Entscheidungsdatum
12.07.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W257 2188270-1/70E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Herbert MANTLER, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, vertreten durch Dr. Julia ECKER, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.01.2018, Zahl: XXXX , nach Durchführung von mündlichen Verhandlung am 17.12.2019 und am 26.05.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz „BF“), ein afghanischer Staatsbürger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte, gemeinsam mit seinem um 3 Jahre älteren Bruder XXXX (ho Verfahrenszahl W257 2186178-1) am 11.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Seine Mutter und seine Geschwister würden bereits in Österreich leben. Er brachte bei der Erstbefragung durch die Polizei am gleichen Tag vor, dass die Taliban die Volksgruppe der Hazaras umbringen würden und deswegen seine Familie bereits vor 20 Jahren in den Iran geflohen seien. Im Iran hätte sie illegal gelebt und die iranischen Behörden hätten versucht sie nach Afghanistan zurückzuschicken oder sie hätten in den syrischen Krieg ziehen sollen. Zuletzt hätte er im Iran, in der Stadt Mashad gelebt. Seine Mutter heißt XXXX und ist am XXXX geboren (IFA-Zahl: XXXX ).
1.2. Am 14.08.2017 wurde er von der belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge kurz: „BFA“ genannt) zu den Fluchtgründen einvernommen. Dabei brachte er hinsichtlich seiner sozialen Verhältnissen, ergänzend zu der Ersteinvernahme vor, dass er vor ca drei Monaten den Glauben gewechselt hätte. Seine Mutter, seine Schwester und seine drei Brüder würden hier in Österreich leben. Er hätte in der Kirche schon viele Freunde gefunden und würde einen Deutschkurs besuchen. Er könne nicht mit seiner Familie in einer Unterkunft leben, weil er bereits volljährig sei. Er würde in XXXX in einer Gemeinschaftsunterkunft leben. Er sei noch nicht Christ, denn dieser Prozess würde laut Pfarrer ein Jahr dauern. Seine beiden Brüder und seine Schwester seien bereits getauft und seien Christen.
Er sei ledig und hätte keine Kinder. Er sei 5 Jahre im Iran zur Schule gegangen. Zuletzt wäre er ca 2012/2013 in Afghanistan, in der Stadt Kandarhar, gewesen und wäre dort ein Jahr geblieben. Dort hätte er mit seiner Mutter und seiner Schwester und seinen drei Brüdern gewohnt. Sein Bruder XXXX wäre für den Unterhalt aufgekommen und sei das später zum Militär eingerückt. Sie hätten keine finanziellen Probleme gehabt. Sein Bruder XXXX hätte die Familie gut versorgen können. Sie seien gezwungen worden, in den Iran zu flüchten, später sei sein Bruder von den Taliban aufgefordert worden, sich ihnen anzuschließen. Im Iran hätte er gehört, dass viele Afghanen in den Krieg nach Syrien geschickt werden, deswegen wäre er nach Europa geflohen. Er sei in Afghanistan nicht persönlich bedroht worden.
Sein Bruder XXXX hätte ihn zum Christentum bewogen. Im Islam sei alles unter Zwang und man müsse den Dschihad betreiben. Er persönlich sei gegen die Gewalt. Er bekenne sich zur evangelischen Kirche und besuche jeden Sonntag die Kirche in XXXX . Er würde auch einen Taufkurs besuchen.
Seine Verwandten würden alle im Iran leben. Er war im Iran nicht gläubig gewesen. Für ihn wäre fasten und beten nicht wichtig gewesen. Er hätte nur den Namen als Moslem getragen.
Am 10.05.2018 wurde er getauft. (OZ 5).
1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.). Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkte III. bis V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Die Behörde führte aus, dass sie bei dem BF keine innere Überzeugung zum Christentum erkennen hätte können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, welches einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.
Die Behörde führte aus, dass sie bei dem BF keine innere Überzeugung zum Christentum erkennen hätte können, zudem sei eine Rückkehr nach Afghanistan zumutbar.
1.4. Dagegen richtete sich die fristgerecht erhobene vollumfängliche Beschwerde, wobei er im Wesentlichen die Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht und unrichtige Beweiswürdigung geltend machte. Er brachte im Wesentlichen vor, dass er gleich mehrfach der seitens UNHCR aufgestellten Risikogruppe angehöre. (i) Er werde im Falle einer Rückführung als „verwestlicht“ wahrgenommen und deswegen verfolgt. (ii) Er gehöre der Volksgruppe der Hazaras an, welche in Afghanistan verfolgt werden (Bericht vom 03.03.2017). (iii) Er wäre zum Christentum konvertiert und würde auch aus diesem Grund einer Verfolgung ausgesetzt sein. Er beantrage daher die zeugenschaftliche Einvernahme der Pfarrerin und einer weiteren Person.
1.5. Der Verfahrensakt langte am 15.02.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde entsprechend der Geschäftsverteilung der Kammer W257 zugewiesen. Am 18.05.2018 legte er den Taufschein vor, demnach er am 10.05.2018 getauft wurde (OZ 5). Ebenso wurde eine „Petition“ mit einer Unterschriftenliste zur Unterstützung des BF vorgelegt. Zudem wurde beantragt, dass zwei Zeugen vor dem Gericht einvernommen werden sollen (OZ 6).
1.6. Am 18.06.2019 langte eine Mitteilung des Lehrbetriebsberechtigten (Hotel XXXX ) ein. Darin beschrieb dieser, dass das Lehrverhältnis zu dem BF „zum Wohle aller in dem Betrieb“ mit sofortiger Wirkung beendet wurde. Mit 16.06.2019 wurde er – im zweiten Lehrjahr - dienstfrei gestellt. (OZ 7). Das BFA übersandte idF einen Lehrlingsbescheid. Demnach hatte das oa Gasthof die Berechtigung, den BF vom 01.09.2017 bis zum 30.11.2020 als Koch auszubilden. Ebenso wurde vorgelegt, dass der Lehrbetrieb den BF zweimal schriftlich ermahnte (einmal am 20.02.2019). Darin wird er vom Lehrlingsausbilder aufgefordert Drohungen und das Unruhestiften zu unterlassen. In der zweiten Ermahnung wurde er als undankbar, respektlos und unkollegial beschrieben. Es wurde eine Mediation durchgeführt, die eben zu der oben angeführten Auflösung des Lehrverhältnisses führte (OZ 9). Am 20.08.2019 wurde dem BFA mitgeteilt, dass das Lehrverhältnis beendet wurde.
1.7. Am 17.12.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung anberaumt in der er zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Dabei wurden Zweifel betreffend seiner Aussagefähigkeit offenkundig. Es folgt ein Auszug aus dieser Verhandlungsschrift. Die für die Aussagefähigkeit relevanten Textteile sind unterstrichen.
„R: Haben Sie heute die Medikamente eingenommen?
BF2: Ja, ich muss sie jeden Tag nehmen.
R: Was haben Sie heute in der Früh genommen?
