TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/8 W207 1430849-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.07.2021
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Entscheidungsdatum

08.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §9 Abs2 Z1
AVG §68
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch


W207 1430849-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Veronika SENGMÜLLER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2021, Zl. 820303210/210546075, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 68 AVG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein nunmehr volljähriger, männlicher, lediger Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, stellte am 13.03.2012 den ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass sein Leben in Afghanistan wegen eines Grundstückstreites mit dem Stiefsohn der Tante väterlicherseits, der ein Paschtune sei und mit den Taliban zusammenarbeite, in Gefahr wäre. Seine Eltern seien davon überzeugt gewesen, dass er dort in Gefahr sei und fliehen müsse.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA; in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) vom 07.11.2012 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In diesem Beschwerdeverfahren bestätigte in der Folge der Co-Pastor der Baptistengemeinde XXXX , dass der Beschwerdeführer ein Mitglied der genannten Baptistengemeinde sei, sich zum Christentum bekenne und bereits getauft worden sei. Am 08.10.2014 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, bei der der Beschwerdeführer neben seinen Personalien im Wesentlichen angab, dass er früher Moslem sunnitischer Glaubensrichtung gewesen sei und nunmehr den christlichen Glauben angenommen habe. Zu seinen ursprünglichen Fluchtgründen führte er aus, seine Eltern hätten ihn aus Afghanistan weggeschickt, weil er Probleme gehabt habe und sein Leben in Gefahr gewesen sei. Der Stiefsohn seiner Tante väterlicherseits habe Anspruch auf Grundstücke erhoben, die dessen Vater während der Talibanherrschaft (unrechtmäßig) an sich gerissen und die der Vater des Beschwerdeführers sich nach deren Entmachtung wieder angeeignet habe. Der Verwandte habe mit der Tötung des Beschwerdeführers gedroht, falls sein Vater die Grundstücke nicht zurückgeben sollte. Aus Angst um sein Leben habe ihn der Vater aus Afghanistan weggeschickt.

Unter Verweis auf das von ihm vorgelegte Taufzeugnis vom Juli 2014 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, näher zu schildern, wie er zum christlichen Glauben gefunden habe. Daraufhin führte er aus, dass er sich während seiner Flucht auch rund 6 bis 7 Monate in Griechenland aufgehalten und damals noch keine Informationen über das Christentum gehabt habe. Dennoch sei er regelmäßig in die Kirche gegangen und sie hätten dabei Filme über Jesus angesehen. Die Mitarbeiter der Kirche seien sehr hilfsbereit gewesen und hätten sehr vielen Flüchtlingen geholfen. Er habe sich in Griechenland mit einem im Iran aufgewachsenen Afghanen angefreundet, der eine Bibel bei sich getragen habe. Als er ihn hinsichtlich einer möglichen Konversion angesprochen habe, habe ihm der Freund erzählt, dass dieser sich über die Religion informieren und viel darüber lernen würde. Er habe ihn daraufhin gebeten, ihn zu unterstützen. Er habe sich bereits damals für das Christentum interessiert.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.12.2014, GZ. W136 1430849-1/13E, wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 07.11.2012 stattgegeben und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Es wurde festgestellt, dass er glaubhaft vorbrachte, dass er sich vom Islam abgewandt und den christlichen Glauben angenommen habe. Aufgrund dieser Feststellung sei vor dem Hintergrund der Länderberichte, welche darlegten, dass Christen in Afghanistan verfolgt werden, davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückführung eine solche Verfolgung zu erwarten habe.

Am 09.02.2017 wurde der Beschwerdeführer aufgrund eines europäischen Haftbefehles, ausgestellt vom Staat Griechenland wegen des Verdachtes der Beteiligung an einem am 05.01.2012 in Athen erfolgten Mord, an seiner Wohnadresse XXXX festgenommen. Als Fahndungsgrund wurde „vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung“ angegeben. Die Polizei berichtete der Staatsanwaltschaft, dass der Beschwerdeführer in Griechenland den Namen XXXX benutzt habe und unter diesem Namen nach ihm gefahndet worden sei. Am 09.03.2017 wurde über den Beschwerdeführer die Übergabehaft verhängt. Die griechische Polizei berichtete, dass der Beschwerdeführer verdächtigt werde, mit einer anderen Person am 05.01.2012 in Athen in ruhiger psychischer Verfassung eine näher genannte Person getötet zu haben. Die Österreichischen Botschaft Athen teilte mit Schreiben vom 09.11.2017 mit, dass der Beschwerdeführer angeklagt werde, in Athen am 05.01.2012 gemeinsam mit einem näher genannten Mittäter in das Haus eines näher genannten griechischen Staatsangehörigen eingedrungen zu sein und diesen während dieses Einbruches getötet zu haben, indem diesem in dessen Mund Stoff eingeführt worden sei, weshalb die Peron erstickt sei. Bei der Einvernahme durch die Polizei gab der Beschwerdeführer zu diesem Tatvorwurf an, dass er in Griechenland niemanden getötet habe.

In der Folge berichtete die Polizei am 10.11.2017, dass der Beschwerdeführer in Griechenland ca. vier Monate in Untersuchungshaft verbracht habe und schließlich am 08.11.2017 von der griechischen Polizei nach Österreich rücküberstellt worden sei.

Aus einem E-Mail vom 18.02.2018 des BFA Verbindungsbeamten des BMI in Griechenland an die belangte Behörde geht hervor, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt minderjährig gewesen sei; da die Rückkehr des Beschwerdeführers nach Griechenland nach mehr als fünf Jahren nach der Tat vollzogen worden sei, sei nach griechischem Jugendstrafrecht deswegen die Tat verjährt und sei der Fall daher zu den Akten gelegt worden. Dies sei auch der Grund für die seinerzeitige Entlassung des Beschwerdeführers aus der griechischen Untersuchungshaft gewesen. Am 28.11.2017 teilte die Österreichische Botschaft in Athen der belangten Behörde mit, dass aufgrund eines griechischen Gerichtsbeschlusses das Ausreiseverbot aufgehoben worden und der Beschwerdeführer mit gültigem Fremdenpass nach Österreich zurückgekehrt sei. Am 16.02.2018 wurde eine übersetzte Kopie des griechischen Gerichtsbeschlusses der Behörde vorgelegt, dem zu entnehmen ist, dass das Erstgericht in Athen das Verfahren gegen den Beschwerdeführer endgültig beendet habe und sämtliche einschränkende Maßnahmen aufgehoben worden seien.

