TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/6 W142 2129567-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.07.2021
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Entscheidungsdatum

06.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55

Spruch


W142 2129567-3/13E

W142 2129567-4/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Somalia, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.02.2020, Zl. 1053113800/180492277, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG mit der Maßgabe stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf fünf Jahre herabgesetzt wird.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Somalia, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.03.2021, Zl. 1053113800/150242180, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 27.04.2016 Zl. 1053113800/150242180, wurde der vom BF am 07.03.2015 gestellte Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.) und dem BF gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 unter gleichzeitiger Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung (bis 27.04.2017) der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkte II. und III.). Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides brachte der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein.

Zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes wurde im Bescheid ausgeführt, dass dem BF eine Rückkehr derzeit nicht zumutbar sei und sich diese Feststellung auf die Länderfeststellungen der Staatendokumentation zur allgemeinen Lage in Somalia, speziell auf seine Heimatregion Südsomalia, stütze. Eine reale Gefahr einer Bedrohung liege vor, da dem LIB eine aktuell instabile Sicherheitslage in Somalia, speziell in Bezug auf Südsomalia, zu entnehmen sei.

2. Mit Bescheid des BFA vom 09.05.2017 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 27.04.2019 verlängert.

3. Infolge der Erhebung einer strafrechtlichen Anklage gegen den BF leitete das BFA ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ein.

4. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 28.05.2018, XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 2a, zweiter Fall, SMG, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Monaten bedingt, unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.

5. Nachdem der BF vom BFA zur beabsichtigten Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten am 15.06.2018 einvernommen wurde, wurde dem BF mit Bescheid des BFA vom 24.08.2018, Zl.: 1053113800/180492277, der ihm mit Bescheid vom 27.04.2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigen gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Die mit Bescheid vom 09.05.2017 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde dem BF gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das BFA zusammengefasst damit, dass eine grundlegende Veränderung und Verbesserung der Versorgungslage in Somalia eingetreten sei. Die damaligen maßgeblichen Gründe, insbesondere die instabile Sicherheitslage in Somalia, speziell in Bezug auf Südsomalia, sei zwischenzeitig nicht mehr in ganz Somalia gegeben und sei dem BF eine Rückkehr nach Mogadischu zumutbar. Gegen diesen Bescheid brachte der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein.

6. Nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 16.11.2018 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.11.2018, GZ.: W183 2129567-1/18E und W183 2129567-2/9E, die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des BFA vom 27.04.2016, Zl.: 1053113800/150242180, gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 24.08.2018, Zl.: 1053113800/180492277, gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 9 Abs. 1 Z 1 2.Fall AsylG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zugelassen.

Betreffend das Nichtvorliegen der Gründe für die Aberkennung des subsidiären Schutzes führte die erkennende Richterin begründend aus, dass sich weder die allgemeine Lage in Somalia wesentlich und nachhaltig gebessert habe, noch sich die persönliche Situation des BF wesentlich geändert hätte.

7. Mit Bescheid des BFA vom 25.04.2019 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 27.04.2021 verlängert.

8. Infolge des Verdachtes eine Vergewaltigung begangen zu haben, leitete das BFA erneut ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ein.

9. Am 09.11.2019 wurde der BF in Untersuchungshaft genommen.

10. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 20.12.2019, XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 2a SMG sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 Monaten verurteilt. Vom Widerruf der bedingten Nachsicht zu XXXX wurde abgesehen, die Probezeit wurde auf 5 Jahre verlängert.

11. Am 27.01.2020 führte das BFA in Beisein eines Dolmetschers für die somalische Sprache eine niederschriftliche Einvernahme des BF durch.

Nachdem dem BF seine zwei strafrechtlichen Verurteilungen nach dem SMG vorgehalten wurden, gab dieser an keine echten Drogen, sondern legale Drogen aus dem Automaten (CBD) verkauft zu haben. Nach weiterem Vorhalt, dass im Strafurteil angeführt sei, dass er Cannabis (Wirkstoff THC) verkauft habe, gab der BF an: „Nein. Ich habe CBD verkauft.“ Er habe es mit seiner Bankomatkarte aus dem Automaten gekauft und nicht einmal einen Joint gehabt. Es sei legal erworbenes CBD gewesen. Er wisse nicht, warum das Gericht ihn verurteilt habe. Außerdem habe er erst das zweite Mal etwas verkauft.

Weiters gab der BF an, seine alte Wohnung sei ihm weggenommen worden, da das ganze Haus umgebaut werde. Er habe zuletzt nur eine Obdachlosenadresse gehabt. Wenn er aus dem Gefängnis entlassen werde, werde er schauen, dass er mindestens eine Postadresse habe. Er habe nicht gewusst, dass er wegen so etwas überhaupt verurteilt werde. Zu seinem Lebensunterhalt gab er an, er habe Teilzeit als Lagerarbeiter gearbeitet und eine Ergänzungsunterstützung vom Staat erhalten. Er sei in Österreich nicht Mitglied in einem Verein, einer religiösen Gruppe oder einer sonstigen Organisation und habe hier keine sozialen Bindungen. Er habe keine Ausbildung und habe A1 und A2 Deutschkurse zweimal besucht. Er wolle in Zukunft eine Ausbildung machen. Er spreche ein bisschen Deutsch, sei gesund, ledig und habe keine Kinder.

Zu seinen Verwandten in Somalia gab er an, dort nur eine Mutter zu haben, zu ihr habe er aber keinen Kontakt.

Befragt, weshalb er sich in Haft befinde, gab der BF an, ihm sei vorgeworfen worden Drogen verkauft zu haben. Er habe aber lediglich legales CDB aus dem Automaten gekauft und verkauft. Auf die Frage, warum er dies getan habe, gab der BF an, er habe es eigentlich selbst rauchen wollen. Ein anderer, der mit ihm zusammen Alkohol getrunken habe, habe einen Teil des CBDs haben wollen. Er habe ihm das Geld nicht gegeben, sondern ihm versprochen mit dem Geld Alkohol zu kaufen. Es handle sich gerade einmal um 0,2 CBD.

Nach Vorhalt, dass gegen ihn letztes Jahr Anklage wegen Vergewaltigung erhoben worden sei, gab der BF an, er habe davon nichts gehört. So etwas gebe es nicht. Dies stimme nicht. Wenn er jemanden vergewaltigt hätte oder es versucht hätte, dann wäre er kein freier Mann.

Auf die Frage, wie er sich sein weiteres Leben in Österreich vorstelle, gab der BF an, arbeiten zu gehen. Er habe bereits 6 Monate gearbeitet. Davor habe er Deutschkurse besucht. Er habe lange Zeit eine Arbeit gesucht. Kurz vor seiner Festnahme habe er sich bei mehreren Firmen beworben und überall seinen Lebenslauf abgegeben.

