habe. Es seien zwei Männer aufgetaucht, schnell in das Auto gestiegen und weil er verfolgt worden sei, sei der Beschwerdeführer mit vollem Tempo davongefahren. Auf der Hauptstraße, als das andere Auto direkt hinter dem seinen gewesen sei, sei dann plötzlich mehrfach auf das Auto des Beschwerdeführers geschossen worden, er sei unverletzt geblieben, aber das Rücklicht seines Autos sei zerschossen worden.

Zum Nachweis, dass der Mullah-Rat, dem Beschluss gefasst habe, dass der Beschwerdeführer gefangen und bestraft werde haben sollen, legte der Beschwerdeführer eine Kopie dieses Beschlusses vor. Zum Inhalt der Kopie befragt, gab der Dolmetscher an, dass aus dem Schriftstück hervorgehe, dass der Mullah-Rat des Distrikts Malistan am 06.01.1394 (26.3.2015) die Moslems aufgefordert habe, eine Person namens XXXX , bekannt als XXXX zu finden und zum Mullah-Rat zu bringen, weil dieser nach der Scharia bestraft werden solle, weil er verantwortlich sei, dass ein Brand in der Moschee gelegt und Korane verbrannt worden seien. Ergänzend gab der Beschwerdeführer dazu an, dass er zuerst gedacht habe dieser Beschluss sei nur mündlich verkündet worden. Später habe er gehört, es gebe eine schriftliche Erklärung, die öffentlich ausgehängt worden sei, aber er habe nicht gewusst wie er diese besorgen könne. Schließlich hätten sich vor ca. einem Jahr Verwandte darum bemüht und der Schwager seiner Frau, der mit einem Ratsmitglied befreundet sei, habe eine Kopie besorgt, welche der Beschwerdeführer als er in Liechtenstein gewesen sei erhalten habe.

Zuletzt verzichtete der Beschwerdeführer auf die Aushändigung der ihm vom Bundesamt angebotenen Länderinformationen der Staatendokumentation, Afghanistan, Version 4, Stand 11.06.2021.

7. Mit Schreiben und E-Mail-Mitteilung vom 18.06.2021 wurde dem Beschwerdeführer und der BBU, Bundesagentur für Betreuung- und Unterstützungsleistungen, Betreuungsein-richtung Ossiach vom Bundesamt die Ladung zur Einvernahme des Beschwerdeführers für den 28.06.2021 übermittelt.

8. Am 28.06.2021 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt ein weiteres Mal im Beisein eines Dolmetschers einvernommen und ihm insbesondere mitgeteilt, dass beabsichtigt sei seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG zurückzuweisen, den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben und eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu erlassen.

Nach Unterbrechung der Einvernehmung und dessen Fortsetzung verkündete das Bundesamt den angefochtenen Bescheid mündlich und hob den faktischen Abschiebeschutz des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 auf.

Nach der Niederschrift, in der diese Verkündigung beurkundet wurde gab das Bundesamt zunächst den Verfahrensgang wieder und führte begründend im Wesentlichen aus, dass sich der Beschwerdeführer wiederum auf die im vorhergehenden Verfahren vorgebrachten Gründe bezogen habe und weiters angegeben habe, dass im März 2015 eine Moschee und Korane in Brand gesetzt worden seien und man ihn der Brandstiftung bezichtigt habe. Daher könne er keinesfalls nach Afghanistan zurückkehren. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände habe nicht festgestellt werden können, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 bzw. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würden oder für ihn als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die Lage im Herkunftsstaat sei seit der Rechtskraft der letzten Rückkehrentscheidung im Wesentlichen unverändert.

Was die Bedrohung durch die Taliban betreffe habe sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit der Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert bzw. seien keine entscheidungsrelevanten Gründe hinzugekommen.

