TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/5 I411 2113733-2

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Veröffentlicht am 05.07.2021
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Entscheidungsdatum

05.07.2021

Norm

AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I411 2113733-2/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Liberia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU GmbH), Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz vom 28.06.2018, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird behoben.

II. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird dem Antrag vom 09.01.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von zwei Jahren erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise am 09.11.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz und gab an, in Liberia keine Chance auf einen Job zu haben und vor der Seuche Ebola geflüchtet zu sein.

2. Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20.08.2015, Zl. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Liberia abgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Gleichzeit gewährte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III. erster Satz), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. zweiter Satz), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Liberia zulässig ist (Spruchpunkt III. dritter Satz) und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.).

3. Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 07.12.2016, GZ: W226 2113733-1/15E, die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 20.08.2015 erhobene Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet ab, behob Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides und wies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück.

4. Mit Bescheid vom 20.02.2017, Zl. XXXX , erkannte das Bundesamt nach Einholung eines psychologischen Gutachtens dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und gewährte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 20.02.2018 (Spruchpunkt I. und II.).

Das Bundesamt begründete die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten damit, dass der Beschwerdeführer laut psychologischem Gutachten vom 30.12.2016 mindestens ein Jahr lang eine psychiatrische und medikamentöse Behandlung benötige, damit die posttraumatische Belastungsstörung behandelt werden könne. Aus der aktuellen Länderinformation zur medizinischen Versorgung in Liberia gehe hervor, dass es in Liberia an Fachärzten mangle, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dass er psychiatrisch und medikamentös behandelt werden könnte.

5. Am 09.01.2018 beantragte der Beschwerdeführer die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung.

6. Nach Einholung eines weiteren psychologischen Gutachtens im Februar 2018 erkannte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.06.2018 von Amts wegen den mit Bescheid vom 20.02.2017 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten ab und entzog die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt I. und II.). Der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 09.01.2018 wurde abgewiesen (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig erteilte das Bundesamt ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt IV.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt V.), stellte fest, dass seine Abschiebung zulässig ist (Spruchpunkt (VI.) und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VII.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für den subsidiären Schutz nicht mehr vorlägen, da sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers gebessert habe. Er könne sich ebenso in seinem Herkunftsstaat in psychiatrische Betreuung begeben.

7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die in vollem Umfang erhobene Beschwerde vom 26.07.2018, welche inhaltliche Rechtswidrigkeit und die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Vorgebracht wurde, dass die Voraussetzungen für die Aberkennung des subsidiären Schutzes nicht erfüllt seien.

8. Mit Schriftsatz vom 30.07.2018 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

9. Am 14.04.2021 teilte die Bezirkshauptmannschaft XXXX dem Bundesamt mit, dass dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ gemäß § 45 Abs 12 NAG erteilt wurde.

10. Mit Parteiengehör vom 25.05.2021 forderte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer auf, binnen 3 Wochen ab Erhalt des Schreibens aktuelle medizinische Unterlagen zu seinem Gesundheitszustand vorzulegen. Zugleich wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, zur Lage im Herkunftsstaat, insbesondere zur Situation von psychisch erkrankten Personen und zur Behandelbarkeit psychischer Krankheiten in Liberia Stellung zu nehmen.

11. Mit Schreiben vom 23.06.2021 übermittelte der Beschwerdeführer mehrere Befunde und gab eine Stellungnahme ab. Aus den vorgelegten medizinischen Befunden ergäbe sich im Wesentlichen eine unveränderte gesundheitliche Situation. Die Diagnose laute weiterhin „Posttraumatische Belastungsstörung, Angst, Depressio, „gemischt“ und er müsse weiterhin das Medikament Trittico einnehmen. Die medizinische Versorgungslage in Liberia habe sich seit Zuerkennung des subsidiären Schutzes keinesfalls verbessert, was auch aktuelle Bericht belegen würden. Angesichts der nicht eingetretenen nachhaltigen Verbesserung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers und der gleichbleibend völlig unzureichenden medizinischen Versorgung in Liberia, hätte das Bundesamt zur Ansicht gelangen müssen, dass die Voraussetzungen, die 2017 zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes führten, weiterhin vorliegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der oben angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zur Änderung des Sachverhalts seit der Gewährung von subsidiärem Schutz:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Liberia. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Bassa und Katholik. Seine Identität steht nicht fest.

Zumindest seit dem Tag seiner Asylantragstellung am 09.11.2014 hält er sich im Bundesgebiet auf.

Mit Bescheid vom 20.02.2017, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Tragende Gründe für die Gewährung subsidiären Schutzes waren, dass der Beschwerdeführer an einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung litt und die medizinischen Versorgung in Liberia sehr begrenzt war, weshalb nicht von einer Behandlungsmöglichkeit im Herkunftsstaat ausgegangen werden konnte.

Seit dem Bescheid vom 20.02.2017, mit welchem dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ist es weder zu einer maßgeblichen Änderung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers noch zu einer wesentlichen Verbesserung der medizinischen Versorgung in Liberia hinsichtlich der Behandlung von psychischen Erkrankungen gekommen.