Nach Vorhalt, dass der Grund für die Aberkennung die zwei strafrechtlichen Verurteilungen nach dem SMG seien und er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, gab der BF an, er sei zweimal zu Unrecht vom Gericht verurteilt worden. Beim ersten Mal sei es so gewesen, dass er zusammen mit einem Freund einen Joint geraucht habe. Plötzlich seien Polizisten gekommen und hätten gesagt, dass er etwas an ihn verkauft habe. Der Freund habe ihn in der Verhandlung entlastet. Er habe nie etwas Falsches gemacht. Er sei nie eine Gefahr für die Gesellschaft gewesen und werde auch nie eine sein. Er sei hier ein Flüchtling und ein Gast und wolle arbeiten gehen.

Nach Gründen befragt, die gegen eine Rückkehr nach Somalia sprechen würden, führte der BF aus, Somalia sei gefährlich. Er wisse, wie die Lage sei. In Kismayo sei die Lage ganz gefährlich, dort habe er nichts.

Nachdem dem BF vorgehalten wurde, dass gegen ihn wegen der strafrechtlichen Verurteilungen ein Einreiseverbot erlassen werden könne, gab der BF an, dass er Österreich nicht verlassen werde und verspreche, sogar mit dem Alkoholkonsum aufzuhören.

Abschließend entschuldigte sich der BF und gab an, er verspreche nie wieder etwas Falsches zu machen. Auch wenn er nicht den Grund für die Festnahme bzw. die Verurteilung sehe, entschuldige er sich.

12. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 12.02.2020 wurde dem BF der ihm mit Bescheid vom 27.04.2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die mit Bescheid vom 25.04.2019 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Somalia unzulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.) und es wurde gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG 2005 ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der BF aufgrund der Verurteilungen nach dem SMG eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Da er innerhalb kurzer Zeit wiederholt fremden Personen Suchtgift gegen Entgelt überlassen habe, könne von keiner positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden. Im Falle des BF liege ein Abschiebehindernis aufgrund der instabilen Sicherheitslage in Somalia vor, weshalb ihm eine Rückkehr in seine Heimat derzeit nicht zumutbar sei. Eine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 komme daher nicht in Betracht. Der BF habe jedoch den Tatbestand des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 erfüllt, zumal seine zwei Verurteilungen wegen Suchtgiftdelikten deutlich zeigen würden, dass er ein hohes kriminelles Potenzial aufweise und von ihm eine Gefahr für die Allgemeinheut ausgehe. Durch sein wiederholtes, verwerfliches Verhalten gegen Leib und Leben anderer Personen, dem gezeigten mangelnden Respekt vor der österreichischen Rechtsordnung sowie der augenscheinlich hohen Rückfallgefahr, könne eine positive Prognose nicht gestellt werden. Der BF habe sich darüber hinaus in seiner Einvernahme auch äußerst uneinsichtig gezeigt. Eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erweise sich daher als geboten. Der BF halte sich seit März 2015 in Österreich auf und sei bereits zweimal rechtskräftig verurteilt worden. Er verfüge im Bundesgebiet über keine Familienangehörigen und habe auch sonst keine wesentlichen sozialen Bindungen in Österreich. Er spreche etwas Deutsch. Eine Bereitschaft zu einer nachhaltigen Integration habe nicht festgestellt werden können. Da auch keine Gründe für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG 2005 vorliegen würden, erweise sich eine Rückkehrentscheidung als zulässig. Dessen Abschiebung erweise sich gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 als unzulässig. Aufgrund der wiederholten Verurteilungen des BF wegen Verstößen gegen das SMG sei von einer negativen Gefährdungsprognose und einer von ihm ausgehenden Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auszugehen, weshalb sich die Erlassung eines Einreiseverbotes in der ausgesprochenen Dauer als gerechtfertigt erweise.

13. Gegen diesen Bescheid brachte der BF fristgerecht die (zu 1.) verfahrensgegenständliche Beschwerde im vollen Umfang ein. Begründend wurde ausgeführt, dass im Falle des BF zwei strafrechtliche Verurteilungen vorliegen würden, wobei es sich dabei um Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz handle. Zudem sei bei der ersten Verurteilung nur eine bedingte Freiheitsstrafe ausgesprochen worden, bei der zweiten eine unbedingte Freiheitsstrafe von fünf Monaten. Der BF verbüße seine Haftstrafe derzeit in der Justizanstalt und wolle nach seiner Haftentlassung wieder einen ordentlichen Lebenswandel führen und – wenn möglich, so wie vor seiner Inhaftierung – als Lagerarbeiter arbeiten. Im Sinne einer richtlinienkonformen Interpretation könne daher nicht von einer „Gefahr für die Allgemeinheit“ gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG bei Vorliegen von Delikten, wie sie der BF begangen habe, nicht gesprochen werden. Die Strafrichter hätten bei der Strafzumessung einen gewissen Handlungsspielraum, um auf die Besonderheiten des Einzelfalles einzugehen. Der VfGH gehe in seiner Judikatur davon aus, dass einschneidende Sanktionen nicht unabhängig vom Verschulden und den Umständen des Einzelfalles verhängt werden dürfen, da dies zu einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes führen könne. Die Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG ziehe eine gravierende Rechtsfolge nach sich, zumal es sich bei der Duldung nicht um einen rechtmäßigen Aufenthalt handle. Dies führe dazu, dass mit der Aberkennung etwa das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt verloren gehe. Die betroffene Person werde letztlich auf einen geduldeten Aufenthalt ohne rechtlichen Status beschränkt. Das BFA hätte auch die Umstände des Einzelfalles (etwa, dass der BF ein junger Erwachsener sei) und vor allem die Strafzumessung (Verurteilungen wegen Vergehen, keine hohen Freiheitsstrafen) durch den Richter berücksichtigen müssen und hätte zum Ergebnis kommen müssen, dass die Sanktionen der Aberkennung und die damit verbundenen Konsequenzen nicht zu rechtfertigen seien und somit das Aberkennungsverfahren einzustellen gewesen wäre. Zur Rückkehrentscheidung bzw. dem Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass der BF nunmehr seit 5 Jahren in Österreich lebe und sich mittlerweile gut integriert habe. Er spreche Deutsch auf A2-Niveau und habe vor seiner Inhaftierung Teilzeit als Lagerarbeiter gearbeitet. Der BF habe nach Verspüren des Haftübels eingesehen, dass er sich bessern müsse und wolle nach Haftentlassung wieder einen ordentlichen Lebenswandel führen. Das Einreiseverbot in der Höhe von 10 Jahren sei jedenfalls zu hoch angesetzt, weshalb um Aufhebung bzw. angemessene Herabsetzung angesucht werde. Auch beim Einreiseverbot habe die Behörde das jugendliche Alter des BF bei Begehung der Straftaten zu wenig berücksichtigt und einen strengen Maßstab angelegt. Es werde daher um neuerliche Beurteilung des Falles bzw. um Durchführung einer mündlichen Verhandlung ersucht.