In weiterer Folge leitete das BFA von Amts wegen ein Asyl-Aberkennungsverfahren ein. Am 02.08.2018 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass wegen des Verdachtes des Mordes in Griechenland ein Aberkennungsverfahren eingeleitet werde, weil in Österreich Mord nicht verjähre und es als erwiesen anzunehmen sei, dass der Beschwerdeführer an einem Mord zum Nachteil eines näher genannten griechischen Staatsangehörigen am 05.01.2012 beteiligt gewesen sei.

Der Beschwerdeführer vertrat in diesem Asylaberkennungsverfahren den Rechtsstandpunkt, dass er in Griechenland nicht verurteilt worden sei und aufgrund des Artikels 11 Abs. 1 der allgemeinen Erklärung der Menschrechte der Vereinten Nationen von 1948 als unschuldig gelte, solange nicht seine Schuld bewiesen worden sei. Zudem sei es eines der wichtigsten Grundsätze des Strafrechts, dass die Verjährungsfristen von dem Staat berechnet werden, in dem die vermeinte Straftat begangen wurde. Österreich könne daher nicht die Verjährung von Griechenland unbeachtet lassen.

Im Rahmen einer Einvernahme durch die belangte Behörde am 08.10.2018 brachte der Beschwerdeführer u.a. vor, er habe in Griechenland einen falschen Namen angegeben, weil er in dieser Hinsicht beraten worden sei. Weil er seinen Namen falsch angegeben habe, sei er verdächtigt worden; er habe nicht seine Fingerabdrücke abgeben wollen. Auf die Frage zu welchem Glauben er sich bekenne, brachte der Beschwerdeführer vor, dass er „an jede Religion“ glauben würde. Er wies darauf hin, dass er in Griechenland für den Mord, dessen er verdächtigt worden sei, nicht verurteilt worden sei, und er deswegen als unschuldig anzusehen sei. Er habe Schadensersatz verlangt, habe allerdings bis jetzt keinen bekommen. Der Beschwerdeführer verantwortete sich nach dem Vorlesen der griechischen Anklageschrift dahingehend, dass er zwar an jenem Abend in der Wohnung des Opfers gewesen sei, allerdings nichts mit dem Mord zu tun habe. Er habe in Österreich bei verschiedenen Arbeitgebern gearbeitet, habe allerdings, weil er immer sehr schnell nervös werde, immer wieder die Arbeit verloren. Er habe eine Ausbildung als Kellner begonnen, doch sei er ins Gefängnis gekommen, weswegen er seine Ausbildung nicht abschließen habe können. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Wegen des Druckes sei er krank geworden. Er wache in der Nacht oft auf und weine. Er sei bei einer Ärztin gewesen, habe allerdings keine Befunde oder Atteste. Derzeit würde er den Führerschein machen, könne sich allerdings nicht richtig darauf konzentrieren. Er habe keine Verwandten mehr in Afghanistan; seine Eltern würden in Deutschland leben. Auf die Frage was er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan befürchten würde, brachte er vor, dass er keine Freiheiten hätte und es keine Gerechtigkeit geben würde. Die Feinde seines Vaters würden ihn töten. Er wisse auch nicht, was er in Afghanistan machen solle. Sein Vater habe sehr viele Grundstück besessen und wegen Grundstücksstreitigkeiten sei er seitens seines Onkels bedroht worden. Sein Onkel sei ein mächtiger Mann, weswegen weshalb er ganz Afghanistan verfolgt werden würde.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30.04.2019, Zahl 820303210-170182246, wurde dem Beschwerdeführer der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.12.2014 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 aberkannt und zugleich festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.), weiters der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und gleichzeitig festgestellt, dass gemäß § 9 Abs. 2 Ziffer 1 AsylG 2005 ein Ausschlussgrund vorliegt und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 von der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten ex lege ausgeschlossen ist (Spruchpunkt II.), sowie ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z4 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und schließlich eine Frist für die freiwillige Ausreise im Ausmaß von 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Die gegen diesen Bescheid erhoben Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.03.2020, GZ. W257 1430849-2/11E, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.02.2020 als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde in diesem Erkenntnis vom 03.03.2020 im Hinblick auf die Frage der Aberkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer stehe im Verdacht bzw. sei aus schwer wiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt, dass er in Griechenland an einem Mord beteiligt war (Mordverdacht). Die strafgerichtliche Verfolgung sei in Griechenland, nach einer Auslieferung von Österreich nach Griechenland und einer U-Haft ebendort, (lediglich) aufgrund seiner zum Tatzeitpunkt noch gegebenen Minderjährigkeit und einer damit nunmehr verbundenen Verjährung eingestellt worden.

Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 sei der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt (Z 1), einer der in Art. 1 Abschnitt C GFK angeführten Endigungsgründe eingetreten ist (Z 2) oder der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat (Z 3). Gemäß § 6 Abs. 1 AsylG 2005 sei ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt (Z 1), einer der in Art. 1 Abschnitt F GFK genannten Ausschlussgründe vorliegt (Z 2), aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 3), oder er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.