Hinsichtlich der Bedrohung aufgrund des Vorwurfs der Brandstiftung sei eindeutig von einer Steigerung eines bereits rechtskräftig als unglaubwürdig festgestellten Vorbringens auszugehen. Der Beschwerdeführer habe diesen Umstand im ersten Asylverfahren mit keinem Wort angegeben und jetzt selbst darauf hingewiesen, dass beide Vorbringen eng miteinander verknüpft seien. Im ersten Asylverfahren habe sich der Beschwerdeführer noch zum Islam schiitischer Ausprägung bekannt und habe nunmehr sein Vorbringen diesbezüglich, indem er angab, „ohne Bekenntnis“ zu sein und bereits in Afghanistan für seine kritische Haltung betreffend der Sitten und Rituale im Islam bekannt gewesen zu sein und dem islamischen Glauben nicht praktiziert zu haben, was letztlich auch dazu geführt habe, dass er der Brandstiftung bezichtigt und deshalb verdächtigt und bedroht worden sei, gesteigert. Auch habe der Beschwerdeführer im gesamten bisherigen Verfahren keine konkreten Vorfälle genannt, bei denen er wegen der Brandstiftung direkt bedroht worden sei. Die Kopie des „Drohbriefs“ habe lediglich das gesteigerte Vorbringen des Beschwerdeführers zum Inhalt, trage das Datum 05.04.2015 und sei somit lediglich wenige Tage nachdem der Beschwerdeführer selbst vorhatte, sich diesen Vorwürfen zu stellen und seine Unschuld zu beweisen verfasst worden. Warum der Beschwerdeführer sich nun, sechs Jahre danach und in Österreich befindlich, plötzlich aufgrund dieses Schreibens erheblich mehr bedroht fühlen solle, als unmittelbar nach dem Vorfall und den – wie er selbst angegeben habe – nicht gerechtfertigten Anschuldigungen, habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft darlegen können. Außerdem habe der Beschwerdeführer – obwohl er über seine Mitwirkungspflichten schon im ersten Asylverfahren nachweislich informiert worden sei – gegen die in § 15 Abs. 1 Z. 1 und 5 AsylG festgelegten Mitwirkungspflichten und in weiterer Folge gegen das Neuerungsverbot gemäß § 20 BFA-VG verstoßen. Er habe somit nicht glaubhaft vorbringen können, dass seit Rechtskraft der Entscheidung des Vorverfahrens maßgebliche Änderungen oder ein objektiv neuer Sachverhalt entstanden wäre. Von einer wesentlichen Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts im Sinne des § 68 AVG seit dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens könne daher nicht die Rede sein. Für das Bundesamt stehe fest, dass der Beschwerdeführer seinen neuerlichen Asylantrag, den er ausschließlich mit Sachverhalten begründet habe, welche sich im Herkunftsstaat noch vor seiner Ausreise ereignet haben sollen, in missbräuchlicher Absicht gestellt habe, um die Effektuierung der bereits in II. Instanz in Rechtskraft erwachsenen Rückkehrentscheidung vom 14.12.2020 zu verhindern oder zumindest eine Verzögerung seiner Rückführung in den Herkunftsstaat zu erreichen.

Rechtlich führte das Bundesamt insbesondere aus, dass ein Folgeantrag vorliege und das Erstverfahren rechtskräftig hinsichtlich §§ 3 und 8 AsylG negativ entschieden worden sei. Gleichzeitig sei eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ergangen und der Beschwerdeführer habe das Gebiet der Mitgliedsstaaten seit der Rechtskraft diese Entscheidung nicht verlassen, sodass die gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung aufrecht sei. Er verfüge über kein sonstiges Aufenthaltsrecht und da sein nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich zurückzuweisen sei, sei die Erlangung der faktischen Notwendigkeit für eine Abschiebung bereits gegeben. Da sich die allgemeine Lage als auch die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers und sein körperlicher Zustand seit der letzten Entscheidung des Bundesamtes nicht entscheidungswesentlich geändert hätten, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat für ihn zu keiner Bedrohung der Menschenrechte führen werde. Selbiges gelte für seine persönlichen Verhältnisse, bei denen keine Veränderung im Hinblick auf die vorherige Entscheidung eingetreten sei. Die Feststellung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung, die in Rechtskraft erwachsen sei, sei somit nach wie vor nicht anzuzweifeln auch die aktuelle COVID-19-Pandemie erfordere nicht die Zuerkennung von subsidiärem Schutz bzw. die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung. Zusammenfassend sprächen auch keine individuellen Umstände beim Beschwerdeführer dafür, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine derart extreme Notlage gelangen würde, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstelle.

Im Anschluss an die Verkündung dieses Bescheides erhielt der Beschwerdeführer die aktuellen Länder Informationen der Staatendokumentation, Afghanistan, Version 4, Stand 11.06.2021 ausgefolgt.

9. Am 29.6.2021 legte das Bundesamt die verwahrt als Verwaltungsakten dem Bundesgericht vor und diese langten bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

Zum derzeitigen Zeitpunkt kann angesichts der kurzen Entscheidungsfrist insbesondere aufgrund der behaupteten Bedrohung und Verfolgung des Beschwerdeführers infolge der Bezichtigung zur Brandstiftung und des Abfalls vom Islam nach einer Grobprüfung eine Verletzung einzelner durch die EMRK garantierter Rechte bei einer Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat nicht mit der in diesem Zusammenhang gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden.