14. Die Beschwerdevorlage des BFA sowie der bezughabende Verwaltungsakt langten am 02.03.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

15. Am 04.08.2020 legte der BF einen aktuellen Meldezettel, seinen damaligen Dienstvertrag als Hilfsarbeiter (als Dienstgeber wird die XXXX angeführt), abgeschlossen am 22.08.2019, Arbeitsbeginn 23.08.2019 sowie einen Auszug des elektronischen Datensammelsystems der Sozialversicherungsträger vor, wonach die Beschäftigung des BF bei der XXXX am 07.10.2019 durch einvernehmliche Lösung geendet habe.

16. Am 09.02.2021 legte der BF einen aktuellen Dienstvertrag der XXXX sowie eine Überlassungsmitteilung vor, wonach das Dienstverhältnis als Hilfsarbeiter am 09.11.2020 beginne, die wöchentliche Arbeitszeit 32,50 Stunden und der Bruttolohn 10,39/Stunde betrage.

17. Mit Eingabe vom 02.03.2021 stellte der BF beim BFA einen Antrag auf Verlängerung der ihm erteilten befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005. Zudem brachte er eine Lohn-/Gehaltsabrechnung von Dezember 2020/Jänner 2021 in Vorlage.

18. Mit dem nunmehr (zu 2.) angefochtenen Bescheid vom 25.03.2021 hat das BFA den Antrag des BF vom 02.03.2021 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund des anhängigen Aberkennungsverfahrens die Voraussetzungen für eine Verlängerung nicht gegeben seien.

19. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht eine Beschwerde erhoben, wobei – nach Wiederholung des Verfahrensganges – darauf hingewiesen wurde, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG weiterhin vorliegen würden und das BFA dem Antrag des stattgeben müsse.

20. Die Beschwerdevorlage des BFA langte am 16.04.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF, dessen Identität und Clanzugehörigkeit nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnten, ist volljähriger Staatsangehöriger Somalias, welcher sich zum muslimischen Glauben bekennt.

Er spricht muttersprachlich die Sprache Somali.

Ein Kontakt des BF zu seiner Familie in Somalia kann nicht festgestellt werden.

Der BF ist gesund, leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen und ist arbeitsfähig.

Infolge illegaler Einreise suchte der BF am 07.03.2015 um internationalen Schutz in Österreich an und hält sich seit diesem Zeitpunkt durchgehend im Bundesgebiet auf.

1.2. Mit Bescheid vom 27.04.2016 wies das BFA den Antrag des BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab und erkannte diesem gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides brachte der BF das Rechtsmittel der Beschwerde ein.

Mit Bescheid des BFA vom 24.08.2018 wurde der ihm mit Bescheid vom 27.04.2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigen gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen aberkannt, ihm die mit Bescheid vom 09.05.2017 erteilte befristetet Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen. Zudem wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Auch gegen diesen Bescheid brachte der BF fristgerecht das Rechtmittel der Beschwerde ein.

Mit Erkenntnis des BVwG vom 21.11.2018 wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des BFA vom 27.04.2016 gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 24.08.2018 gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 9 Abs. 1 Z 1 2.Fall AsylG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

Die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde zuletzt mit Bescheid des BFA vom 25.04.2019 verlängert.

1.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich die allgemeine Lage in Somalia – seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bzw. seit der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wesentlich und nachhaltig gebessert hat. Weiters kann nicht festgestellt werden, dass sich die persönliche Situation des BF wesentlich geändert hätte und er von der allgemein schlechten Lage im Falle einer Rückkehr weniger intensiv betroffen wäre. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass sich die Versorgungslage von Binnenflüchtlingen in Somalia wesentlich und nachhaltig gebessert hat. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass sich aus sonstigen Gründen die Lage in Somalia dahingehend wesentlich und nachhaltig verbessert hat, sodass der BF im Falle seiner Rückkehr mit ausreichender Wahrscheinlichkeit in der Lage sein würde, sich einen notdürftigen Lebensunterhalt zu verschaffen.

Eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts zur Frage der Gewährung subsidiären Schutzes ist somit weder im Hinblick auf das individuelle Vorbringen des BF noch in Bezug auf die allgemeine Lage in Somalia eingetreten.

1.4. Der BF weist die folgenden strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 28.05.2018, XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 2a, zweiter Fall, SMG, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Monaten bedingt, unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 20.12.2019, XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 2a SMG sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 Monaten verurteilt. Vom Widerruf der bedingten Nachsicht zu XXXX wurde abgesehen, die Probezeit wurde auf 5 Jahre verlängert.

Ein weiterer Aufenthalt des BF im Bundesgebiet stellt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, zumal aufgrund seines bisherigen Verhaltens die Gefahr der neuerlichen Begehung von Straftaten insbesondere im Bereich der Suchtmittelkriminalität zu prognostizieren ist.

1.5. In Österreich hat der BF keine familiären Anknüpfungspunkte oder maßgeblichen privaten Beziehungen.

Der seit März 2015 in Österreich aufhältige BF kann sich auf Deutsch verständigen, legte aber keine Bestätigungen betreffend die Absolvierung von Deutschkursen oder Deutschprüfungen vor.

Auch sonst hat der BF in Österreich keine Ausbildung gemacht und keine ehrenamtlichen Tätigkeiten verrichtet. Er ist in keinem Verein oder sonstigen Organisationen Mitglied.

Im Zeitraum von Dezember 2018 bis Februar 2019 bezog der BF zeitweise Arbeitslosengeld.

Der BF war von 17.-19.04.2019, von 24.04.-10.05.2019, von 20.05.-22.07.2019 und von 23.08.-07.10.2019 als Arbeiter beschäftigt.

Mit 09.11.2019 wurde der BF in Untersuchungshaft genommen und befand sich anschließend (bis 07.04.2020) in Strafhaft.

Seit 09.11.2020 bis dato geht der BF wieder einer Beschäftigung als Arbeiter nach.

Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer tiefgreifenden Integration des BF in Österreich festgestellt werden.

1.6. Zur Lage in Somalia wird unter Heranziehung der im angefochtenen Bescheid zitierten Länderberichte Folgendes festgestellt:

Politische Lage

Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 4.3.2019, S.5), aber als autonomer Staat mit eigener Armee und eigener Rechtsprechung funktioniert (NLMBZ 3.2019, S.7). Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2018, S.4).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2018, S.5). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten (AA 5.3.2019b). Das Land hat bei der Bildung eines funktionierenden Bundesstaates Fortschritte erzielt (UNSC 15.5.2019, Abs.78), staatliche und regionale Regierungsstrukturen wurden etabliert (ISS 28.2.2019). Der Aufbau von Strukturen auf Bezirksebene geht hingegen nur langsam voran (UNSC 15.5.2019, Abs.50).