Die belangte Behörde habe den Aberkennungsbescheid im Spruch auf § 7 Abs. 1 Ziffer 1 Asylgesetz 2005 gestützt.; dieser verweise auf § 6 AsylG 2005. Den rechtlichen Erwägungen des angefochtenen Bescheides sei zu entnehmen, dass sich die Behörde auf die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG 2005 gestützt habe (die Ausschließungsgründe nach Art. 1 Abschnitt F der GFK). Konkret habe die belangte Behörde ihrer Entscheidung erkennbar Art. 1 Abschnitt F lit. b der Genfer Flüchtlingskonvention zu Grunde gelegt, wonach die Bestimmungen dieses Abkommens keine Anwendung auf Personen finden, in Bezug auf die aus schwer wiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sie ein schweres nichtpolitisches Verbrechen außerhalb des Aufnahmelandes begangen haben, bevor sie dort als Flüchtling aufgenommen wurden. Die belangte Behörde gehe – zumal der Beschwerdeführer nicht bestritten habe, im fraglichen Tatzeitraum am Tatort, konkret in der Wohnung des Mordopfers, anwesend gewesen zu sein (er bestritt allerdings, mit dem Mord etwas zu tun zu haben) - zutreffend davon aus, dass die Annahme und damit der Verdacht gerechtfertigt sei, dass der Beschwerdeführer an einem Mord – einem schweren nichtpolitischen Verbrechen - in Griechenland beteiligt gewesen sei, wobei der Verdacht der Begehung einer strafbaren Handlung ausreiche und es in Ansehung dieser Bestimmung nicht einer nachgewiesenen Verurteilung bedürfe. Die vom Beschwerdeführer getätigte Interpretation, dass er unschuldig sei, solange seine Schuld nicht beweisen wurde, gehe an der Fragestellung vorbei, weil es nicht um die Zuweisung der Schuld, sondern lediglich um die gerechtfertigte Annahme bzw. um den Verdacht der Begehung einer strafbaren Handlung gehe und abgesehen davon im Übrigen zwar keine Verurteilung des Beschwerdeführers, aber auch kein Freispruch erfolgt sei. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts würden daher die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten wegen Vorliegens eines Ausschlussgrundes gemäß § 7 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 sohin aufgrund des Verdachtes der Begehung eines „schweren nichtpolitischen Verbrechens“ außerhalb des Aufnahmelandes vorliegen.

Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan sei – so die weitere zusammengefasste Begründung dieses Erkenntnisses zu den weiteren Spruchpunkten – aktuell nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Beschwerdeführer einer spezifischen Gefahr ausgesetzt wäre. Er habe zwar wegen des Abfalls vom Glauben und der Aufnahme des christlichen Glaubens im Dezember 2014 von Österreich internationalen Schutz erhalten, wie sich aber im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 11.02.2020 gezeigt habe, habe er diesen Glauben nicht auf nachhaltige Weise angenommen, denn nunmehr glaube er „an alle Religionen“ und sei zuletzt vor ca. 2 bis 2 1/2 Jahren in einer Kirche gewesen. Diese Haltung einer gewissen Beliebigkeit werde er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch in Afghanistan vertreten können, weshalb eine nachhaltige tiefe verinnerlichte und identitätsprägende Glaubensüberzeugung – auch im Sinne eines Abfalls vom Islam – und somit eine damit verbundene unzumutbare Gefährdung für seine Person nicht erkannt werden könne.

Der Beschwerdeführer habe als ursprüngliches Fluchtvorbringen weiters vorgebracht, dass seinem Vater während der Talibanherrschaft Grundstücke weggenommen worden seien. Nach dieser Herrschaft sei der Vater wieder in den Besitz dieser Grundstücke gekommen. Daraufhin habe die Feindschaft seines Cousins mit seinem Vater bzw mit ihm begonnen und es sei versucht worden ihn zu entführen. Dabei habe der Beschwerdeführer behauptet, dass er – trotz Überzahl der Feinde – entkommen habe können. Diese Schilderung des Beschwerdeführers sei aber äußerst unrealistisch; zudem habe sich der Beschwerdeführer nach diesem Vorfall ein Jahr in der Stadt Herat unbehelligt aufhalten können. Das zeige, dass er in Herat keiner Gefahr ausgesetzt gewesen sei und auch im Falle der Rückführung keiner Gefahr ausgesetzt sein werde. Aus diesem Grund sei das ursprüngliche Fluchtvorbringen in seiner Gesamtheit – und auch vor dem Hintergrund der persönlichen Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers – nicht glaubhaft.

Gegen den Beschwerdeführer spreche auch weiters noch, dass er, obwohl er sich seit 2012 in Österreich befinde, sich nicht integriert hat. Er habe keine Freunde, breche beinahe jede Arbeit ab und habe noch keinen Sprachkurs abgeschlossen. Er spreche – auch nach 8 Jahren in Österreich – wenig deutsch. Er ist zweimal von der Polizei zur Anzeige gebracht worden, habe in der mündlichen Verhandlung am 11.02.2020 mehrfach nicht den Tatsachen entsprechende Angaben getätigt und zeige insgesamt keine intrinsischen Ambitionen sich in Österreich zu integrieren. Wegen seiner nicht vorhandenen Integration und dem mehrmaligen Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung (Körperverletzung und gefährliche Drohung), dem Abbruch von Gelegenheitsarbeiten und der Tatsache, dass er nach 8 Jahren noch keinen einzigen Sprachkurs abgeschlossen habe und seinen geringen faktischen Deutschkenntnissen sei auch mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer eine Integration nicht gelingen werde und diesbezüglich eine negative Prognose vorliege. Die Güterabwägung sei daher deutlich gegen ihn ausgefallen.

Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen volljährigen jungen Mann im Alter von 24 Jahren mit verschiedenen Berufserfahrungen, darunter in der Gastronomie; er sei mit der afghanischen Kultur vertraut, nachdem er dort bis zum 16 Lebensjahr gelebt habe. Er habe ein Jahr alleine in Herat gewohnt und kenne diese Stadt. Er spreche mehrere Sprachen, wie Dari, Farsi, Urdu, Hindi, Griechisch und ein wenig Deutsch. Dem Beschwerdeführer stünden demnach zusätzlich zu seiner Möglichkeit, am Erwerbsleben teilzunehmen und seinen Lebensunterhalt eigenständig zu finanzieren, Unterstützungsmöglichkeiten durch ein verwandtschaftliches Netz offen. Es seien keine Umstände ersichtlich, weshalb dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und eigenständige Bestreitung seines Lebensunterhaltes nicht möglich sein sollten. Das Vorliegen von exzeptionellen Umständen, welche in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen wären, sei zu keinem Zeitpunkt substantiiert behauptet worden.

Dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde dem Beschwerdeführer am 06.03.2020 rechtswirksam zugestellt und ist daher in Rechtskraft erwachsen. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof bzw. eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde nicht erhoben.