BF2: Die Tabletten, die mir der Arzt verschrieben hat. Ich weiß nicht, wie sie heißen.
R: Haben Sie die Tabletten mit?
BF2: Nein. Bis zum 22. muss ich diese Tabletten nehmen, dann bekomme ich die Spritzen.
R an RV: Ist er immer so? Ich habe das Gefühl, dass er ein bisschen schläfrig wirkt.
RV: Ja, vor einem Jahr war es besser, aber seit der Krankheit ist er so. Letzte Woche haben wir eine Besprechung gehabt und er hat wenig gesprochen. Ich weiß nicht, ob er mit den Gedanken bei der Sache ist, das ist mein Eindruck.
R an BF2: Wie fühlen Sie sich?
BF2: Gut. Ich nehme diese Medikamente und die machen müde.
BF2 beginnt zu weinen.
R: Warum weinen Sie?
BF2 gibt keine Antwort.
R: Wegen den Medikamenten?
BF2 gibt keine Antwort.
R: Welche konkrete Bedrohung gegen Ihre Person würden Sie jetzt befürchten, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?
BF2 weint
Z2 wird in den Verhandlungssaal gebeten.
R wiederholt die Frage.
BF2: Ich werde umgebracht.
R: Warum?
BF2: Weil in Afghanistan der Krieg herrscht. Ich möchte frei leben, ich möchte frei meine Meinung kundtun, ich möchte das tun, was ich will, die Religion ausüben, die ich möchte und nicht das, was mir erzwungen wird. Es ist doch nicht meine Schuld, dass ich als Afghane oder Moslem geboren wurde. Ich habe all das bereits einmal gesagt, warum…
R: Ich halte Sie für einvernahmefähig.
RV: Ich bezweifle die Einvernahmefähigkeit und beantrage die Einholung eines neurologischen Gutachtens.
BF2: Nein, ich kann heute die Fragen beantworten.
RV: Ich halte meinen Antrag aufrecht.
BF2: Ich werde antworten.
Die Verhandlung wird um 11:41 Uhr unterbrochen.
Die Verhandlung wird um 11:43 Uhr fortgesetzt.
RV: Wir haben uns beraten, BF2 wird die Einvernahme vornehmen. Wenn er nicht mehr kann, wird er es deutlich sagen.
R: Besuchten Sie im Iran oder in Afghanistan eine Moschee?
BF2: Sehr wenig bzw. alle paar Monate vielleicht ein Mal. Da haben mich auch meine Freunde mitgenommen.
R: Warum gingen Sie nur 5 Jahre zur Schule und Ihr Bruder 12 Jahre? Was haben Sie gemacht? Sie sagten, Sie waren noch nicht arbeiten?
BF2: Ab und zu habe ich irgendwo einmal ausgeholfen.
R: Beteten Sie regelmäßig, als Sie noch im Iran oder in Afghanistan waren?
BF2: Nein.
R: Fühlen Sie sich als Christ?
BF2: Ja.
R: Warum?
BF2: Jesus Christus hat mir ein neues Leben geschenkt. Er erlaubte mir ein neues Leben zu beginnen.
R: Was meinen Sie damit?
BF2: Dass ich die schlechten Dinge in der Vergangenheit vergesse, meine Sünden sind mir vergeben worden und ich kann ein neues Leben beginnen.
R: Worin besteht Ihr neues Leben?
BF2: Ab dem Zeitpunkt, als ich getauft wurde.
R: Worin bestand Ihr neues Leben?
BF2: Ich verstehe Sie nicht.
R erklärt die Frage.
BF2: Ich habe die alten Dinge komplett vergessen. Ich habe die schlechten Dinge, all das, was mir schlechtes angetan wurde, vergessen und vergeben.
R: Erklären Sie mir das genauer, welche schlechten Dinge Sie meinen.
BF2: Mit schlechten Dingen meine ich, dass ich mich nicht weiterbilden konnte, nicht frei leben konnte, nicht das leben konnte, was ich wollte.
R: Das können Sie hier machen?
BF2: Ja, ich konnte hier was lernen, eine Lehre habe ich hier gemacht. Ich kann mich hier als ein Christ neben den anderen bewegen und frei leben.
R: Um diese Freiheit zu bekommen, mussten Sie ein Christ werden?
BF2: Ich habe das Christentum kennengelernt.
R wiederholt die Frage.
BF2: Das war eines von den Dingen, die ich gemacht habe. Ich kann hier frei leben, ich kann hier frei meine Religion ausüben. Dort, wo ich war, konnte ich nicht zur Schule gehen.
R: Aber, dass Sie die Lehre beginnen können, hier zur Schule gehen können und Freiheit haben, hängt an unserer Staatsform und nicht von der Religion ab. Die Freiheiten hätten Sie auch bekommen, wenn Sie Moslem geblieben wären.
BF2: Ja, Sie haben mich gefragt, warum ich Christ geworden bin und ich habe verschiedene Dinge beantwortet. Vielleicht ist es durcheinandergeraten. Sie haben mich gefragt, warum ich Christ geworden bin. Der Grund ist, weil ich mich dafür interessierte und langsam mich informierte. Mein Deutschkurs hat dort stattgefunden, ich habe daran teilgenommen und habe ihre Rituale dort gesehen und langsam kennengelernt. Das hat mir gefallen und danach hat mich mein Bruder, der auch Christ geworden ist, darüber informiert. Ich fragte ihn diesbezüglich. Danach habe ich selber die Taufvorbereitungskurse besucht.
R: Können Sie mir jetzt noch einmal sagen, weswegen Sie gesagt haben, dass Sie ein neues Leben haben?
BF2: In meinem früheren Leben würde ich, wenn mein Leben beendet gewesen wäre, verurteilt werden. Ich würde seitens meiner früheren Religion und das frühere Leben, das ich geführt habe, beurteilt werden.
R: Von wem würden Sie beurteilt werden, wenn Sie sterben?
BF2: Von denjenigen, der mir meine Religion erzwungen hat. Von der dortigen Gesellschaft und dortigen Kultur. Jesus Christus hat unsere Sünden gebüßt und hat für uns ein neues Leben begonnen.
R: Weswegen sind Sie Christ geworden? Welchen inneren Entschluss gab es dazu? Gab es irgendein Ereignis oder irgendein Punkt? Gab es ein Zeitraum?
BF2: Als ich in Griechenland war, hat mir jemand geholfen. Er hatte ein Kreuz auf der Brust hängen. Mein hauptsächliches Interesse begann, als ich den Deutschkurs in der Kirche begonnen habe.
R: Was hat es bei Ihnen innerlich bewirkt, dass Sie Christ werden? Erzählen Sie mir davon.
BF2: Ich fühlte mich erleichtert, weil ich ein neues Leben angefangen habe.
R: Wo Sie nach Europa gekommen sind, ist das Ihr neues Leben?
BF2: Mir wurde in meinem früheren Leben sehr viel Unrecht getan. Ich war sehr viel unter Druck. Ich wusste nicht in meinem früheren Leben, dass ich vergeben muss.
R: Wem oder was mussten Sie vergeben?
BF2: Jeden Tag passierten Dinge, kleine und große.
R: Sagen Sie mir konkret, welche Dinge.
BF2: Verspottet und belogen werden zum Beispiel.
R: Denen haben Sie vergeben und deswegen ist das ein neues Leben für Sie, ist das richtig?
BF2: Ja.
R: Was ist für Sie so anziehend an dem Christentum?
BF2: Die Liebe zu Gott, zu den Mitmenschen, zu den nächsten.
R: Und das gibt es in dem Islam nicht?
BF2: Vielleicht gibt es im Islam sowas, aber das, was ich gesehen habe, hat nur mir und meinem Leben geschadet.
R: Was genau?
BF2: Die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen, Steinigung der Frauen, einander umbringen und solche Dinge.
R: Das passiert hier auch, außer der Steinigung.
BF2: Vielleicht existiert so etwas in diesem Land, aber ich rede von der Religion.
R: Schreibt der Islam vor, dass Männer und Frauen ungleich sein sollen?
BF2: Sicherlich ist das geschrieben, ich habe den Koran aber nicht gelesen.
R: Woher wollen Sie das wissen?
BF2: Weil ich dort in dieser Gesellschaft gelebt habe. Ein Mann kann 4 Frauen haben.
R: Was ist so schlecht daran?
BF2: Das ist schlecht.
R: Warum?
BF2: Dazu sieht man die Ungleichberechtigung zwischen Mann und Frauen.
R: Sie meinen der Islam ist ungleich und Christen sind alle gleich?
BF2: Ja.
R: Islam steht für die Ungleichheit und das Christentum für die Gleichheit, ist das so?
BF2: Ja.
R: Können Sie sich vorstellen, dass Sie hier in Österreich einfach weiterhin Moslem gewesen wären? Dann wären auch Männer und Frauen gleich. Ich verstehe noch immer nicht, warum Sie deswegen glauben, Christ werden zu müssen, weil die Gleich- bzw. Ungleichheit ergibt sich durch die Gesetze.
BF2: Ich rede jetzt nur über die Religion. Was im Gesetz steht, steht getrennt.
R: Glauben Sie, dass ein Moslem in Österreich 4 Frauen heiraten kann?
BF2: Nein.
R: Warum haben Sie sich gerade die evangelische Kirche ausgesucht?
BF2: Ich habe dort die Deutschkurse begonnen und später davon erfahren.
R: Was war so anziehend?
BF2: Mir hat die Geschichte von Martin Luther und die Freiheit gefallen.
R: Welche Freiheiten meinen Sie?
BF2: Dass alle, die die Bibel lesen konnten und er die Bibel in allen Sprachen übersetzt hat.
R: Das ist keine Freiheit. Meine Frage war, welche Freiheiten haben Sie so interessiert?
BF2: Die Freiheit, dass die evangelischen Priester heiraten dürfen und die anderen nicht.
R: Wie oft gehen Sie in die Messe?
BF2: Wenn ich nicht arbeiten muss, meistens sonntags.
R: Was müssen Sie arbeiten?
BF2: Früher meinte ich.
R: Wie oft gehen Sie jetzt in die Messe?
BF2: Jeden Sonntag.
R: Sie gehen jeden Sonntag in die Kirche?
BF2: Ja.
R: In welchem Zeitraum gehen Sie schon jeden Sonntag in die Kirche?
BF2: Davor war ich im Krankenhaus und letzten Sonntag war ich in die Kirche.
R wiederholt und erklärt die Frage.
BF2: Wenn ich nicht gearbeitet habe, bin ich immer hingegangen. Grundsätzlich war ich im Monat ein bis zwei Mal 100% in der Kirche.
R: Können Sie mir das Glaubensbekenntnis aufsagen?
BF2: Ich glaube an Gott, den Schöpfer. (BF2 wiederholt)
R: Wie viele Sakramente kennt die evangelische Kirche?
BF2: Das weiß ich nicht genau.
R: Was feiert man am Reformationstag?
BF2: …
RV: Ich ersuche die Verhandlung abzubrechen, ich weiß, dass er die Fragen beantworten kann. Er hat mir aus freier Erzählung seine Kenntnisse über das Christentum gesagt. Die Zeugin kann dies auch bestätigen, dass der BF2 diese Fragen auch beantworten kann.
R: Ich kann auch meinem Empfinden jetzt nicht erkennen, dass der BF2 nicht verhandlungsfähig ist. Er hat sich sogar gebessert.
RV: Ich bin kein Facharzt, dass ich seine Einvernahmefähigkeit beurteilen kann.
Die Verhandlung wird um 12:17 Uhr unterbrochen und um 12:39 Uhr fortgesetzt.
R: Ich habe Zweifel, dass Sie vollkommen einvernahmefähig sind, deswegen werde ich sie begutachten lassen von einem Arzt und wir müssen die Verhandlung zu einem späteren Zeitpunkt machen.
BF2: Ich möchte weitermachen.
R: Beschluss:
Die Verhandlung, hinsichtlich BF2, wird auf unbestimmte Zeit vertagt.
BF2 wird aufgefordert den Verhandlungssaal um 12:42 Uhr zu verlassen. ...“
1.8. Am 20.12.2019 langte eine Stellungnahme des Rechtsvertreters ein. Darin wurde bekräftigt, dass der BF zum evangelischen Glauben übergetreten sei. Ebenso wurde auf die Situation der Konvertierten in Afghanistan hingewiesen.
1.9. Am hsg Schreiben vom 17.01.2020 wurde den Parteien bekannt gegeben, dass beabsichtigt wird, XXXX Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, zum Gutachter zu bestellen und mögen Einwendungen dagegen vorgebracht werden. Nachdem keine Einwendungen gegen den Gutachter einlangten wurde mit Beschluss vom 24.01.2020 der Arzt zum Gutachter bestellt (OZ 20).
1.10. Mit E-Mail vom 20.01.2020 wurde eine Beschäftigungsbewilligung des AMS vorgelegt. Demnach darf die „ XXXX “ den BF in der Zeit vom 20.01.2020 bis zum 19.01.2021 als Küchengehilfe einstellen.
1.11. Mit Schreiben vom 21.02.2020 (OZ 24) ersuchte die PI Vöcklabruck im Auftrag der StA Wels um Übersendung des Gutachtens, nachdem der BF wegen des Verdachts auf § 27 Abs. 1 SMG zur Anzeige gebracht wurde.
1.12. Am 25.02.2020 wurde nach einer Untersuchung in Beisein einer Dolmetscherin seiner Muttersprache das psychiatrisch-neurologisches Gutachten erstellt und dem Gericht vorgelegt. Der Gutachter beantwortete folgende Fragen (OZ 26).
„1. Liegt beim Beschwerdeführer eine krankheitswertige, psychische Störung vor? Wenn ja, welche?