Somalia ist damit zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind sehr schwach, es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt (AA 4.3.2019, S.4f). Die Regierung verfügt kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen (FH 5.6.2019b, C1). Das Land befindet sich immer noch mitten im Staatsbildungsprozess (BS 2018, S.33).

Die Herausforderungen sind dabei außergewöhnlich groß, staatliche Institutionen müssen von Grund auf neu errichtet werden. Zusätzlich wird der Wiederaufbau durch die Rebellion von al Shabaab, durch wiederkehrende Dürren und humanitäre Katastrophen gehemmt. Außerdem sind Teile der staatlichen Elite mehr mit der Verteilung von Macht und Geld beschäftigt, als mit dem Aufbau staatlicher Institutionen (BS 2018, S.33). In vielen Bereichen handelt es sich bei Somalia um einen „indirekten Staat“, in welchem eine schwache Bundesregierung mit einer breiten Palette nicht-staatlicher Akteure (z.B. Clans, Milizen, Wirtschaftstreibende) verhandeln muss, um über beanspruchte Gebiete indirekt Einfluss ausüben zu können (BS 2018, S.23). Zudem ist die Bundesregierung finanziell von Katar abhängig, das regelmäßig außerhalb des regulären Budgets Geldmittel zur Verfügung stellt (SEMG 9.11.2018, S.30).

Somalia ist keine Wahldemokratie, auch wenn die Übergangsverfassung eine Mehrparteiendemokratie und Gewaltenteilung vorsieht (BS 2018, S.13f). Es gibt keine freien und fairen Wahlen auf Bundes- (USDOS 13.3.2019, S.23; vgl. FH 5.6.2019b, A1) und auch keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler oder regionaler Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 4.3.2019, S.5f). Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 geplant (AA 5.3.2019b). Angesichts der bestehenden Probleme bleibt aber abzuwarten, ob diese Wahlen wirklich stattfinden werden (NLMBZ 3.2019, S.9). Bei den Vorbereitungen dafür wurden bisher nur wenige Fortschritte gemacht (FH 5.6.2019b, A3).

Eigentlich sollte die Bundesregierung auch die Übergangsverfassung noch einmal überarbeiten, novellieren und darüber ein Referendum abhalten. Dieser Prozess ist weiterhin nicht abgeschlossen (USDOS 13.3.2019, S.23), und es gibt diesbezüglich Konflikte mit den Bundesstaaten (NLMBZ 3.2019, S.7).

Die beiden Kammern des Parlaments wurden mittels indirekter Wahlen durch ausgewählte Älteste Ende 2016 / Anfang 2017 besetzt (USDOS 13.3.2019, S.1/23). Über 14.000 Wahlmänner und -frauen waren an der Wahl der 275 Abgeordneten beteiligt. Zuvor waren Abgeordnete unmittelbar durch einzelne Clanälteste bestimmt worden (AA 4.3.2019, S.6; vgl. AA 5.3.2019b). Das Unterhaus wurde nach Clan-Zugehörigkeit besetzt, das Oberhaus nach Zugehörigkeit zu Bundesstaaten. Die Wahlen zu beiden Häusern wurden generell als von Korruption durchsetzt und geschoben erachtet (USDOS 13.3.2019, S.1/23). Sie wurden von Schmiergeldzahlungen, Einschüchterungen, Stimmenkauf und Manipulation begleitet (BS 2018, S.14/19). Dieses Wahlsystem ist zwar noch weit von einer Demokratie entfernt und unterstreicht die Bedeutung der politischen Elite (BS 2018, S.22). Trotz allem waren die Parlamentswahlen ein bemerkenswerter demokratischer Fortschritt (AA 4.3.2019, S.6; vgl. AA 5.3.2019b; BS 2018, S.22).

Insgesamt erfolgte die Zusammensetzung des Unterhauses entlang der 4.5-Formel, wonach den vier Hauptclans jeweils ein Teil der Sitze zusteht, den kleineren Clans und Minderheiten zusammen ein halber Teil (USDOS 13.3.2019, S.26; vgl. BS 2018, S.13f). Die 4.5-Formel hat zwar politischen Fortschritt gewährleistet, ist aber zugleich Ursprung von Ressentiments (SRSG 13.9.2018, S.2).

Die Präsidentschaftswahl fand am 8.2.2017 statt. Die beiden Parlamentskammern wählten den früheren Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed „Farmaajo“ zum Präsidenten (AA 4.3.2019, S.6; vgl. BS 2018, S.14; USDOS 13.3.2019, S.1). Seine Wahl wurde als fair und transparent erachtet (USDOS 13.3.2019, S.1). Im März 2017 bestätigte das Parlament Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 5.3.2019b; vgl. BS 2018, S.14). Die aktuelle Regierung agiert wie eine Regierung der nationalen Einheit. Sie wurde so zusammengesetzt, dass alle relevanten Clans und Gruppen sich in ihr wiederfinden (AA 4.3.2019, S.10).

Gemäß einer Quelle üben aber salafistische Netzwerke zunehmend Einfluss auf die Regierung aus (NLMBZ, S.8f). Nach anderen Angaben kann von Salafismus keine Rede sein, vielmehr sind der Präsident und seine Entourage Moslembrüder bzw. deren Ideologie sehr nahestehend (ME 27.6.2019). Wieder eine andere Quelle berichtet, dass die politische Basis des Präsidenten eine nationalistische ist (ICG 12.7.2019, S.10). Gleichzeitig unterwandert al Shabaab das System, indem sie Wahldelegierte zur Kooperation zwingt (Mohamed 17.8.2019).

Das Konzept einer politischen Opposition ist nur schwach ausgeprägt, die Regeln der Politik sind abgestumpft. Misstrauensanträge, Amtsenthebungsverfahren und Wahlen werden zur Bereicherung und zum politischen Machtausbau missbraucht (SRSG 13.9.2018, S.4). Generell sind die Beziehungen zwischen Bundesregierung und Parlament problematisch. Außerdem kam es 2018 zu einer großen Zahl an Personaländerungen, so wurde etwa der Bürgermeister von Mogadischu, zahlreiche Minister und der Chief Justice ersetzt (NLMBZ, S.8f).

Gegen Ende 2018 war vom Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Farmaajo eingeleitet worden. Dieses Verfahren wurde jedoch Mitte Dezember 2018 aus formalen Gründen für ungültig erklärt bzw. zurückgezogen (VOA 20.12.2018; vgl. FH 5.6.2019b, A1; UNSC 15.5.2019, Abs.3). Auch zwischen Ober- und Unterhaus ist es zu politischen Auseinandersetzungen gekommen (AMISOM 15.1.2019a; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs.3). Diese wurden im Juli 2019 vorläufig beigelegt (UNSC 15.8.2019, Abs.3).

Ein nationaler Versöhnungsprozess ist in Gang gesetzt worden. Dieser wird international unterstützt (UNSC 21.12.2018, S.6).