Am 26.04.2021 stellte der Beschwerdeführer – nach einem gescheiterten Ausreiseversuch in die Bundesrepublik Deutschland (aufgrund einer Einreiseverweigerung seitens der Bundesrepublik Deutschland) am 09.01.2021 - neuerlich in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der am 26.04.2021 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer befragt zu den Gründen für die neuerliche Antragstellung Folgendes an:

„ …

An meiner Situation hat sich nicht geändert. Ich bin seit 9 Jahren in Österreich. Meine ganze Familie lebt in Deutschland (München). In meinem Heimatland Afghanistan habe ich keine Familie und mein Leben ist in Afghanistan immer noch in Gefahr. Ich bitte Österreich um Unterstützung, dass ich hierbleiben darf.

Haben Sie alle Ausreise-, Flucht, oder Verfolgungsgründe genannt?

Ja, habe ich.

Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?

Ich habe Angst um mein Leben.

Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Ihrer Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe, die Todesstrafe droht, oder sie mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen haben?

Nein.

Seit wann sind Ihnen die Änderungen der Situation/Ihrer Fluchtgründe bekannt?

Es gibt keine Änderungen. Meine Situation ist gleichgeblieben.“

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein des Dolmetschers für die Sprache Dari am 07.05.2021 gab der Beschwerdeführer Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - an:

„……

LA: Leiden Sie an irgendwelchen schwerwiegenden Krankheiten?

VP: Nein.

LA: Werden Sie im Verfahren durch einen Anwalt oder eine andere Person vertreten?

VP: Ich habe einen Anwalt, ich habe am 10.05. einen Termin.

LA: Sollten Sie von dem Anwalt vertreten werden wollen, legen Sie bitte eine Vollmacht vor.

VP: Ok.

LA: Haben Sie in der Erstbefragung die Wahrheit gesagt?

VP: Ja.

LA: Möchten Sie etwas korrigieren oder ergänzen?

VP: Es ist so, ich habe bei der Polizei angegeben, dass ich eine Frau habe. Meine Frau lebt im Iran. Sie sagten zu mir, dass müsste ich dann hier angeben, im Protokoll haben sie es nicht vermerkt.

LA: Besitzen Sie Identitätsdokumente, oder andere Beweismittel?

VP legt einen österr. Führerschein vor.

LA: Haben Sie afghanische Dokumente?

VP: Nein.

LA: Haben Sie noch andere Beweismittel?

VP: Was zum Beispiel?

LA: Alles was Ihre Angaben hier untermauern könnte.

VP: Nein.

LA: Sie haben am 13.03.2012 einen Asylantrag gestellt. Es wurde Ihnen der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Dieser Status wurde Ihnen jedoch wieder aberkannt. Haben Sie gegen das verfahrensabschließende Erkenntnis eine Revision eingelegt?

VP: Ich habe mir damals keinen Anwalt leisten können. Ich ging zu VMÖ und habe so eine Beschwerde gemacht.

LA: Warum stellen Sie nun einen neuerlichen Antrag?

VP: Seit ca. einem Jahr hat man mir meinen Pass abgenommen. Ich darf nicht arbeiten, ich bekomme kein Geld. Seit ca. einem Jahr hilft mir meine Familie. Sie helfen mir, dass ich meine Miete zahlen kann und auch so bei den Dingen des alltäglichen Lebens. Ich kann nicht zurück, weil mein Leben in Afghanistan in Gefahr ist, aus diesem Grund stelle ich diesen Antrag. Aus diesem Grund bin ich gezwungen einen Antrag zu stellen, mein Leben ist in Afghanistan in Gefahr.

Ich habe nichts in Afghanistan, weder ein Zuhause noch eine Familie. Ich war 13 Jahre alt, als ich ausgereist bin. Meine Eltern sind alt und leben in München. Mein jüngerer Bruder und meine Schwester leben auch da.

Mein Leben ist in Gefahr, ich habe niemanden in Afghanistan.

LA: Warum ist Ihr Leben in Afghanistan in Gefahr?

VP: Weil ich dort Feinde habe. Abgesehen davon, dass ich dort niemanden habe, ist die Situation in Afghanistan schlecht, es sterben täglich Menschen. Da wo ich herkomme, aus Afghanistan, da sind jetzt die Taliban, Sie können sich das auf Youtube und Google ansehen. Mein Leben ist in Gefahr, deshalb wurde ich mit 13 Jahren wegegeschickt.

LA: Seit wann haben Sie Feinde in Afghanistan?

VP: Die Feindschaft besteht schon länger, aber nachdem ich älter wurde, hatte meine Mutter große Angst um mich, deshalb haben sie mich weggeschickt. Ich habe dort niemanden mehr.

LA: Hat sich bezüglich der Ausreisegründe, die Sie im ersten Verfahren angegeben haben, etwas geändert?

VP: Geändert hat sich, dass sich die Situation weiter verschlechtert hat, ich habe dort niemanden und ich kenne mich dort nicht aus. Diese Feinde werden mich auch jetzt nicht in Ruhe lassen sie sind noch immer hinter mir her.

LA: Woher wissen Sie, dass die Feinde noch hinter Ihnen her sind?

VP: Ich habe damals bei meinem ersten Interview angegeben, dass mein Vater viele Grundstücke hatte, das ist jetzt aber in den Händen der Taliban, wenn ich jetzt zurückkehre, werden sie glauben, dass ich wegen der Grundstücke zurückkomme. Sie werden nicht wissen, dass ich nur ein ruhiges Leben haben möchte.

Dieses Grundstück war von meinem Großvater, aber es ist schon seit vielen Jahren in den Händen der Taliban. Sie haben immer versucht, meinen Vater, meinen Bruder und mich zu töten. Egal wo ich mich in diesem Land befinden sollte, werden sie mich finden, man kann sich dort nicht verstecken. Man kann dort nicht leben, keine Familie gründen, und dort leben. Ich habe dort niemanden mehr und sind jetzt in Europa.

LA: Haben Sie außer diesen Problemen noch weitere?

VP: Das war alles, aber das was ich Ihnen erzählt habe, ist die Wahrheit, Sie können auch nachfragen. Wäre es dort friedlich, wäre ich nicht in Gefahr und nicht in so einem jungen Alter ausgereist, weil mein Leben in Gefahr ist.