Beim 26-jährigen Untersuchten findet sich aus psychiatrischer Sicht ein Zustand nach psychotischer Episode im Sinne einer akut schizophrenformen psychotischen Störung (ICD-10: F23.2). Es kam beim Untersuchten vermutlich ab Herbst 2019 zum Auftreten einer psychotischen Symptomatik, wobei in den Befunden paranoide Wahnideen, Beeinflussungswahn, akustische und optische Halluzinationen und Denkstörungen beschrieben wurden.
Es erfolgte eine ambulante Behandlung Anfang November 2019 im Psychiatrischen Zentrum des Otto-Wagner-Spitals und dann auch eine stationäre Behandlung an der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses Vöcklabruck und danach bis dato eine Behandlung beim Psychosozialen Dienst in Wien. Es wurde der Untersuchte auf eine medikamentöse neurologische Behandlung eingestellt.
Zum nunmehrigen Untersuchungszeitpunkt fand sich keine akutpsychotische Symptomatik mehr. Es fand sich ein diskret postpsychotisches Syndrom mit depressiver Stimmungslage, geringgradiger Affektverflachung, sehr leichtgradige Konzentrationsstörungen, geringgradiger Antriebsverminderung und eine zeitweise bestehende Schlafstörung. Die derzeit noch fassbare psychische Symptomatik kann auch im Sinne einer Anpassungsstörung, Angst und Depression gemischt (ICD-10:F43.22) gesehen werden, wobei die Belastung durch die derzeitige Migrationssituation und insbesondere Belastung und Ängste betreffend der weiteren Zukunft zur Symptomatik beitragen können.
Weiteres ist ein Cannabismissbrauch bekannt im Sinne eines schädlichen Gebrauchs von Cannabis (ICD-10: F12.1), wobei derzeit Abstinenz angeführt wird.
Es kann die abgelaufene psychotische Symptomatik differentialdiagnostisch einerseits im Sinne einer cannabisinduzierten Psychose gesehen werden, kann auch im Sinn einer Erstmanifestation im Rahmen einer schizophrenen Erkrankung differentialdiagnostisch gesehen werden.
1. b) Ist diese behandelbar? Wenn ja – wie? Bitte um Bekanntgabe der notwendigen Medikamente.
Es befindet sich der Untersuchte in einer regelmäßigen nervenärztlichen Behandlung, ist auch auf eine neuroleptische Medikation, nämlich Abilfiy 10 mg 1 x 1 eingestellt. Die Fortführung der psychiatrischen Behandlung und medikamentösen Einstellung ist medizinisch indiziert. Die bisherige Behandlung hat bereits zu einer wesentlichen Besserung der psychiatrischen Symptomatik geführt.
1. c) Welche Folgen hätte ein Abbruch der Behandlung?
Bei Abbruch der Behandlung, insbesondere bei einer Unterbrechung der medikamentösen Behandlung, ist ein Wiederauftreten der psychotischen Symptomatik nicht ausschließbar.
2. a) Sind die Angaben des Beschwerdeführers (vgl. die vorgelegten Befunde, die Niederschrift vor der Behörde und vor dem Gericht am 17.12.2019) auf eine eventuell vorliegende krankheitswertige psychische Störung zurückzuführen bzw. durch diese erklärbar?
Eine Durchsicht der Niederschrift der Behörde vom 14.09.2016 ergab keine konkreten hinwiese, dass Angaben durch eine psychische Störung beeinflusst waren. Es ist auch für diesen Zeitraum kein Hinweis fassbar, dass damals bereits eine psychotische Störung bestanden hätte. Betreffend der Niederschrift vom Bundesverwaltungsgericht vom 17.12.2019 ist festzuhalten, dass der Untersuchte erst 2 Wochen davor aus der stationären Behandlung wegen einer psychotischen Störung entlassen worden war. Es findet ich in der Niederschrift zwar keine konkreten Hinweise, dass Angaben eventuell durch psychotisches Denken beeinflusst waren, aber es kann dies auch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Festzuhalten ist aber, dass anzunehmenderweise zum damaligen Zeitpunkt die Konzentrationsfähigkeit noch krankheitsbedingt gestört war.
2. b) Wenn ja, ist diese zeitlich eingrenzbar?
Entfällt
2. c) Ist eine allfällige psychische Störung auf die Erlebnisse im Zusammenhang mit der Flucht zu sehen oder hat diese schon im Herkunftsstaat bestanden?
Es finden sich aufgrund der Angaben des Betroffenen keine Hinweise, dass die 2019 bestanden habenden psychische Störungen im Sinne einer psychotischen Episode bereits im Herkunftsstaat bestanden hätte. Es finden sich auch keine Hinwiese, dass diese im Zusammenhang mit Erlebnissen auf der Flucht zu sehen ist.
3. a) Besteht beim Beschwerdeführer eine beschränkte Wiedergabefähigkeit bzw. ist er grundsätzlich in der Lage das Erlebte wiederzugeben?
Es ist derzeit beim Untersuchten keine psychische Erkrankung in einem Ausmaß fassbar, dass dadurch die Wiedergabefähigkeit beeinträchtigt wäre. Es ist auch keine psychische Erkrankung fassbar, die die Gedächtnisleistungen beeinträchtigen würde und ihn grundsätzlich außer Lage setzen würde, Erlebtes wiederzugeben.
3. b) Besteht beim Beschwerdeführer eine beschränkte Wahrnehmungsfähigkeit?
Es ist derzeit keine psychische Erkrankung fassbar, die die Wahrnehmungsfähigkeit beschränken würde. im Rahmen der psychotischen Episode fand sich eine Störung der Wahrnehmungsfähigkeit im Sinne von berichteten akustischen und optischen Halluzinationen.
3. c) Besteht beim Beschwerdeführer eine beschränkte Erinnerungsfähigkeit bzw. Gedächtnisleistung?
Es ist derzeit beim Untersuchten keine psychische Erkrankung fassbar, die die Erinnerungsfähigkeit bzw. die Gedächtnisleistungen einschränken würde.
3. d) Ist der Beschwerdeführer grundsätzlich zeitlich, örtlich, situativ zur Person derart orientiert, dass er in der Lage ist, schlüssige und widerspruchsfreie Angaben zu tätigen?
Es ist der Untersuchte grundsätzlich zeitlich, örtlich, situativ und zur Person derzeit voll orientiert und es ist derzeit keine psychische Störung in einem Ausmaß fassbar, die ihn außer Lage setzen würde, schlüssige und widerspruchsfreie Angaben zu tätigen.
4. Ist der Beschwerdeführer in der Lage, an einer neuerlichen Beschwerdeverhandlung teilzunehmen bzw. ist er einvernahmefähig?
Es ist derzeit der Untersuchte aufgrund der wesentlichen Besserungen des psychischen Störungsbildes in der Lage, an einer neuerlichen Beschwerdeverhandlung teilzunehmen und es ist auch derzeit keine psychische Erkrankung in einem Ausmaß fassbar, die die Einvernahmefähigkeit beeinträchtigen würde.