2.       Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Inhalt der vorgelegten Verfahrensakten des Bundesamtes sowie der vorliegenden Gerichtsakten.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und verfahrensrechtliche Grundlagen:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, liegt gegenständlich die Zuständigkeit der nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts zuständigen Einzelrichterin vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte ist mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts durch das Verwaltungsgerichtsverfahrens (VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG idgF bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zweck des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG idgF sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

3.2. Zu Spruchpunkt A)

Der mit „Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen“ betitelte § 12a AsylG 2005 idgF lautet:

㤠12a.

(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2.kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und

3.im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist (§ 58 Abs. 2 FPG) und

3. darüber hinaus

a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;

b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder

c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht.“

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 idgF ergehen Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Der mit „Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes“ betitelte § 22 BFA-VG idgF lautet:

§ 22

(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.“

Eine der Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005, die vorzuliegen haben, damit die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes rechtens wäre ist, dass der Folgeantrag dann voraussichtlich zurückzuweisen wäre, wenn keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist. Es ist also eine Prognose darüber zu treffen, ob der Antrag voraussichtlich – wegen entschiedener Sache – zurückzuweisen sein wird.

Zu dieser Tatbestandsvoraussetzungen des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 führte der Verwaltungsgerichtshof – sich auf die parlamentarischen Materialien beziehend – aus, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegen müsse, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert habe. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtige daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es müsse sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensgang von vornherein deutlich abzeichne. Nur dann könne auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolge, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern (vgl. VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451, 0452; 12.12.2018, Ra 2018/19/10).

Der Beschwerdeführer hat sein Vorbringen in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 14.06.2021 in einer Weise geschildert, die die Behörde dazu bewogen hat, ihm keinen Glauben zu schenken. Er hat selbst erklärt, dass sich bei seinen Fluchtgründen nichts geändert habe aber gleichzeitig darauf hingewiesen, dass er in seinem ersten Verfahren insbesondere zwei Umstände nicht erwähnt habe, nämlich dass ihm Gefahr drohe im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat, weil er der Brandstiftung bezichtigt werde, bei welcher eine Moschee und zahlreiche Koranausgaben verbrannt seien und er vom islamischen Glauben abgefallen sei, was in Afghanistan auch schon vor seiner Ausreise bekannt gewesen sei. Damit bringt der Beschwerdeführer einen Sachverhalt vor, der sich nach seinen Angaben bereits vor der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts im Vorverfahren ereignet hat.

Mit Beschluss vom 18.12.2019, Ro 2019/14/0006 legte der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 267 AEUV dem EUGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

„1. Erfassen die in Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung), im weiteren: Verfahrensrichtlinie enthaltenen Wendungen `neue Elemente oder Erkenntnisse` die `zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind` auch solche Umstände, die bereits vor rechtskräftigen Abschluss des früheren Asylverfahrens vorhanden waren?

Falls Frage 1. bejaht wird:

2. Ist es in jenem Fall, indem neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkamen, die im früheren Verfahren ohne Verschulden des Fremden nicht geltend gemacht werden konnten, ausreichend, dass es einem Asylwerber ermöglicht wird, die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen früheren Verfahrens verlangen zu können?

3. Darf die Behörde, wenn den Asylwerber ein Verschulden daran trifft, dass er das Vorbringen zu den neu geltend gemachten Gründen nicht bereits im früheren Asylverfahren erstattet hat, die inhaltliche Prüfung eines Folgeantrages infolge einer nationalen Norm, die einem im Verwaltungsverfahren allgemeinen geltenden Grundsatz festlegt, ablehnen, obwohl der Mitgliedstaat mangels Erlassung von Sondernormen die Vorschriften des Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 Verfahrensrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt und infolgedessen auch nicht ausdrücklich von der in Art. 40 Abs. 4 Verfahrensrichtlinie eingeräumten Möglichkeit, eine Ausnahme von der inhaltlichen Prüfung des Folgeantrags vorsehen zu dürfen, Gebrauch gemacht hat?“.

§12a Abs. 2 AsylG 2005 enthält für die Frage, ob entschiedener Sache vorliegt und der faktische Abschiebeschutz allenfalls aberkannt werden kann, weil der Folgeantrag ohne den Antrag inhaltlich in Behandlung zu nehmen wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist keine Sonderbestimmungen. Anzuwenden ist demnach § 68 AVG, wonach Anbringen von Beteiligten, die außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2-4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Behauptete Tatsachen, wie im g

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten