TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/8 I422 2243825-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.07.2021
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Entscheidungsdatum

08.07.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I422 2243825-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , StA. Rumänien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Franz ESSL, Erzabt-Klotz-Straße 12, 5020 Salzburg, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 31.05.2021, Zl. 1211037603-210550418, zu Recht:

A)

I.       Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahin abgeändert, dass Spruchpunkt II. zu lauten hat: „Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wird ein Durchsetzungsaufschub in der Dauer von einem Monat erteilt.“

II.      Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos behoben.

III.    Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Verfahrensgegenstand ist die fristgerecht erhobene Beschwerde einer rumänischen Staatsangehörigen (in Folge: Beschwerdeführerin) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.05.2021, Zl. 1211037603-210550418. In seiner Entscheidung erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: belangte Behörde) über die Beschwerdeführerin auf Grund der Ausübung illegaler Wohnungsprostitution ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte ihr keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Rumänien. Ihre Identität steht fest.

Geboren wurde die Beschwerdeführerin in der Gemeinde XXXX , im Kreis Konstanta. Sie wuchs in Rumänien auf und absolvierte dort im Jahr 2016 am Liceul Technologic „Virgil Madgearu“ die Matura. In Rumänien verfügt die Beschwerdeführer über familiäre Anbindungen in Form ihrer dort lebenden Eltern, eines Bruders und einer Schwester. Sie ist in ihre in Rumänien wohnhafte Familie nach wie vor integriert. Die Beschwerdeführerin steht in aufrechten Kontakt zu ihren Familienangehörigen und hält sich oftmals auch für längere Zeit bei ihrer Familie in Rumänien auf. Die Beschwerdeführerin verfügt in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte.

In Folge geringer Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten reiste die Beschwerdeführerin 2016 in das Bundesgebiet ein, um hier der Prostitution nachzugehen. Sie hält sich seit (spätestens) 12.04.2016 im österreichischen Bundesgebiet auf, dies jedoch nicht ununterbrochen und durchgehend. Im Zeitraum vom 12.04.2016 bis zum 09.05.2017 war die Beschwerdeführerin in der oberösterreichischen Gemeinde T[...] und vom 16.11.2018 bis zum 29.11.2018 und in der oberösterreichischen Gemeinde F[...] mit Hauptwohnsitz gemeldet. Zwischendurch wurde die Beschwerdeführerin mit tage-, wochen- und monateweisen Unterbrechungen an unterschiedlichen Nebenwohnsitzen in Oberösterreich, der Steiermark und in Salzburg melderechtlich erfasst. Im verfahrensrelevanten Zeitraum vom 25.01.2021 bis zum 06.06.2021 wies die Beschwerdeführerin keinen Wohnsitz im österreichischen Bundesgebiet auf. Seit dem 07.06.2021 ist sie in der Stadt Salzburg mit Nebenwohnsitz gemeldet und geht dort einer legalen Beschäftigung in einem „Nachtclub“ nach. In Innsbruck war die Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt melderechtlich erfasst.

Die Beschwerdeführerin übte im Bundesgebiet legal das Gewerbe der Prostitution aus. Sie verfügte im Rahmen dieser legalen Tätigkeit über die erforderlichen amtsärztlichen Untersuchungen und Nachweise betreffend das Freisein von Geschlechtskrankheiten und Aids. Aus ihrer beruflichen Tätigkeit unterlag sie im Zeitraum vom 13.04.2016 bis zum 31.08.2017 und laufend seit 31.10.2018 der Sozialversicherungspflicht nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (in Folge: GSVG). Am 11.07.2019 wurde der Beschwerdeführerin vom Stadtmagistrat Salzburg mit Zahl 501-1/01-2664/1/1- 2019 eine Anmeldebescheinigung gemäß dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ausgestellt.

Neben der legal ausgeübten Prostitution ging die strafgerichtlich unbescholtene Beschwerdeführerin darüber hinaus der illegalen Wohnungsprostitution nach, ohne die geforderten amtsärztlichen Untersuchungen vorzunehmen. Dabei annoncierte sich die Beschwerdeführerin ab dem 27.01.2021 unter dem Künstlernamen „Sara“ bzw. „Sarah“ auf der einschlägigen Internetplattform „B[...]“und bot dort ihre Dienste als Prostituierte an. Aus der illegalen Wohnungsprostitution resultieren die nachstehenden Anzeigen, verwaltungsrechtlichen Übertretungen und Vormerkungen:

Erstmalig wurde die Beschwerdeführerin am 26.04.2021 von Beamten des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen einer Schwerpunktkontrolle gegen illegale Wohnungsprostitution in einer Wohnung in Innsbruck angetroffen. Im Zuge dieser Kontrolle zeigte sich die Beschwerdeführerin geständig, über die Internetplattform „B[...]“ mit dem Aliasnamen „Sarah“ der illegalen Wohnungsprostitution gemäß § 14 lit. a nach dem Tiroler Landespolizeigesetz (in Folge: Tir-LPolG) nachzugehen und dabei mit unterschiedlichen Freiern nach telefonischer und schriftlicher Vereinbarung per Telefon, WhatsApp und SMS gegen Entgelt geschützten Geschlechtsverkehr oder andere sexuelle Handlungen vorzunehmen und zu vollziehen. Eine Bescheinigung über das Freisein von Geschlechtskrankheiten konnte die Beschwerdeführerin bei der Schwerpunktkontrolle nicht vorlegen. Die Beschwerdeführerin wurde angezeigt und in weiterer Folge nach dem Tir-LPolG und der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit über gesundheitliche Vorkehrungen für Personen, die sexuelle Dienstleistungen erbringen (in Folge: Prostitutionsverordnung) verwaltungsrechtlich bestraft. Gegen die Beschwerdeführerin wurden nach § 1 Prostitutionsverordnung und § 14 lit. a Tir-LPolG Strafverfügungen in der Höhe von 670 Euro erlassen und erwuchs diese am 11.05.2021 in Rechtskraft.

Nach neuerlichen Annoncen auf der einschlägigen Internetplattform „B[...]“, wurde die Beschwerdeführerin am 28.05.2021 im Zuge einer weiteren Schwerpunktkontrolle gegen illegale Wohnungsprostitution zufällig auf frischer Tat mit einem Freier bei der Ausübung der Prostitution in einer Wohnung in Innsbruck betreten. Eine Bescheinigung über das Freisein von Geschlechtskrankheiten konnte die Beschwerdeführerin bei dieser Schwerpunktkontrolle abermals nicht vorlegen. Die Beschwerdeführerin wurde angezeigt und verhängte der Stadtmagistrat Innsbruck nach den Bestimmungen des § 9 Abs. 2 Z 2 iVm § 4 Abs. 2 AIDS-Gesetz 1993 (in Folge: AIDS-Gesetz 1993) über sie eine Geldstrafe in der Höhe von 600 Euro. Die Strafverfügung erwuchs in Rechtskraft und brachte die Beschwerdeführerin diese Geldstrafe zur Einzahlung.

Aufgrund ihrer ersten verwaltungsrechtlichen Übertretung leitete die belangte Behörde über die Beschwerdeführerin das gegenständliche fremdenpolizeiliche Verfahren ein. Dabei informierte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin nachweislich über die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und räumte ihr die belangte Behörde im Rahmen eines Parteiengehörs die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein. Seitens der Beschwerdeführerin wurde innerhalb der eingeräumten Frist von einer Woche ab Zustellung des Parteiengehörs keine Stellungnahme abgegeben. In weiterer Folge erging die verfahrensgegenständliche Entscheidung.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung des bekämpften Bescheides und der Angaben im Beschwerdeschriftsatz und der nachgereichten Mitteilung vom 23.06.2021 und vom 07.07.2021. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger und des Strafregisters eingeholt.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin, insbesondere ihrer Identität, ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Durch eine dort einliegende Kopie ihrer rumänischen Identitätskarte ist die Identität der Beschwerdeführerin belegt.

Aus den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz fußen die Feststellungen zur Herkunft der Beschwerdeführerin, ihrer Schulbildung und der familiären Anbindungen in Rumänien sowie zur nach wie vor bestehenden Integration an ihren Herkunftsstaat, dem bestehenden Kontakt und dem oftmals längeren Aufenthalt bei ihrer Familie. Weder aus dem Verwaltungsakt noch aus dem Beschwerdevorbringen ergaben sich Anhaltspunkte für das Vorliegen familiärer Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet.

Ebenso leitet sich aus den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz die Feststellung zum Zeitpunkt und dem Beweggrund ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet ab. Vorgebracht wurde darin auch, dass sie sich seit ihrer Einreise in das Bundesgebiet nicht durchgehend und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten habe, sondern sei sie immer wieder für längere Zeit und mehrere Wochen nach Rumänien nach Hause gefahren sei. Dies deckt sich mit einer Einsichtnahme in das ZMR und begründen sich daraus die Feststellungen über die Einreise und den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet.

Die Feststellungen zur legal ausgeübten Erwerbstätigkeit als Prostituierte und ihrer gegenwärtigen Tätigkeit ergeben sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt und den Angaben im Beschwerdeschriftsatz. Dass sie im Rahmen ihrer legalen Erwerbstätigkeit als Prostituierte über die erforderlichen amtsärztlichen Untersuchungen und Nachweise betreffend das Freisein von Geschlechtskrankheiten und Aids verfügt, gründet auf den im Beschwerdeschriftsatz übermittelten Gesundheitspass der Beschwerdeführerin, in dem die amtsärztlichen Untersuchungen vom 12.04.2016, 30.05.2016, 30.06.2016, 16.08.2016, 29.06.2016, 10.11.2016, 22.12.2016, 20.01.2017, 13.03.2017, 27.04.2017, 03.07.2017, 03.08.2017, 14.09.2017, 19.10.2017, 30.11.2017. 11.01.2018, 22.02.2018, 05.04.2018, 15.05.2018, 09.07.2018, 20.08.2018, 01.10.2018, 22.11.2018, 17.12.2018, 20.01.2019, 11.03.2019, 15.04.2019, 28.05.2019, 09.07.2019, 21.08.2019, 30.09.2019, 13.11.2019, 08.01.2020, 04.02.2020, 30.06.2020, 05.08.2020, 08.09.2020, 21.10.2020, 09.06.2021 eingetragen sind. Zudem scheinen im Gesundheitspass sind folgende Tbc-Reihenuntersuchung auf: 12.04.2016, 20.03.2017, 27.03.2018, 04.04.2019, 16.06.2020 und 09.06.2021.

Aus der mit Beschwerdeschriftsatz vom 14.06.2021 vorgelegen Versicherungsbestätigung und einem eingeholten Auszug des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger basiert die Feststellung zur Sozialversicherungspflicht der Beschwerdeführerin. Die Feststellung betreffend der ausgestellten Anmeldebescheinigung lässt sich einem aktuellen Auszug des IZR entnehmen.

Dass die Beschwerdeführerin unter dem Künstlernamen „Sara“ bzw. „Sarah“ auf der einschlägigen Internetplattform „B[...]“ ihre Dienste als Prostituierte anbot und neben der legal ausgeübten Prostitution zudem noch der illegalen Wohnungsprostitution nachging, lässt sich dem im Verwaltungsakt befindlichen Aktenvermerk entnehmen. Abgebildet ist dort das Sedcard-Profil der Beschwerdeführerin als „Sara“ bzw. „Sarah“ auf der Internetplattform „B[...]“. Diesem lassen sich zweifelsfrei der Dienstleistungsort Innsbruck, die von ihr angebotenen Sexdienstleistungen und das von ihr verlangte Entgelt zuordnen. Vermerkt wurde im Aktenvermerk auch die Wahrnehmung seit wann die Beschwerdeführerin annonciert und wann sie letztmalig online war. Des Weiteren werden diese Feststellungen auch durch die sich im Verwaltungsakt befindlichen Berichte der Landespolizeidirektion Tirol vom 16.05.2021, zu GZ: PAD/21/00744733/001/VW und den Anzeigen der Landespolizeidirektion Tirol vom 20.05.2021, zu GZ: PAD/21/00744733/066/VStV sowie vom 31.05.2021, zu GZ: PAD21/00964685/001/VStV bestätigt. Wie sich aus dem ersten Polizeibericht vom 16.05.2021 ergibt und wie auch in der Beschwerde hingewiesen, wurde die Beschwerdeführerin nicht bei der Ausübung der Wohnungsprostitution betreten, sondern in der Wohnung lediglich angetroffen. Wie sich dem Polizeibericht allerding auch zweifelsfrei entnehmen lässt, zeigte sich die Beschwerdeführerin im Zuge der Amtshandlung bei ersten Schwerpunktkontrolle vom 26.04.2021 hinsichtlich der generellen Frage nach der Ausübung illegaler Wohnungsprostitution von sich aus geständig. Die Beschwerdeführerin brachte dabei vor, dass sie gemeinsam zwei weiteren Prostituierten zuammenarbeiten würden, sie jedoch keinen Zuhälter haben. Sie sei gemeinsam mit den beiden anderen Prostituierten am 16.04.2021 nach Innsbruck angereist. Die Anmietung der Räumlichkeiten erfolge gemeinsam mit den beiden anderen Prostituierten über die Buchungsplattform „B[...]“. Als Rechtfertigungsgrund brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie Geld verdienen müsse, da sie sonst kein Einkommen habe. Bei der zweiten Schwerpunktkontrolle vom 28.05.2021 wurde die Beschwerdeführerin auf frischer Tat mit einem Freier betreten. Den zuvor genannten Berichten und Anzeigen lässt sich zudem entnehmen, dass die Beschwerdeführerin bei den jeweiligen Schwerpunktkontrolle durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes keine Bescheinigung über das Freisein von Geschlechtskrankheiten vorlegen konnte. Berücksichtigt wurden in diesem Zusammenhang auch die Eintragungen in dem mit Beschwerdeschriftsatz vorgelegten Gesundheitspass der Beschwerdeführerin. In diesem scheinen im Zeitraum 21.10.2020 bis 09.06.2021 – somit im verfahrensrelevanten Zeitraum – keinerlei Eintragungen über vorgenommene amtsärztliche Untersuchungen auf. In Verbindung mit einer ebenfalls im Verwaltungsakt einliegenden Mitteilung der Landespolizeidirektion, Abteilung Strafamt, vom 31.05.2021, betreffend die verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen der Beschwerdeführerin sind die Feststellungen zur illegalen Wohnungsprostitution und die Anzeigen, verwaltungsrechtlichen Übertretungen und Vormerkungen zweifelsfrei belegt.

Die Verhängung einer Geldstrafe durch den Stadtmagistrat Innsbruck und die zwischenzeitige Bezahlung der Geldstrafe durch die Beschwerdeführerin ergeben sich aus der in den Mitteilungen vom 21.06.2021 und vom 07.07.2021 vorgelegten Kopien der Strafverfügung vom 16.06.2021, zu GZ: II-VA-S-012390/2021 und einer zugleich vorgelegten Zahlungsbestätigung.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin basiert auf der Einsichtnahme in das Strafregister der Beschwerdeführerin.

Die Einleitung des gegenständlichen fremdenpolizeilichen Verfahrens ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Dort liegt auch eine Kopie des Parteiengehörs vom 26.04.2021 ein, welches ihr persönlich am 26.04.2021 in der in der Polizeiinspektion Saggen ausgehändigt wurde und dessen Übernahme sie mit ihrer Unterschrift bestätigte. Eine allfällige Stellungnahme liegt nicht im Verwaltungsakt ein und wurde die Abgabe einer Stellungnahme im Beschwerdeschriftsatz auch nicht behauptet. Der verfahrensgegenständliche Bescheid ergibt sich ebenfalls aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Eingangs ist zum Beschwerdevorbringen, wonach der Bescheid unter Verfahrensmängel leide – nachdem die Beschwerdeführerin selbst nie gehört und ihr nie Parteiengehör eingeräumt worden sei und deshalb unrichtige Feststellungen getroffen worden seien und der angefochtene Bescheid somit mit einem rechtswidrigen Bescheidinhalt behaftet sei – wie folgt anzumerken: Wie in den Feststellungen dargelegt, wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben der belangten Behörde vom 26.04.2021 Parteiengehör eingeräumt und ihr dieses Schreiben nachweislich persönlich ausgehändigt. Von der Möglichkeit eine Stellungahme abzugeben, wurde seitens der Beschwerdeführerin kein Gebrauch genommen. In Hinblick auf die von der belangten Behörde getroffenen, unrichtigen Feststellungen vermögen ihr diese somit nicht angelastet werden. Letztlich ist auch aufgrund der im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gebotenen Möglichkeit, sich zum Inhalt des angefochtenen Bescheides zu äußern von einer Sanierung einer allfälligen Verletzung des Parteiengehörs auszugehen, zumal der angefochtene Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergibt und ihre Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz im gegenständlichen Beschwerdeverfahren Berücksichtigung finden (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0104).

Zu A) Zur teilweisen Stattgabe der Beschwerde:

3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

§ 67 Abs. 3 FPG sieht hingegen ein unbefristetes Aufenthaltsverbot vor, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. So kann es gemäß § 67 Abs. 3 Z 1 FPG insbesondere erlassen werden, wenn der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden sind.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Rumänien und damit EWR-Bürgerin iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Die Beschwerdeführerin hält sich seit April 2016 immer wieder im Bundesgebiet auf und geht hier der legalen Prostitution nach. Zuletzt wurde die Beschwerdeführer jedoch bei der illegalen Wohnungsprostitution betreten, ohne eine Bescheinigung über das Freisein von Geschlechtskrankheiten vorlegen zu können.

Um die Rechtsmäßigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu überprüfen, ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG heranzuziehen und daher zu beurteilen, ob das Verhalten der Beschwerdeführerin eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

In diesem Zusammenhang muss zunächst ausgeführt werden, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Urteil vom 18.05.1982, C-115 und 116/81, Adoui, Cornuaille) eine Aufenthaltserlaubnis nicht mit dem Argument verweigert werden darf, dass die Ausübung der Prostitution gegen die öffentliche Ordnung verstoße. Die Tätigkeit der Prostitution fällt, soweit sie nicht gegen Gesetze des jeweiligen Mitgliedstaates verstößt, unter die Freizügigkeitsrichtlinie. Die Prostitution, das Anbieten von sexuellen Dienstleistungen durch erwachsene Personen, ist in Österreich grundsätzlich legal. Somit kann alleine durch die Ausübung der Prostitution nicht auf eine Gefährdung im Sinne des § 67 Abs. 1 FPG geschlossen werden.

Wie zuvor bereits dargelegt, kommt im gegenständlichen Fall hinzu, dass die Beschwerdeführerin Prostitution auch außerhalb eines Bordells ausübte. Gemäß den Bestimmungen des § 14 lit a Tir-LPolG ist die gewerbsmäßige Duldung sexueller Handlungen am eigenen Körper oder die gewerbsmäßige Vornahme sexueller Handlungen (Prostitution) außerhalb von bewilligten Bordellen (§ 15) verboten. Ihre Betretung auf frischer Tat vom 28.05.2021 wurde in der Beschwerde auch nicht bestritten. Allerdings bestätigte die Beschwerdeführerin bereits zuvor, nachdem sie bei der Amtshandlung einer Schwerpunktkontrolle gegen illegale Wohnungsprostitution vom 26.04.2021 in einer Wohnung angetroffen wurde, dass sie der illegalen Wohnungsprostitution nachgehe.

Wie die Feststellungen darlegen, resultieren aus ihrem rechtswidrigen Verhalten der Ausübung der illegalen Wohnungsprostitution mehrere rechtskräftige Bestrafungen. Somit ist der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 5 FPG („wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist“) erfüllt, welcher eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit indiziert.

§ 53 Abs. 3 FPG sieht Einreiseverbote für die Dauer von höchstens zehn Jahren bzw. unbefristet vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. In § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 leg. cit. sind bestimmte Tatsachen genannt, die insbesondere eine solche schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen können. Bei diesen Tatbeständen sind Verstöße gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, nicht genannt.

Nun enthält der im vorliegenden Fall aufgrund der Unionsbürgerschaft der Beschwerdeführerin anzuwendende § 67 Abs. 1 FPG („tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“) einen höheren Gefährdungsmaßstab als § 53 Abs. 3 leg. cit. („schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit"). Stellen Verstöße der genannten Art gegen das Tir-LPolG nicht einmal einen Tatbestand für das Vorliegen der Gefährdung nach § 53 Abs. 3 FPG dar, so gilt dies nach dem Stufenbau der Gefährdungsmaßstäbe umso mehr für die hier vorzunehmende Beurteilung nach § 67 Abs. 1 leg. cit. Demnach begründen zumindest im Regelfall Verstöße gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, somit auch Verstöße gegen das Tir-LPolG, keine Gefährdung nach § 67 Abs. 1 FPG (VwGH 07.05.2014, Ra 2013/22/0233).

Die Strafverfügungen nach dem Tir-LPolG sind daher nicht ausreichend, um von einer für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes notwendigen Gefährdung durch den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet auszugehen.

Maßgeblich ist im vorliegenden Fall jedoch, dass die Beschwerdeführerin bei den Kontrollen am 26.04.2021 und am 28.05.2021 gegen die Prostitutionsverordnung, welche auf § 11 Abs. 2 Geschlechtskrankheitengesetz beruht, und auch gegen das AIDS-Gesetz 1993 verstoßen hat.

Nach § 1 der Prostitutionsverordnung haben „Personen, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper dulden oder solche Handlungen an anderen vornehmen, (…) sich vor Beginn dieser Tätigkeit (Eingangsuntersuchung) sowie in regelmäßigen Abständen von sechs Wochen einer amtsärztlichen Untersuchung (Kontrolluntersuchung) auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten zu unterziehen. Im Rahmen der Eingangsuntersuchung ist insbesondere auf das Freisein von Tripper und Syphilis zu untersuchen, die Kontrolluntersuchung auf das Freisein von Tripper ist im Abstand von sechs Wochen und auf das Freisein von Syphilis im Abstand von zwölf Wochen zu wiederholen.“ Diese Personen haben nach § 5 der Prostitutionsverordnung bei der Ausübung ihrer Tätigkeit einen Ausweis bei sich zu führen, mit dem nachgewiesen wird, dass sie frei von Geschlechtskrankheiten sind. Die Beschwerdeführerin vermochte bei keiner der beiden Kontrollen den Ausweis vorzulegen. Nach § 4 Abs. 2 AIDS-Gesetz 1993 war die Beschwerdeführerin, bevor sie in Österreich gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldete, verpflichtet, sich einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen, was sie als solches auch durchgeführt hat. Darüber hinaus hat sie sich periodisch wiederkehrend, mindestens jedoch in Abständen von drei Monaten, einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen gehabt. Durchaus ergeben sich – wie in der Beschwerde hingewiesen – aus dem nachgereichten Gesundheitspass regelmäßige Eintragungen der Beschwerdeführerin während ihrer legalen Tätigkeit als Prostituierte bzw. unterzog sie sich vor Wiederbeginn ihrer legalen Tätigkeit am 09.06.2021 erneut einer Untersuchung. Allerdings ändert dies nichts an der Tatsache, dass sich die Beschwerdeführerin im verfahrensrelevanten Zeitraum von 27.01.2021 bis 09.06.2021 – in dem sie ihre Dienstleistungen auf der Internetplattform „B[...]“ online anbot und in dem sie bei einer Schwerpunktkontrolle angetroffen wurde und sich dabei hinsichtlich der Ausübung illegaler Wohnungsprostitution geständig zeigte bzw. sie zuletzt auch am 28.05.2021 bei der Ausübung der illegalen Wohnungsprostitution auf frischer Tat betreten wurde – sich keinen amtsärztlichen Untersuchungen unterzog. Das Beschwerdevorbringen, dass sie nie an irgendeiner ansteckenden Krankheit erkrankt gewesen sei und auch niemanden angesteckt habe, reicht nicht, um die regelmäßig vorgeschriebenen amtsärztlichen Untersuchungen zu ersetzen. Der Beschwerdeeinwand, wonach es aufgrund der COVID-19-Pandemie keine amtsärztlichen Untersuchungen gab, erweist sich als nicht zutreffend. Seitens des Stadtmagistrat Innsbruck wurden – abgesehen von der behördlich angeordneten Ausgangsbeschränkung während März bis Juli 2020 – auch während der COVID-19-Pandemie amtsärztliche Untersuchung angeboten, welche einer vorausgehender Terminvereinbarung bedurften.

Durch dieses Verhalten hat die Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens erheblich gefährdet und ein Grundinteresse der Gesellschaft an der Bekämpfung ansteckender Krankheiten verletzt (vgl. VwGH 22.01.2014, 2012/22/0246).

Bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes geht es allerdings nicht darum, vergangenes Verhalten zu ahnden, sondern ist die Erstellung einer Gefährdungsprognose für die Zukunft zu erstellen. Dabei ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG 2005 zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das „persönliche Verhalten“ des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0367; 02.03.2021, Ra 2020/18/0486).

Auch nach Würdigung ihres durch ihr persönliches Verhalten im Bundesgebiet gezeichneten Charakterbildes, des sich hieraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und der Gefährdungsprognose kommt das erkennende Gericht zur Überzeugung, dass von der Beschwerdeführerin eine derart schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, welche ein Aufenthaltsverbot dem Grunde nach zu rechtfertigen vermag. Die Beschwerdeführerin war sich aufgrund ihrer legal ausgeübten Tätigkeit als Prostituierte der Bedeutung der regelmäßigen amtsärztlichen Kontrolluntersuchungen im Klaren und mussten ihr aufgrund ihrer einschlägigen beruflichen Tätigkeit auch die Illegalität der Wohnungsprostitution und die damit verbundenen Konsequenzen bei einem Betreten werden, bewusst sein. Dies hielt sie aber nicht davon ab, illegal sexuelle Dienstleistungen anzubieten, ohne die entsprechenden Untersuchungen zu machen und dies bescheinigen zu können. Berücksichtigt wird in diesem Zusammenhang des Weiteren auch, dass sie im Rahmen der ersten Schwerpunktkontrolle am 26.04.2021 – ohne bei der Ausübung oder der Anbahnung betreten worden zu sein – hinsichtlich der generellen Ausübung von Wohnungsprostitution geständig zeigte und auch zu diesem Zeitpunkt keine Nachweise der erforderlichen Untersuchungen vorlegen konnte. Weder das Antreffen bei der Schwerpunktkontrolle und ihr Geständnis noch die daraus resultierende Strafe vermochten ein Umdenken bei der Beschwerdeführerin bewirken. Kaum einen Monat später wurde sie am 28.05.2021 bei der Ausübung illegaler Wohnungsprostitution betreten und konnte sie erneut keine Bescheinigung über das Vorliegen amtsärztlicher Untersuchungen vorweisen. Wie das Gesamtverhalten der Beschwerdeführerin unzweifelhaft zeigt, war sie nicht gewillt, sich an die österreichische Rechtsordnung – vor allem betreffend die Einhaltung der Bestimmungen im Gesundheitswesen zur Verhinderung und Bekämpfung ansteckender Krankheiten – zu halten.

Der VwGH stellte in seinen Entscheidungen vom 22.01.2014, 2012/22/0246 und vom 07.05.2014, 2013/22/0233 fest, dass die Unterlassung der amtsärztlichen Untersuchungen bei Fortführung der Tätigkeit der Prostitution eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens darstellen und ein Grundinteresse der Gesellschaft an der Bekämpfung ansteckender und zum Tod führender Krankheiten verletzen kann.

Der Beschwerdeeinwand, dass ein derartiges Vorkommnis wie vom 28.05.2021 mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr vorkommen werde, da sich die COVID-19 bedingten Einschränkungen und Arbeitsverbote im Bereich der legalen Prostitution aufgrund der steigenden Anzahl der Geimpften und der rückläufigen Anzahl der Erkrankten nicht mehr wiederholen werde und die fehlende Wiederholungsgefahr der unerlaubten Ausübung der Prostitution für eine günstige Gefährdungsprognose spreche, erweist sich im momentanen Zeitpunkt durchaus als plausibel. Allerdings vermag auf Grund des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin trotz ihres Geständnisses und der daraus resultierenden Verwaltungsstrafe sowie der bestehenden Möglichkeit der amtsärztlichen Untersuchungen rund einen Monat später bei der illegalen Wohnungsprostitution betreten wurde und sie dabei die erforderlichen Untersuchungen nicht vorzeigen vermochte und in Hinblick auf die kürze der verstrichenen Zeit noch kein positiver Gesinnungswandel attestiert werden. Aus dem Verhalten der Beschwerdeführerin ist abzuleiten, dass sie im Falle einer möglichen neuerlichen Einschränkung der legalen Prostitutionsmöglichkeiten erneut die illegale Wohnungsprostitution ausüben wird, ohne ihrer Verpflichtung zu regelmäßigen amtsärztlichen Untersuchungen fristgerecht nachzukommen, wodurch sie die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens erheblich gefährdet und ein Grundinteresse der Gesellschaft an der Bekämpfung ansteckender Krankheiten verletzt wird. Es gibt daher, entgegen dem Beschwerdevorbringen, sehr wohl stichhaltige Anhaltspunkte, dass von der Beschwerdeführerin eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgeht.

Aufgrund des bereits von der belangten Behörde umfänglich erhobenen Sachverhaltes kann der belangten Behörde in ihrer Einschätzung, wonach davon auszugehen sei, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch einen weiteren Verbleib der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre, somit nicht entgegengetreten werden. Der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG ist daher erfüllt.

Die belangte Behörde erließ – bei einer möglichen Höchstdauer von zehn Jahren – im gegenständlichen Fall ein auf zwei Jahre befristetes Aufenthaltsverbot und bewegt sich damit im unteren Drittel. Die Befristung ist auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes angemessen und erforderlich, gibt es der Beschwerdeführerin doch die Möglichkeit, ein Bewusstsein für die Notwendigkeit, sich auch in pandemiebedingten Krisenzeiten an die gesundheitspolitischen Vorgaben des Aufnahmelandes zu halten, zu entwickeln. Eine längere Frist erschiene angesichts der strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin unverhältnismäßig. Eine kürzere Frist würde, auch angesichts Tatsache, dass sie ihr rechtswidriges und gefährliches Verhalten trotz einer zuvor ausgesprochenen Strafverfügung beibehielt, den notwendigen Gesinnungswandel wohl nicht herbeiführen. Zudem ist, wie im Folgenden gezeigt wird, mit einem Aufenthaltsverbot im gegenständlichen Fall kein Eingriff in das Familienleben und nur ein geringer Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin gegeben.

Bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes kann nämlich ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eines Fremden iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss anhand der Kriterien des § 9 Abs. 2 BFA-VG überprüft werden, ob im vorliegenden Fall ein Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens der Beschwerdeführerin gegeben ist.