LA: Sie meinten vorhin, dass Ihre Frau im Iran ist. Wann haben Sie geheiratet?

VP: Bevor mir mein Pass abgenommen wurde, war ich einmal im Iran. Nachgefragt gebe ich an, dass das vor ca. zwei Jahren war. Genau weiß ich es nicht. Ich wollte, dass mein Frau herkommt, ich habe gearbeitet, dann mir das BFA aber den Pass genommen, dann durfte ich nicht mehr arbeiten. Jetzt lebe ich so dahin, mache Sport, gehe nach Hause. Meine Familie unterstützt mich. Ich kann sie nicht besuchen.

LA: Wie werden Sie von Ihrer Familie unterstützt?

VP: Ich bekomme von nirgendwo Geld und darf auch nicht arbeiten. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Eltern sehr alt sind, mein Bruder und meine Schwester arbeiten, meine Wohnung ist von der Diakonie. Die Miete beträgt 350 Euro. Das bekomme ich und noch etwas für das Leben.

Davor hatte ich noch Ersparnisse, davon konnte ich auch eine Weile leben.

LA: Wieviel bekommen Sie jetzt ca. im Monat?

VP: Die ersten Monate habe ich für mich selbst gesorgt, erst seit ein paar Monaten bekomme ich Geld von meiner Familie, das sind ca. 450 Euro im Monat. Es ist so, dass ich gezwungen bin, das Geld zu nehmen, weil ich sonst nichts bekomme. Ich weiß, dass ich damit in Afghanistan ein tolles Leben führen könnte, aber mein Leben ist dort in Gefahr.

LA: Wieso haben Sie am 25.04.2021 diesen Antrag gestellt?

VP: Weil ich immer glaubte, dass ich den Pass zurückbekomme, weil ich nichts getan hatte, deshalb habe ich gewartet und gewartet. Dann kam Corona und dann war ich gezwungen, weil das Leben immer schwerer wurde und mich meine Familie nicht ewig unterstützen kann, diesen Antrag zu stellen. Ich habe keinen anderen Weg, Österreich sagt ich muss nach Afghanistan, wie soll das jemand wie ich machen, ich kam als kleiner Junge her, ich habe die Sprache und Kultur gelernt. Ich habe viele Freunde hier. Auf einmal habe ich Post erhalten und man sagte, dass ich nach Afghanistan müsste.

LA: Haben Sie seit der ersten Antragstellung Österreich verlassen?

VP: Nein. Als ich nach Österreich kam, wurde ich gefragt, was ich hier wolle, ich sagte, dass mein Leben in Gefahr wäre und dass ich wo bleiben möchte, wo ich sicher leben kann.

LA: Haben Sie Österreich Verwandte oder sonstige Angehörige?

VP: Nein, niemanden.

LA: Seit Familienangehörigen in Deutschland nicht mehr gesehen?

VP: Vor einer Woche haben mich meine Eltern besucht, wir haben uns davor neun Monate nicht gesehen. Meine Mutter ist krank, dann war Corona und deshalb ist es nicht möglich.

LA: Wie kommt es, dass Ihre Familie in Deutschland ist und Sie in Österreich?

VP: Weil ich der erste war, der flüchtete. Ich habe dann in Österreich um Asyl angesucht. Meine Eltern waren auch in Gefahr, aber sie haben mich zuerst weggeschickt. Nachdem ich in Österreich war hatten wir noch ca. 1,5 Jahre Kontakt. Erst nach 4-4,5 Jahren hat mich mein Bruder über Facebook gefunden. Zunächst befanden sie sich in einer Flüchtlingsunterkunft, nach 5-6 Monaten wurden sie anerkannt und ich habe sie dann besucht. Ich hätte gerne mit meiner Familie zusammengelebt, weil ich sehr jung war, als ich weggeschickt wurde, aber das war nicht möglich, weil ich hier und sie dort waren. Ich habe mich sehr bemüht, um bei ihnen zu sein, weil meine Eltern auch schon älter sind, sie brauchen jemanden um sich, aber es war nicht machbar.

LA: Kommen wir noch zu Ihrer Integration. Was haben Sie bisher in Österreich so gemacht.

VP: Ich habe hier gearbeitet. Ca. 16 Monate habe ich eine Ausbildung gemacht, dort gab es einen Vorfall, ich musste ins Gefängnis. Es wurde etwas behauptet, erst nach einem Jahr wurde ich entlassen. Nachdem ich entlassen wurde, habe ich die Ausbildung verloren. Die Staatsanwaltschaft sagte, wenn ich unschuldig bin, dass ich alles zurückbekomme, die Ausbildung, mein Geld alles.

Nach dem Gefängnis habe ich meinen Führerschein gemacht. Dann habe ich eine Arbeit gesucht und eine Wohnung gefunden. Dann wurde mir mein Pass abgenommen. Danach durfte ich nichts mehr machen. Jetzt sieht mein Leben so aus.

LA: Haben Sie noch Kontakt zu Personen, die in Afghanistan leben?

VP: Freunde habe ich, die in Afghanistan leben. Nachgefragt gebe ich an, dass wir uns über Facebook schreiben. Nachgefragt gebe ich an, dass ich nicht genau weiß. Wo sie leben, ich kenne mich in Afghanistan nicht aus. Manchmal sagen sie mir, dass die Situation sehr schlecht wäre und dass sie wegwollen. Immer wieder sprechen sie darüber, wie schlecht die Situation ist.

Es wird rückübersetzt. Ast wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass alles richtig und vollständig ist und alles richtig wiedergegeben wurde.

VP: Ich möchte ergänzen, dass wenn mein Leben weiterhin so aussieht, wie es jetzt ist, dann wird es sehr schwer für mich. Erlauben sie mir, dass ich zu meiner Familie nach Deutschland gehe.

AW wird auf die Zuständigkeit Österreichs für das Asylverfahren hingewiesen. Für eine Einreise nach Deutschland sind die deutschen Behörden zuständig.