Dem Beschwerdeführer wurde von der Bezirkshauptmannschaft XXXX der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ mit einer Gültigkeit von 06.04.2021 bis 05.04.2026 erteilt.

Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur medizinischen Versorgung in Liberia:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle (Stand 10.04.2018) „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Liberia vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine entscheidungswesentliche Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes und der Stellungnahme vom 23.06.2021. Ergänzend wurde ein aktueller Auszug aus dem österreichischen Strafregister eingeholt.

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die personenbezogenen Feststellungen zu seiner Staatsangehörigkeit sowie seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit ergeben sich aus seinen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme am 19.08.2015 (AS 39), dem angefochtenen Bescheid und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.12.2016, GZ: W226 2113733-1/15E.

Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und den seinerzeitigen Gründen für die Gewährung des subsidiären Schutzes ergeben sich aus der Begründung des Bescheids vom 20.02.2017, Zl. XXXX .

Dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes, geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht wesentlich und nachhaltig verändert bzw. verbessert haben, folgt aus einem Vergleich der medizinischen Versorgungslage in Liberia sowie der individuellen Situation des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes und zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. im nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt.

Das Bundesverwaltungsgericht prüfte, ob sich der Sachverhalt, welcher dem Bescheid vom 20.02.2017 zugrunde lag, bis zu Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblich geändert hat.

Die belangte Behörde stellte im gegenständlich angefochtenen Bescheid fest, dass die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen würden (AS 159). Allerdings gelingt es der belangten Behörde nicht, dies in weiterer Folge nachvollziehbar und schlüssig zu begründen.

Das Bundesamt traf im angefochtenen Bescheid die Feststellung, dass der Beschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet und in Österreich medikamentös behandelt wird, ging gleichzeitig aber von einer leichten Verbesserung seines Zustandes aus (AS 158). Auch wenn aus dem Gutachten vom 02.02.2018 (AS 35 ff), welches von der belangten Behörde eingeholt wurde, hervorgeht, dass im Rahmen des letzten Jahres eine leichte Verbesserung des Gesundheitszustandes in Bezug auf die Symptomatik von Albträumen und Flashbacks zu beobachten war, begründet dies noch keine wesentliche Sachverhaltsänderung gegenüber dem Zeitpunkt, in dem ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Der Beschwerdeführer leidet nach wie vor an einer posttraumatischen Belastungsstörung, Albträumen sowie Flashbacks, wie sich aus dem Gutachten vom 02.02.2018, dem angefochtenen Bescheid selbst und aus dem aktuellen Befund des Facharztes XXXX vom 17.06.2021, der mit Schreiben vom 25.06.2021 übermittelt wurde, ergibt. Er befindet sich auch noch in Behandlung und nimmt das Medikament Trittico ein (vgl. Befund vom 17.06.2021).

Des Weiteren ist eine wesentliche Verbesserung der medizinischen Versorgung und Behandelbarkeit von psychischen Erkrankungen in Liberia seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer nicht ersichtlich.

Nach den im Bescheid vom 20.02.2017 getroffenen Länderfeststellungen ist die medizinische Versorgung in Liberia mit Europa nicht zu vergleichen und technisch, apparativ und oder hygienisch hoch problematisch. Die ärztliche Versorgung in Monrovia ist aufgrund des Mangels an Fachärzten sehr begrenzt. Es gibt in Monrovia nur wenige Apotheken, die akzeptabel sind. Sie führen ein sehr begrenztes Sortiment wichtiger Standardmedikamente ua. europäischer Herkunft.

Im aktuellen Länderinformationsblatt zu Liberia, welches im angefochtenen Bescheid zitiert wird, wird unverändert von erheblichen Schwierigkeiten und einer prekären Situation bei der medizinischen Versorgung, die mit Europa nicht zu vergleichen ist, berichtet. Vor allem in ländlichen Gebieten ist der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen sehr schwierig und die ärztliche Versorgung in Monrovia ist aufgrund des Fachärztemangels sehr begrenzt. Während des Ebolaausbruchs 2014/2015 sind ca. 100 Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger, die sich infiziert haben, gestorben. Selbst vor dieser Krise gab es in Liberia nur einen Arzt für 10.000 Menschen.

Darüber hinaus geht aus dem in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 25.06.2021 erwähnten Jahresbericht der Weltgesundheitsorganisation für das Jahr 2018 hervor, dass in Liberia eine enorme Belastung aufgrund von psychischen Gesundheitsproblemen und Substanzmissbrauch besteht, wobei es derzeit nur eine Überweisungseinrichtung für psychische Gesundheit und einen Psychiater für 4,5 Millionen Einwohnern des Landes gibt, der sich in der Hauptstadt Monrovia befindet (https://www.ecoi.net/en/file/local/2018914/Final_Annual+Report+Liberia+2018+A4+Web.pdf, Zugriff 29.06.2021).