Föderalisierung: Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, wurden im Rahmen eines international vermittelten Abkommens von 2013 bis 2016 die Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und HirShabelle neu gegründet (AA 5.3.2019b; vgl. USDOS 13.3.2019, S.1; BS 2018, S.4f/12). Offen sind noch der finale Status und die Grenzen der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 5.3.2019b; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs.22). Mit der Gründung der Bundesstaaten und einem relativ demokratisch erfolgten Machtwechsel konnten wichtige Weichen in Richtung Demokratisierung, legitimer Staatsgewalt und Föderalismus gestellt werden (AA 4.3.2019, S.4). Beim Prozess der Föderalisierung gab es in den letzten Jahren signifikante Fortschritte (BS 2018, S.3). Allerdings hat keine dieser Verwaltungen die volle Kontrolle über die ihr nominell unterstehenden Gebiete (USDOS 13.3.2019, S.1; vgl. BS 2018, S.15).

Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir. Allerdings finden sich in jedem Bundesstaat Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden (BFA 8.2017, S.55f).

Wichtige Detailfragen zur föderalen Staatsordnung sind weiterhin ungeklärt, z.B. die Einnahmenverteilung zwischen Bund und Bundesstaaten; die jeweiligen Zuständigkeiten im Sicherheitsbereich; oder die Umsetzung der für 2020 geplanten Wahlen (AA 5.3.2019b; vgl. NLMBZ 3.2019, S.7) – und die gesamte Frage der Machtverteilung zwischen Bund und Bundesstaaten (UNSC 15.5.2019, Abs.25; vgl. UNSC 21.12.2018, S.5).

Die Bundesregierung tut sich schwer, in den Bundesstaaten Macht und Einfluss geltend zu machen (NLMBZ 3.2019, S.7). Außerdem kommt es in den Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten immer wieder zu (politischen) Spannungen (AA 5.3.2019b; vgl. NLMBZ 3.2019, S.7), die manchmal auch in Gewalt eskalierten (BS 2018, S.4).

Zusätzlich haben die Bundesstaaten abseits des Nationalen Sicherheitsrates 2017 einen Kooperationsrat der Bundesstaaten (CIC) geschaffen, welcher unter Ausschluss der Bundesregierung arbeitet (SEMG 9.11.2018, S.5; vgl. AA 5.3.2019b). Während andere Mitglieder des CIC den Dialog mit der Bundesregierung verweigerten (AMISOM 12.10.2018), hat der Präsident von HirShabelle, Mohamed Abdi Waare, diesen zwischenzeitlich gesucht (AMISOM 12.10.2018; vgl. UNSC 21.12.2018, S.1). Der CIC hat bereits zweimal die Kooperation mit der Bundesregierung suspendiert (SEMG 9.11.2018, S.31f), so etwa im September 2018. Im Oktober 2018 haben alle Bundesstaaten außer HirShabelle angekündigt, gemeinsame Sicherheitskräfte aufzustellen (UNSC 21.12.2018, S.1). Generell herrscht zwischen Bundesregierung und Bundesstaaten ein besorgniserregendes Maß an Misstrauen (SRSG 13.9.2018, S.3). Dadurch wird auch die Lösung von Schlüsselfragen zu Politik und Sicherheit behindert (UNSC 15.5.2019, Abs.2; vgl. SRSG 3.1.2019, S.2).

Bei dieser Auseinandersetzung kommt u.a. die Krise am Golf zu tragen: In Somalia wird eine Art Stellvertreterkrieg ausgetragen, bei welchem die unterschiedlichen Interessen und Einflüsse speziell von Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) eine Rolle spielen. Dies hat die schon bestehenden Spannungen zwischen der Bundesregierung und den Bundesstaaten weiter verschärft, erstere ist in zunehmende Isolation geraten (SEMG 9.11.2018, S.4/30; vgl. ICG 12.7.2019, S.9; FH 5.6.2019b, C1). Diese Entwicklung hat zur Destabilisierung Somalias beigetragen (NLMBZ 3.2019, S.10). Allerdings gibt es zumindest Anzeichen für eine Verbesserung der Situation (UNSC 15.5.2019, Abs.80). So hat sich Präsident Farmaajo für die Verschlechterung der Beziehungen zu den Bundesstaaten öffentlich entschuldigt (ICG 12.7.2019, S.9). Die Bundesregierung versucht insbesondere HirShabelle und Galmudug in ihr Lager zu ziehen (BMLV 3.9.2019). Trotzdem bleiben die Spannungen bestehen (UNSC 15.8.2019, Abs.2).

Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Jubaland wurde im Jahr 2013 gebildet, damals wurde auch Ahmed Mohamed Islam „Madobe“ zum Präsidenten gewählt (USDOS 13.3.2019, S.24). Bis Anfang August hatten sich für die Neuwahl des Präsidenten neun Kandidaten registrieren lassen (UNSC 15.8.2019, Abs.6). Am 22.8.2019 wurde dann Ahmed Madobe als Präsident bestätigt. Die Wahl war allerdings umstritten: Da die Bundesregierung mehr Kontrolle gewinnen möchte, hat sie erklärt, die Wahl nicht anzuerkennen und den Wahlkandidaten der Opposition, Abdirashif Mohamad Hidig, zu unterstützen (BAMF 26.8.2019, S.6). Der Verwaltung von Jubaland ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Dadurch, dass die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden, wurde die Machtbalance verbessert (BFA 8.2017, S.57ff). Diese Inkorporation funktioniert auch weiterhin, die Verwaltung in Kismayo hat sich weiter gefestigt. Außerdem konnten durch die Kooperation mit Teilen der Marehan auch die nicht der al Shabaab zuneigenden Gebiete von Gedo gefestigt werden (ME 27.6.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (4.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

-        AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.3.2019b): Somalia – Innenpolitik, URL, Zugriff 10.4.2019

-        AMISOM (5.7.2019): Somalia starts process to integrate Ahlu Sunna forces into the Somali Security Forces, URL, Zugriff 16.7.2019

-        AMISOM (17.1.2019a): 17 January 2019 - Morning Headlines [Quelle: Halbeeg News], Newsletter per E-Mail

-        AMISOM (15.1.2019a): 15 January 2019 - Daily Monitoring Report [Quelle: Halbeeg News], Newsletter per E-Mail

-        AMISOM (12.10.2018): 12 October 2018 - Daily Monitoring Report [Quelle: Jowhar News], Newsletter per E-Mail

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (26.8.2019): Briefing Notes 26. August 2019

-        BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, URL, Zugriff 31.5.2019

-        BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung (Österreich) (3.9.2019): Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, URL, Zugriff 19.3.2019

-        EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation, URL, Zugriff 24.6.2019

-        FH - Freedom House (5.6.2019b): Freedom in the World 2019 - Somalia, URL, Zugriff 22.7.2019

-        ICG - International Crisis Group (12.7.2019): Somalia-Somaliland: The Perils of Delaying New Talks - Africa Report N°280, URL, Zugriff 8.7.2019

-        ISS - Institute for Security Studies / Meressa K Dessu / Dawit Yohannes (28.2.2019): Is this the right time to downsize AMISOM?, URL, Zugriff 13.3.2019

-        ME - Militärstrategischer Experte (27.6.2019): Interview mit der Staatendokumentation

-        Mohamed, Abdirizak Omar / Hiiraan.com (17.8.2019): The Recent Al-Shabab Resurgence: Policy Options for Somalia, URL, Zugriff 23.8.2019

-        NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019): Country of Origin Information Report on South and Central Somalia (nicht veröffentlichte englische Version), niederländische Version auf URL, 18.6.2019

-        SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group / UN Security Council (9.11.2018): Report of the Monitoring Group on Somalia and Eritrea submitted in accordance with resolution 2385 (2017), URL, Zugriff 8.1.2019

-        SRSG - Special Representative of the Secretary-General for Somalia, Mr. Nicholas Haysom (3.1.2019): Statement to the Security Council on Somalia, URL, Zugriff 6.5.2019

-        SRSG - Special Representative of the Secretary-General for Somalia, Mr. Michael Keating (13.9.2018): Briefing to the Security Council on Somalia, URL, Zugriff 6.5.2019

-        UNSC - UN Security Council (15.8.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 22.8.2019

-        UNSC - UN Security Council (15.5.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 15.7.2019

-        UNSC - UN Security Council (27.12.2018): January 2019 Monthly Forecast, URL, Zugriff 15.7.2019

-        UNSC - UN Security Council (21.12.2018): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 7.5.2019

-        UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (24.10.2017): Mohamed Abdi Waare inaugurated as the second President of HirShabelle state, URL, Zugriff 4.9.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, URL, Zugriff 18.3.2019

-        VOA - Voice of America / Mohamed Olad Hassan (20.12.2018): Somalia's Parliament Drops Impeachment of President, URL, Zugriff 22.1.2019

Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Die Sicherheitslage bleibt instabil und unvorhersagbar (AMISOM 7.8.2019, S.2). Zwar ist es im Jahr 2018 im Vergleich zu 2017 zu weniger sicherheitsrelevanten Zwischenfällen und auch zu einer geringeren Zahl an Todesopfern gekommen, doch ist die Sicherheitslage weiterhin schlecht. Sie ist vom bewaffneten Konflikt zwischen AMISOM (African Union Mission in Somalia), somalischer Armee und alliierten Kräften auf der einen und al Shabaab auf der anderen Seite geprägt. Zusätzlich kommt es in ländlichen Gebieten zu Luftschlägen (NLMBZ 3.2019, S.17). Weiterhin führt der Konflikt unter Beteiligung der genannten Parteien zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (USDOS 13.3.2019, S.1). Wer sich in Somalia aufhält, muss sich der Gefährdung durch Terroranschläge, Kampfhandlungen, Piraterie sowie kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein (AA 17.9.2019). Auch der Konflikt um Ressourcen (Land, Wasser etc.) führt regelmäßig zu Gewalt (BS 2018, S.31).

Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das „urban island scenario“ besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017, S.21; vgl. BMLV 3.9.2019).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden – etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017, S.21/91f; vgl. BMLV 3.9.2019).

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2019). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und – in noch stärkerem Ausmaß – in Süd-/Zentralsomalia komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (LIFOS 9.4.2019, S.6).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (17.9.2019): Somalia – Reise- und Sicherheitshinweise – Reisewarnung, URL, Zugriff 17.9.2019

-        ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2019): Africa (Data through 19 January 2019), URL, Zugriff 23.1.2019

-        AMISOM (7.8.2019): Progress Report of the Chairperson of the Commission on the situation in Somalia/AMISOM, URL, Zugriff 22.8.2019

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, URL, Zugriff 19.3.2019

-        BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, URL, Zugriff 31.5.2019

-        LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (9.4.2019): Somalia – Folkbokförning, medborgarskap och identitetshandlngar, URL, Zugriff 8.5.2019

-        NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019): Country of Origin Information Report on South and Central Somalia (nicht veröffentlichte englische Version), niederländische Version auf URL, 18.6.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, URL, Zugriff 18.3.2019

Süd-/Zentralsomalia

Die Sicherheitslage bleibt volatil (UNSC 15.8.2019, Abs.13; vgl. AA 17.9.2019). Al Shabaab bleibt auch weiterhin die größte Quelle von Unsicherheit in Somalia (SRSG 3.1.2019, S.3; vgl. SEMG 9.11.2018, S.4; UNSC 21.12.2018, S.3).

Al Shabaab führt nach wie vor eine effektive Rebellion (LWJ 8.1.2019). Al Shabaab hat sich ihre operative Stärke und ihre Fähigkeiten bewahrt (UNSC 21.12.2018, S.3; vgl. NLMBZ 3.2019, S.20), führt weiterhin Angriffe auf Regierungseinrichtungen, Behördenmitarbeiter, Sicherheitskräfte, internationale Partner und öffentliche Plätze – z.B. Restaurants und Hotels – durch (UNSC 15.8.2019, Abs.13; vgl. AA 17.9.2019).

Dabei hat sich die Gruppe in erster Linie auf die Durchführung von Sprengstoffanschlägen und gezielten Attentaten verlegt (SRSG 3.1.2019, S.3) und kann sowohl gegen harte (militärische) als auch weiche Ziele vorgehen (NLMBZ 3.2019, S.10). Al Shabaab bleibt zudem weiterhin in der Lage, komplexe asymmetrische Angriffe durchzuführen (SEMG 9.11.2018, S.4). Neben Angriffen auf militärische Einrichtungen und strategischen Selbstmordanschlägen auf Regierungsgebäude und städtische Gebiete wendet al Shabaab auch Mörser- und Handgranatenangriffe an, legt Hinterhalte und führt gezielte Attentate durch (NLMBZ 3.2019, S.10). Al Shabaab verfügt auch weiterhin über Kapazitäten, um konventionelle Angriffe und größere Attentate (u.a. Selbstmordanschläge, Mörserangriffe) durchzuführen (LWJ 15.10.2018). Al Shabaab ist auch in der Lage, fallweise konventionelle Angriffe gegen somalische Kräfte und AMISOM durchzuführen, z.B. am 1.4.2018 gegen sogenannte Forward Operational Bases der AMISOM in Buulo Mareer, Golweyn und Qoryooley (Lower Shabelle) (SEMG 9.11.2018, S.22). Nach anderen Angaben kann al Shabaab keine konventionellen Angriffe mehr durchführen. Die Gruppe hat sich v.a. auf Sprengstoffanschläge und gezielte Attentate verlegt (SRSG 3.1.2019, S.3).