LA: Verstehe ich Sie richtig, dass sich seit der Rechtskraft des Aberkennungsverfahrens hinsichtlich Ihrer persönlichen Verfolgungsgründe (persönliche Feindschaft) keine Änderungen ergeben haben?

VP: Dass sie uns töten wollen, das ist die Änderung. Nachgefragt gebe ich an, dass ich das bereits im ersten Verfahren angegeben habe. Abgesehen davon sterben dort jeden Tag Leute.

Anmerkung: Ihnen wird eine Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 AsylG 2005 ausgehändigt. Anhand dieser Verfahrensanordnung wurde Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass geplant ist Ihren Antrag in Österreich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

LA: Möchten Sie dazu Stellung nehmen?

VP: Wenn Sie mir nicht glauben, was soll ich dann noch hier. Mein Leben ist in Gefahr, das ist die Wahrheit, mehr kann ich nicht sagen.

LA: Außerdem haben Sie die Möglichkeit Einsicht in die Länderberichte zu Ihrem Herkunftsstaat zu nehmen und eine Stellungnahme dazu abzugeben. Möchten Sie das?

VP: Ich weiß nicht was ich machen soll…

AW werden die Länderinformationen ausgefolgt.

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie ausreichend Zeit, Ihre Angaben vollständig und so ausführlich wie Sie es wollten zu machen?

VP: Ja.

LA: Wollen Sie noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?

VP: Mein Leben ist mir wichtig. Ich möchte hier bleiben, weil mein Leben in Gefahr ist.

Anmerkung: Der zweite Teil der Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt. Nach erfolgter Rückübersetzung:

LA: Haben Sie die Dolmetscherin während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden?

VP: Ja.

LA: Hat Ihnen die Dolmetscherin alles rückübersetzt?

VP: Ja.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Keine Einwände.

…..“

Am 07.05.2021 wurde dem Beschwerdeführer eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 bis 6 und § 15a AsylG 2005 ausgefolgt, mit welcher ihm die Absicht des BFA zur Kenntnis gebracht wurde, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Einem Aktenvermerk der belangten Behörde vom 07.05.2021, unterfertigt vom Leiter der Einvernahme sowie der herangezogenen Dolmetscherin, ist zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme am 07.05.2021 Wasser angeboten wurde, dass er dieses jedoch mit dem Hinweis auf das Gebot des Fastens im Ramadan ablehnte. Diesem Aktenvermerk ist weiters zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstellung der relevanten Länderinformationen zu seiner Religionszugehörigkeit gefragt wurde und angab, dass er Sunnit sei.

Am 18.05.2021 wurde der nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführer neuerlich durch die belangte Behörde niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen dieser niederschriftlichen Einvernahme brachte der Beschwerdeführer Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - vor:

„LA: Haben Sie in der letzten Einvernahme am 07.05.2021 die Wahrheit gesagt?

VP: Ja.

LA. Möchten Sie etwas korrigieren oder ergänzen?

VP: Nein.

LA: Möchten Sie zu den Länderinformationen eine Stellungnahme abgeben?

VP: Meine Meinung ist, dass alles was dort steht, persönlich erlebt habe. Ich habe meine Informationen aus dem Internet…

AW wird über die Bedeutung der Länderinformationen im Verfahren aufgeklärt.

VP: Ausdrücklich möchte ich sagen, dass es in Afghanistan keine Sicherheit gibt, wenn die Behörde davon ausgeht, dass dort Sicherheit herrscht, ist das falsch. Vor wenigen Tagen gab es in Afghanistan einen Selbstmordanschlag, dabei wurden viele unschuldige Kinder getötet. Gestern war erneut ein Attentat. Die Stadt, in der ich wohnte, wurde von den Taliban erobert. Es gibt auch Videos, die kann ich Ihnen zeigen. Das passiert jeden Tag in Afghanistan. Wenn Sie mir einen Tag nennen können, an dem niemand in Afghanistan getötet wurde, glaube ich ihnen alles.

LA: Ihnen wird nun mitgeteilt, dass weiterhin beabsichtigt ist, Ihren Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?

VP: Ich habe meine Gründe geschildert, die Entscheidung treffen Sie.

Frage an gewillkürten Vertreter: Ist für Sie noch etwas offen?

GV: Ja.

GV: Warum haben Sie gegen das letzte Erkenntnis keine Beschwerde/Revision eingelegt.

VP: Weil ich meine negative Entscheidung am Beginn der Corona-Pandemie erhalten habe. Meine Familie wollte mir helfen und hat für mich einen Anwalt engagiert. Ich war dort, alle Leute hatten damals schreckliche Angst. Irgendjemand hat die Tür aufgemacht und gesagt, dass ich vor der Tür auf der Straße warten soll, ich werde aufgerufen. Das ist nicht passiert. Deswegen habe ich Tage verloren, ohne dass sich mein Anwalt darum gekümmert hat. Der Anwalt meinte, dass ich gehen sollte und in ein paar Tagen wiederkommen. Ich war damals in einer schwierigen Situation, weil ich keinen Ausweis mehr hatte, keine Arbeit, ich war beim AMS, man konnte dort auch nicht reingehen. Ich bekam keine Unterstützung, ich musste Miete zahlen und hatte laufende Kosten. Deshalb war mein Geld, das ich für den Anwalt gespart hatte, weg. Einige Zeit habe ich gewartet und dann ging ich zu VMÖ und habe um Hilfe gebeten. Ein paar Tage später wurde ich informiert, dass Sie Beschwerde gemacht hätten, aber die Antwort wäre, dass ich das Land verlassen muss.

GV: Keine weiteren Fragen.

LA: Wollen Sie noch etwas vorbringen, was nicht zur Sprache gekommen ist und Ihnen wichtig erscheint?

VP: Mein Schlusswort ist, dass ich jetzt seit über 10 Jahren in Österreich bin, ich habe hier nichts Falsches gemacht, ich habe keine einzige Strafe in Österreich. Als ich kam war ich jung und hoffnungsvoll. Wenn man mich jetzt sieht, bin ich deutlich älter geworden. Ich bin nur ein Mensch, ich erwarte nicht viel, ich möchte hierbleiben und ein neues Leben anfangen.