5. Ist der Beschwerdeführer geschäftsfähig?
Es ist beim Untersuchten derzeit keine psychische Erkrankung in einem Ausmaß fassbar, die die Geschäftsfähigkeit einschränken würde.
6. Bedarf der Beschwerdeführer eines Sachwalters?
Es ist beim Untersuchten derzeit keine psychische Erkrankung in einem Ausmaß fassbar, dass er nicht in der Lage wäre, seine Angelegenheiten einer Gefahr eines Nachteiles selbständig zu regeln. Es ist derzeit aus psychiatrischer Sicht die Einleitung eines Sachwalterschafts/Erwachsenenvertreterverfahrens nicht indiziert.
7. Welche gesundheitliche Folgen hätte eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan?
Inwieweit die fassbare psychische Störung, die nunmehr wesentlich gebessert ist unter Belastung einer Rückführung nach Afghanistan eine neuerliche Verschlechterung erfahren würde, kann derzeit nicht prognostiziert werden.
8. a) Wäre eine Überstellung in den Herkunftsstaat Afghanistan aus ärztlicher Sicht möglich?
Es ist beim Untersuchten derzeit keine psychische Erkrankung in einem Ausmaß fassbar, dass durch die Reisefähigkeit eingeschränkt wäre.
8. b) Würde eine allfällige Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung aus ärztlicher Sicht bewirken?
Inwieweit eine Rückführung nach Afghanistan und die damit verbundenen Belastungen zu einer Verschlechterung der psychiatrischen Symptomatik führen würde, kann derzeit nicht prognostiziert werden, aber auch nicht ausgeschlossen werden.
8. c) Wäre der Beschwerdeführer in der Lage in Afghanistan den Geschäften des täglichen Lebens nachzukommen?
Es ist beim Untersuchten derzeit keine psychische Erkrankung in einem Ausmaß fassbar, die ihn außer Lage setzen würde, in Afghanistan den Geschäften des täglichen Lebens nachzukommen.
8. d) Ist der Beschwerdeführer eigen- und fremdgefährdend?
Es ergaben sich aus den bisherigen Informationen, vorliegenden Befunden und der Befunderhebung keine Hinweise auf eine derzeitige Fremd- oder Eigengefährdung.“
1.13. Dieses Gutachten wurde den Verfahrensparteien am 19.03.2020 zur Stellungnahme am übermittelt.
Am 23.03.2020 langte eine Stellungnahme der belangten Behörde ein (OZ 28). Darin wird zusammengefasst festgehalten, dass eine Abschiebung nach Afghanistan aus der Sicht der Behörde weiterhin zulässig sei. Aus dem Gutachten ergebe sich kein Sachverhalt der ein Gesundheitsrisiko darstellen würde. Aus den Länderberichten ist zudem zu entnehmen, dass eine medizinische bzw. neurologische Behandlung in Afghanistan möglich und zugänglich sei. Es gibt sowohl in Kabul als auch in Mazar-e Sharif Einrichtungen die derartige Leistungen anbieten würden, sodass der Beschwerdeführer im Falle der Notwendigkeit einer weiteren Betreuung oder etwaige Kontrollen diese aufsuchen könne. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 13.11.2019. Unter Punkt 22 ist die medizinische Versorgung und unter Punkt 22.1. ist die Versorgung hinsichtlich psychiatrischer Erkrankungen dargelegt. Eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu dem Gutachten langte nicht ein. Ebenso wurde kein Gegengutachten erstellt.
1.14. Am 17.04.2020 wurde den Verfahrensparteien die aktuelle Lage in Afghanistan durch die bis dorthin bekannten Länderinformationsblätter und Länderinformationsquellen zum Parteiengehör übermittelt. (OZ 31). Es handelt sich um folgende Quellen:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019962/AFGH_LIB_2019_11_13_KE.pdf
EASO-Bericht vom April 2019; Country Guidance: Afghanistan 2019, https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/Country_Guidance_Afghanistan_2019.pdf
EASO-Bericht vom April 2019; Country Guidance: Afghanistan 2018, https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/easo-country-guidance-afghanistan-2018.pdf
UNHCR-Richtlinie vom 30.08.2018,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1449845/90_1542006632_unhcr-2018-08-30-afg-richtlinien.pdf
1.15. Am 20.04.2020 brachte die Behörde dazu eine Stellungnahme ein. Darin wird auf das Bedenken vom 17.04.2020 Bezug genommen, und zusammengefasst vorgebracht das die aktuelle Pandemie bezüglich Corona kein Grund darstellen würde den Beschwerdeführer nicht nach Afghanistan zurück führen zu können. Er hätte keine psychische Erkrankung und auch sonst liegen keine Gutachten vor welche ihm hinsichtlich dieser Pandemie als besonders vulnerabel darstellen würde.
1.16. Am 11.05.2020 kam es zu einem Wechsel hinsichtlich der Rechtsvertretung (OZ 37).
1.17. Am 13.05.2020 teilte die belangte Behörde mit, dass die Finanzpolizei gegen den Beschwerdeführer einen Strafantrag erhoben hat. (OZ 38).
1.18. Am 22.05.2020 langte eine Stellungnahme der Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH in Namen des Beschwerdeführers ein. Eine Vollmacht des Beschwerdeführers an die Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH wurde jedoch nicht vorgelegt.
1.19. Am 26.05.2020 wurde der BF im Beisein der Behörde ein zweites Mal einvernommen. Nachdem sich aus dem Gutachten ergibt, dass der Beschwerdeführer bei der ersten Verhandlung möglicherweise Konzentrationsschwierigkeiten hatte, wurde seitens des Gerichtes nochmals auf die mögliche Konversion des Beschwerdeführers eingegangen. Nach Abschluss der Verhandlung verlangten beide Parteien, dass sie nochmals Stellungnahme einbringen können, dies ihnen zugesichert wurde.
Seitens des Beschwerdeführers wurden die bisherigen Angaben wiederholt. Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vermeinte, dass laut der EAOS Richtlinien lediglich gesunde Männer zurückgesandt werden können. Der Beschwerdeführer sei aber gerade nicht gesund und deswegen müsse er zumindest subsidiären Schutz bekommen.
Eingebracht wurde ein „Fachärztlicher Befundbericht“ vom 22.05.202. Demnach muss der BF ua das Medikament ABILIFY im Ausmaß von 1 mal täglich einnehmen. Zu diesem Medikament wurde ein Preisvergleich vorgelegt, demnach das Medikament hier in Europa 11,56 Euro für 49 Stück kostet, wobei die Dosis bei dem Preisvergleich mit 15 mg angegeben wurde. Der BF muss laut dem Gutachten (sh Punkt 1.12. Am 25.02.2020 wurde nach einer Untersuchung in Beisein einer Dolmetscherin seiner Muttersprache das psychiatrisch-neurologisches Gutachten erstellt und dem Gericht vorgelegt. Der Gutachter beantwortete folgende Fragen (OZ 26).) allerdings 10 mg einnehmen. Der Fachärztliche Befund geht wiederum von einer Dosis idH von 15 mg aus. Die Rechtsvertretung wies darauf hin, dass dem BF diese Kosten nicht zumutbar wären und so eine Rückführung auch nicht möglich sei.
1.20. Am 26.05.2020 übersandte die Behörde den Strafantrag der Finanzpolizei gegen den Beschwerdeführer. Demnach beschäftigte die XXXX , sein jetziger Arbeitgeber (sh Punkt 1.10), den Beschwerdeführer vor der Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse ohne einer entsprechenden Bewilligung nach dem AuslBG vom 28.12.2019 bis zum 02.01.2020. (OZ 40). Der Beschwerdeführer ist XXXX wohnhaft und aufrecht gemeldet.
1.21. Am 03.06.2020 langte eine ergänzende Stellungnahme des BF ein. Darin wird auf die aktuelle COVID-Pandemie eingegangen. Die Sicherheitslage hätte sich verschlechtert (Bericht von Thomas Ruttig vom 25.05.2020) und zudem sei er chronisch krank und würde im Falle eine Rückführung – neben der Stigmatisierung als Christ - in eine unmenschliche Lage gelangen.
1.22. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.06.2020, Zl. W257 2188270-1/45E, wurde die Beschwerde in allen Punkten abgewiesen. Das BvWG schenkte dem Beschwerdeführer hinsichtlich der Konversion keinen Glauben. Es führte dazu auszugsweise aus:
„Der Beschwerdeführer ist im moslemischen Glauben ca 25 Jahre lang aufgewachsen. Eine andere Religion kannte er nicht. Seine Weltanschauung war bis zum 25igsten Lebensjahr islamisch geprägt. Erst in Österreich wurde er auf das Christentum aufmerksam. Das Gericht geht davon aus, dass eine kindliche und jugendliche Prägung für den späteren Lebensverlauf und die Ideologie entscheidend ist. Hier fällt bei ihm zuerst einmal auf, dass er nicht besonders religiös aufgewachsen ist. Eine innere Auseinandersetzung mit dem Glauben oder religiösen Werten nahm er nicht vor bzw. lebte diese nicht. Wenn nun dieser innere Diskurs – gerade als Jugendlicher – fehlt, ist es nur schwer nachvollziehbar, dass er mit diesem inneren Diskurs erst hier in Österreich, anfängt. Dies wird noch dadurch erschwert, indem er erst mit 22 Jahren mit dem Christentum in Kontakt trat. Es fehlt die klare Darlegung, dass er einen innere durch den Glauben begleitenden Auseinandersetzung vor dem Grenzübertritt nach Österreich geführt hat. Dabei spielt weniger die Religionsrichtung eine Rolle als die Entwicklung der geistig-seelischen Reife. Erst dieser Diskurs ermöglicht einen Menschen zu dem eingeschlagenen bzw angeborenen (islamischen) Lebensbild eine kritische Haltung zu entwickeln um später davon durch einen inneren Prozess davon abfallen zu können. Das Gericht geht davon aus, dass ein durch christliche Werte geprägtes Lebensbild nicht alleine durch das Beantworten von Wissensfragen über die (hier: evangelische) Kirche überzeugend dargelegt werden kann. Erst die klare intrinsische Motivation und die anschließende Änderung der Persönlichkeit bewirken, dass er diese nicht mehr ablegen könne und ihm in Afghanistan dazu zwingen würde, seine christliche Persönlichkeit zu verleugnen. Er ist allerdings erst mit 22 Jahren mit den Christen in Berührung gekommen. Die letzten 4 Jahre verbrachte er als „Christ“, wobei er zudem noch durch den Wohnortwechsel die Europäische Kultur kennen lernte, wobei eine Trennung beider Aspekte für sich schon sehr schwer ist. Das Gericht geht davon aus, dass man nur von etwas Abfallen kann, was man vorher auch besitzt. Wenn ein Ungläubiger bzw jemand, der nicht aktiv gläubig war, vorbringt vom Glauben abgefallen zu sein, kann dies nur sein, wenn er vorher auch aktiv gläubig war. Ein Wechsel der Religionen ist zwar amtlich möglich, dies bewirkt aber noch keine Änderung in der Persönlichkeit. Gerade hier ist es für das erkennende Gericht wichtig, diesen Anfangszweifel, durch eine klare Darlegung des BF, dass er den christlichen Glauben nunmehr vollends angenommen hat, auszuräumen. Dabei genügt es allerdings nicht, dass der BF in die christliche Gemeinschaft durch eine Taufe aufgenommen wurde und er Wissensfragen beantworten kann, sondern muss es für das Gericht darlegen, dass er eine innere Einstellung angenommen hat, die es ihm unmöglich macht, in Afghanistan – im Falle einer Rückführung – zu leugnen. Aber genau diesen Aspekt konnte der BF nicht darlegen. [...]“
1.23. Der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision gab der Verwaltungsgerichtshof am 11.03.2021 folge und führte darin (Ra 2020/18/0520-9) auszugsweise aus:
„Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine begründete Furcht des Asylwerbers vor asylrelevanter Verfolgung wegen einer Konversion vorliegen, wenn anzunehmen wäre, dass der konvertierte Asylwerber nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen werden.
Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und einer daraus resultierenden Verfolgungsgefahr kommt es wesentlich auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist. Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. etwa VwGH 12.6.2020, Ra 2019/18/0440, mwN).
Im vorliegenden Fall hat das BVwG festgestellt, dass der Revisionswerber in den letzten vier Jahren in Österreich in einer evangelischen Kirchengemeinde engagiert gewesen sei und diese Zeit, wie es das Verwaltungsgericht ausdrückt, als „Christ“ verbracht habe. Nähere Feststellungen über seine - aktenkundige - Taufe im Jahr 2018 traf das BVwG zwar nicht, zog diese aber auch nicht in Zweifel. Entscheidend erschien dem BVwG, dass die Konversion nicht ernsthaft erfolgt sei, weshalb das Verwaltungsgericht davon ausging, dass der Revisionswerber bei Rückkehr nach Afghanistan den Glauben nicht mehr ausüben und ihm deshalb keine Verfolgung drohen werde.
Zu Recht wendet die Revision dagegen ein, dass das BVwG bei dieser Beurteilung von den Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen ist. So wurde vom Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigen muss (vgl. etwa VwGH 6.8.2020, Ra 2020/18/0017, mwN). Schon diesem Erfordernis hat das BVwG nicht entsprochen, indem es sich mit der in der Revision angesprochenen Zeugenaussage eines Mitglieds der evangelischen Kirchengemeinde, in welcher der Revisionswerber engagiert ist, überhaupt nicht auseinandergesetzt hat, obwohl diese Zeugin nähere Angaben über die religiösen Aktivitäten und religiösen Einstellungen des Revisionswerbers gemacht hatte.