Auch der mit einem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin ist als verhältnismäßig anzusehen. Das Bestehen eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Bundesgebiet wurde in der Beschwerde nicht behauptet. Die Beschwerdeführerin hält sich seit etwa fünfeinhalb Jahren immer wieder im Bundesgebiet auf, war aber auch regelmäßig für mehrere Wochen zu ihrer Familie nach Rumänien zurückgekehrt. Bindungen nach Rumänien sind nach wie vor vorhanden und werden auch von der Beschwerdeführerin gepflegt. Am österreichischen Arbeitsmarkt weist sie seit 2016 eine Anbindung durch ihre legale Tätigkeit Prostituierte auf. Besondere Bindungen im Bundesgebiet wurden nicht behauptet, auch wenn nicht verkannt wird, dass sich bereits aus der Aufenthaltsdauer von rund fünfeinhalb Jahre private und soziale Anbindungen resultieren. Dies reicht aber nicht aus, um ihrem Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet ein besonderes Gewicht zu verleihen.

Das Aufenthaltsverbot stellt daher keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführerin iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK dar.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Erteilung eines Durchsetzungsaufschubes und zur Behebung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Die belangte Behörde erteilte der Beschwerdeführerin keinen Durchsetzungsaufschub und erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass die unverzügliche Ausreise der Beschwerdeführerin im Interesse der öffentlichen Ordnung notwendig sei, zumal aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen im Prostitutionsbereich (geschlossene Bordelle und Untersagung körpernaher Dienstleistungen) davon auszugehen sei, dass sie auch weiterhin Einkünfte aus der gesetzlich verbotenen Prostitution ohne Nachweis über das Freisein von Geschlechtskrankheiten und Aids erwirtschaften werde.

Angesichts des aktuellen Entfalls der pandemiebedingten Einschränkungen und der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin nunmehr wieder ein Einkommen aus der legalen Prostitution bestreitet und sie zwischenzeitig auch wieder die erforderlichen amtsärztlichen Untersuchungen aufgenommen hat, ergeben sich im Entscheidungszeitpunkt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet bis zum Ablauf der gesetzliche vorgesehen Frist des Durchsetzungsaufschubes von einem Monat die öffentliche Ordnung oder Sicherheit besonders gefährden würde und die sofortige Durchsetzbarkeit der Entscheidung im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich wäre.

Daher war der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und ein Durchsetzungsaufschub in der Dauer von einem Monat zu erteilen und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III.) ersatzlos zu beheben.

4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs. 7 BFA-VG erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn – wie im vorliegenden Fall – deren Durchführung in der Beschwerde dem erkennenden Richter freigestellt wurde und der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Die belangte Behörde führte ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durch. Der Beschwerdeführerin wurde Parteiengehör gewährt von dem sie jedoch keinen Gebrauch nahm. Ihre Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz finden im gegenständlichen Beschwerdeverfahren Berücksichtigung. Der Bescheid wurde am 31.05.2021, somit vor rund einem Monat, erlassen und weist die gebotene Aktualität auf. In der Beschwerde wurde kein den Feststellungen im angefochtenen Bescheid entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet. Im Wesentlichen decken sich die Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz mit dem Ergebnis der im Verwaltungsakt einliegenden Polizeiberichte und Anzeigen, welches bereits ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid gefunden haben. Dabei findet in der gegenständlich auch das Beschwerdevorbringen Berücksichtigung, wonach Sie am 26.04.2021 nicht bei der Ausübung der Wohnungsprostitution bzw. bei der Anbahnung der Wohnungsprostitution betreten wurde, sondern lediglich im Zuge einer Schwerpunktkontrolle kontrolliert wurde. Sofern im Beschwerdevorbringen die Annoncierung auf der Plattform B[...] „bestritten“ wird, wurde damit dem festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert entgegengetreten.

Es lagen keine sonstigen strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor, die einer Beweisaufnahme oder Klärung in der mündlichen Verhandlung bedurften. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In der gegenständlichen Angelegenheit setzte sich das erkennende Gericht ausführlich mit der Thematik der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Folge unerlaubter Prostitution (VwGH 22.01.2014, 2012/22/0246; 07.05.2014, 2013/22/0233; ua.) auseinander. Dabei weicht die der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsprechung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Angemessenheit Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung Durchsetzungsaufschub ersatzlose Teilbehebung EU-Bürger EWR-Bürger Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Interessenabwägung Kassation öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Spruchpunktbehebung Unionsbürger Verhältnismäßigkeit Verwaltungsstrafe Verwaltungsstrafverfahren Verwaltungsübertretung Wiederholungsgefahr Wiederholungstaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I422.2243825.1.00

Im RIS seit

14.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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