Ich hatte viel vor, ich habe hier gearbeitet, ich habe geheiratet, meine Frau ist im Iran. Ich wollte arbeiten, Geld sparen und alles vorbereiten, um meine Frau zu mir zu holen.

Jetzt bin ich in einer Sackgasse. Ich kann nicht zu meiner Frau und sie nicht zu mir, ich weiß nicht, wie unsere Zukunft aussieht.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt. Nach erfolgter Rückübersetzung:

LA: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden?

VP: Ja.

…..“

Mit dem nunmehr angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2021 wurde der Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 26.04.2021 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und dieser Antrag auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) sowie gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt (Spruchpunkt VI.).

In der Begründung dieses Bescheides vom 18.06.2021 wurde der bisherige Verfahrensgang einschließlich der oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegeben Einvernahmen dargestellt und umfangreiche Länderfeststellungen zu Afghanistan getroffen. Es wurde weiters ausgeführt, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit Rechtskraft des Vorverfahrens – seit Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.03.2020 - im Wesentlichen nicht geändert hat.

Gegen alle Spruchpunkte dieses Bescheides erhob Beschwerdeführer mit Anwaltsschriftsatz vom 30.06.2021 fristgerecht Beschwerde, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, der Beschwerdeführer sei wegen „diesen inkriminierten Taten“ (gemeint: wegen der vorgeworfenen vorsätzlichen Tötung in Griechenland) nicht verurteilt worden, er sei daher unbescholten. Die Lage im Herkunftsstaat als auch die persönliche Lage des Beschwerdeführers habe sich maßgeblich geändert, da die Lage in Herat nicht sicher sei und keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe und der Beschwerdeführer als Konvertit zum Christentum sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Verfolgung befürchten müsse. Außerdem habe der Beschwerdeführer auf die Frage, was die Änderung sei, vorgebracht, dass „sie uns töten wollen.“ Die Gefahr einer Verfolgung im Herkunftsstaat sei daher sehr wahrscheinlich.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 01.07.2021 zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, gibt an, den im Spruch angeführten Namen zu führen und an dem im Spruch angeführten Tag geboren zu sein.

Der unter I. beschriebene Verfahrensgang steht fest.

Festgestellt wird, dass im Hinblick auf die Frage des Vorliegens eines Asylausschlussgrundes, also im Hinblick auf die Frage, ob aus schwer wiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Beschwerdeführer ein schweres nichtpolitisches Verbrechen außerhalb des Aufnahmelandes – also fallbezogen konkret in Griechenland - begangen hat, bevor er in Österreich als Flüchtling aufgenommen wurde, im nunmehrigen Folgeantragsverfahren im Vergleich zum mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.03.2020, GZ. W257 1430849-2/11E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylaberkennungsverfahren, mit dem zuletzt rechtskräftig inhaltlich über die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für den Status des Asylberechtigten (und des subsidiär Schutzberechtigten) entschieden wurde, weder ein neues Vorbringen erstattet wurde, noch ein neuer Sachverhalt von Amts wegen ersichtlich ist.

Festgestellt wird, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen seines nunmehrigen zweiten Antrages auf internationalen Schutz vom 26.04.2021, soweit es sich auf die Gründe für das Verlassen Afghanistans, sohin auf die von ihm ursprünglich behaupteten Fluchtgründe (im Wesentlichen eine behauptete Verfolgung durch den Taliban nahestehende Verwandte wegen Grundstücksstreitigkeiten) bezieht, bereits Gegenstand des Vorbringens und der Beurteilung im mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.03.2020, GZ. W257 1430849-2/11E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylaberkennungsverfahren war und als nicht glaubhaft erkannt wurde.

Festgestellt wird, dass das – allerdings erst im nunmehrigen Beschwerdestadium getätigte - Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen seines nunmehrigen zweiten Antrages auf internationalen Schutz vom 26.04.2021, er sei ein Konvertit zum Christentum und müsse deshalb sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Verfolgung befürchten, ebenfalls bereits Gegenstand des Vorbringens und der Beurteilung im mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.03.2020, GZ. W257 1430849-2/11E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylaberkennungsverfahren war und in diesem Asylaberkennungsverfahren rechtskräftig festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer den christlichen Glauben nicht auf nachhaltige Weise angenommen hat, denn nunmehr glaube er „an alle Religionen“ und sei zuletzt vor ca. 2 bis 2 1/2 Jahren in einer Kirche gewesen; diese Haltung einer gewissen Beliebigkeit werde er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch in Afghanistan vertreten können, weshalb eine nachhaltige tiefe verinnerlichte und identitätsprägende Glaubensüberzeugung – auch im Sinne eines Abfalls vom Islam – und somit eine damit verbundene unzumutbare Gefährdung für seine Person nicht erkannt werden könne.

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers und seiner familiären und privaten Beziehungen in Österreich und im Herkunftsstaat sind gegenüber den im rechtskräftig abgeschlossenen Asylaberkennungsverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen (zu Gunsten der privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet) eingetreten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Fremden stützen sich auf dessen Angaben im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus den unbedenklichen verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Akten.

Die Feststellung, dass im Hinblick auf die Frage des Vorliegens eines Asylausschlussgrundes im nunmehrigen Folgeantragsverfahren im Vergleich zum mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.03.2020, GZ. W257 1430849-2/11E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylaberkennungsverfahren weder ein neues Vorbringen erstattet wurde noch ein neuer Sachverhalt von Amts wegen ersichtlich ist, gründet sich auf das (oben wiedergegebene) Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen seines nunmehrigen zweiten Antrages auf internationalen Schutz vom 26.04.2021 im Zusammenhang mit dem oben wiedergegebenen Inhalt des rechtskräftigen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.03.2020. Der Beschwerdeführer hat im Rahmen seiner Folgeantragstellung keinerlei neues Vorbringen erstattet, das geeignet gewesen wäre, den Verdacht bzw. die schwer wiegenden Gründe für Annahme zu entkräften, dass er ein schweres nichtpolitisches Verbrechen in Griechenland begangen hat. Der (in der verfahrensgegenständlichen Beschwerde ins Treffen geführte) Umstand, dass in Griechenland keine rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers vorliegt, war bereits Gegenstand der Erörterung und Beurteilung im rechtskräftig abgeschlossenen Asylaberkennungsverfahren.