Hinzu kommt, dass das Verwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung Erfahrungssätze anwendet, ohne deren unterstellte generelle Geltung näher zu begründen. So hält es dem Revisionswerber beispielsweise entgegen, dass eine kindliche und jugendliche Prägung für den späteren Lebensverlauf und die Ideologie entscheidend sei und deshalb schwer nachvollziehbar sei, dass er mit dem inneren Diskurs zum Glauben erst in Österreich angefangen habe. Zutreffend führt die Revision aus, dass dem Revisionswerber damit von vornherein abgesprochen wird, auch als Erwachsener einen (ernsthaften) Glaubenswechsel vornehmen zu können; ein Erfahrungssatz, der nicht ohne Weiteres nachvollzogen werden kann. Auch die Erwägung des BVwG, man könne nur von etwas abfallen, was man vorher besessen habe, weshalb jemand, der zuvor nicht aktiv gläubig gewesen sei (gemeint offenbar der Revisionswerber), nicht vom Glauben abgefallen sein könne, ist eine rein semantische Argumentation ohne jeglichen Begründungswert für die fallbezogen entscheidungsrelevanten Fragen, nämlich, ob der Revisionswerber wegen eines Glaubenswechsels asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätte. Es ist auch nicht nachvollziehbar, wenn das BVwG gestützt auf seine kritikwürdigen Ausführungen von einem „Anfangszweifel“ spricht, den der Revisionswerber im Zuge des Beweisverfahrens ausräumen müsse. [...]“
1.24. Das Erkenntnis wurde am 31.03.2021 den Verfahrensparteien zur Stellungnahme zugesandt (OZ 65). Es langte zu diesem Erk keine Stellungnahme ein. Das BvWG erließ in der Folge ein weiteres Erkenntnis und stellte es – nachdem der Beschwerdeführer vermeintlich unvertreten war – diesem direkt und der Behörde zu. Am 31.05.2021 rief die Rechtsvertretung, welche den BF vor dem VwGH beim BvWG an und gab bekannt, dass sie die Vertretung weiterhin innehat und dem BF ein Schriftstück (das zweite Erkenntnis) zugestellt worden sei. Sie selbst hätte das Erkenntnis nicht bekommen. Sie führte aus, dass das Erkenntnis ihr zugestellt werden möge und berief sich auf die erteilte Vollmacht nach § 8 RAO. Tatsächlich hatte die Rechtsvertretung auch vor dem BvWG die Rechtsvertretung inne (und nicht nur vor dem VwGH). Dies ergibt sich dadurch, dass ihr der Beschluss des BvWG vom 11.12.2020 hinsichtlich der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, dessen Antrag zugleich mit der ao Revision eingebracht wurde, ihr zugestellt wurde und nicht den BF direkt. Damit hatte das BvWG bereits bei dem Beschluss die Rechtsanwältin als Rechtsvertretung angesehen und bestand kein Grund davon bei dem Erkenntnis abzugehen. Das Erkenntnis, welche dem BF direkt (und dem BFA) zugestellt wurde, hatte somit keine Wirkung.
Der Rechtsvertretung wurde daher nochmals die Möglichkeit einer Stellungnahme geboten und ihr das Erkenntnis des VwGH zugesandt. Am 17.06.2021 langte eine diesbezügliche Stellungnahme der nunmehrigen Rechtsvertreterin ein. Darin führte sie auszugsweise aus:
„In der Revision hat der BF unter Bezugnahme auf höchstgerichtliche Rechtsprechung und in intensiver Auseinandersetzung sowohl mit dem Sachverhalt als auch mit den beweiswürdigenden Ausführungen des BVwG und seiner rechtlichen Beurteilung im nunmehr aufgehobenen Erkenntnis vom 12.6.2020 dargelegt, dass die Konversion des BF bei korrekter, an höchstgerichtlichen Leitlinien orientierter Rechtsprechung, als glaubhaft befunden hätte werden und der Status eines Asylberechtigten zuerkannt hätte werden müssen. Der BF verweist insbesondere auf S. 14f seiner Revision und zitiert auszugsweise:
„Das BVwG hätte nämlich letztlich, der Rechtsprechung des VwGH folgend, wonach dann, wenn sich im Zuge einer detaillierten Befragung von Zeugen keine klaren Hinweise für eine ‚Scheinkonversion‘ ergeben, das BVwG im Fall eines nach langer Vorbereitungszeit getauften und über lange Zeit durchgehend aktiven Mitglieds einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft nicht auf Basis lediglich spekulativer Vermutungen von einer solchen Scheinkonversion ausgehen darf (vgl. VwGH 12.6.2020, Ra 2019/18/0440-8), nicht von einer Scheinkonversion ausgehen dürfen: Klare Hinweise auf eine Scheinkonversion haben sich im Zuge der Befragung der Zeugin XXXX nicht ergeben, im Zuge der Befragung weiterer Zeugen zum christlichen Glauben bzw. der nach außen hin gelebten inneren Überzeugung des RW zu seinem Glauben wären solche ebenso wenig aufgekommen. [...] Der BF ersucht das BVwG darum, sollte seine Konversion nicht ohnehin für glaubhaft befunden und der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden, aktuelles Lände-rinformationsmaterial heranzuziehen, in dem auch auf Folgen des Abzugs internationaler Truppen aus Afghanistan und aktuelle Auswirkungen der „dritten Welle“ der COVID-19-Pandemie in Afghanistan eingegangen wird. Der BF geht, auch angesichts seines Gesundheitszustands (vgl. ausführlich S. 15ff der Revision des BF), in einer Gesamtschau aller Umstände davon aus, dass – ungeachtet seiner Konversion – Art 3 EMRK zum gegenwärtigen Zeitpunkt seiner Rückkehr nach Afghanistan entgegenstünde, was der BF anhand aktueller Länderberichte gerne näher erläutern kann. Sollte das Gericht sich nicht ohnehin auf entsprechende Berichte stützen, bringt der BF seiner Mitwirkungspflicht nachkommend gerne aktuelles Berichtsmaterial hierzu ein.“ Der Bericht und dieser Antrag auf Einvernahme weiterer Zeuginnen wird später behandelt.
1.25. Am 25.06.2021 wurde den Verfahrensparteien noch die zuletzt aktualisierten Länderinformationen zur Stellungnahem vorgelegt. Sie hatte die Möglichkeit binnen 14 Tagen dazu Stellung zu nehmen. Diese Länderinformationen lauten.
Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Afghanistan aus dem COI-CMS, generiert am: 11.06.2021, Version 4
Die UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (UNHCR)
EASO Country Guidance: Afghanistan vom Dezember 2020 (EASO)
Homepage der WHO: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/coronavirus-disease-covid-19 abgerufen am 25. Juni 2021
https://covid19.who.int/region/emro/country/af abgerufen am 25. Juni 2021 (WHO)
1.26. Mit Schreiben vom 09.07.2021 wurde zu den Länderberichten eine Stellungnahme eingebracht. Dabei beantragte der Beschwerdeführer eine weitere Einvernahme und dass zwei Zeuginnen geladen werden sollen. Diese würden den Beweis erbringen können, dass er sich aktiv christlich betätigte (erste Zeugin; zurzeit als er noch in OÖ lebte), und auch, dass er dies weiterhin machen würde (zweite Zeugin; in Bezug zum jetzigen Wohnort). Die beiden Zeuginnen mögen jedoch erst im September geladen werden. Ebenso wurden weitere Empfehlungsschreiben vorgelegt. Nämlich eine Bestätigung der evang Pfarrgemeinde A.B Wien Simmering und ein Schreiben der Pfarrerin, welche auch als Zeugin einvernommen werden wolle. Weiters wurde folgender Bericht vorgelegt „Erfahrung und Perspektiven abgeschobener Afghanen im Kontext aktueller politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen Afghanistans, Herausgegeben von Diakonie Deutschland, Brot für die Welt, Diakonie Hessen, Juni 2021 von Friederike Stahlmann“.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
2. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.
2.1. Zum Beschwerdeführer individuell:
[Leben in Afghanistan/Iran]: Der BF führt den im Spruch erwähnten Namen und ist am XXXX geboren. Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist nach wie vor schiitischer Moslem. Er ist Kandarhar in Afghanistan geboren. Im Kleinkindalter verzog die Familie in den Iran (sh Seite 7 der NS am 17.12.2019). Er besuchte dort 5 Jahre zur Schule. 2012/2013, als er ca. 18 Jahre alt war, verzog die Familie wieder nach Afghanistan zurück und siedelten sich wieder in Kandarhar an. Dort blieben sie ein Jahr und übersiedelten anschließend wieder zurück in den Iran. Von dort zog die Familie schließlich nach Europa. Bis zur Einreise nach Österreich (und nach der Beweiswürdigung auch darüber hinaus) gehörte er zwar den islam-schiitischen Glauben an, praktizierte diese Religion allerding nicht aktiv.
2.1.1. [Soziale Verhältnisse]
Er hat folgende engere Verwandte:
? Bruder XXXX Mit Bescheid vom 10.12.2018, Zl. XXXX , bekam er einen positiven Asylbescheid wegen Konversion zum Christentum bzw dem Abfall vom islamische Glauben. Er ist derzeit arbeitslos.
? Bruder XXXX derzeit arbeitslos.
? Schwester XXXX derzeit arbeitslos.
? Mutter XXXX derzeit arbeitslos.
Der BF lebt mit ihnen gemeinsam in einem Haushalt in 1110 Wien. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vater vor 10 Jahren verstorben sei.
? Bruder XXXX . ( XXXX ) Er wohnt derzeit nicht in diesem Haushalt.
2.1.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF keine Verwandten mehr in Afghanistan hat. Er hat zwei Tanten und einen Onkel mütterlicherseits und drei Tanten, sowie vier Onkel väterlicherseits. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass alle diese Verwandte - wie er vor dem BvWG vorbringt - im Iran leben und dass er zu ihnen keinen Kontakt mehr hat.
2.1.3. [Ausbildung und Berufsausbildung]: Der BF besuchte 5 Jahre lang die Schule in seiner Heimatregion. Er hat in Afghanistan oder Iran keinen Beruf ausgeübt. Er spricht die Sprache Dari und ein wenig Deutsch.
In Österreich hat er eine Lehre als Koch begonnen, aber nicht abgeschlossen. Er arbeitet derzeit als Aushilfskraft in eine Wiener Restaurant im 3. Wiener Gemeindebezirk, wo er derzeit ca 1.100.- bis 1.200.- Euro netto verdient. Eine Beschäftigungsbewilligung hierzu liegt vor. Er ist der einzige im Haushalt, der einen regelmäßigen Beruf nachgeht und Einkommen erzielt.
2.1.4. Der BF ist strafrechtlich unbescholten. Er hatte zwar Kontakt zu Suchtmittel nach dem SMG, wurde deswegen zur Anzeige gebracht, aber deswegen nicht verurteilt. Eine Anklage wurde ebenso bis jetzt nicht erhoben.
2.1.5. Der BF ist weitgehend gesund.
2.2. Zu seinen Fluchtgründen:
2.2.1. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Hazara und wegen seiner Religionszugehörigkeit zu den Schiiten konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt.
2.2.2. Der Beschwerdeführer ist bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land weder psychischer noch physischer Gewalt ausgesetzt.
2.2.3. Der Beschwerdeführer wurde nicht deswegen verfolgt, weil sein Bruder beim afghanischen Militär gearbeitet hat und wird bei einer Rückführung auch nicht deswegen bedroht werden.
2.2.4. [Nachfluchtgrund]: Der Beschwerdeführer wuchs als Angehöriger der muslimischen Religion schiitischer Ausrichtung auf. Er ist nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert. Er würde im Falle einer Rückkehr den hier begonnenen Weg des Christentums nicht fortsetzen, weil er die inneren Werte nicht vollends aufgenommen hat.
2.3. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich zumindest seit April 2016 durchgehend in Österreich auf. Er ist nach seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 11.04.2016 in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.
2.4. Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse auf Niveau B2, wobei er die Prüfung diesbezüglich noch nicht abgeschlossen hat (sh Punkt 1.9). Der Beschwerdeführer besuchte Integrationskurse.
2.5. Er arbeitet regelmäßig ehrenamtlich, indem er bei der evangelischen Kirche mithilft.
2.6. Der Beschwerdeführer konnte in Österreich Freundschaften zu Österreicher/Innen knüpfen und engagiert sich innerhalb der evangl Kirche. Der Beschwerdeführer verfügt über Verwandte in Österreich (sh dazu Punkt 2.1.1. [Soziale Verhältnisse]). Er lebt mit diesen jedoch nicht in einem gemeinsamen Haushalt und ist von diesen nicht finanziell abhängig. Er hat keine Sorgepflichten in Österreich.
2.7. Der Beschwerdeführer wird von Vertrauenspersonen, den Gemeindemitgliedern sowie den Lehrern als höflich, leistungsstark, motiviert, anpassungsfähig, beschrieben.
2.8. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
2.8.1. Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr in die Herkunftsprovinz Kandarhar aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.
2.8.2. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung außerhalb seiner Heimatprovinz, insbesondere in der Stadt Mazar-e Sahrif, liefe der Beschwerdeführer nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
2.9. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
2.9.1. Folgend werden die Länderinformationen auszugsweise wiedergegeben: Diese Information wurde zum Parteigengehör gehoben (sh dazu Punkt 1.25. Am 25.06.2021 wurde den Verfahrensparteien noch die zuletzt aktualisierten Länderinformationen zur Stellungnahem vorgelegt. Sie hatte die Möglichkeit binnen 14 Tagen dazu Stellung zu nehmen. Diese Länderinformationen lauten.).
2.9.1.1. Allgemeine Wirtschaftslage
Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 21).
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 21).
Der durchschnittliche Lohn beträgt