Im März und April 2019 kam es zu einem signifikanten Anstieg an Angriffen in Mogadischu. Es kommt weiterhin zu Anschlägen mit improvisierten Sprengsätzen, Mörserangriffen und gezielten Attentaten. Alleine im März 2019 wurden 77 Anschläge mit Sprengsätzen verzeichnet – die höchste Zahl seit 2016. Der Großteil dieser Anschläge betraf Mogadischu, Lower Shabelle, Lower Juba und Gedo (UNSC 15.5.2019, Abs.12f). Ähnliches gilt für den Monat Ramadan (5.5.-3.6.); danach ging die Zahl an Vorfällen zurück (UNSC 15.8.2019, Abs.14). Von Gewalt durch al Shabaab am meisten betroffen sind Mogadischu, Lower und Middle Shabelle; Jubaland, Bay und Hiiraan sind zu einem geringeren Ausmaß betroffen (UNSC 21.12.2018, S.4).

Al Shabaab hat auch die Angriffe mit Mörsern verstärkt. Dabei ist eine zunehmende Treffsicherheit zu verzeichnen. Außerdem führt die Gruppe weiterhin (sporadisch) komplexe Angriffe durch (UNSC 15.5.2019, Abs.14f).

Kampfhandlungen: In Teilen Süd-/Zentralsomalias (südlich von Puntland) kommt es zu örtlich begrenzten Kampfhandlungen zwischen somalischen Sicherheitskräften/Milizen bzw. AMISOM (African Union Mission in Somalia) und al Shabaab (AA 4.3.2019, S.16; vgl. AA 17.9.2019). Die Gruppe führt täglich kleinere Angriffe auf AMISOM, Armee und Regierung durch, alle paar Wochen kommt es zu einem größeren Angriff (BS 2018, S.7). Dies betrifft insbesondere die Regionen Lower Juba, Gedo, Bay, Bakool sowie Lower und Middle Shabelle. Die Region Middle Juba steht in weiten Teilen unter Kontrolle von al Shabaab (AA 4.3.2019, S.16). Zivilisten sind insbesondere in Frontbereichen, wo Gebietswechsel vollzogen werden, einem Risiko von Racheaktionen durch al Shabaab oder aber von Regierungskräften ausgesetzt (LIFOS 3.7.2019, S.22). Die Bezirke Merka, Qoryooley und Afgooye sind nach wie vor stark von Gewalt betroffen, das Gebiet zwischen diesen Städten liegt im Fokus von al Shabaab (ME 27.6.2019). In Süd-/Zentralsomalia bleibt al Shabaab auch für Stützpunkte von Armee und AMISOM eine Bedrohung. Sie behält die Fähigkeit, selbst in schwer befestigte Anlagen in Mogadischu einzudringen (LWJ 3.9.2018).

Ferner kommt es immer wieder auch zu Auseinandersetzungen somalischer Milizen untereinander (AA 17.9.2019). Auch somalische und regionale Sicherheitskräfte töteten Zivilisten und begingen sexuelle Gewalttaten – v.a. in und um die Region Lower Shabelle (USDOS 13.3.2019, S.11). Zusätzlich wird die Sicherheitslage durch die große Anzahl lokaler und sogar föderaler Milizen verkompliziert (BS 2018, S.8). Es gibt immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Milizen einzelner Sub-Clans bzw. religiöser Gruppierungen wie Ahlu Sunna Wal Jama’a (AA 4.3.2019, S.16; vgl. HRW 17.1.2019). Seit dem Jahr 1991 gibt es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden (AA 4.3.2019, S.16).

Bei Kampfhandlungen gegen al Shabaab, aber auch zwischen Clans oder Sicherheitskräften kommt es zur Vertreibung, Verletzung oder Tötung von Zivilisten (HRW 17.1.2019).

Gebietskontrolle: Die Gebiete Süd-/Zentralsomalias sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen. Allerdings ist die Kontrolle der somalischen Bundesregierung im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkt; die Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete liegt bei den Regierungen der Bundesstaaten, welche der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen (AA 4.3.2019, S.5). Die Regierung war nicht immer in der Lage, gewonnene Gebiete abzusichern, manche wurden von al Shabaab wieder übernommen (BS 2018, S.7). Mittlerweile wird zumindest versucht, nach der Einnahme neuer Ortschaften rasch eine Zivilverwaltung einzusetzen, wie im Zuge der Operation Badbaado 2019 in Lower Shabelle zu erkennen war. Trotzdem beherrschen die neu errichteten Bundesstaaten nicht viel mehr als die größeren Städte. Der effektive Einfluss von AMISOM und den somalischen Verbündeten bleibt meist auf das jeweilige Stadtgebiet konzentriert. Teils kommt es zu weiteren (militärischen) Exkursionen (ME 27.6.2019). Die meisten von Regierung/AMISOM gehaltenen Städte sind aber Inseln im Gebiet der al Shabaab (LI 21.5.2019a, S.3; vgl. BFA 8.2017, S.26). AMISOM muss an vielen Einsatzorten von UNSOS aus der Luft oder über See versorgt werden, da Überlandrouten nur eingeschränkt nutzbar sind (UNSC 21.12.2018, S.9).

In einigen Städten ist es in jüngerer Vergangenheit zu Verbesserungen gekommen. Dies gilt mehrheitlich auch für Mogadischu (ME 27.6.2019). Eine Infiltration von unter Kontrolle der Regierung stehenden Städten mittels größerer Kampfverbände von al Shabaab kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure von al Shabaab kommt in manchen Städten vor (BFA 8.2017, S.26; vgl. BMLV 3.9.2019). Andererseits führen ausstehende Soldzahlungen zu Meutereien bzw. zur Aufgabe gewonnener Gebiete durch Teile der Armee (z.B. in Middle Shabelle im März 2019) (BAMF 1.4.2019).

Al Shabaab kontrolliert große Teile des ländlichen Raumes in Süd-/Zentralsomalia und bedroht dort die Städte (LWJ 8.1.2019). Außerdem kontrolliert al Shabaab wichtige Versorgungsrouten und hält gegen Städte unter Regierungskontrolle Blockaden aufrecht (HRW 17.1.2019).

AMISOM/Operationen: Die Truppensteller von AMISOM glauben nicht daran, dass Regierungskräfte über die notwendigen Kapazitäten verfügen, um wichtige Sicherheitsaufgaben zu übernehmen (HRW 17.1.2019). Die Regierung ist selbst bei der Sicherheit von Schlüssel-Einrichtungen auf AMISOM angewiesen (BS 2018, S.7). Vor desaströsen Auswirkungen eines voreiligen Abzugs von AMISOM wird gewarnt (SRSG 13.9.2018, S.5). Bereits ein Teilabzug im Rahmen einer „Rekonfiguration“ könnte zur Aufgabe sogenannter Forward Operating Bases (FOBs) führen (UNSC 15.5.2019, Abs.72). Die Kräfte von AMISOM sind ohnehin überdehnt (ME 27.6.2019), und schon in den Jahren 2016 und 2017 fielen manche Städte aufgrund des Abzugs von AMISOM zurück an al Shabaab (LI 21.5.2019a, S.1). Auch im Rahmen der Truppenreduzierung im Jahr 2019 hat AMISOM FOBs räumen müssen – etwa Faafax Dhuun (Gedo); andere wurden an die somalische Armee übergeben (ME 14.3.2019).