Die Feststellung, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen seines nunmehrigen Folgeantrages auf internationalen Schutz vom 26.04.2021, soweit es sich auf die ursprünglich behaupteten Gründe für das Verlassen Afghanistans - im Wesentlichen eine (im Übrigen nicht asylrelevante) behauptete Verfolgung durch den Taliban nahestehende Verwandte des Beschwerdeführers wegen Grundstücksstreitigkeiten - bezieht, bereits Gegenstand des Vorbringens und der Beurteilung im mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.03.2020, GZ. W257 1430849-2/11E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylaberkennungsverfahren war und in diesem Verfahren als unglaubwürdig erkannt wurde, gründet sich auf die eigenen Angaben des Beschwerdeführers, dass seine Fluchtgründe nach wie vor aufrecht seien, im Zusammenhang mit dem oben wiedergegebenen Inhalt des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.03.2020.

Die Feststellung, dass das – allerdings erst im nunmehrigen Beschwerdestadium, nicht aber im Verfahren vor der belangten Behörde getätigte - Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen seines nunmehrigen zweiten Antrages auf internationalen Schutz vom 26.04.2021, er sei ein Konvertit zum Christentum und müsse deshalb sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Verfolgung befürchten, ebenfalls bereits Gegenstand des Vorbringens und der Beurteilung im mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.03.2020, GZ. W257 1430849-2/11E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylaberkennungsverfahren war und in diesem Asylaberkennungsverfahren festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer den christlichen Glauben nicht auf nachhaltige Weise angenommen hat, weshalb eine nachhaltige tiefe verinnerlichte und identitätsprägende Glaubensüberzeugung – auch im Sinne eines Abfalls vom Islam – und somit eine damit verbundene unzumutbare Gefährdung für seine Person nicht erkannt werden könne, gründet sich ebenfalls auf den Inhalt des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.03.2020. Ganz unabhängig davon aber ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt der belangten Behörde aufliegenden Aktenvermerk der belangten Behörde vom 07.05.2021, dass dem Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme am 07.05.2021 Wasser angeboten wurde, dass er dieses jedoch mit dem Hinweis auf das Gebot des Fastens im Ramadan ablehnte. Diesem Aktenvermerk ist weiters zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstellung der relevanten Länderinformationen zu seiner Religionszugehörigkeit gefragt wurde und angab, dass er Sunnit sei. Dies stützt ebenfalls die im rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.03.2020 getätigte Beurteilung, dass der Beschwerdeführer den christlichen Glauben – wegen dem ihm ursprünglich der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden war - nicht auf nachhaltige Weise angenommen hat, was auch für die damit verbundene Apostasie gilt; eine nachhaltige, identitätsprägende Abkehr vom Islam war und ist nicht erkennbar.

Die Feststellung, dass hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgebliche Änderung eingetreten ist, ergibt sich aus einem Vergleich des im ersten Asylverfahren vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen Länderberichtmaterials mit dem dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Länderberichtsmaterial. Auch im nunmehrigen, auf einem Folgeantrag basierenden Verfahren wurden dem Beschwerdeführer vom BFA umfassende Länderberichte zur Kenntnis gebracht, die vom Beschwerdeführer nicht substantiiert bestritten wurden und die keine entscheidungserhebliche Veränderung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat im Vergleich zur Lage, die bereits im Rahmen des letzten rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einer Beurteilung unterzogen wurde, zeigen, was unter anderem insbesondere auch die Lage in Herat betrifft. Auch zum Zeitpunkt der letzten rechtskräftigen Entscheidung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.03.2020 war die Familie des Beschwerdeführers bereits in der Bundesrepublik Deutschland aufhältig; das Bundesverwaltungsgericht legte seiner rechtskräftigen Entscheidung zu Grunde, dass der Beschwerdeführer, der in Afghanistan aufgewachsen ist, jedenfalls ein Jahr lang in der Stadt Herat alleine gelebt hat. Das Bundesverwaltungsgericht ging weiters davon aus, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt alleine finanzieren könne, dass ihm darüber hinaus aber auch Unterstützungsmöglichkeiten durch ein familiäres Netz zur Verfügung stehe; auch im gegenständliche Folgeverfahren brachte der Beschwerdeführer im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 07.05.2021 vor, dass ihn seine in Deutschland lebende Familie finanziell unterstütze, er bekomme seit ein paar Monaten Geld von seiner Familie, das seien ca. 450 Euro im Monat. Es sei so, dass er gezwungen sei, das Geld zu nehmen, weil er sonst nichts bekomme. Er wisse, dass er damit in Afghanistan ein tolles Leben führen könne, aber sein Leben sei dort in Gefahr. Es ist nun nicht ersichtlich und wurde vom Beschwerdeführer auch nicht vorgebracht, dass ihm seine Familie diese finanzielle Unterstützung nur in Österreich zuteil werden lassen sollte, nicht aber in Afghanistan.

Die Feststellung, dass hinsichtlich der (nicht ausgeprägten) privaten Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich und im Herkunftsstaat gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungswesentlichen Änderung eingetreten ist, gründet sich auf den Umstand, dass im Zusammenhang mit der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.03.2020 gegen den Beschwerdeführer getroffenen Rückkehrentscheidung letztmalig über die Frage eines Eingriffes in das Privat- bzw. Familienleben des Beschwerdeführers rechtskräftig abgesprochen wurde und eine maßgebliche Änderung des diesbezüglichen Sachverhaltes - jedenfalls zu Gunsten der privaten Interessen an einem Verbleib des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet - im zwischenzeitlich vergangenen Zeitraum nicht erkennbar ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung – nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen – berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).

In Beschwerdeverfahren über zurückweisende Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG ist "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auf internationalen Schutz durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgt ist, ob die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.

Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt, weil diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten würde (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K11., K17.).

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich bleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhalts nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden (s. zB VwSlg. 5642A; VwGH 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.01.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162; 10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58; 03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung – obgleich auch diese Möglichkeit besteht – nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen "glaubhaften Kern" aufzuweisen, dem

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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