Die belangte Behörde legte nicht hinreichend dar, inwiefern sich die Behandelbarkeit von psychischen Erkrankungen seit Erlassung des Bescheides am 20.02.2017 in Liberia erheblich verbessert hätte. Mit den Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach sich die Lage im Herkunftsland sehr stabilisiert habe und der Beschwerdeführer sich in seinem Herkunftsstaat in psychiatrische Betreuung begeben kann, wird nicht aufgezeigt, ob er tatsächlich Zugang zu einer Behandlung in seinem Herkunftsstaat hat und ob das Medikament Trittico bzw. ein vergleichbarer Wirkstoff in Liberia erhältlich ist.

Insgesamt hat sich daher seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer weder der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers noch die Behandelbarkeit von psychischen Erkrankungen in Liberia wesentlich verbessert.

Aus dem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 14.04.2021 ergibt sich die Feststellung bezüglich des ersteilten Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt - EU“.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem eingeholten Auszug aus dem Strafregister vom 29.06.2021.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde und der ersatzlosen Behebung der Spruchpunkte:

3.1.1. Rechtslage

Nach § 8 Abs 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Gemäß § 9 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs 1 leg. cit.) nicht (1. Fall) oder nicht mehr (2. Fall) vorliegen.

Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung nach § 9 Abs 2 AsylG auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 52 Abs 2 Z 4 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Der Tatbestand des § 9 Abs 1 Z 1 zweiter Fall AsylG stellt darauf ab, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen. Dieser Tatbestand zielt daher auf den Fall einer Änderung des maßgeblichen Sachverhalts ab.

Es ist Aufgabe der Behörde, näher darzulegen, worin sie im konkreten Fall Umstände erblickt, wonach die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen. Ausgangspunkt dieser Betrachtungen haben jene Umstände zu sein, die ursprünglich zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben (vgl VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153).

Mit Bescheid vom 20.02.2017, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, weil er zum Entscheidungszeitpunkt an einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung litt und nicht von einer Behandlungsmöglichkeit im Herkunftsstaat ausgegangen werden konnte.

Nunmehr ist dem Beschwerdeführer mit dem hier angefochtenen Bescheid der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs 1 AsylG aberkannt worden, wobei sich die belangte Behörde erkennbar auf den zweiten Fall des § 9 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 („nicht mehr vorliegen“) gestützt hat. Dass die Gründe, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes führten, nicht mehr vorliegen, wurde aber vom Bundesamt nicht hinreichend dargelegt und begründet. Wie in der Beweiswürdigung bereits ausgeführt, hat sich die gesundheitliche Verfassung des Beschwerdeführers und die medizinische Versorgung betreffend die Behandelbarkeit von psychischen Krankheiten in Liberia, nicht maßgeblich verbessert.

Die Voraussetzungen für die amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 lagen und liegen sohin gegenständlich nicht vor. Dem Beschwerdeführer wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem angefochtenen Bescheid daher zu Unrecht aberkannt, weshalb die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides zu beheben waren.

Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs 2 AsylG 2005 sind im Verfahren nicht hervorgekommen, insbesondere ist der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten.

Aufgrund des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen war in Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides nunmehr die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005 um zwei weitere Jahre zu verlängern.

Das Bundesamt erließ zudem gegen den Beschwerdeführer gestützt auf § 52 Abs 2 Z 4 FPG eine Rückkehrentscheidung. Dem Beschwerdeführer wurde allerdings der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ erteilt und ihm kommt, abgesehen von der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter, zum Entscheidungszeitpunkt auch ein Aufenthaltsrecht nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und somit nach einem anderen Bundesgesetz zu, weshalb eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer auf Grundlage des § 52 Abs 2 Z 4 FPG nicht erlassen werden darf.

Folglich war spruchgemäß zu entscheiden und waren auch die restlichen Spruchpunkte zu beheben.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Im gegenständlichen Verfahren war nur auf die Frage, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, einzugehen. Aus dem aktuellen Länderinformationsblatt zu Liberia und aus der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 23.06.2021 ergibt sich, dass die Gründe, die zur Zuerkennung subsidiären Schutzes führten, nach wie vor vorliegen.

Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zur (Nicht-) Aberkennung des zuvor zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten bei nicht maßgeblich veränderter Sachlage, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Dass eine auf § 52 Abs 2 Z 4 FPG gestützte Rückkehrentscheidung nicht gegen einen Drittstaatsangehörigen, der über ein Aufenthaltsrecht nach einem anderen Bundesgesetz verfügt, erlassen werden darf, ergibt sich aus der klaren Regelung in § 52 Abs 2 Z 4 FPG. Da sich das Bundesverwaltungsgericht auf diese eindeutige Rechtsvorschrift stützen konnte, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung berücksichtigungswürdige Gründe Entziehung Entziehungsbescheid Entziehungsgrund ersatzlose Behebung ersatzlose Teilbehebung geänderte Verhältnisse Gesundheitszustand Kassation real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung behoben Spruchpunktbehebung subsidiärer Schutz Verlängerungsantrag Voraussetzungen Wegfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I411.2113733.2.00

Im RIS seit

14.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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