Nach 2015 hat AMISOM keine großen Offensiven gegen die al Shabaab mehr geführt (ISS 28.2.2019; vgl. SEMG 9.11.2018, S.22), der Konflikt befindet sich in einer Art „Warteschleife“ (ICG 27.6.2019, S.1). Im aktuellen Operationsplan von AMISOM sind ausschließlich kleinere offensive Operationen vorgesehen, welche insbesondere der Absicherung relevanter Versorgungsrouten dienen. Tatsächliche Vorstöße auf das Gebiet der al Shabaab sind so gut wie keine vorgesehen. Das heißt, dass AMISOM lediglich auf die Absicherung wesentlicher gesicherter Räume (v.a. Städte) und wichtiger Versorgungsrouten abzielt (ME 14.3.2019). In diesem Sinne ist auch die Operation Badbaado (Lower Shabelle) zu sehen, bei welcher v.a. somalische Truppen herangezogen wurden (ME 27.6.2019). Ein weiteres Zurückdrängen von al Shabaab durch AMISOM kann auf dieser Grundlage nicht erwartet werden (ME 14.3.2019).

Islamischer Staat (IS): Neben al Shabaab existieren in Süd-/Zentralsomalia auch kleinere Zellen des sog. IS (LWJ 16.11.2018). Deren Aktivitäten haben sich ausgedehnt, der IS verübt Mordanschläge in – v.a. – Mogadischu, Afgooye und Baidoa (SEMG 9.11.2018, S.4/28f; vgl. LWJ 4.1.2019; NLMBZ 3.2019, S.15). Dort verfügt der IS über ein Netzwerk. Unklar bleibt, ob dieses mit der IS-Fraktion in Puntland in Kontakt steht (SEMG 9.11.2018, S.4/28f; vgl. NLMBZ 3.2019, S.16). Insgesamt hat sich der IS im Zeitraum Oktober 2017 bis August 2018 zu 50 Attentaten bekannt, tatsächlich konnten nur 13 verifiziert werden (SEMG 9.11.2018, S.4/28f). Die Fähigkeiten des IS in und um Mogadischu sind auf gezielte Attentate beschränkt (UNSC 21.12.2018, S.3).

Zivile Opfer: Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur durch al Shabaab führten 2018 zu hunderten zivilen Todesopfern und Verletzten (HRW 17.1.2019). Allerdings sind Zivilisten nicht das Primärziel (NLMBZ 3.2019, S.12; vgl. LWJ 9.11.2018), wiewohl sie als Kollateralschaden in Kauf genommen werden (NLMBZ 3.2019, S.12; vgl. LI 28.6.2019, S.8). So wurde z.B. als Grund für einen Angriff auf das Sahafi Hotel in Mogadischu am 9.11.2018 von al Shabaab angegeben, dass dort Offiziere und Regierungsvertreter wohnen würden (LWJ 9.11.2018). Der Umstand, dass bei al Shabaab willkürliche Angriffe gegen Zivilisten nicht vorgesehen sind, unterscheidet die Methoden der Gruppe von jenen anderer Terroristen (z.B. Boko Haram) (NLMBZ 3.2019, S.12).

Im Zeitraum Jänner-September 2018 sind in Somalia bei Sprengstoffanschlägen mindestens 280 Menschen ums Leben gekommen, 220 wurden verletzt. 43% der Opfer waren Zivilisten; hauptsächlich betroffen waren die Regionen Lower Shabelle und Benadir/Mogadischu (USDOS 13.3.2019, S.13).

Bei durch das Clansystem hervorgerufener (teils politischer) Gewalt kommt es zu Rachemorden und Angriffen auf Zivilisten. Im Jahr 2018 kam es bei Zusammenstößen zwischen Clanmilizen sowie zwischen diesen und al Shabaab in Puntland, Galmudug, Lower und Middle Shabelle, Lower Juba, Hiiraan und Bay zu Todesopfern. Zusätzlich kommt es zu Kämpfen zwischen Clans und Sub-Clans, v.a. im Streit um Wasser und Land. Im Jahr 2018 waren davon v.a. die Regionen Hiiraan, Galmudug, Lower und Middle Shabelle betroffen (USDOS 13.3.2019, S.2/11f). Derartige Kämpfe sind üblicherweise lokal begrenzt und dauern nur kurze Zeit, können aber mit großer – generell gegen feindliche Kämpfer gerichteter – Gewalt verbunden sein (LI 28.6.2019, S.8).

Insgesamt werden die Zahlen ziviler Opfer (Tote und Verletzte) wie folgt angegeben:

Bei einer geschätzten Bevölkerung von rund 12,3 Millionen Einwohnern (UNFPA 1.2014, S.31f) – wobei andere Quellen von mindestens 14,7 Millionen ausgehen (USDOS 21.6.2019, S.2) – lag die Quote getöteter oder verletzter Zivilisten in Relation zur Gesamtbevölkerung für Gesamtsomalia zuletzt bei 1:8163.

Luftangriffe: Es kommt vermehrt zu US-Luftangriffen. Die Zahl stieg von 15 im Jahr 2016 auf 35 im Jahr 2017 und weiter auf 47 im Jahr 2018 (LWJ 8.1.2019). Dabei wurden 2018 von der US-Luftwaffe 326 Personen getötet. Alleine im Jänner und Feber 2019 meldete AFRICOM weitere 24 Luftschläge mit 225 Getöteten – nach Angaben von AFRICOM ausschließlich Kämpfer der al Shabaab (TNYT 10.3.2019). Danach ging die Frequenz zurück. Bis Ende April waren es 28 Luftschläge (UNSC 30.4.2019). Angriffe finden in mehreren Regionen statt, in jüngerer Zeit, z.B. am 23.2.2019 auf Stützpunkte von al Shabaab in der Ortschaft Qunyow Barrow (Middle Juba), nahe Aw Dheegle (Lower Shabelle) und in Janaale (Lower Shabelle); am 24.2.2019 nahe Belet Weyne (Hiiraan) und am 25.2.2019 nahe Shebeeley (Hiiraan) (BAMF 4.3.2019, S.6). Auch die äthiopische und die kenianische Luftwaffe führen Angriffe durch (LIFOS 3.7.2019, S.28).

Die Luftangriffe auf Ausbildungs- und Sammelpunkte von al Shabaab zielen darauf ab, Einsatzfähigkeit und Bewegungsfreiheit der Gruppe einzuschränken. Allerdings führten sie auch dazu, dass mehr al Shabaa

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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